Christliche Republik Deutschland: Während Kreuzigungen ist auf Tanzen zu verzichten

Das alljährliche Ritual: Tanzen an Karfreitag oder nicht, es findet auch 2016 wieder statt. In Zeitungen, auf Twitter und an anderen Stellen wird über das Tanzen an Karfreitag gestritten, darüber, ob man dann, wenn man selbst keiner Religion angehört, den Gefühlen anderer Respekt entgegenbringen muss, wie dies der Frankfurter Kirchendezernent Uwe Becker (CDU) fordert oder ob man in einer angeblich säkularen Republik nicht erwarten kann, dass diejenigen, die unbedingt ihren Glauben leben wollen, den Gefühle derer, die nicht glauben, Respekt entgegenbringen und sie tanzen lassen.

Swing_tanzen_verbotenDeutsche können sich darüber endlos streiten, und wir die wir nun im 10 Jahr im Vereinigten Königreich leben, in dem religiöse Feiertage gänzlich unbekannt und vorhandene Feiertage zum Einkaufen, Rugby oder Fußball spielen oder zum Feiern und Tanzen genutzt werden, können uns nur endlos verwundert die Augen reiben und uns fragen, wie man in Deutschland auf die Idee kommt, in einer säkularen Gesellschaft zu leben.

In einer säkularen Gesellschaft herrscht eine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche, d.h. das, was Kirchenvertreter gerne feiern, dürfen sie gerne feiern, unter sich, mit denen, die ihren Glauben teilen und ohne dass es Externalitäten für andere hat. Dass aus religiösen Gründen den anderen Bürgern des Vereinigten Königreichs untersagt werden könnte, an Karfreitag in die Discothek zu gehen, es ist schlicht undenkbar, denn das Vereinigte Königreich ist säkular.

Deutschland ist nicht säkular. Deutschland ist eine religiöse Demokratie, und zwar nicht nur deshalb, weil mit den Grünen religiöse Eiferer an Regierungen beteiligt sind, sondern deshalb, weil der Staat kirchliche Aufgaben übernimmt: Er treibt Kirchensteuern ein, finanziert kirchliche Angelegenheiten, stellt Kirchen von Steuerzahlung frei und übersetzt kirchliche Traditionen in staatliches Recht, kurz: Deutschland ist keine Demokratie, Deutschland ist ein christlicher Glaubensstaat, in dem die Gruppe der Christen anderen ihre Bräuche aufzwingt.

Das ist eine Feststellung, die man nicht mögen kann, die man aber nicht bestreiten kann, so lange es Gesetze gibt wie das Gesetz über die Sonn- und Feiertage des Landes Nordrhein-Westfalen, in dem neben anderen Dingen das folgende geregelt wird:

§ 6
Stille Feiertage

tanzverbot1“(1) An Sonn- und Feiertagen sind während der Hauptzeit des Gottesdienstes verboten:

a) öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und öffentliche Auf- und Umzüge, die nicht mit dem Gottesdienst zusammenhängen,

b) alle der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen, bei denen nicht ein höheres Interesse der Kunst, Wissenschaft oder Volksbildung vorliegt,

c) öffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen, soweit hierdurch der Gottesdienst unmittelbar gestört wird,

d) größere sportliche Veranstaltungen und solche, durch die der Gottesdienst unmittelbar gestört wird.

Dieses Verbot gilt nicht für den 3. Oktober, wenn dieser Tag auf einen Wochentag fällt. Es gilt ferner nicht für gewerkschaftliche Veranstaltungen am 1. Mai. Als Hauptzeit des Gottesdienstes gilt die Zeit von 6 bis 11 Uhr. Die örtliche Ordnungsbehörde kann im Einvernehmen mit den Kirchen festlegen, daß diese Zeit bereits vor 11 Uhr endet.

[…]

(3) Am Karfreitag sind zusätzlich verboten:

1. alle in Absatz 1 genannten Veranstaltungen bis zum nächsten Tag 6 Uhr, mit Ausnahme der Großmärkte, die bis zum nächsten Tag 3 Uhr verboten sind,

2. alle nicht öffentlichen unterhaltenden Veranstaltungen außerhalb von Wohnungen bis zum nächsten Tag 6 Uhr,

3. die Vorführung von Filmen, die nicht vom Kultusminister oder der von ihm bestimmten Stelle als zur Aufführung am Karfreitag geeignet anerkannt sind, bis zum nächsten Tag 6 Uhr,

4. Veranstaltungen, Theater- und musikalische Aufführungen, Filmvorführungen und Vorträge jeglicher Art, auch ernsten Charakters, während der Hauptzeit des Gottesdienstes.

§ 7
Sonstige Verbote

(1) Am Gründonnerstag ist ab 18 Uhr öffentlicher Tanz verboten.

(2) Auf den Vorabend des Weihnachtstages finden ab 16 Uhr § 5 Abs. 1 Buchstabe a und § 6 Abs. 1 sinngemäß Anwendung.

Das ist mehr als eindeutig und lässt die Frage, warum Deutschland nicht den Zusatz christliche Republik führt, rhetorisch erscheinen.

In jedem Fall kann man sich ab sofort alle wiederkehrenden Diskussionen darüber, ob an Karfreitag getanzt werden darf oder nicht, sparen, denn Deutschland ist kein säkulares, sondern ein religiöses Land, eine christliche Republik und entsprechend wird nicht getanzt. Wer auf Toleranz der christlichen Gläubigen für abweichende Vorlieben bei Nichtgläubigen wartet, der wartet vergeblich und sollte einen Kurzurlaub in London buchen: Zum Tanzen am Karfreitag.

P.S.

Es geht nicht darum, Christen, die bei Kreuzigungen dabei sein wollen und ihre religiösen Praktiken nicht zu respektieren, sondern darum, Christen zu vermitteln, dass die Forderung von Respekt es erfordert, nun seinerseits diejenigen zu respektieren, die nicht glauben. Respekt bedeutet, dieselbe Toleranz für deren Vorlieben aufzubringen, die für die eigenen Vorlieben eingefordert wird.

P.P.S.

Um keine Missverstädnisse aufkommen zu lassen: Säkularisierung meint die Abschaffung kirchlicher Feiertage, d.h. es gibt keinen freien Karfreitag mehr, sondern einen ganz normalen Arbeitstag-Karfreitag – für alle.

 

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