Zu viel Defätismus in alternativen Medien?

Defätismus:
“durch die Überzeugung, keine Aussicht auf Sieg, auf Erfolg zu haben, und durch eine daraus resultierende starke Neigung zum Aufgeben gekennzeichnete Haltung”, soweit der Duden, die sich entmutigend auf die Umgebung derjenigen auswirkt, die eine defätistische Haltung einnehmen – unsere Ergänzung.

Hans Albert hatte in seinen Seminaren die Angewohnheit und Alfred Bohnen vielleicht noch viel mehr, die Teilnehmer mit der Frage: “Und wo ist der konstruktive Teil?”, erst zu erschrecken, sie dann in aller Ratlosigkeit eine gewisse Zeit alleine zu lassen und dann seinerseits, den konstruktiven Teil seiner Kritik anzufügen: Kritik alleine nutzt nichts, wenn man nicht Konsequenzen bereit hat, einen Vorschlag dazu, wie man es besser machen könnte oder zumindest einen Vorschlag, wie man Verbesserungen finden könnte.
Tatsächlich ist diese Aufeinanderfolge von Kritik und Verbesserung der Kern des Falsifikationismus, den Hans Albert und Alfred Bohnen praktiziert haben, dem Falsifikationismus, wie ihn Karl Raimund Popper im Kritischen Reationalismus formuliert und Gunnar Anderson in seinem 1988 erschienenen Beitrag so hervorragend herausgearbeitet hat:

Andersson, Gunnar (1988). Kritik und Wissenschaftsgeschichte: Kuhns, Lakatos’ und Feyerabends Kritik des kritischen Rationalismus. Vol. 54. Mohr Siebeck.

Denn entgegen der Ansicht vieler, die den Kritischen Rationalismus von Popper verstanden zu haben glauben, führt die Falsifikation von Hypothesen, die aus einer Theorie abgeleitet wurden, um dieselbe zu testen, nur in den seltensten Fällen dazu, die Theorie gleich ganz zu verwerfen. In aller Regel führt die Falsifikation des getesteten Bestandteils der Theorie dazu, die Theorie zu MODIFIZIEREN.
Was im Großen geht, geht natürlich auch im Kleinen, so wie es Hans Albert dann selbst in seinem Traktat über kritische Vernunft (vor allem im 12. Abschnitt) beschrieben hat: Kritik ist kein Selbstzweck. Sie dient nicht zum Zerstören, sondern, im Gegenteil, sie dient dazu, zu verbessern, Fehler auszumerzen, eine Theorie, eine Überzeugung besser mit der Realität in Einklang zu bringen, unser Wissen auf diese Weise zu erweitern.

Albert, Hans (1968). Traktat uber kritische Vernunft. Tübingen: JCB Mohr.

