Keine Lehre: Geldbuße für Professor
Es war ein Fest des Individualismus, als Dr. habil. Heike Diefenbach die Personalabteilung der Ludwig-Maximilian-Universität in München in einen Schockzustand versetzt hat. Wie? Nun, Sie hat sich geweigert, sich verbeamten zu lassen. Entweder man ist Wissenschaftler und seiner Lehre und seinem Gewissen verpflichtet oder man ist Beamter und der Diener eines Staates, der fortan über seine Handlanger weisungsbefugt ist.
Die Geschichte aus München, der hilflose Appell. „Aber dann kann ich die Akten gar nicht schließen, wenn Sie sich nicht verbeamten lassen“, sie sind noch heute eine schöne Anekdote.
Aber die Geschichte ist weit mehr als eine Anekdote, die man zur Unterhaltung erzählen kann. Wie richtig Dr. habil. Diefenbach mit ihrer Entscheidung, sich nicht zum verbeamteten Handlanger eines Staates zu machen, gelegen hat, zeigt eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster, von der der Justillion berichtet.
Ein Hochschulprofessor, der sich hat verbeamten lassen, war nicht mehr bereit, seine Vorlesung in Konstruktionstechnik durchzuführen: Der Lärmpegel der Studenten lasse dies nicht zu. An die Stelle einer Vorlesung sind deshalb mehrere kleinere Übungsgruppen – in der Hoffnung, auf diese Weise das, Wissen, das vermittelt werden soll, an die Studenten zu bringen – getreten.
Wäre der Kontext ein anderer, dann würde man unseren Professor als Opfer des Zugrunde-Sparens von Universitäten bei gleichzeitiger Überfüllung mit ungeeigneten Studenten beschreiben, ihm für seinen Mut gratulieren und anfügen, dass das im Lärmpegel der Studenten ausgedrückte Desinteresse deutlich zeige, dass Letztere sowieso keinen Wert auf die Vorlesung legen. Also kann man sie auch bleiben lassen. Im weiteren Verlauf des Nachdenkens wird man dann zu einem Punkt kommen, an dem man den Professor fragt, ob ihm die Autorität fehlt, um eine Meute von Studenten ruhig zu stellen, wird sich aber gleich an die Kader, die neuerdings die Lehrveranstaltungen an Hochschulen bevölkern, erinnern und dem Professor Recht geben. Warum soll er sich einen Kopf über die Studierunwilligkeit seiner Studenten machen und eine offenkundig sinnlose Veranstaltung durchführen?
Warum?
Nun, die Veranstaltung steht im Curriculum des Fachbereichs als Vorlesung und nicht als Übung, also muss sie auch als Vorlesung durchgeführt werden. Man kann ja auch nicht einfach in einem Weinlokal Bier bestellen – oder? Man kann auch sagen „Befehl ist Befehl“, aber das wäre der falsche Kontext.
Zudem ist unser Professor verbeamtet und deshalb weisungsabhängig und weisungsgebunden und sein Rektor hat ihn angewiesen, die Vorlesung, egal, ob unsinnig oder nicht, durchzuführen.
Unser Professor aus Münster, offensichtlich dem Irrtum aufsitzend, es gebe die Wissenschaftsfreiheit und die Entscheidung, ob eine Veranstaltung besser als Vorlesung oder besser als Übung durchgeführt werden solle, sei davon umfasst, hat sich geweigert, der Weisung des Rektors zu folgen.
Der Rektor hat ein Disziplinarverfahren gegen unseren Professor eingeleitet mit dem Ergebnis, dass unser Professor zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt wurde, weil er der Weisung nicht Folge geleistet hat.
Unser Professor hat Klage vor dem Verwaltungsgericht Münster erhoben.
Und ist abgeblitzt.
Er habe gegen die Pflicht, eine dienstliche Weisung zu beachten (§ 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen und gegen die Wohlverhaltenspflicht in § 34 Satz 3 BeamtStG.
