Professoren anpinkeln. Das neue Hobby der vermeintlichen Intelligentia
Was ist niedriger, als sich gegenüber Leuten, die in einer Zeit lebten, die man nur vom Hörensagen kennt, die mit Randbedingungen konfrontiert waren, die man nicht einschätzen kann und die vor allem eines sind: mausetot, und das schon seit Jahren, posthum an den Karren zu fahren, sie anzupinkeln und selbst aus dem ekligen Unterfangen ethische Erhabenheit zu saugen?
Wir leben im Zeitalter des Professorenpinkelns und beginnen damit, ein Epitaph aus dem Spiegel des Jahre 1969 zu zitieren:
“
LUDWIG HEILMEYER, 70. Er war ein unorthodoxer Pontifex, urig lärmend, Weltmann aus dem Jugendstil-München, betriebsam und ein Boß — der deutsche Papst der Inneren Medizin. Im Trümmer-Deutschland, als andere Ordinarien Notbaracken bauten, ließ der Experte für Blut und Blutkrankheiten moderne Kliniken errichten und verschaffte der medizinischen Fakultät in Freiburg internationales Renommee. Als er im Pensionsalter zum Gründungsrektor der Ulmer Universität berufen wurde, machte sich der als Klinik-Chef alten Schlages gefürchtete Heilmeyer mit Vehemenz stark für Studienreform, Kollegialsystem und gegen die Pfründen-Wirtschaft. Burschikos noch als Präsident des Internistenkongresses, gab er — mit quicken Blicken durch eine knorrig schwarze Brille jedes Auditorium bezwingend — seine Losung aus: “Medizin wird Naturwissenschaft sein, oder sie wird nicht sein.”
Tatsächlich hat Heilmeyer eine lange Liste der Verdienste angehäuft (z.B. neue Verfahren zur Behandlung von Leukämie und in der Nuklearmedizin), eine Liste, von der noch heute die Namensgebung von Tumorzentren oder Einträge im Atlas der Klinischen Hämatologie und Cytologie künden.
Seine Verdienste sind unbestritten.
Niemand bestreitet sie.
Eigentlich.
Uneigentlich hat Florian Steger, ein Ulmer Medizinhistoriker, gerade in einem Vortrag zur Rolle von Ludwig Heilmeyer, dem Gründungsrektor der Universität Ulm, gehalten. Zu welcher Rolle? Na zu der im Nationalsozialismus. Was könnte im Jahre 72 nach dem Ende des Tausendjährigen Reiches und im Jahre 48 nach dem Tode von Ludwig Heilmeyer wichtiger sein, als in dessen vielleicht brauner Vergangenheit zu wühlen?
Deutschland hat keine Probleme.
Und Deutschlands angebliche Intellektuelle haben so wenig eigene Ideen, dass sie sich Selbstbewusstsein und moralische Erhabenheit dadurch zu verschaffen trachten, dass sie Personen, deren, wie Steger sagt, „Verdienste … unbestritten“ sind, in den braunen Dreck treten wollen.
Und das ist die posthume Anklageliste gegen Ludwig Heilmeyer:
- Nationale Gesinnung
- Mitglied im Freikorps Epp (so etwas wie die Anti-Antifa der Weimarer Republik)
- Mitglied im Stahlhelm (Organisation der Deutschnationalen Volkspartei)
- Anführer des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes (Rund 1/3 der Universitätsdozenten war Mitglied, vor allem Dozenten aus den Sozialwissenschaften, die für Extremismus damals wie heute offenbar besonders anfällig sind, damals NSDDB, heute Gender Studies…)
- KEIN Mitglied in der NSDAP
- Bekanntschaft mit Hans Frank und Hans Eppinger (beide böse)
- Verschweigen der Mitautorenschaft von Hans Hirschfeldt (Jude)
Das Urteil, das der Medizinhistoriker Florian Steger, von dem wir nicht wissen, ob und wenn ja welche unbestreitbaren Verdienste er für sich reklamieren kann, über den unbestreitbar Verdienstvollen Ludwig Heilmeyer spricht, ist das folgende:
„Ludwig Heilmeyer hat sein Fortkommen fest im Blick. Dabei überschreitet er auch Grenzen, was ethisch kritisch zu beurteilen ist. Er wurde bereits von Zeitgenossen als Opportunist bezeichnet“.