Schon die Idee Poppers Theorien nicht zu nutzen, um Weltsichten zu bestätigen, sondern eine Theorie oder die eigene Weltsicht ständig der Gefahr des Scheiterns auszusetzen, ist überfordert diejenigen, die sich nach verzweifelten Versuchen endlich in Besitz der Wahrheit wähnen und diese fortan mit Zähnen und Klaun verteidigen. Fügt man nun noch die Forderung an den Umgang im täglichen Leben an, Kritik nicht um ihrer selbst Willen vorzubringen, dann hat das auf viele fast schon Anschlagscharakter, denn die “naysayer”, wie wir im Englischen sagen, die Miesepeter, deren Lebenselixir der Defätismus ist, die ihren Defätismus gemeinhin als “Kritik” tarnen, obschon sie es meist dabei belassen vorzutragen, warum alles ganz falsch ist, viel zu spät kommt und ohnehin nicht durchführbar wäre, sie teilen das Schicksal der Akademiker, die sich endlich im sicheren Hafen der Gewissheit wähnen: Ihre Persönlichkeit lässt keinen Zweifel an den eigenen Überzeugungen zu.
Das ist ein persönliches und ein soziales Problem.
Das persönliche Problem, das sich mit der Unfähigkeit, die eigene Überzeugung zu hinterfragen, zu testen und zu verändern, wenn notwendig, verbindet, wir beschreiben es auf ScienceFiles fast täglich: Die beschriebene Unfähigkeit führt geradewegs in den Fundamentalismus, und Fundamentalismus mündet zwangsläufig und unvermeidbar in Totalitarismus oder Terrorismus, in einer Haltung, die jede abweichende Meinung, jeden leisen Zweifel an der eigenen Überzeugung als Angriff wertet und denjenigen, der sie geäußert hat, bekämpft. Nicht die Meinung, den, der sie vorträgt. Das ist eines der wichtigsten Merkmale fundamentalistischer, man kann auch sagen: faschistoider Überzeugungssysteme, sie bekämpfen den Mann, nicht seine Ansicht. Der Kampf gegen die Ansicht ist nur Vorwand. Tatsächlich findet eine Auseinandersetzung mit Argumenten nicht statt. Achten Sie darauf, und sie treffen dieses Merkmal des Fundamentalismus in erschreckender Häufigkeit, einer Häufigkeit, die Indikator der gesellschaftlichen Unfähigkeit ist, sich über Sachfragen zu streiten.
Und das ist das angesprochene soziale Problem.
Und dieses soziale Problem wird auch durch Defätismus geschaffen und verstärkt.
Es ist leicht, Ideen, Überlegungen, Meinungen anderer rundum abzulehnen, überall das Haar in der Suppe zu finden, Kritikpunkte in Form von Problemen, die eine Umsetzung verhindern, vorzutragen: “All kinds of problems”, wie Sir Humphrey Appleby dies schon in den 1970er Jahren in Yes Minister ausgeführt hat. Tatsächlich kann man einen Punkt dahingehend machen, dass konstantes Naysaying, das konstante Bemühen, in allem und jedem Hindernisse und Probleme zu sehen, so dass alles beim Status Quo bleiben muss, zwangsläufig, eine Form der Verarbeitung kognitiver Dissonanz ist, denn diejenigen, die an allen Vorschlägen zur Verbesserung etwas auszusetzen haben, sind häufig getrieben von der Angst, dass man etwas ändern könne, dass andere zeigen könnten, wie man etwas ändern kann, dass man selbst hätte etwas ändern können, wenn man den Mut dazu gehabt hätte, gesehen hätte, was andere zu sehen im Stande sind … Das ist mehr als so manche fragile Persönlichkeit ertragen kann. Ergo wird abgewehrt und ein Berg von Unüberwindlichkeiten aufgetürmt. Aus Gründen des Selbstschutzes, nicht etwa, weil es diesen Berg tatsächlich gäbe.
Und weil dem so ist, ist Defätismus ein mächtiges Instrument in der Hand derjenigen, die gesellschaftliche, politische Positionen einnehmen und schon deshalb eine Aversion gegen Veränderung haben. Defätisten arbeiten ihnen zu, und der Verdacht liegt nahe, dass Defätismus regelrecht herbeigeführt wird, um Positionen gesellschaftlicher Macht zu sichern und gegen Kritik zu immunisieren.
Es gibt übrigens ein einfaches Kriterium, um Defätismus von Kritik zu unterscheiden: Letztere kommt mit einem konstruktiven Teil, einer kurzen oder langen Ausführung, wie man das, was kritisiert wird, besser machen könnte oder warum das, was man kritisiert, zu negativen Konsequenzen führen muss, die man so und so vermeinden kann.
Alles andere ist keine Kritik.
Damit sind wir bei dem Brief eines Lesers angelangt, der uns heute erreicht hat, ein Brief, in dem unser Leser, ein langjähriger ScienceFiles-Leser, seine Beobachtung, seine Erfahrung verarbeitet und einen Eindruck formuliert, der sich mit einem Eindruck trifft, den wir auch immer einmal wieder haben. Defätismus ist auch in alternativen Medien ein weit verbreitetes Phänomen und wir fragen uns, ob das ein Zufall oder das Ergebnis systematischer Einflussnahme von interessierter Seite ist.
Unser Leser spricht dieses Problem aus einer etwas anderen Perspektive an und wir stellen seinen wichtigen Beitrag hiermit zur Diskussion.
“[…]
Geht es nur mir so, oder übersehe ich etwas Wesentliches?
Sie wissen ja, dass ich gerne Steve Turley zuhöre. Turley spricht über die großen Themen unserer Zeit, die sich weltweit abspielen. Er nimmt Partei für die  populistischen / patriotischen Bewegungen, die sich gegen die Globalisten, wie die vom WEF, auflehnen. Er ist kein Kriegstreiber, dementsprechend ist er auch kein Putin-Verehrer. Er ist sicherlich auch kein Fan der KPCh. Ihm zuzuhören macht mir Mut, weil ich den Eindruck bekomme, dass trotz aller Probleme, die sich gerade auftun, Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist, und die Globalisten bereits dabei sind zu verlieren.
Dann schaue ich mir deutsche Medien an.
Die MSM sind sowieso Schrott, es wundert mich nicht, dass Leute psychotisch werden, und sich lieber auf die Straße setzen, um die Regierung dazu zu bewegen, den Klimawandel zu stoppen, als etwas Produktives zu tun, sich zu bilden, einen Beruf zu lernen. Aber dann sind da auch die alternativen Medien, die Blogger, die Telegram-Kanäle, und irgendwie scheinen alle immer nur auf der Negativ-Schiene zu fahren, so intelligent und durchblickend die ja alle auch sein mögen. Gute Nachrichten scheinen gar nicht mehr wahrgenommen zu werden. Ich habe den Gedanken noch nie aufgeschrieben, aber vielleicht haben Leute wie Steinbrück, die “die Alternativen” in einer Filter-Bubble sehen, gar nicht so Unrecht.
Während Grüne/Linke überall Nazis sehen, sehen “die Alternativen” überall Young Global Leaders und die Hand von Klaus Schwab und Bill Gates. (Etwas überspitzt ausgedrückt?)
Wie kommt das?
Noch 2021 haben wir in den Kommentaren fast ausschließlich defätistische Äußerungen gelesen. Vielleicht ein Zeichen einer alternden / sterbenden Gesellschaft. Der, ich glaube, 70 Jahre alte Tony Heller klingt nie defätistisch in seinen Videos, er klingt wie ein Kämpfer. Kommentare zu amerikanischen Videos, wie eben von Tony Heller oder Steve Turley klingen bei aller Dunkelheit, die die Themen an sich haben, kampfbereiter, siegessicherer, und dementsprechend auch ermutigender als eben die deutschen “Alternativen”. Aber es kann ja auch sein, dass es nur mir so geht, und ich etwas Wesentliches übersehe.

Beste Grüße, 



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