Wikimedia haftet für anonyme Verleumder – Schwere Zeiten für Wikipedia
Anonyme Autoren konnten sich bislang auf Wikipedia nach Lust und Laune austoben und ihre ideologische Weltsicht in Form von unwahren Behauptungen, Rufschädigungen und übler Nachrede verbreiten.
Der Konjunktiv ist hier wichtig, denn das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 28. August dem anonymen Verleumden einen Riegel vorgeschoben.
Vor dem Landgericht hatte die 27. Zivilkammer über eine Klage von Prof. Dr. Alexander Waibel zu verhandeln. Der Karlsruher Computerwissenschaftler, der am Institut für Technologie auf dem Gebiet der Spracherkennung, Sprachverarbeitung und Sprachübersetzung forscht, wurde in der Wikipedia kurzerhand beschuldigt, „mit Hilfe deutscher Steuergelder für den US-amerikanischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein“.
Grundlage dieser üblen Nachrede war die für Wikipedia so typische Mischung von Auslassung und Verdrehung, bei der ein Bericht des ARD-Magazins Fakt, in dem Waibel der Vorwurf gemacht wurde, „jahrelang für ein amerikanisches Regierungsprogramm namens Total Information Awareness geforscht zu haben“ in Konjunktiv verpackt als Tatsache ausgegeben wurde, denn, so hieß es im gleichen Wikipedia-Artikel es „wurden Forschungen Waibels zur Analyse von massenhaft aufgezeichneten Sprechdaten von amerikanischen Geheimdienst- und Militärbehörden beauftragt und genutzt“.
Die Lust am Diffamieren, die bei vielen anonymen Wikipedia-Autoren so ausgeprägt zu sein scheint, sie hat sich auch hier Bahn gebrochen, um den Ruf des Karlsruher Computerwissenschaftlers zu schädigen.
Und eine Rufschädigung liegt nach Ansicht der drei Richter der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vor, da die von Wikipedia berichteten, vermeintlichen Fakten nicht wahr sind. Die falschen Behauptungen verletzten, so die Richter, nicht nur die Persönlichkeitsrechte Waibels, sie seien vielmehr in „höchstem Maße rufschädigend“ und stellten eine üble Nachrede dar.
Der Leser einer Enzyklopädie erwarte, (selbst wenn es sich um Wikipedia handelt), Fakten „und eben keine Verdächtigungen“. Entsprechend hätten Autoren der Wikipedia eine „Recherchierungspflicht“, die sogenannten pressemäßigen Sorgfaltsanforderungen entsprechen müsse. Dies gelte auch oder gerade für anonyme Autoren von Wikipedia.
Ein beliebtes Mittel unter manchen Wikipedia Autoren ist es, sich in boshafter Absicht, auf bestimmte Dinge zu berufen, die für die Person, die diffamiert werden soll, in ihren Augen negativ sind, diese zu verbreiten und andere, die positiv zu Buche schlagen würden, zu verschweigen. Auch dieser Praxis haben die drei Richter vom Berliner Landgericht einen Riegel vorgeschoben.
Dadurch, dass die „Autoren ihre Angaben mit Presseartikeln belegt haben … war ihnen bekannt, dass der Kläger die Aussagen im ARD-Magazin Fakt bestritten hatte. Ohne eigene Prüfung durften sie diese daher nicht als feststehend übernehmen“.
Kurz: Auch die anonymen Wikipedianer müssen sich in Zukunft an den Maßstäben von Sorgfalt und Wahrheit messen lassen, die für andere Journalisten und Schreiber gelten.
Bislang war es Wikipedia-Autoren möglich, die Konsequenzen übler Nachrede, die auf Wikipedia verbreitet wurde, zu vermeiden, weil sich die Wikimedia-Foundation auf die Position zurückgezogen hat, dass die anonymen Autoren unbekannt sind, die Wikimedia-Foundation nur die Plattform bereitstelle, daher für die Inhalte nicht verantwortlich sei und an den Inhalten auch nichts ändern könne.
Mit dem Urteil des Landgerichts Berlin ist mit diesem Unsinn Schluss:
Wikimedia, so die Richter, sei einem Host-Provider gleichzustellen und somit in Störerhaftung zu nehmen, d.h., sobald Wikimedia Kenntnis von einer Rechtsverletzung erhalte, müsse Wikimedia tätig werden: „Weist ein Betroffener den Host-Provider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist dieser verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern, wenn der Hinweis ausreichend konkret ist“.
