Tit-for-Tat: Liberale Moral
Moral, ein Begriff, der immer mehr in Vergessenheit zu geraten scheint, beschreibt ein Normensystem, das Auffassungen über richtig und falsch, über gut und böse beinhaltet. Offenkundig flottiert ein solches Normensystem nicht frei im Raum. Es muss vereinbart und entsprechend verhandelt werden.
Zum Glück gibt es eine Vielzahl geteilter Vorstellungen darüber, was richtig und falsch, gut und böse ist, geteilte Vorstellungen, die sich auf Basis der conditio humana und auf Basis einer menschlichen Entwicklungsleistung einstellen, die Immanuel Kant in seinem kategorischen Imperativ beschrieben und Thomas Hobbes als die wichtigste seiner Verstandestugenden gefasst hat. Gemeint ist damit die Einsicht, dass man anderen besser mit Wohlwollen begegnet, denn tut man es nicht, so könnte es passieren, dass einem diese anderen auch nicht mit Wohlwollen begegnen.
Bei Kant nimmt diese Einsicht eine normative Form an („Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde”), bei Hobbes ist es eine Leistung der Vernunft, die intelligente Menschen zu dem Schluss kommen lässt, dass Vorteile, die sie sich z.B. durch Übergriffe auf andere Menschen verschaffen können, schnell durch Schutzmaßnahmen zunichte gemacht werden, die man gegen Übergriffe durch andere Menschen ergreifen muss.
Moral baut grundlegend auf dieser Einsicht auf und ist entsprechend eine Entwicklungsleistung, von der man sagen könnte, dass sie den Menschen erst zum Menschen macht, und sie ist eine Entwicklungsleistung, die manche nicht zu erbringen im Stande sind.
Es ist relativ einfach, diejenigen zu erkennen, die die entsprechende Entwicklungsleistung nicht erbracht haben: Sie können anhand von zwei Kriterien erkannt werden:
- Sie verursachen Dritten Externalitäten, indem sie physische, psychische oder intellektuelle Übergriffe auf deren Integrität vornehmen.
- Sie vertrauen darauf, dass jene Dritte die Externalitäten hinnehmen. Sie ruhen sich auf der Liberalität ihrer Opfer aus und kalkulieren damit.
Elisabeth Tuider ist jemand, der diese beiden Kriterien erfüllt. Sie will sexualpädagogisch intervenieren, und sie bereitet all denen moralische Externalitäten, die nicht der Ansicht sind, man müsse ihre Kinder oder generell Kinder in Schulen mit Analverkehr und der Einrichtung eines Bordells belästigen. Und sie ruht sich darauf aus, dass die entsprechend moralisch Verletzten sich nicht zur Wehr setzen, Tuider nicht sagen, was sie von den entsprechenden Ansinnen halten – in der pazifistischsten Variante.
Lann Hornscheidt ist ebenfalls jemand/etwas, das/der/die diese Kriterien erfüllt. Er/sie/es will eine neue Sprache durchsetzen und ruft dazu auf, dieses Durchsetzen über “Interventionen” vorzunehmen, die z.B. darin bestehen, Veranstaltungen von Gegnern ihrer/seiner Ideologie zu stören oder Bücher, die von dem abweichen, was Hornscheidt für richtig hält, zu beschädigen. Er/sie/es verursacht Externalitäten für Dritte, die sich z.B. mit einer seltsamen für sie nicht verständlichen Sprache konfrontiert sehen, die ihnen nichts sagt, oder die sich mit einem studentischen Mob in ihren Veranstaltungen oder mit fehlenden Seiten in Büchern konfrontiert sehen. Er/sie/es vertraut darauf, dass die entsprechenden Adressaten der “Interventionen” sich nicht zur Wehr setzen und erdulden, was ihnen zugemutet wird.
Aus liberaler Sicht stellt sich die Frage, wie man mit Personen umgeht, die offensichtilch eine Entwicklungsleistung zum moralischen Menschen nicht erbracht haben, die nicht in der Lage sind, eine einfache Überlegung anzustellen, die da lautet: Was passiert, wenn andere mich so behandeln, wie ich andere behandle?