Das ist nun ein bemerkenswerter Satz, denn die moralische Verurteilung von Heilmeyer, dem strebsamen Maximierer des eigenen Nutzens, der auch Grenzen überschreitet, was heute natürlich niemand, schon gar kein Medizinhistoriker tun würde (dass man heute vergisst, die Leistung Dritter an dem zu würdigen, was man gerade als Eigenleistung verkaufen will, ist undenkbar – oder? Schließlich sind wir eine moralisch so hochentwickelte Kultur, dass wir die Nazis brauchen, um unsere Überlegenheit zu dokumentieren.), diese Verurteilung, sie wird gestützt vom Urteil der „Zeitgenossen“ wie Steger sich ausdrückt. Die Zeitgenossen, sie teilen sein Urteil, stützen es, sollen dem Urteil Verlässlichkeit verleihen.
Wer sind nun diese Zeitgenossen?
Scrollen wir in der Pressemeldung zurück und lesen:
„War Ludwig Heilmeyer also ein überzeugter Nationalsozialist? Steger zeichnete das Bild eines Opportunisten, dem bereits 1934 in einem Briefwechsel hohe Funktionäre der NDSAP ein „krankhaft großes Ich-Bedürfnis“, „Geltungsdurst“ und „ungeheuerlichen Opportunismus“ attestierten.“
Mit anderen Worten, Steger stützt sein Urteil über Heilmeyer auf ein Urteil von hohen Funktionären der Nationalsozialisten. Nicht, dass es ausgeschlossen wäre, dass Nationalsozialisten Personen richtig zu beurteilen im Stande sind. Aber es ist schon mehr als peinlich, wenn man Ludwig Heilmeyer als Opportunisten, der sein Fähnchen in den Wind der Nationalsozialisten gehängt hat, darstellen will und dies ausgerechnet dadurch tut, dass man eben diese Nationalsozialisten zitiert, die Heilmeyer unter anderem nicht in der NSDAP mitmachen lassen, weil er aus ihrer Sicht sein Fähnchen in den Wind der Nationalsozialisten hängt, weil er auf Deutsch KEIN ÜBERZEUGTER NAZI war.
Während wir für Heilmeyer somit feststellen müssen, dass er kein überzeugter Nazi war, müssen wir für Steger feststellen, das er die überzeugend findet, die er diskreditieren will: Nazis.
Beim Pinkeln stört das scheinbar nicht.
Wie heißt noch das St. Florian Prinzip: Lieber Gott verschon mein Bein, pinkel andere an?
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Wenn man nichts hat, womit man glänzen kann, muss man halt den Glanz der Umgebung reduzieren.
Und dabei ist der Opportunismus doch heute Staatsreligion in Almanya!
Ein Problem dabei ist die Geschichtslosigkeit der BRD-Insassen. Jemanden der in der Schule gezielt verblödet wurde, kann man so ein Machwerk unterjubeln, alle anderen wissen, daß die NSDAP nach dem 30.01.1933 gewaltigen Zulauf erhielt und ihre Mitgliederzahl vervielfachte, worauf mehrfach keine Aufnahmen mehr erfolgten, weil man die offensichtlichen Karrieristen nicht haben wollte (deren Geld, Beiträge, dann aber doch brauchte und daher fleißig aufnahm).