“Soweit der Kläger meine, er sei im Hinblick auf die ihm zustehende Lehrfreiheit zum – einmaligen – Abbruch der Vorlesung berechtigt gewesen und habe der Weisung in der vorliegenden Form nicht Folge leisten müssen, habe er seine rechtliche Stellung als verbeamteter Hochschullehrer verkannt.“ So zitiert der Justillion das Urteil der Münsteraner Verwaltungsrichter: „Im Ergebnis hat das Gericht eine Geldbuße in der ausgesprochenen Höhe von 500 Euro für erforderlich gehalten, um den Kläger zu künftig ordnungsgemäßem Verhalten anzuhalten.“
Wenn es offensichtlich möglich ist, verbeamtete Hochschullehrer selbst bei Trivialitäten zu Wohlverhalten zu zwingen, dann muss man kein Prophet sein, um vorherzusehen, was passiert, wenn wirklich einmal etwas auf dem Spiel steht. Wer also nicht Gefahr laufen will, zu Handlangerdiensten angewiesen zu werden, der muss sich weigern, verbeamtet zu werden, der darf sich nicht von seinem Staat, mit der Aussicht auf sichere Anstellung und eine üppige Pension ködern bzw. kaufen lassen.
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Sehr guter Artikel.
Leider kann man die Erfahrungen dieses Professors auch auf die sogenannte “freie” Wirtschaft übertragen.
Ein gewisses Maß an Unabhängigkeit, aber eben auch nur ein gewisses Maß!, hat man zum Teil nur als Freiberufler, Selbstständiger, oder mit sehr viel Geld, über das man gegebenenfalls frei verfügen kann.
Alle anderen, nämlich Arbeitnehmer, können sich glücklich schätzen, wenn sie einen Chef haben, der ihnen nicht dauernd irgendwelche Schwachsinns-Aktionen abverlangt.
Leider ist es sogar so, daß man auch als Selbstständiger oder Freiberufler gezwungen werden kann, völlig sinnfreie Tätigkeiten auszuführen, oder ausführen zu lassen – der Zwang kommt dann von Vater Staat und/oder von großen Unternehmen, mit denen man eventuell in Geschäftskontakt steht und auf deren Aufträge und Wohlwollen (Wohlwollen???) man als Unternehmer angewiesen ist.
Der Trend zu diesem Unsinn, mit dem das Arbeitsleben durchsetzt wird, ist zu einem großen Teil der Versicherungs-Industrie und der daran hängenden Zertifizierungs. und Klassifizierungs-Industrie und natürlich unseren lieben Beamten in Deutschland und der EU zu verdanken!
Praktische Beispiele gibt es en masse.
Ach wie schön wäre es, hätten wir doch mal Politiker, die den Amerikanern in´s Gesicht sagen “Nein! Wir machen nicht jeden Schwachsinn mit, den Ihr Euch ausdenkt!”
Mit bestem Gruß,
Andreas Damm
“Der Trend zu diesem Unsinn, mit dem das Arbeitsleben durchsetzt wird, ist zu einem großen Teil der Versicherungs-Industrie und der daran hängenden Zertifizierungs. und Klassifizierungs-Industrie und natürlich unseren lieben Beamten in Deutschland und der EU zu verdanken!!”
Wenn Sie dieser Auffassung sind (und ich stimme Ihnen diesbezüglich zumindest teilweise zu -, dann macht Ihre letzte Bemerkung über die Amerikaner keinen Sinn: Weder ist die USA in der EU noch gibt es in den USA Beamte und Beamtenrecht!
Ich glaube, dass der Unsinn, von dem Sie schreiben, daher kommt, dass in der Wirtschaft tendenziell dieselbe Entwicklung zu beobachten ist wie die, die die Staatsquote in die Höhe getrieben hat: die Mittelschicht ist enorm gewachsen und sucht verzweifelt nach white-collar-Berufen, die ihr, wenn schon kein anständiges Einkommen, doch ein mittelmäßiges Gehalt und – in ihren eigenen Augen – etwas sozialen Status verschaffen, sprich: Multiplikator, An-An-An-Institutsmitarbeiter, Berater, Coach, Projektleiter oder -mitarbeiter, Abteilungsleiter, Manager im mittleren und unteren Bereich etc. etc.
Für all diese Leute gibt es keine sinnvolle Arbeit; also weicht man aus auf Beschäftigungstherapie oder erfindet irgendwelche Mängel oder Mißstände, die unbedingt weggemanagt, wegberaten, weggeredet, weggecoacht, weggeregelt …. werden sollen.
