Beheimatete und Zuwanderer: Untertanen bleiben eben Untertanen
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat einen neuen Begriff erfunden: Beheimatete. Beheimatete finden sich derzeit unter den Kategorien „Willkommen in Deutschland“ und „Integrationsprojekte“ auf der Webseite des BAMF in Formulierungen wie:
„Die Projekte setzen da an, wo Zugewanderte und Beheimatete sich begegnen: im Stadtteil oder Wohnbezirk.“
Beheimatete, das sind diejenigen, die schon da sind. Zugewanderte sind diejenigen, die dazukommen und ab jetzt da sind. Beide Begriffe dienen offensichtlich dazu, Unterschiede zu verwischen und alle, die neu kommen, egal, ob es sich um EU-Migranten, Flüchtlinge oder Expatriates handelt, über einen Kamm zu scheren und allen, die schon da sind, ein daraus ableitbares Recht als Steuerzahler, Eigentümer oder Wähler abzusprechen.
Das Besondere an der Kreation des „Beheimateten“ ist jedoch das Präfix „Be“.
Egal, in welchem Zusammenhang „Be“ vorkommt, es beschreibt immer ein Individuum, das Objekt einer Zuweisung oder eine Handlung, in jedem Fall nicht Subjekt seiner eigenen Handlungen ist. Betroffene sind von etwas betroffen, ob sie wollen oder nicht. Begünstigte werden von etwas begünstig, ob sie wollen oder nicht. Beheimatete werden von der Obrigkeit an ihrem derzeitigen Wohnort geduldet, ob sie wollen oder nicht. Mit dem „Be-„ und der damit verbundenen Objektivierung der von „Be“ Betroffenen, wird Individuen jede Form von Eigenverantwortung und Selbstbestimmung im Hinblick auf die in Frage stehende Zuweisung abgesprochen. Die Objektivierung ist immer der erste Schritt auf dem Weg zur Entrechtlichung. Ist man von einem Individuum erst zu einem Bürger, zu einem Wähler, zu einem Begünstigten, Betroffenen oder Berechtigten geworden, dann ist die Selbstbestimmung durch die Kästchen des Vordrucks beseitigt worden. Wird aus einem Wähler, einem Deutschen, einem Einwohner, einem Mitglied der Bevölkerung ein Beheimateter, dem sein Aufenthaltsort zugewiesen wird, der eben beheimatet wird, dann ist der Unterschied zu einem Zugewanderten der, dass dem Zugewanderten, bis er dann beheimatet wird, immerhin noch der Status eines Subjekts und nicht der eines Objekts zugewiesen wird.
Gibt es einen Aufschrei bei denen, die so gerne das „Othering“ beklagen?
Nein.
Einmal Untertan, immer Untertan.
Verwaltung befiehl, wir folgen.
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Wenn ich ein “Beheimateter” sein soll, dann fühlt sich das eher an als meine man “Behinderter”. Für die, die jünger sind: Das ist ein Mensch mit besonderen Bedürfnissen. Achso, na dann, wenigstens kein “Bekloppter”.
Das heißt nicht mehr “Behinderte” sondern “Menschen mit vielseitig undefinierten Begabungen”
http://www.danisch.de/blog/2017/10/10/promovieren-in-hildesheim/#more-19798
Oje. Ein Novum. ScienceFiles liebäugelt nun auch mit der “Methode” mittelalterlicher Textexegese. Nur wird hier an Morphemen herumgedeutelt anstelle der Bibelpsalme …
Fehlt Ihnen der Agentbezug auch bei Worten wie:
Berater
Betrüger
Bewältiger
Beobachter
Bewahrer
dass ein Agentbezug in Ihren obigen Beispielen fehlt, liegt sehr wahrscheinlich daran, dass diese Beispiele Substantivierungen von Verben sind. Verben, die durch das Morphem be- sowohl transitive als auch intransitive Gebrauchsformen zulassen.
Das sagt aber noch lange nicht, dass man mit dem instrumentellen Gebrauch dieses Morphems ein Propagandamittel in der Hand hält. Ein Morphem selbst ist bedeutlungslos ohne irgendein Basismorphem an dem es angeheftet wurde. Und was aus dieser Wortbildung letztlich wird, wie sie verstanden wird und welche Gebrauchsform sich letztendlich als die gebräuchlichere herausstellt (insbesondere wenn es substantiviert werden soll), liegt nicht mehr allein in der Hand des Urhebers.
Wenn überhaupt eine spezifische Wortwahl auf das Denken einen Einfluss nehmen kann, dann findet eine Instrumentalisierung der Sprache unmittelbar auf der Wortebene statt, aber auf keinen Fall auf der Morphemebene. Außerdem kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass im BAMF Leute arbeiten die auch nur den Hauch einer Ahnung von Linguistik haben, erst recht keine Ahnung von Morphologie und Morphosyntax.