ScienceFiles-Briefs: Aha-, Oh-No Effekte und Rat für Verbraucher

Zwei wissenschaftliche Beiträge haben heute meine Aufmerksamkeit erregt und mir ein “Aha” bzw. ein “Oh No!” entwunden.

Das Aha kommt aus Gießen und steht unter folgenden Überschrift:

Bioladengänger schaden der Umwelt

BioBioladengänger oder BioGesundLeber, also Sie wissen schon, die Leute, die nach eigener Ansicht besonders gesund leben, und “der Umwelt zuliebe” Schrumpeläpfel und mit Kupfervitriol versetzten Biowein oder andere Produkte aus biologischem Anbau kaufen, schaden der Umwelt mehr als ein Adipöser aus der Unterschicht, der sich bei Aldi seinen Einkaufswagen mit Fertigessen und Bier vollpackt.

Davon wird derzeit auf Scinexx berichtet. Grundlage sind die Forschungen, mit denen sich Elmar Schlich und seine Kollegen Anne Sima, Insa Möhrmann und Daniela Thomae derzeit an der Justus-Liebig Universität Gießen beschäftigen. Weil Bioprodukt-Käufer in der Regel mit dem PKW vorfahren, um ihr halbes Kilogramm Äpfel zu kaufen, verschmutzen sie die Umwelt weit mehr als Kunden von Supermärkten, die ihre Einkaufswagen bis zum Rand füllen. 275 Kunden von Biomärkten, deren Einkaufsverhalten Schlich und Kollegen untersucht und mit dem von 400 Kunden von Supermärkten vergleichen haben, belasteten die Umwelt pro Kilo Bioprodukt mit rund 1000 Gramm CO2 im Vergleich zu 124 Gramm Co2 pro Kilogramm für Supermarktkäufer. Also: Deutsche kauft in Supermärkten – der Umwelt zuliebe.

Damit nicht genug, die Forschung ist Folgeforschung früherer Forschung, die uns Konsumenten eindeutige Hinweise auf die Art und Weise gibt, wie man umweltschonend einkaufen kann.

Entsprechend sollten Konsumenten

  • justus Liebignicht auf dem Land wohnen, weil man dort weiter fahren muss, um zum Supermarkt zu kommen;
  • wenn sie dennoch auf dem Land leben müssen, entweder ihren Einkauf einmal monatlich mit dem Leih-LKW durchführen oder eine Einkaufsgemeinschaft bilden, um die Auswirkungen auf die Umwelt gering zu halten;
  • Am besten ist es, wenn sich die Kunden von Supermärkten oder Bioläden in unmittelbarer Nähe der Supermärkte/Bioläden ansiedeln und ihren Einkauf nicht per Auto oder Leih-Lkw, sondern per, sagen wir: Schubkarre und zu Fuss durchführen;

Diese Folgen der Forschung von Prof. Schlich und seinen Kollegen sind wir doch alle bereit zu tragen, der Umwelt zuliebe. Seit ich diese Forschungs-Konsequenzen gelesen habe, frage ich mich: Wenn Bioladengänger, die mit dem Auto einkaufen fahren, die Umwelt schon derart belasten, was ist dann mit dem Eltern-Kleinwagenauftrieb, der jeden Morgen und an jedem frühen Nachmittag vor Kindergärten und Schulen zu beobachten ist? Wie viele Gramm CO2 pro Kilo abtransportiertem Kind produzieren die entsprechenden Eltern? Wann untersuchen die Gießener Forscher diese wichtige Fragestellung?

Bleibt nachzutragen, dass die Forschungsergebnisse auf den Angaben von 401 Endverbrauchern an normalen Ladenkassen sowie 400 Supermarktkunden und 275 Biomarktkunden basieren. Befragt wurden die Kunden zu ihrem Einkauf und zu ihrer Anreise zum Einkauf. Ergänzt wurden die Informationen durch 20 Tagebücher, die Verbraucher im Raum Gießen vermutlich mehr oder weniger akkurat geführt haben.