Ich denke sogar, dass die gesamte gesellschaftliche Entwicklung – inklusive z.B. politische Korrektheit, Sprach- und Gedankenpolizei – zumindest AUCH ein Ergebnis dieser Entwicklung, dieses Anschwellen des Mittelschichts-“Wasserkopfes” ist.
Jaaaa, stimmt – Den Nachteil des verbeamten spez. eines Wissenschaftler/in hab ich bisher gar keine Beachtung geschenkt. Danke an “sciencefiles”, so lernt man doch immer wieder hinzu oder erweitert zumindest seine Sichtweise.
Und wieso fällt mir nun als erstes die Klimalüge ein? Na egal:
Lange Zeit hab ich mich immer wieder gefragt, warum so viele Wissenschaftler wider besseren Wissens die CO2-Lüge verteidigen. Immerhin ist das Thema “menschgemachter Klimawandel” nix neues, hat doch schon meine Generation vor knapp 50 Jahren in der Hauptschule über den Einfluß des Menschen auf Klima und Wetter diskutiert. Und al Gores Warnung war ebenfalls keineswegs die erste.
So mancher Wissenschaftler wird es also wohl nicht allein des Geldes wegen tun.
Schönen Tag noch.
+1
Alle Achtung, alte Schwedin!
Daß Beamten- und Wissenschaft nicht zusammengehen sieht man zur Zeit deutlich. Früher hätte ich auf Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit gesetzt. Aber wenn es darauf ankommt, dann ist Hopfen und Malz verloren, dann zählt nur die Befehlskette.
Daß er zu Lehrveranstaltungen verpflichtet ist hätte er als Professor wissen müssen. Notfalls hätte er es bei Danisch nachlesen können.
Es bleibt als bittere Konsequenz, daß nur freie Wissenschaftler als Wissenschaftler ernstzunehmen sind. Der ganze Klima- und Sozialklamauk hat mit Wissenschaft nichts zu tun — und noch einiges andere. Jeder hängt sich gern das Mäntelchen der Wissenschaft um und Journalisten küren dann die Experten, denn die müssen es wissen. Letztendlich macht die ständige Wiederholung Wissenschaft. Genau das soll nicht passieren. Das Kriterium der Realität tritt in den Hintergrund und Wiederholung und Vorurteile übernehmen das Regime. Es bestimmen genau die Kriterien, was Wissenschaft ist, gegen die die Wissenschaft mal angetreten ist.
Carsten
—
“Die Eliten sind gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem.”
Joachim Gauck, Bundespräsident
Meines Wissens, gibt es in Deutschland keine Beamten mehr. Quelle: Zeitschrift Zeit online. Genannt wird das 131er Urteil des BvfG vom 17.12.1953.So hat vor allem im Deutschen Verwaltungsblatt (Heft 3 vom 1. Februar 1954) der Staatsrechtslehrer der Heidelberger Universität, Professor Dr. Ernst Forsthoff, das Urteil und die Begründung ausführlich erörtert. Professor Forsthoff ist der Meinung, daß die tragenden Feststellungen der Urteilsbegründung, „mit denen der Tenor des Urteils steht und fällt“, von jetzt an alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden binden. Somit entziehe das Urteil den des Amtes verlustig gegangenen Beamten, indem es die Beamtenverhältnisse für am 8. 5. 1945 erloschen erklärt, alle rechtsstaatlichen Sicherungen und überweise sie dem Wohlwollen des Sozialstaates. Somit gibt es aus meiner Sicht nur Bedienstete, die “Beamte” genannt werden dürfen, aber keine hoheitlichen Rechte haben wie vor
Februar 1954.
Bitte steigen Sie wieder in Ihre Reichsflugscheibe. Ihr Visum ist abgelaufen.
Einer nennt Daten, Urteile und Argumente. Der andere bringt nur die üblichen Blödeleien, ganz argumentfrei. Wen von Euch beiden Süßen werde ich nun ernstnehmen und wen nicht?
Carsten
—
Heißes Bier mit Zimt
Das hilft bestimmt
Ist es jetzt schon soweit, daß das Zitat von BRD-Gerichtsentscheidungen zur Psychiatrisierung führt?
Typen wie Sie fallen in erster Linie dadurch auf, daß sie sich mit der eigentlichen Aussage gar nicht befassen, selbst dann nicht, wenn sie direct aus dem Herzen des BRD-Systems kommen und von anerkannten Fachjuristen formuliert wurden.
