Mit den Flüchtlingen kommen die Antibiotika resistenten Bakterien – Klebsiella pneumoniae

Ein wenig Terminologie:

NDM-1 = New Delhi metallo-metallo-ß-lactamase-1 – Ein Gen [β-lactamase], das sich in Bakterien findet und die Produktion eines Enzyms ermöglicht, das das Bakterium resistent gegen Antibiotika macht. NDM-1 gehört zur Klasse der Carbapenem.

Carbapenemase = Klasse von Enzymen, die gegen die Antibiotika, die zur Klasse der Carbapenem gehören, resistent sind.

KPC = Klebsiella pneumoniae carbapenemases eine weitere β-lactamase, die gegen Antibiotika, u.a. Pencillin resistent ist, eine Unterklasse von Carbapenemasen:

Das Problem mit den Bakterien, die die beschriebenen Enzyme tragen: Sie rufen Infektionen hervor, die nicht mehr mit Antibiotika behandelt werden können:

“Carbapenem-resistant Gram-negative bacteria are a major clinical concern as they cause virtually untreatable infections since carbapenems are among the last-resort antimicrobial agents. β-Lactamases implicated in carbapenem resistance include KPC, NDM, and OXA-type carbapenemases (El-Hafi et al. 2019: 933).”

El Hafi, Bassam, Sari S. Rasheed, Antoine G. Abou Fayad, George F. Araj, and Ghassan M. Matar (2019). Evaluating the efficacies of carbapenem/β-lactamase inhibitors against carbapenem-resistant gram-negative bacteria in vitro and in vivo. Frontiers in Microbiology 10: 933.

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Colistin,  polymyxin E, ein seit 50 Jahren bekanntes Antibiotikum ist das letzte Mittel im Kampf gegen Antibiotika resistente Bakterien, die NDM-1, KPC oder OXA-48 enthalten ( eine weitere β-lactamase, die eine Resistenz gegenüber Antibiotika hervorrufen kann). Indes gibt es immer häufiger Ausbrüche von Infektionskrankheiten, die auch mit Colistin nicht mehr behandelt werden können, darunter ein Ausbruch von Klebsiella pneumoniae in Detroit, Michigan, im Jahre 2010 (dazu Marchaim et al.):

Marchaim, Dror, Teena Chopra, Jason M. Pogue, Federico Perez, Andrea M. Hujer, Susan Rudin, Andrea Endimiani et al. (2011). Outbreak of colistin-resistant, carbapenem-resistant Klebsiella pneumoniae in metropolitan Detroit, Michigan.Antimicrobial agents and chemotherapy 55(2): 593-599.

Die Verbreitung der entsprechenden Gene [NDM-1, OXA-48, KPC], die sich in der Regel in Plasmiden finden, das ist ringförmige extrachromosonale DNA, die in Bakterien vorkommt (dazu Dong et al. 2019), ist etwas, das nichtzuletzt der guten alten WHO Sorge bereitet, bei der man bereits die Zeit nahen sieht, in der bestimmte Infektionen gar nicht mehr behandelbar und Antibiotika nutzlos geworden sind.

Dong, Dandan, Manli Li, Zhenzhen Liu, Jiantao Feng, Nan Jia, Hui Zhao, Baohua Zhao et al. (2019). Characterization of a NDM-1-encoding plasmid pHFK418-NDM from a clinical Proteus mirabilis isolate harboring two novel transposons, Tn 6624 and Tn 6625. Frontiers in microbiology 10 (2019): 2030.,

Die Verbreitung der drei Gene, die zur Produktion von Enzymen in Bakterien führen, die Bakterien für Antibiotika resistent machen, ist nicht erst seit gestern Gegenstand wissenschaftlicher Beobachtung. Munoz-Price et al. haben den Stand der Verbreitung in einem Beitrag aus dem Jahre 2013 zusammengefasst und schon damals eine Weltkarte erstellt, die eine recht weite Verbreitung zeigt:

Die Abbildung zeigt die Verbreitung von Klebsiella pneumoniae carbapenemases, einem Bakterium, das Lungenentzündung hervorruft und gegen Antibiotika resistent ist. Eines, das ein Anwendungsfall von Colistin als letzter Versuch, die Bastion “Gesundheit” im Kranken zu verteidigen, darstellt. Die Abbildung stammt aus Munoz-Price et al. (2013).

Munoz-Price, L. Silvia, Laurent Poirel, Robert A. Bonomo, Mitchell J. Schwaber, George L. Daikos, Martin Cormican, Giuseppe Cornaglia et al. (2013). Clinical epidemiology of the global expansion of Klebsiella pneumoniae carbapenemases. The Lancet infectious diseases 13(9): 785-796.

Heute nun findet sich im Express aus Österreich der, wenn man so will, Reisebericht eines schwedischen Ärzteteams, das gerade aus der Ukraine zurückgekommen ist, mit erschreckenden Nachrichten zu Klebsiella pneumoniae carbaoenemases, ein Bericht der sich wiederum auf einen Vorgängerbericht bei n.tv bezieht:

“Die Auswertung im Labor lieferte dramatische Ergebnisse. Dort fanden Infektionsmediziner eine hohe Zahl an besonders resistenten Bakterien. “Ich bin ziemlich dickhäutig und habe zahlreiche Situationen mit Patienten und Bakterien miterlebt. Allerdings muss ich zugeben, dass ich noch nie zuvor auf so resistente Bakterien gestoßen bin”, wird der Bakteriologe Kristian Riesbeck auf n-tv zitiert.