Den gleichen Effekt gab es bei der SED (DDR) und gibt es, wenn auch in geringerem Umfang, in der BRD. Um Karriere in bestimmten Bereichen zu machen, braucht es (auch) das “richtige” Parteibuch (wo wir dann wieder bei Amnesie International und der “nicht” vorhandenen Staatskorruption sind (mir ist durchaus bekannt wie AI richtig geschrieben wird)).
Vielleicht sollte man mal schauen, wie es da bei Stegner aussieht?
Ahja. Der Herr studierte und zwar das:
Humanmedizin, Klassische Philologie und Geschichte an der Universität Würzburg und Ludwig-Maximilians-Universität München.
https://de.wikipedia.org/wiki/Florian_Steger
Blendende Vita, möchte man meinen.
Nun, ich bin da etwas anderer Ansicht.
Und zwar als Mediziner aus dem Wissen heraus, daß keiner, wirklich keiner an einem Institut für Geschichte der Medizin reüssieren kann, der nicht Medizin studiert hat. Die gehören nämlich überall zur Medizinischen Fakultät und nicht zu den Soziopolitohistoroschwätzern aus der Analphabetenabteilung der Ungeistwissenschaften. Wie uns wenig exakt verkündet wird, hat unser Knispelchen das und zwar- in die richtige Reihenfolge gerückt- wohl nach einer gehörigen Wartezeit auf einen Medizinstudienplatz, die er mit zeitgeistigem Laberquatsch füllte und anschließend versagte. Blendende Abitursnoten als notwendige Eintrittskarte zum Medizinstudium waren bereits zu meiner Zeit harter Selektion Rarität und wenn er solche in Zeiten explodierender Noteninflation der 90er nicht geschafft hat, dürfen wir schon mal einen nicht ganz so großen Geist vermuten, jedenfalls habe ich im Beruf später diese Art Koryphäen mitunter als brotdumm und völlig ungeeignet erlebt und der Herr bestätigt es jetzt.
Indes ergab es sich in meinem Abschlußsemester, daß ein feinnerviger, redegewandter, aus Büchern bestens präparierter 1,0-Abiturs-Komilitone in der Klinik völlig versagte: Er kam mit dem in der Medizin alltäglichen Phänomen des Sterbens nicht zurecht und die Aussicht auf knallharte Notarztwageneinsätze ließ ihn in Hysterie verfallen. Unser unerbittlicher Prof. W. war aber in Wirklichkeit ein gütiger Mann: Er ließ dieses Würstchen wissen, daß er keine Chance habe, die Prüfung zu bestehen, außer, er schwöre ihm, danach ins Institut für Geschichte der Medizin zu wechseln, um keinen Schaden anzurichten. Es geschah so. Daß das Würstchen sich später zu einem Kretin Stegerschen Formats entwickeln würde, hat Prof. W. gottlob nicht mehr erlebt. Er war übrigens ein Schüler Heilmeyers.
Irgendwie erkenne ich ihn wieder, obwohl er nicht derselbe ist. …
Warum gehört die Geschichte der Medizin notwendig an eine Medizinische Fakultät? Das ist eine Spezialisierung der Wissenschaftsgeschichte/Wissenschaftstheorie. Sowas gehört an eine Philosophische Fakultät. Natürlich ist es sinnvoll mit Medizinern in diesem Fachbereich zusammenzuarbeiten, gleiches gilt für Medizinethik. Aber für die institutionalisierte Forschung und Ausbildung der Medizin halte ich Erkenntnisse über die Medizingeschichte für überflüssig, sie nicht?
Ich meine die Gefahr dass Theorien, Modelle und Praktiken, die überholt sind, widerlegt wurden dem Stand der Technik hinterherhinken, plötzlich wieder en vogue werden und deshalb in der historischen Auseinandersetzung permanent rekapituliert werden um auch jüngere Generationen zu erläutern, warum jene eigentlich überholt sind, ist doch in der Medizin nicht das Problem, wie es in den Geistes- und Sozialwissenschaften der Fall ist?