Mit anderen Worten (um das vage Juristendeutsch zu übersetzen): All diejenigen, die auf der deutschen Wikipedia verleumdet werden, denen Tatsachen angedichtet werden und über die unwahre Behauptungen aufgestellt werden, haben nun eine Handhabe, um auf Grundlage des Urteils des Landgerichts Berlin gegen die Wikimedia-Foundation vorzugehen, die ab dem Moment, ab dem sie von z.B. einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts erfährt, für diese Verletzung haftet.
Die Zeiten, in denen anonyme Autoren nach Gusto auf Wikipedia wüten und ideologische Kriege führen konnten, nähern sich dem Ende. Wenn die Wikimedia-Foundation nicht in einer Flut von Klagen wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder übler Nachrede ertrinken will, wird man sich dort Standards überlegen müssen, um die in der deutschen Wikipedia so häufig vorzufindenden Diffamierungen all derer, die dem Genderismus nicht huldigen oder sich des Kapitalismus schuldig gemacht haben, zu beseitigen und die nick-namentlich nur zu gut bekannten „usual suspects“, die für die Mehrzahl der Verletzungen von Persönlichkeitsrechten und üblen Nachreden verantwortlich sind, am besten gleich mit.
Denn nach dem Urteil aus Berlin ist klar, dass es mit der Wikipedia nicht so weitergeht, wie bisher.
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Dann unterstützen Sie bitte das private Blog ScienceFiles!
[wpedon id=66988]
ScienceFiles-Spendenkonto
Weitere Möglichkeiten, ScienceFiles zu unterstützen
Anregungen? Hinweise? Kontaktieren Sie ScienceFiles
©ScienceFiles
Wissenschaft und Information verständlich und in Klartext.
Unterstützen Sie ScienceFiles
Anregungen, Hinweise, Kontakt? -> Redaktion @ Sciencefiles.org
Wenn Ihnen gefällt, was Sie bei uns lesen, dann bitten wir Sie, uns zu unterstützen.
ScienceFiles lebt weitgehend von Spenden.
Helfen Sie uns, ScienceFiles auf eine solide finanzielle Basis zu stellen:
Entweder direkt über die ScienceFiles-Spendenfunktion spenden [das ist sicher und Sie haben die volle Kontrolle über ihre Daten]:

Oder über unser Spendenkonto bei Halifax:

HALIFAX (Konto-Inhaber: Michael Klein):
- IBAN: GB15 HLFX 1100 3311 0902 67
- BIC: HLFXG1B21B24
Wenn Sie ScienceFiles weiterhin lesen wollen, dann sind Sie jetzt gefordert.
Ich sehe zwar im einleitenden Satz des Artikels keinen Konjunktiv, bin aber ansonsten inhaltlich voll damit einverstanden.
Anonyme Autorenschaft wird nicht geduldet. Punkt. Aus. Diese Regel würde den ganzen Spuk beenden. Welchen Grund sollte es geben, sich zu verstecken, gerade wenn und weil man einen qualifizierten Artikel geschrieben hat?
Fact and fiction
Gerade in einer Enzyklopädie, die ja nur unbestreitbare Fakten beschreiben sollte, sollte der Author mit seinem Namen auch haftbar sein. Lügen und Beleidigungen sollten im Netz genauso geahndet werden wie im richtigem Leben.
Für Meinungen ist ein Alias zulässig. Meinungsfreiheit und der Schutz des Privaten ist so gewahrt. Die Belästigung von Spinnern und zugesandtes Propagandamaterial hat mich zu einem Alias genötigt, als ich Kommentare noch mit Klarnamen unterzeichnete.
Es wäre (Konjunktiv!) doch ganz einfach:
Jeder darf weiterhin in der Wiki unter einem Pseudonym schreiben, muß aber zusätzlich seinen Klarnamen (inkl. Anschrift) hinterlegen.
Und im Fall von Diffarmierung(en) erscheint dieser zu seiner Behauptung/Meinungsäußerung. Falls sich die Klar-Info als falsch erweist (z.B. von einem bereits Toten o.ä.) dann werden ALLE Beiträge von ihm entfernt …
Der Wiki entfällt damit die Funktion als politisches Kampf-Strategem. Aber mit diesem Wegfall kann ich gut leben 😉
Für Interessierte: LG Berlin, Urteil vom 28.08.2018, Az.: 27 O 12/17
Noch immer findet sich in Prof. Waibels Wikipediaeintrag ein Link mit dem Titel “Military Intelligence Daily: Inside the Design of the US Army’s Arabic Translation App, Jibbigo”. Dass die App, “sold on both Apple’s App Store and Google Play”, zwar vom US Militär genutzt, aber rein zivil ist, erschließt sich nur über den “Jibbigo”-Eintrag in der englischen Wikipedia.