Das gibt zu denken!
In der sache haben Sie und Genoss_Innen nichts zu sagen, also versuchen Sie es mal mit der Diskreditierung, nicht?
Vielleicht geht der Professor in Berufung und bekommt vor dem LVG hoffentlich recht.
Und falls er auch da Unterliegt kann er die Vorlesung ja auch Montag morgens um 8.00 Uhr oder Freitag abends um 18.00 Uhr ansetzen, dann werden, wenn überhaupt, nur die interessierten Studenten kommen.
@
Andreas Damm
Das hat weniger mit Beamten sonder mehr mit Verwaltungsangestellten zu tun, da diese Probleme nicht vom Status “Beamter” sondern von der Größe der Organisation abhängig sind.
Großunternehmen sind meist genauso Bürokratisch (und Politisch) wie der Staat.
@ Karl Winzen. Es geht in dem Urteil des BVerfG und in dem Kommentar von Forsthoff um Beamte, die vor 1945 ernannt wurden. Das ist heute also kaum relevant. Kommentare, die im Stil der Reichsbürger versuchen, eine fehlende Legalität unseres Beamtenrechts nachzuweisen, sind zudem nicht weiterführend. Gerade der hier angeführte Fall zeigt ja, wie real das Beamtenrecht ist, wenn nämlich Hochschullehrer deswegen Strafen bekommen.
Real sind auch die Strafen, die die Mafia ausspricht und vollstreckt.
Wenn man natürlich von der Annahme ausgeht, daß ein Polizeiknüppel Maßnahmen legitimiert, dann spricht das Bände!
So rechtfertigt jedes Unrechtsregime seine Gesetze!
Macht setzt Recht.
Und Macht kommt aus dem Lauf von Gewehren.
Nicht?
Natürlich kommt Recht aus dem Gewaltprivileg der Staaten. Und ein Unrechtsstaat entsteht nicht dadurch, dass in der Geschichte eines Staates irgendwann mal Rechtsregeln gebrochen wurden. Weder war das III. Reich ein Rechtsstaat, weil das Ermächtigungsgesetz formal korrekt war, noch ist mein Eigentum (nach BGB) Unrecht, weil 1806 Kaiser Franz kein recht hatte, das Heilige Römische Reich auszulösen.
Lustige Argumentation!
Warum weist man dann nicht die Legalität des Gesetzes nach, anstatt anhand eines Urteils zu versuchen seine Legalität abzuleiten?
Dieser Artikel?
http://www.zeit.de/1954/07/es-gibt-keine-beamten-mehr/komplettansicht
Warum steht dann drüber:
Und da steht auch:
Man beachte das Wort ‘auch’. Wenn da das Wort ‘auch’ steht, dann bezieht sich das eben nicht nur auf diejenigen, die vor Kriegsende verbeamtet waren.
Schön, mal einen Experten zu diesem Thema befragen zu können.
Carsten
—
Wenn die Regierung das Volk fürchtet herrscht Freiheit.
Wenn das Volk die Regierung fürchtet herrscht Tyrannei.
Thomas Jefferson
Interessant, dass die “Zeit” plötzlich Recht setzend ist.
Und die deutsche Sprache ist genau: “auch” meint in dem zitierten Satz selbstverständlich den Unterschied zwischen den Beamten (vor 1945), die redlich waren, und denen (auch vor 1945), die es nicht waren. Forsthoff stört sich daran, dass nicht nur die unredlichen verfolgt werden.
Ich denke (und das ist jetzt eine Meinung), dass ihre Reichsbürger-Kommentare auf dieser Website witzlos sind. Diese Seite will ja gerade richtig und falsch in der gegenwärtigen (Wissenschafts-)Politik unterscheiden. Wenn alles “falsch” ist, weil ja alles “illegitim” ist, weil ja nur irgendein untergegangener Staat “recht” hat, dann macht diese Website eigentlich keinen Sinn.
Die Zeitung, DIE ZEIT, erklärt ein Urteil.
Ich denke nicht, daß es um unredliche ging, denn dann stände dies da.
Und wieder Beschimpfung.
Ich sehe, daß die Sache damit erledigt ist.
Carsten
—
„Gewissenlosigkeit ist nicht Mangel des Gewissens, sondern der Hang, sich an dessen Urteil nicht zu kehren.“
Immanuel Kant