Ein nettes Bild hierzu: Der überall um sich greifende Postmodernismus entspringt einem so stark verkrustetem Weltbild, von dem offensichtlich zu viele Leute vergessen haben, dass es überholt ist und aus Ahnungslosigkeit für innovativ halten. Das wäre als würden Mediziner wieder anfangen an Homunkuli zu glauben.
@Roland
Ich kann Ihren Punkt nachvollziehen, bin aber doch der Meinung, dass die Geschichte der Medizin an eine Medizinische Fakultät gehört, einfach deshalb, weil es immerhin möglich und plausibel ist, dass Ihre durchaus richtige Feststellung, dass
“die Gefahr dass Theorien, Modelle und Praktiken, die überholt sind, widerlegt wurden dem Stand der Technik hinterherhinken, plötzlich wieder en vogue werden und deshalb in der historischen Auseinandersetzung permanent rekapituliert werden um auch jüngere Generationen zu erläutern, warum jene eigentlich überholt sind, … in der Medizin nicht das Problem …”
ist, eine Folge der schlichten Tatsache ist, DASS an Medizinischen Fakultäten die Geschichte der Wissenschaft gelehrt wird.
Ich weiß nicht, ob das in der Regel so ist oder nicht, aber mir ist schmerzlich bewusst, dass Studenten der Soziologie an vielen Fakultäten nicht (teilweise: mehr) eine wenigstens grobe Geschichte des Faches (wie z.B. die einstmals sehr enge Verbindung zwischen Soziologie und Ethnologie und die hieraus entstehende stark komparative Perspektive) und seiner Erfolge und Misserfolge (=inhaltliche Irrtümer, theoretische Holzwege, politischer und ideologischer Missbrauch …) kennenlernen. Vielmehr lernen sie bestenfalls aus dem Zusammenhang gerissene Klassiker, die gewöhnlich nicht einmal teilweise im Original gelesen werden, kennen, und schlechtestenfalls, dass es einzelne Leute gab, die irgendetwas Schlimmes getan haben, was weiß ich, von der Größe des Schädels auf Intelligenz oder Fähigkeit zu moralischem Verhalten geschlossen haben. Da werden dann einzelne Namen als Sündenböcke aufgebaut und sozusagen “weggejagt”, aber das Problem der Distanz, die Sozialwissenschaftler zur Tagespolitik halten sollten oder auch nicht, wird nicht ALS SOLCHES diskutiert (und deshalb wird es auch nie aktuell handlungsrelevant). Genau solche Dinge hätten aber Platz in Vorlesungen und Seminaren über die Geschichte des Faches.
Vor diesem Erfahrungshintergrund vermute ich, dass es sehr helfen würde, wenn (auch?) in der Soziologie eine konsequente Vermittlung der Geschichte stattfinden würde, die zumindest dabei helfen kann, die nachwachsende Generation daran zu hindern, immer wieder das Rad neu zu erfinden.
Außerdem habe ich mehrfach die Erfahrung gemacht, dass Dinge, die für das Fach oder einzelne Fragestellungen wichtig und erhellend sind, einfach vergessen wurden oder einfach aus der Mode gekommen sind, aber eben doch wichtig/erhellend sind, so dass es den Horizont der Studenten stark erweitern könnte, wenn sie sich – wenigstens beispielhaft – mit Dingen beschäftigen würden, die im Laufe der Geschichte des Faches vergessen wurden oder unpopulär geworden sind, aber ein anderes Licht auf ein bestimmtes Phänomen werfen.
Kurz: Ich sehe nicht so recht, wo derzeit zumindest in der Soziologie Vorstellungsvermögen und Fähigkeit zum kritischen Denken geschult werden, und ich vermute, dass eine systematische (!) Vermittlung der Geschichte des Faches hierzu einen Beitrag leisten könnte.
Wie gesagt, weiß ich aber nicht, ob die Vermittlung der Geschichte des Faches an Medizinischen Fakultäten noch üblich ist oder nicht.