Die Antwort findet sich in einem Buch, das Robert Axelrod bereits 1984 veröffentlicht hat, und sie lautet: Tit-for-Tat. Tit-for-Tat ist ein Computerprogramm, das Anatol Rapoport entwickelt hat. Es besteht aus genau 5 Anweisungen in FORTRAN und hat sich in einem Turnier gegen 62 konkurrierende Computerprogramme durchgesetzt. Ziel des Turniers war es, die Strategie zu finden, die für Kooperationen zwischen Akteuren den größten Erfolg verspricht. Tit-for-Tat ist das Programm, das in Kooperationen zu den besten Ergebnissen führt. Es startet mit Goodwill, mit Wohlwollen und reagiert in der Weise, in der ihm begegnet wird. Nimmt das Gegenüber das Kooperationsangebot von Tit-for-Tat an und kooperiert seinerseits, dann kooperiert Tit-for-Tat weiterhin. Versucht das Gegenüber das Kooperationsangebot und die damit verbundene Vorleistung auszunutzen und defektiert, dann reagiert Tit-for-Tat ebenfalls mit Defektion und kündigt die Kooperation auf.
Die Funktionsweise von Tit-for-Tat kann nun genutzt werden, um das moralische Dilemma, in dem sich Liberale befinden, wenn sie mit Personen konfrontiert sind, die die moralische Entwicklungsleistung, die hier beschrieben wird, nicht erbracht haben, die Übergriffe auf Dritte landen, wie dies für Tuider und Hornscheidt beschrieben wurde.
Wenn demnach Tuider oder Lann Hornscheidt das Wohlwollen, das ihnen entgegen gebracht wird, z.B. dadurch, dass man sie auf ihren Positionen gewähren lässt und nicht nach dem Nutzen, den sie erbringen, fragt, mit Defektion goutieren, wenn sie Externalitäten durch Übergriffe auf Dritte, seien es Schüler, seien es Lehrende an Universitäten und ihre Studenten, seinen es Leser, die mit fehlenden Seiten in Büchern konfrontiert sind, verursachen, dann erfordert dies eine entsprechende Reaktion, ein “Tat”, eine Form der Abschreckung, die den Aggressoren zeigt, dass sie eine Grenze überschritten haben und sich besser und so schnell wie möglich auf ihre Seite der Grenze zurückziehen.
Wie kann diese Abschreckung aussehen? Nun, sie besteht darin, den Aggressoren ihre eigene Medizin zu trinken zu geben.
Lann Hornscheidt ruft dazu auf, die Veranstaltungen anderer zu stören, deren Lehre Inhalte umfasst, die Lann Hornscheidt nicht positiv beurteilt. Entsprechend kann Lann Hornscheidt nichts dagegen haben, wenn diejenigen, die mit dem, was Lann Hornscheidt vorschlägt, nicht einverstanden sind, in ihre/seine Veranstaltungen drängen, um dort zu stören.
Lann Hornscheidt ruft dazu auf, aus Büchern Seiten herauszureißen, die Inhalte haben, die von ihm/ihr nicht positiv beurteilt werden. Entsprechend kann Lann Hornscheidt nichts dagegen haben, wenn diejenigen, die mit dem, was Lann Hornscheidt schreibt, nicht einverstanden sind, Bücher von Lann Hornscheidt zur Hand nehmen und Seiten, die ihnen nicht gefallen, herausreißen.
Tuider behauptet, ihre sexualpädagogischen Interventionen in Klassenräumen seien gerechtfertigt, um Kinder zu selbständigen Menschen zu erziehen, entsprechend kann sie nichts dagegen haben, wenn die selbständigen Menschen ihre neu erworbenen Kenntnisse in ihrem Büro ausleben.
Und so weiter.
Ein vernünftiger Mensch, ein Mensch, der den kategorischen Imperativ von Kant verinnerlicht hat, wird natürlich erkennen, dass er sich in einer Eskalationsspirale befindet, dass es wenig Sinn macht, Übergriffe mit Übergriffen mit Übergriffen zu beantworten. Ein Vernünftiger Mensch wird wissen, dass diese Eskalationsspirale der Grund dafür ist, dass er Übergriffe auf Dritte unterlässt.