Nicht einmal das Breitband-Antibiotikum Colistin, oft die letzte Hoffnung bei resistenten Keimen, konnte bei vielen Patienten nichts mehr [!sic] ausrichten. In ihrer Verzweiflung setzten Ärzte in der Ukraine sogar auf ein noch nicht zugelassenes Mittel, das in die Enzyme von Erregern eingreift. Ohne Wirkung. “Bis zu sechs Prozent aller Proben enthielten Bakterien, die gegen jedes von uns getestete Antibiotikum resistent waren”, wird Riesbeck weiter zitiert.”

Die resistenten Bakterien, die nun in der Ukraine gefunden werden, sind indes nicht das, was hier suggeriert werden soll: neu. Sie sind seit längerer Zeit in der Ukraine zu finden und nicht nur in der Ukraine, ein Umstand, der dazu geführt hat, dass Gesundheitsbehörden weltweit ein Überwachungssystem aufgebaut haben, das Fälle einer Infektion, die auf Carbapenem-resistente Bakterien zurückgeht, Bakterien, die eines der drei oben benannten Gene tragen, meldepflichtig gemacht hat.

Als Ergebnis dieser Meldepflicht sind Sandfort et al. (2022) bereits Ende 2022 in einer Rapid Communication in der Lage gewesen, auf einen Import von Antibiotika resistenten Bakterien, namentlich Klebsiella pneumoniae, das Lungenentzündung hervorruft, hinzuweisen. Der Beitrag wurde in Eurosurveillance veröffentlicht, und er zeigt einen sehr deutlichen Zusammenhang zwischen der Zuwanderung Ukrainischer Flüchtlinge und der Zunahme von Infektionen mit Klebsiella pnuemoniae, die über NDM-1 in der Lage ist, Resistenz gegen Antibiotika zu entwickeln, in Deutschland.

Sandfort, Mirco, Jörg B. Hans, Martin A. Fischer, Felix Reichert, Martina Cremanns, Jessica Eisfeld, Yvonne Pfeifer et al.  (2022). Increase in NDM-1 and NDM-1/OXA-48-producing Klebsiella pneumoniae in Germany associated with the war in Ukraine, 2022. Eurosurveillance 27(50): 2200926.

Das Auftauchen von Klebsiella pneumoniae im Zusammenhang mit der Zuwanderung ukrainischer Flüchtlinge ist sehr anschaulich in der folgenden Abbildung [oben links für NDM-1] zu sehen.

Klebsiella pneumoniae in der Antibiotika-resistenten Variante ist somit nichts, was durch den Krieg in der Ukraine erst geschaffen wurde, entsprechende Entzündungen werden bestenfalls durch den Krieg amplifiziert und das Bakterium über Flüchtlinge verbreitet.

“Since March 2022, NDM-1-producing  increased rapidly in Germany and in these cases, presence in Ukraine before diagnosis was frequently reported. Ukraine reported high AMR proportions in Gram-negative bacterial isolates previously (mostly bloodstream infections) to the Central Asian and European Surveillance of Antimicrobial Resistance (CAESAR) network, including  with resistance to carbapenems in 64% and  spp. with resistance to carbapenems in 73% in 2021. As a result, the European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) recommended in March 2022 to screen for carriage of multidrug-resistant organisms (MDRO) in patients transferred from hospitals in Ukraine or with a history of hospital admission in Ukraine and to implement multimodal infection prevention and control (IPC) measures.

[…]

NDM-1-producing  has become more frequent in Germany, particularly in 2022. Our findings suggest an elevated proportion of NDM-1 and NDM-1/OXA-48-producing  among refugees or evacuated patients from Ukraine, adding to the baseline incidence in Germany. ”

Es ist eben nicht so, dass die Zuwanderung von Menschen auf eben diese Menschen beschränkt ist. Es kommen zumeist noch andere Gesellen huckepack mit. Es gibt für Klebsiella pneumoniae carbapenemase keine Behandlungsmöglichkeit, wenn Colistin versagt, was seit Jahren immer häufiger berichtet wird (siehe Marchaim et al. 2011). Die Tatsache, dass Colistin wirkungslos ist, ist somit nichts, was einen erfahrenen Arzt überraschen sollte. Schließlich ist die Literatur voller Belege dafür. Warum entsprechendes über n.tv und den Express dennoch verbreitet wird, ist jedermanns eigener Urteilsfindung überlassen. Dabei mag es helfen, die vier Maßnahmen, die gegen Klebsiella pneumoniae carbapenemase genutzt werden sollen, um deren Verbreitung zu verhindern, zur Hand zu haben:

  • Überwachung,
  • Schnelle Identifikation und Isolation der entsprechenden Patienten,
  • Desinfektion
  • Handhygiene

Kommt einem irgendwie bekannt vor…


 

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