Oh No!

scully facepalmDas Oh-No hat ein Report hervorgerufen, ein IAQ-Report, IAQ steht für Institut für Arbeit und Qualifikation. Das Institut ist in Duisburg oder Essen, jedenfalls an der Universität Duisburg-Essen angesiedelt und produziert regelmäßig Reporte, und Report 2/2013 beschäftigt sich mit der Work-Life-Balance und zeigt im Wesentlichen, dass Frauen im Hinblick auf ihre Arbeitszeit deutlich hinter Männern zurückbleiben und dass sie, wenn sie sich erst einmal als fertil erwiesen haben, noch weiter hinter Männern zurückbleiben, noch weniger arbeiten als sie das eh schon taten.

Der Bericht, von Angelika Kümmerling erstellt, arbeitet also mit aggregierten Daten und hat somit deskriptive Informationen, die etwas über eine Verteilung aussagen. Und wenn sich zu deskriptiven Informationen die Phantasie der Autorin hinzugesellt, dann führt dies zu einem “Oh No!”, bei mir:

“Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Arbeitsmarktbeteiligung in der EU-27 sind auch nach jahrzehntelanger politischer Diskussion noch gravierend. Zwar gelingt die Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt zunehmend besser, was sich in hohen Beschäftigungsquoten, insbesondere auch von Müttern widerspiegelt. Betrachtet man aber zusätzich auch die von Frauen geleisteten Arbeitszeiten, so zeigt sich, dass es noch ein weiter Weg ist, bis Frauen in punkto Arbeitsmarktchance den Männern gleich gezogen haben.” [Hervorhebung von mir](15)

Grundlage dieser Aussage sind Daten aus dem European Working Conditions Survey, in dem im Abstand von fünf Jahren eine (vermeintlich) repräsentative Querschnittsbefragung durchgeführt wird. Die letzte fand im Jahr 2010 statt. Querschnittsbefragungen sind keine Längsschnittuntersuchungen, und entsprechend sind Aussagen über Verläufe oder zeitliche Veränderungen mit Vorsicht zu genießen, aber das nur nebenbei. Das eigentliche “Oh No!” hat sich bei mir aus der Gleichsetzung einer ungleichen Verteilung mit “Chancengleichheit” ergeben.

logo_iaqRollen wir das Feld von Hinten auf. Arbeitsmarktchancen sind für Frauen schlechter, weil sie weniger Zeit mit Arbeit zubringen, was dafür spricht, dass eine Integration in den Arbeitsmarkt, die irgendjemand durchführt oder durchführen will, der nicht benannt werden kann, gelingt, aber nicht gut genug gelingt, so schreibt die Autorin.  Ja, bzw. Oh No!

Hat Frau Kümmerling schon einmal daran gedacht, dass auch Frauen einen eigenen Willen haben könnten und wenn dem so ist, dass sie sich gegen die Arbeit und für die Freizeit entscheiden? Dass, mit anderen Worten, die im Vergleich zu Männern und für aggregierte Daten festzustellende geringere Arbeitszeit darauf zurückzuführen ist, dass nicht eine Integration in den Arbeitsmakt, von wem auch immer betrieben, nicht (gut, wie geplant, wie vorgesehen, wie erwartet) gelingt und Frauen entsprechend benachteiligt sind, sondern darauf, dass sich Frauen entscheiden, weniger zu arbeiten als Männer, wenn sie sich überhaupt entscheiden, zu arbeiten? Für manche ist das ein revolutionärer Gedanke, aber es ist so, Frauen sind tatsächlich dazu in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Sie sind gar nicht die kleinen Dummchen, zu denen sie der Staatsfeminismus so gerne disqualifiziert.

Sima, Anne, Möhrmann, Insa, Thomae, Daniela & Schlich, Elmar (2012). Einkaufswege als Teil des Consumer Carbon Footprints (CCF). Zum Anteil des Endverbrauchers an der Klimarelevanz von Prozessketten im Lebensmittelbereich. ErnährungsUmschau 59(9): 524-530.

Kümmerling, Angelika (2013). Arbeiten und Leben in Europa. Arbeitszeit und Work-Life-Balance aus einer Lebensphasenperspektive. Universität Duisburg-Essen: Institut für Arbeit und Qualifikation 2/2013.

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