Bereute Elternschaft: 20% der Eltern würden keine Kinder mehr bekommen

Wir wundern uns schon seit einiger Zeit darüber, welche Themen bei YouGov aufgegriffen werden. Im Gegensatz zu anderen Meinungsforschungsinstituten, die sich offensichtlich die Aufgabe gestellt haben, im Mainstream zu manövrieren und alles zu vermeiden, was eine Abweichung vom politisch-korrekten Kurs darstellen könnte, wagen sich die YouGover an Themen heran, die derzeit schwerlich als politisch korrekt gelten können.

Regretting MotherhoodSo haben sie in einer der letzten Befragungen die Ergebnisse von Orna Donath aufgenommen, die ein Buch mit dem Titel „Regretting Motherhood“ (Mutterschaft bereuen) geschrieben hat, in dem sie die Ergebnisse von qualitativen Interviews mit 23 Frauen berichtet, die ihre Mutterschaft bereuen. Qualitative Untersuchungen wie die von Donath geben Hinweise auf die Existenz eines Phänomens, beleuchten die Ursachen für die Existenz dieses Phänomens, enthalten aber keinerlei Information dazu, wie verbreitet ein entsprechendes Phänomen ist: Wie viele Eltern gibt es, die ihre Elternschaft bereuen?

Derartige Fragen kann man nur mit quantitativer Sozialforschung beantworten, und das haben die YouGover getan. 2045 Eltern haben sie befragt, u.a. dazu, ob sie dann, wenn sie sich „heute noch einmal entscheiden könnten“, keine Kinder mehr bekommen würden. Dieser Aussage stimmen 20% der befragten Eltern, also 409 Befragte zu. Dabei verteilt sich die Zustimmung auf Mütter und Väter ungefähr gleich: der Anteil der Mütter, die heute keine Kinder mehr bekommen würden, ist mit 19% etwas geringer als der Anteil der Väter mit 20%.

Die Suche nach den Ursachen für diese Ablehnung von Elternschaft hat die YouGover zu einer Reihe von möglichen Gründen, wie sie schreiben, geführt, darunter: die Beschränkung der persönlichen Freiheit, die Kinder darstellen und die die Eltern, die, hätten sie noch einmal die Wahl, keine Kinder mehr bekommen würden, in höheren Maße empfunden und erfahren haben als Eltern, die ihre Elternschaft nicht bereuen, sowie die negativen Auswirkungen, die die Ankunft des Kindes/der Kinder auf die eigene berufliche Karriere hatte.

In beiden Fällen sind die Unterschiede zwischen Eltern, die ihre Elternschaft bereuen, und Eltern, die ihre Elternschaft nicht bereuen, markant: 74% der Eltern, die ihre Elternschaft bereuen gegenüber 52%, die dies nicht tun, fühlen sich in ihrer persönlichen Entfaltung eingeschränkt, 60% der Eltern, die ihre Elternschaft bereuen, gegenüber 33% der Eltern, die dies nicht tun, denken, dass ihre Karriere ohne die Geburt ihres Kindes/ihrer Kinder besser verlaufen wäre.

Leider ist die Analyse von YouGov damit am Ende. YouGover sind halt Meinungsforscher und keine Soziologen oder empirische Sozialforscher. Wären sie eines von Letzteren, sie hätten sich dafür interessiert, wie sich die Anzahl vorhandener Kinder auf die Antworten der befragten Eltern auswirken, denn wer nach dem dritten Kind bemerkt, dass sein beruflicher Aufstieg ohne Kinder besser verlaufen wäre, der ist, mit Verlaub, kognitiv etwas langsam und mit Sicherheit mit seiner Antwort nicht so ernst zu nehmen, wie derjenige, der das bereits nach einem Kind bemerkt hat.

Wären die YouGover Sozialforscher, es wäre ihnen in den Sinn gekommen, dass der genehme Verweis auf berufliche Nachteile natürlich perfekt in die Geschichte passt, die gerade öffentlich gewoben wird, und zwar durch all die Staatsfeministen, die der Ansicht sind, man könne die Eier legenden Wollmilchsau unter dem Stichwort „Work-Life-Balance“ doch noch heranzüchten. Entsprechend könnte man denken, der Hinweis auf die beruflichen Nachteile, sei eine Form sozialer Erwünschtheit, insofern als den Befragten ein sozial akzeptierter Ausweg aus der Tatsache geboten wird, dass sie ihre Kinder lieber nicht hätten, stünden sie noch einmal vor der Wahl.

Indes wollen wir die Kritik nicht noch ausführlicher gestalten, denn es ist erfreulich, dass Meinungsforschungsinstitute sich überhaupt an derartige Themen trauen, deren Bearbeitung man eigentlich von Familiensoziologen erwarten würde. Leider sind deutsche Familiensoziologen so sehr damit beschäftigt, sich bei staatlichen Institutionen anzubiedern und entsprechende Forschungsgelder vom Bundesministerium für irgendwas, nebst vorgegebenem Forschungsauftrag zu ergattern, dass ihnen die Zeit fehlt, sich mit drängenden Themen oder auch nur mit interessanten Themen zu beschäftigen.

Entsprechend bleibt die YouGov Befragung mit hoher Wahrscheinlichkeit insofern für sich stehen, als sich kein deutscher Familiensoziologe finden wird, der vom vorgegebenen Weg, „Du sollst Nachwuchs als Geschenk des Himmels preisen“ abweichen wird.

Und hier liegt dann das größte Verdienst dieser Befragung von YouGov. In einem Land wie Deutschland, in dem Diskurse immer nur in grober Holzschnitzmanier im Hinblick darauf, ob etwas einem höheren Guten zugeordnet werden kann oder nicht, geführt werden, in dem die Bewertung bereits feststeht noch ehe man sich einem Phänomen empirisch genähert hat, in dem entsprechend klar ist, dass Kinder die Krone der Schöpfung und Elternschaft eine Form biologischen Adels darstellt, ist es umso wichtiger darauf hinzuweisen, dass die Realität mit der ideologischen Einbildung nicht in Einklang zu bringen ist: Es gibt Eltern, die bereuen ihre Elternschaft, es gibt Eltern, die interessieren sich nicht für ihre Kinder, es gibt Eltern, die vernachlässigen oder misshandeln ihre Kinder und es gibt Eltern, die ihre Kinder gerne haben.

Die Realität ist eben komplexer und Kinder nicht nur der Hort von eitel Freude und Sonnenschein als die Vorstellung von Familienpolitikern zu sein scheint.


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