Lange lange ist es her, aber ich meine mich zu erinnern, dass Thomas Kuhn darüber berichtet hat, dass Wissenschaftler aus den Normalwissenschaften sich nicht sonderlich für die Geschichte ihrer Profession interessierten. Sie haben ihre Helden der Wissenschaft (Newton und Einstein in der Physik / Charles Darwin in der Biologie), die eher als Ikone, als Gallionsfigur fungierten, weniger daraufhin, wie sie ihr Problem aufsattelten und damit eine neuartige Lösung in Theorie entdeckten in Vergleich zu ihren Zeitgenossen und im Verhältnis zu den vielen Vorreitern, die den Helden der Wissenschaft den Weg geebnet haben.
Aber sei es drum. Das ist zwar ein wunderschönes Thema, aber ich möchte nicht den luftleeren Raum meiner Ahnungslosigkeit und die Worte eines Wissenschaftstheorikers, die ich auch nur geträumt haben könnte, als Basis zur Diskussion nehmen.
Vielleicht finde ich ein paar Informationen seit wann Wissenschaftsgeschichte an Lehrstühlen der betreffenden Profession etabliert wurden. Ich habe den stillen Verdacht, das dies recht neu ist – eventuell sogar von den historischen Revisionisten der Gender/Antirassismus-Krieger befeuert wird.
In diesem Sinne:
Who controls the past now controls the future
Who controls the present now controls the past
Who controls the past now controls the future
Who controls the present now?
“https://www.youtube.com/watch?v=j_zyb-XXWz0”
Wenn Sie den Anfang des 20. Jahrhunderts, also so um die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als “relativ neu” betrachten, dann ist die Wissenschaftsgeschichte relativ neu -> 1901 Gründung des Instituts für die Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften in Leipzig, Leiter: Karl Sudhoff. Den Kick hat die Wissenschaftsgeschichte durch die Arbeiten von KR Popper erhalten. Die Disziplin ist in ihren Anfängen also alles andere als eine Schöpfung von “Gender/Antirassismus-Kriegern”, sie ist vielmehr notwendig, um die Kumulativität von Wissenschaft darzustellen und zu sichern.
Was Thomas Kuhn angeht, so meine ich mich an den Appendix zur Struktur wissenschaftlicher Revolutionen zu erinnern, in dem Kuhn sein Konzept der “scientific community” einer Art Pressure Group der Wissenschaften, darstellt. Demgemäß wären Peers und nicht irgendwelche Ikonen diejenigen, die für Kuhn einen determinierenden Effekt auf die Auswahl von “Rätsel” im Rahmen eines Paradigmas durch Wissenschaftler haben.
@Roland
Es IST prinzipiell möglich, dass Herr Kuhn schlicht Unrecht gehabt hätte, wenn Sie ihn richtig in Erinnerung und in seinem Sinn aufgefasst hätten! 😉
Aber auch dann, könnte man aus dem Bericht, dass sich Normalwissenschaftler nicht besonders für die Geschichte ihres Faches interessiert hätten, ja gerade die Notwendigkeit ableiten, ihnen dieselbe im Rahmen ihres Studiums sozusagen zwangszuvermitteln, in der Hoffnung, dass sich den Studenten die Relevanz und Faszination der Geschichte eines Fachs mit der Zeit mitteilen möge.
“Wissenschaftsgeschichte” als Fach oder Vorlesungsthema ist übrigens etwas anderes als Geschichte der XXX als fachbezogene Geschichte, und was die fachbezogene Geschichte betrifft, so habe ich in meinem Sozioloigiestudium immerhin bei Schluchter einen Vergleich zwischen Kant und Hegel als grundlegende Pfeiler für Menschenbilder und das Verständnis vom menschlichen Zusammenleben, also für die Soziologie, präsentiert bekommen, und im Ethnologie-Studium gab es eigens eine tour-de-force Vorlesung “Geschichte der Ethnologie”, die in der Antike begann und bei der damaligen aktuellen Ethnologie (das war so etwa am Beginn der “cognitive anthropology”-Bewegung) aufhörte. Und ich weiß noch, dass wir so viel food for thought dadurch bekommen haben, dass wir gelesen, gelesen, gelesen haben – und das Gelesene unter uns Studenten ausgetauscht und diskutiert haben, auf den Neckarwiesen im Hochsommer (statt Frisby-Spielen).
