Wenn Kinder mit dem Feuer spielen: “Nazis beim Arbeitgeber melden”

“Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik”, ist der Titel eines Buches von Kurt Sontheimer, das es – wie viele gute Bücher – derzeit im Buchhandel nur noch als Gebrauchtbuch zu erwerben gibt. Das ist schade, denn das Buch von Sontheimer, es sollte Unterrichtsgegenstand sein, in Schulen und an Universitäten als Standardwerk eingesetzt werden, um nicht nur die Gefahren antidemokratischen Denkens aufzuzeigen, sondern vor allem den Inhalt und Gegenstand antidemokratischen Denkens.

SontheimerWenn die Lektüre des Buches von Kurt Sontheimer zu der Einsicht führt, dass eine Demokratie auf einer Reihe von Werten basiert, die geschützt werden müssen und nicht zur Disposition gestellt werden können, Werte wie die Meinungsfreiheit, den gleichen Zugang zu gesellschaftlichen Positionen für alle Gesellschaftsmitglieder, das Verbot der Privilegierung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, den Schutz von Eigentum und das Gebot, Gewalt nur zum Zwecke der Selbstverteidigung einzusetzen, dann wäre schon viel gewonnen.

Wenn sich zudem die Erkenntnis verbreiten würde, dass Demokratien nicht nur von rechts, sondern mindestens genauso stark von links bedroht werden, dann wäre noch mehr gewonnen:

Sontheimer (1968: 25-26): “Die akute Bedrohung der Weimarer Republik ging von ganz Links und von Rechts aus. Auf der extremen Linken behaupteten sich die Kommunisten vor allem zum Ende hin als eine beachtliche antidemokratische Partei. Auf der antidemokratischen Rechten hat man einen alten von einem jungen Nationalismus unterschieden.”

Und wenn sich dann noch die Erkenntnis einstellt, dass eine Demokratie nur dann funktionieren kann, wenn sie auf einem Konsens basiert, der die oben genannten Werte umfasst und Kooperation in der Gesellschaft ermöglicht, dann wäre am meisten gewonnen.

Von diesen Einsichten sind viele jedoch weit entfernt und man hat den Eindruck, die Gräben, die die Gesellschaft in Deutschland in mehrere Lager teilen, sie werden von Tag zu Tag größer. Dass sie größer werden, daran arbeiten Linke und Rechte in trauter Eintracht. Sie, Linke wie Rechte, sie brauchen einander, denn ihre jeweiligen Ideologien sie sind so nichtssagend, dass sie nur über ein Feindbild integriert werden können.

Zu diesem Feindbild gehört es, dass man die eigene Gruppe jeweils als die moralisch überlegene Gruppe inszeniert, die entweder Deutschland vor Flüchtlingen schützt oder Flüchtlinge vor Deutschen schützt. Welcher Mythos der Zuschreibung moralischer Überlegenheit an die eigene Gruppe zu Grunde liegt, ist eigentlich egal, im Ergebnis sind beide Gruppen, linke wie rechte Extremisten, Feinde der Demokratie, deren Grundlage sie in Kleinarbeit zerstören.

Dabei erweisen sich linke Extremisten wieder einmal als die effektiveren. Wenn es darum geht, einen gesellschaftlichen Konsens nicht nur zu zerstören, sondern auch auf Jahre hin unmöglich zu machen und Misstrauen und Unfrieden zu säen, sind Linke Rechten weitaus überlegen.

So hat gerade ein “Hans Fischer”, den es natürlich nicht gibt, ein Video auf YouTube gestellt, in dem in 5 Schritten einfach erklärt wird, wie man “Nazis beim Arbeitgeber” melden kann. Der Euphemismus “melden” steht natürlich für Denunziation, dafür, Meinungsfreiheit durch eine Hetzjagd auf Personen mit falschen Meinungen zu beseitigen.

Eine Demokratie muss auch Aussagen über Flüchtlinge vertragen, die der gesunde Menschenverstand als dumm, bösartig oder menschenverachtend eindordnet. In jedem Fall können die entsprechenden Aussagen kein Anlass für eine Sauberkeitspolizei sein, “einschlägige Facebook-Gruppen” zu durchforsten, um dort “Screenshots” von Kommentaren zu machen, die derjenige, der die Zeit hat, Facebook-Gruppen zu durchsuchen, gerade für volksverhetzend oder beleidigend hält.

