Das Lied der Deutschen – Ramelow kreiert seine eigene Geschichte

Aus der Rheinischen Post:

“Eine Bilanz zu 30 Jahre Mauerfall: Welche Errungenschaften der DDR wurden Ihrer Ansicht nach vom Westen zerstört und fehlen jetzt?

Ramelow Das beginnt schon bei der Nationalhymne. Die verfassungsgebende Runde Tisch der DDR hatte vorgeschlagen, auf beide bestehenden Hymnen zu verzichten und gemeinsam eine neue zu wählen – nämlich die Kinderhymne von Brecht. Das wurde abgelehnt. Jetzt diskutieren wir darüber, ob Björn Höcke von der Thüringer AfD die erste Strophe unserer Hymne mitgesungen hat oder nicht, in der es um den von den Nazis missbrauchten Text geht, den Hoffmann von Fallersleben 1841 geschrieben hat. Ich singe die dritte Strophe unserer Nationalhymne mit, aber ich kann das Bild der Naziaufmärsche von 1933 bis 1945 nicht ausblenden. Viele Ostdeutsche singen die Hymne aber nicht mit und ich würde mir wünschen, dass wir eine wirklich gemeinsame Nationalhymne hätten. Bisher hat dieser Wunsch leider immer nur für empörte Aufregung gesorgt.” [Deklinationsfehler sind Eigentum der Rheinischen Post]

Bodo Ramelow ist 1956 geboren. 23 Jahre nach der Machtergreifung der Nazis. 11 Jahre nach dem Ende des Tausendjährigen Reichs. Dennoch haben die Aufmärsche aus der Zeit 1933 bis 1945 einen so großen Eindruck bei ihm hinterlassen, dass er sie nicht ausblenden kann, wenn er die DRITTE Strophe der Nationalhymne, vom Lied der Deutschen singt. Damit ist Ramelow eine psychologische Besonderheit. Normale Menschen haben wiederkehrende Erinnerungen im Zusammenhang mit eigenen Erlebnissen. Ramelow hat sie im Zusammenhang mit vermutlich Filmen über das Dritte Reich, die er in der BRD gesehen hat [Hier stand zunächst DDR, aber der Herr Ramelow ist – wie mehrere Leser richtig angemerkt haben, das Produkt einer evangelischen Westerziehung …]. Normale Menschen vergessen Dinge, die für sie keinen eigenen Erlebniswert haben, innerhalb kurzer Zeit. Ramelow nicht. Er hütet bestimmte Eindrücke wie seinen Augapfel und denkt immer dann an diese Eindrücke, wenn er die dritte Strophe der deutschen Nationalhymne singt. Das grenzt an Manie, wenn es stimmt und nicht einfach eine absurde Behauptung darstellt.

Wie es der Zufall so will, haben sich die völlig unabhängig von einander agierenden Redaktionen bei ARD und ZDF dasselbe Zitat aus einem relativ langen Interview von Ramelow mit der Rheinischen Post ausgesucht und in fast identischer Weise zu einem Meme verarbeitet, mit dem sie in sozialen Netzwerken Stimmung machen wollen – gegen die deutsche Nationalhymne. Denn eines ist klar: Seit die geschlechtsneutrale Verunstaltung des Textes von Hoffmann von Fallersleben abgelehnt wurde, sieht die neue Agenda vor, das Lied der Deutschen komplett aus dem Nationalhymnenbewusstsein der Deutschen zu streichen.

Ramelow macht quasi nur die Vorhut.

Und er macht dies mit einer inadäquaten Darstellung der deutschen Geschichte. Er behauptet, die Nazis hätten das Lied der Deutschen, den Text des Liedes der Deutschen missbraucht.

Eigentlich sind wir doch alle ganz arg sensibilisiert gegen Fake News – oder? In Redaktionen wimmelt es nur so von Faktenfindern und Faktencheckern und Faktenprüfern und Faktentestern. Indes, in der Mehrzahl der Fälle, in denen ein linker Politiker oder ein linker Pseudo-Wissenschaftler vollmundig etwas behauptet, wird nicht geprüft, nicht gecheckt, nicht einmal recherchiert. Man denke nur an den Unfug der Mitte-Studie, den nicht nur die öffentlich-rechtlichen Journalisten-Darsteller durchgereicht haben.

Ein wenig Recherche zu den Behauptungen Ramelows hätte zu der Feststellung geführt, dass die Nazis das Lied der Deutschen nicht wirklich gemocht haben.

„Wer bereit ist, für sein Volk so vollständig einzutreten, dass er wirklich kein höheres Ideal kennt, als nur das Wohlergehen dieses seines Volkes, wer unser großes Lied, ‚Deutschland, Deutschland über alles‘ so erfasst hat, dass nichts auf der Welt ihm höher steht als dieses Deutschland, Volk und Land, Land und Volk, der ist ein Sozialist“.

So Adolf Hitler, nicht etwa Friedrich Ebert, in seiner Rede vom 12. April 1922 in München (Titel: Freistaat oder Sklaventum).

Ungeachtet dieses Bezugs auf das Lied der Deutschen, war das Lied nicht DIE Nationalhymne des Dritten Reiches. Denn es galt den Nationalsozialisten als nicht ausreichend, sie haben es nur aufgrund der damit verbundenen Tradition übernommen. Ab der Machtergreifung wurde „Deutschland, Deutschland über alles“ nur noch in Verbindung mit dem Horst-Wessel-Lied („Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen …“) gesungen. Das muss Bodo Ramelow in seiner so lebhaften Erinnerung dann doch entschlüpft sein.

Man muss somit feststellen, dass die Nationalsozialisten das Lied der Deutschen als Nationalhymne nicht für ausreichend befunden und es durch die eigene Partei-Nationalhymne ergänzt haben – so wie Ramelow das Lied nicht für ausreichend befindet. Wenn etwas als nicht ausreichend befunden und durch etwas anderes ergänzt wird, dann zieht man daraus normalerweise den Schluss, dass das erste Etwas abgewertet, nicht aufgewertet wird. Diese Abwertung des Liedes der Deutschen durch die Nationalsozialisten entspricht den Fakten, die Konfabulation von Bodo Ramelow, der ein Lied und einen Liedtext, mit seinen eingebildeten Erinnerungen so überlädt, dass er sich selbst von historischen Ereignissen überzeugen kann, die es so nicht gegeben hat, tut es nicht.


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