Das ist jetzt schon mehr als zwei Jahrzehnte her, und ich erzählte das nicht, weil ich in Nostalgie schwelgen will (obwohl – das war wirklich schön!). Es zeigt dass “Wissenschaftsgeschichte”, verstanden als fachbezogene Wissenschaftsgeschichte, alles andere als neu bzw. eine Schöpfung historischer “Revisionisten” – ich nenne sie: Geschichtsfälscher – ist. Im Gegenteil: Man darf nicht allzu genau in die Geschichte hineinschauen, sonst lässt sich die Fälschung schwerlich aufrechterhalten.
Man könnte Ihr eigenes Beispiel als Beleg dafür heranziehen, dass es in “Revisionismus” endet, wenn Wissenschaftsgeschichte nicht (mehr) gelehrt wird, denn dass Sie darüber spekulieren, ob Wissenschaftsgeschichte eine Erfindung von “Revisionisten” ist, zeigt ja, dass Sie sich mit Wissenschaftsgeschichte nicht viel beschäftigt haben. Oder anders gesagt: Wenn Wissenschaftsgeschichte systematisch gelehrt würde, wäre es “Revisionisten” gar nicht möglich, dieses Feld zu besetzen und vorwiegend damit assoziiert zu werden. Und das spricht m.E. stark dafür, Wissenschaftsgeschichte systematisch zu lehren.
Der Kommentar ist zwar schon älter. Herr Qed, was erwarten sie von der Elite, sitzend im Elfenbeinturm? Zu meiner Studienzeit jedenfalls war dieser Professor wenig angesehen bei Studenten und sämtliche Kliniker genervt. Aber solange es Mitarbeiter gibt die einen hofieren und zu Kreuze kriechen, wird sich daran nichts ändern. Eine Anekdote dazu: mir ist immer sein Assistent in Erinnerung, der ihm hinter her trottelte und seine Jacke wie ein Diener trug. Soviel dazu…
Dazu muss man wissen, dass ein Prof. Heilmeyer sich schon phonetisch in gefährlicher Nachbarschaft zu einem Prof. Heidegger befindet.
Dessen Rolle und Nähe zu den Nationalsozialsisten ist umstritten, jedenfalls war er zwischen 1933 und 1934 kurz Rektor der Uni Freiburg, was sowohl die Uni Freiburg als auch alles Hei…mäßige für immer und auf alle Zeiten unter generellen Dunkelmenschenverdacht stellt.
Dieser “Doppelanscheinsbeweis” ist offensichtlich unumstößlich. Q.e.d.
Wie sagte der 1999 gestorbene Journalist Johannes Gross doch so treffend?
„Je länger das Dritte Reich tot ist, umso stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen.“
Ist es wirklich so? Die einzige Quelle für seine Beurteilung ist die von nationalsozialistischen Funktionären? Historiker soll Herr Stegner sein? Aus meiner Sicht könnte ein gut gebildeter Schüler in einem Leistungskurs Geschichte zigfach besseres Quellenstudium leisten. Vor 40 Jahren hätte ich schreiben können: Jeder Schüler im Fach Geschichte der Oberstufe vermag besseres Quellenstudium und differenziertere Beurteilungen abzuliefern. In 20 Jahren könnte ich vermutlich schreiben: Jeder der das Wort Geschichte richtig schreiben kann, weiß um die weltrettenden Verdienste der größten Raute aller Zeiten.
Have a nice day.