Tuider und Lann Hornscheidt fehlt diese Einsicht. Sie sind über die Reaktionen auf ihre “Interventionen” überrascht, was der beste Beleg dafür ist, dass sie die Entwicklungsleistung zum moralischen Menschen (noch) nicht erbracht haben. Sie müssen es entsprechend auf die harte Tour lernen, wie man so schön sagt, in dem sie – wie oben dargestellt – mit den Folgen, ihrer Übergriffe konfrontiert werden, immer in der Hoffnung, dass sich spätestens dann ein Lerneffekt einstellt.
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Es ist äußerst traurig, wie in Ihrem Artikel die Moralphilosophie und ihre ehrwürdige Tradition dazu verwendet wird, gegen anders geartete Meinungen und Weltbilder aufzubegehren. Dies hat – mit Verlaub – nichts mehr mit der Philosophie zu schaffen. Vielmehr liest sich Ihr Artikel wie eine Kampagne gegen bestimmte Personen und deren Ansichten. Die Philosophie scheint dabei nicht mehr als ein Deckmantel zu sein, um dem Unterfangen einen legitimen Anschein zu geben.
Es ist äußert traurig wie in ihrem Kommentar die Moralphilosophie und ihre ehrwürdige Tradition dazu verwendet wird, gegen anders geartete Meinungen und Weltbilder aufzubegehren. Dies hat – mit Verlauf – nichts mehr mit der Philosophie zu schaffe. Vielmehr liest sich Ihr Kommentar wie eine Verteidigung bestimmter Personen und deren Ansichten. Die Philosophie scheint dabei nicht mehr als ein Deckmantel zu sein, um dem Unterfangen einen legitimen Anschein zu geben.
Herr Klein, Sie sagen es, dem ist nichts hinzuzufügen.
Als ich den Kommentar von der “Lebensmelodie” (ist das nicht ein schöööööööner Deckname?!) las, hatte ich den starken Impuls, darauf zu antworten, aber dann las ich Michael Kleins Kommentar und Ihren, “Kruxdie26”, und fand, dass Sie völlig Recht haben; dem ist in der Tat nichts hinzuzufügen!
Was erwartet ihr auch von Frauen, die höchstwahrscheinlich gottlos sind und demnach bestimmt schon einmal Aussagen gemacht haben wie: “Gut und Böse ist nur eine menschliche Fiktion.” Oder “Klare Grenzen zwischen Gut und Böse gibt es nicht mehr”. Das solche verkommenen Gestalten keinen Funken Moral oder Ehre besitzen dürfte ja nun niemanden verwundern.
Ich fürchte auf einen Lerneffekt werden wir vergeblich warten, denn wie sagte schon Voltaire: „Bedenkt, dass Fanatiker gefährlicher sind als Schurken. Einen Besessenen kann man niemals zur Vernunft bringen, einen Schurken wohl.”
Und da ich Hornscheidt und Tuider nicht als Schurken sehe ……
Das Problem ist, daß Leute wie Tuider, Hornscheidt, oder unsere Verfassungsrichterin Baer fest davon überzeugt sind, Ihr Handeln stehe mit dem Kant´schen Imperativ in keinem Widerspruch.
Sie erträumen geradezu, daß alle ihre Vorstellungen und Handlungen zum universellen Gesetz werden können und sollten.
Es ist ihnen vollständig unverständlich, daß es Leute gibt, die anderer Meinung sein könnten.
Auch nur die geringsten Anzeichen von Einsicht oder Reflexion zu erhoffen wäre naiv, angesichts der in der Vergangenheit gezeigten Empfänglichkeit für Argumente und Logik.
“Das Problem ist, daß Leute wie Tuider, Hornscheidt, oder unsere Verfassungsrichterin Baer fest davon überzeugt sind, Ihr Handeln stehe mit dem Kant´schen Imperativ in keinem Widerspruch.”
Warum sollten die sich an einem von einem patriarchalischen männlichen Wesen aus einem längst vergagenen Jahrhundert autoritär rational oktroyierten Imperativ orientieren, der nur dazu geschaffen zu sein scheint, Widerspruch gegen sie zu legitimieren? Allein schon das Wort “Imperativ”! Das allein bedeutet doch schon Unterdrückung.
IM ERNST: Glauben Sie, die haben Kant gelesen oder auch nur das geringste Interesse daran?