Aber genau das wird in dem Video von “Hans Fischer” empfohlen. Mehr noch: Man solle den Arbeitgeber dessen, der sich vermeintlich volksverhetzend geäußert hat, herausfinden und dem Arbeitgeber den Screenshot schicken, um damit die Entlassung dessen zu erreichen, der sich vermeintlich volksverhetzend geäußert hat.

Hier spielen Kinder mit dem Feuer. Hier wird die Denunziation als moralisch zu rechtfertigendes Mittel gefeiert, um Personen aus dem öffentlichen Raum zu beseitigen, die die falsche Meinung vertreten. Was derjenige, der sich hinter Hans Fischer verbirgt, wohl sagen würde, wenn sich der Wind drehen würde und nunmehr Linke als Verbreiter nicht akzeptabler Meinungen gehetzt und denunziert würden?

Offensichtlich ist die Denunziation all derer, deren Meinung man nicht mag, kein Mittel, um gesellschaftlichen Frieden oder die Basis gesellschaftlichen Zusammenlebens herzustellen. Das ist eigentlich ein einfacher Gedanke, einer, den Kant mit seinem kategorischen Imperativ nahegelegt hat und den man als intellektueller Linker oder zumindest Linker, der sich für intellektuell hält, eigentlich nachvollziehen können sollte.

Ebenso sollte man nachvollziehen können, dass diejenigen, die Opfer einer entsprechenden Denunziation werden, ihrer Umgebung fortan mit Misstrauen begegnen werden und somit für jegliche Form von Kooperation verloren sind, auch für Kooperation, von der Linke abhängen, schon weil sie nicht einfach ab der “verunsicherten Mitte” alle aus der Gesellschaft ausschließen und dennoch darauf vertrauen können, dass das Bafög oder Hartz IV in gewohnter Regelmäßigkeit fließt.

Wer derart fahrlässig mit den Grundlagen einer Demokratie umgeht, der muss entweder die geistige Verfassung eines Kindes aufweisen oder es darauf anlegen, die Grundlagen der Demokratie zu zerstören und die Herrschaft der Furcht vor Denunziation zu etablieren, eine Herrschaft, die Stalin ebenso perfektioniert hatte wie das Regime der SED.

Ritter von der traurigen GestaltSchließlich muss man sich fragen, was das für armselige Gestalten sind, die Nazis beim Arbeitgeber zu melden als “neue Freizeitgestaltung” ansehen oder “Nazis bequem von zu Hause aus beim Arbeitgeber melden” wollen.

Eines ist sicher, geistig normal können Menschen, die sich daran weiden, Menschen, deren Meinung menschenverachtend oder empörend sein mag, die sie aber dennoch nicht kennen, in deren privatem Leben zu schaden. Die Psychologie hält dafür den Begriff des Sadisten vor, der sich am Schaden anderer weidet. Stanley Milgram hat in seinen berühmten Experimenten gezeigt, dass eine sadistische Dosposition unter autoritären Persönlichkeiten nicht gerade selten ist, und wir können an dieser Stelle mit Milton Rokeach anfügen, dass sich die entsprechende sadistische Disposition vornehmlich bei Personen findet, die einer Religion, einem Kult oder einem bestimmten Glauben anhängen, von dessen absoluter Wahrheit sie so überzeugt sind, dass sie dafür sozialen oder auch tatsächlichen Mord begehen.

Und natürlich vertragen sich die entsprechenden Kulte und Religionen, ob sie nun Kommunismus, Sozialismus oder Nationalismus genannt werden, nicht mit den Grundlagen der Demokratie.

Was noch anzufügen ist, ist die Führungsideologie der Linken, die in der Aufforderung “Nazis beim Arbeitgeber melden” zum Ausdruck kommt, mit der die eigene Unfähigkeit und Feigheit auf den Pater Familias, in diesem Fall den Arbeitgeber übertragen wird, jenen Arbeitgeber, den Linke in anderen Zusammenhängen als neo-liberalen Bonzen beschimpfen und dessen Praktik, vor Einstellung die Bewerber u.a. im Hinblick auf ihren Facebook-Auftritt zu selegieren, sie so furchtbar finden. Sie sind nicht gerade ein Ausbund an Konsistenz, diese Linken, eher ein Ausbund an Bigotterie oder schlichter Dummheit.

Ob das Video von Hans Fischer den Tatbestand der Volksverhetzung darstellt, wäre durch einen Staatsanwalt zu prüfen.

§130 StGB: (1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert […] wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

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