Die Lösung des Problems: Zwangskastration für Rechtsextreme?

In der Kategorie Forschung, die (derzeit) niemand braucht, widmen wir uns heute einem Arbeitspapier, das den Titel “Intergenerational Correlations of Extreme Right-Wing Party Preferences and Attitudes toward Immigration” betitelt ist und von Alexandra Avdeenko und Thomas Siedler zu verantworten ist.

Das Paper, so steht unter “7. Conclusions”, berichtet die ersten Ergebnisse zur Intensität des intergenerationalen Zusammenhangs rechtsextremer Parteineigung sowie zu Einstellungen gegenüber Immigration. Die intergenerationalen Schätzungen, so heißt es weiter, deuten auf einen starken und statistisch signifikanten intergenerationalen Zusammenhang im Hinblick auf eine rechtsextreme Parteineigung bei Söhnen, nicht jedoch bei Töchtern hin. Männer, die bei rechtsextremen Eltern aufgewachsen sind, haben eine um 13 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, selbst eine rechtsextreme Parteineigung zu entwickeln. Des weiteren finden die Autoren, dass Kinder, während deren formativer Jahre (0 bis 16 Jahre) Eltern eine große Besorgnis über die Zuwanderung ausgedrückt haben, eine um 23 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit haben, selbst über Zuwanderung sehr besorgt zu sein.

Kurz: Es gibt Menschen die Parteien zuneigen, die als rechtsextrem bezeichnet werden und die bei Eltern aufgewachsen sind, die auch schon den entsprechenden Parteien zugeneigt haben. Und dann gibt es noch Menschen, die sind bei Eltern aufgewachsen, die sich sehr besorgt über Zuwanderung geäußert haben und die sind auch sehr besorgt.

SOEPDieses Ergebnis haben Avdeenko und Siedler auf Grundlage der Daten des Sozio-Ökonomischen Panels berechnet. Die erklärte Varianz ihrer Modelle dümpelt zwischen 6% und 17%. Die theoretische Fundierung, die man zum Beispiel in Lerntheorien oder Sozialisationstheorien hätte suchen können, sofern es Bildungsforscher und Sozialisationstheoretiker gibt, die wahnsinnig genug sind, eine so flüchtige und instabile Variable wie die Parteineigung über Sozialisation oder Lerneffekte erklären zu wollen, fehlt bei Avdeenko und Siedler gleich ganz.

Was also macht man mit dem Ergebnis, das Avdeenko und Siedler produziert haben? Was folgt daraus, dass die Parteineigung, die Eltern für eine rechtsextreme Partei haben, eine Korrelation von 0.128 mit der enstprechenden Parteineigung der Söhne aufweist, wogegen die Parteineigung der Eltern für die Grünen mit einer Korrelation von 0.269 mit der entsprechenden Parteineigung der Töchter zusammenhängt?

Was folgt daraus, dass zwischen Müttern, die sagen, sie seien über Zuwanderung sehr besorgt, und deren Söhnen und Töchtern, die auch sagen, sie seien sehr besorgt über Zuwanderung, eine Korrelation von 0.254 bzw. von 0.269 im SOEP gemessen werden kann (wie auch immer)?

Was folgt daraus, dass Avdeenko und Siedler die formative Phase für Kinder vom ersten bis zum sechzehnten Lebensjahr verlängert haben – z.B. für die Dauer des Aufenthalts im Kindergarten?

Avdeenko Siedler IZAWir wissen es nicht. Allerdings stimmt es uns bedenklich, dass die Autoren kein Problem damit haben, ein “gender gap in the intergenerational association in right-wing extremist party affinity and attitudes towards immigration” (22) zu konstatieren. Es stimmt uns einerseits bedenklich, weil es bei Einstellungen zu Immigration in den Daten von Avdeenko und Siedler keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen, Söhnen und Töchtern gibt. Es stimmt uns andererseits bedenklich, dass Autoren nicht zögern, aus Modellen, deren Erklärkraft man bestenfalls als lausig bezeichnen kann, weitreichende Schlüsse zu ziehen.

Insofern ist die Überschrift vermutlich nicht zu weit hergeholt, denn Ergebnisse wie die von Avdeenko und Siedler warten nur darauf von jemandem, der sich für wohlmeinend hält, und deshalb Rechtsextreme am liebsten ausrotten würde, aufgenommen und in die Forderung in der Überschrift umgewidmet zu werden.

An Universitäten landauf landab wird regelmäßig über die Verantwortung von Wissenschaftlern diskutiert. Gerade wenn es um Modethemen wie den Rechtsextremismus geht, haben Wissenschaftler vor allem die Verantwortung, der aufgeladenen und irrationalen Stimmung keine weiteren affektiven Stimuli zu liefern. Um Letzteres zu verhindern reicht es gewöhnlich, die eigene Forschung theoretisch begründen. In manchen Fällen ist dies dann auch bereits das Ende der eigenen Forschung, denn wie will man z.B. theoretisch begründen, dass eine Parteineigung, also die Aussage, dass man eher einer als einer anderen Partei zuneigt, über Generationen vererbt oder anerzogen wird, und zwar vor dem Hintergrund, dass Parteineigungen im Verlauf eines Lebens wechseln wie die Windrichtung im Herbst?

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