Genau das gleiche habe ich in etwas anderen Worten kommentiert. Ich habe Ihren Kommentar nicht rechtzeitig gesehen/gelesen – Asche auf mein Haupt! Aber auf diese Weise wird wenigstens erkennbar, dass ich Ihrer Einschätzung ohne Einschränkungen zustimme!
http://www.amazon.de/Psychopathen-Heiligen-Anw%C3%A4lten-Serienm%C3%B6rdern-lernen/dp/3423249757
In diesem Buch ist die Tit for Tat Theorie auch schön beschrieben worden.
Als Fazit, Psychopathen können durchaus einen gesellschaftlichen Vorteil erzielen, insbesondere dann, je unaufgeklärter und schuldbewusster die Gesellschaft im Gesamten ist.
Langfristig zahlt sich das Verhalten des Psychpathen mit teils stratosphärischem wahnhaften Selbstbewusstsein allerdings nicht durch, die Psychos suchen sich dann eine andere “Gesellschaft” wo sie sich erneut austoben können..
“Das Problem ist, daß Leute wie Tuider, Hornscheidt, oder unsere Verfassungsrichterin Baer fest davon überzeugt sind, Ihr Handeln stehe mit dem Kant´schen Imperativ in keinem Widerspruch”
– bei allem guten Willen muss ich sagen, dass ich noch nichts von Tuider oder Hornscheidt oder Baer gehört habe, das vermuten lässt, dass sie wissen, dass es einen so genannten Kant’schen Imperativ überhaupt gibt, und schon gar nicht, was er besagt. Gemäß ihres Weltbildes stellt sich vermutlich ohnehin die Frage, warum man alte Texte von weißen Männern aus der westlichen Welt lesen sollte, zumindest im Fall von Hornscheidt vielleicht sogar, warum man die Texte von denselben nicht längst geschwärzt oder am besten eingesammelt und nach einer intensiven Reflektion des Bösen, das weiße Männer anrichten, in einem Freudenfeuer verb(r)annt hat.
Aber ich fürchte, dass ich langsam, aber sicher dahinkommen muss, Ihnen zuzustimmen, wenn Sie schreiben;
“Es ist ihnen vollständig unverständlich, daß es Leute gibt, die anderer Meinung sein könnten.”
In deren Augen, so scheint es, kann man nämlich keine andere Meinung haben, wenn man ein vollwertiger Mensch ist. Wäre man es, und wäre man nicht schlicht “böse” oder dumm, dann hätte man nämlich selbstverständlich dieselbe Meinung wie sie selbst. Und Demokratie – was war jetzt noch ‘mal Demokratie?!?… naja, jedenfalls brauchen wir das nicht; wir brauchen bloß das Gute, das in der Gleichschaltung nach den eigenen persönlichen Überzeugungen besteht. Gesellschaftliches Zusammenleben ist doch einfach, wenn alle nach meiner Pfeife tanzen …..
es wäre vielleicht nicht schlecht, sich das büchlein des leider unterschätzten filosofen hoerster anzuschauen:
Norbert Hoerster: Was ist Moral? Eine philosophische Einführung. Stuttgart: Reclam (2008). (Reclams Universal-Bibliothek. 18575.)
zu kant, der ja immer gern genommen wird, wäre wenigstens anzumerken: das ist ein imperativ. und der stellt uns — und schon kant — vor genau das problem, das er schon bei sapere aude hatte. man kann nicht befehlen, sich seines verstandes zu bedienen. und man muß befehlen nicht folgen.
im übrigen kann jedes handeln zum gesetz erhoben werden, es gibt genügend historische beispiele.
auch, vorkritisch: Kant, Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral. 1764
Tuider & Hornscheidt zeigen nur eins: unsere Gesellschaft degeneriert. Die beiden sind nur die Spitze des Eisbergs. Unsere Unis spucken halbjährlich Massen an “Sozialwissenschaftler” aus. Wo sollen die alle hin? Da kann sich ja nur ein gesellschaftlich parasitäres Ökosystem ausbilden.
Nun ja, letztlich wurde jede Hochkultur durch Degeneration und Subkulturen vernichtet. Beides haben wir bereits im Land, jetzt sind wir halt dran.