Auto-Mobilität wurde von den Nazis erfunden… oder so: Stilblüten akademisierter Verbildung
Willem Saris hat vor einigen Jahrzehnten mit Bezug auf die Faktorenanalyse, ein statistisches Verfahren, das damals en vogue war, geschrieben: “Common Factors can always be found, but can they also be rejected?”: Im weitesten Sinne: Gemeinsamkeiten kann man immer finden, aber kann man sie auch zurückweisen/falsifizieren?
Saris, Willem E., and Harm Hartman (1990). Common factors can always be found but can they also be rejected?. Quality and Quantity 24, no. 4 (1990): 471-490.
Der Beitrag trägt – wenn man so will – die Kriegserklärung an die Pseudo-Wissenschaftler, die statistische Methoden benutzen, um ihre Vorurteile in Daten zu finden, bereits im Titel. Sein Gegenstand ist grundsätzlicher Art, denn nicht erst seit statistische Methoden Einzug in die Wissenschaft gehalten haben, war der Brauch, die eigene Ideologie vom “Katheter” aus, in dem, was Max Weber eine Afterwissenschaft genannt hat, als Wissenschaft auszugeben, weit verbreitet. Arthur Schopenhauer hat sich zeitlebens über den verbalen Dünnpfiff erregt, mit dem es einem Georg Willhelm Friedrich Hegel gelungen ist, Studenten anzuziehen, wie faules Obst die Fruchtfliegen. Die Frankfurter Schule und der von dort losgetretene Positivismusstreit hat in den 1960er Jahren gezeigt, wie lebendig eine deutsche Tradition ist, die unter der Überschrift “Wissenschaft” mit ideologischen Vorlieben handelt. Es ist kein Zufall, dass der Positivismusstreit von der Frankfurter Schule, dem Zentrum des akademischen Geschwätzes in Deutschland ausgegangen ist, und es ist kein Zufall, dass sich alle Schwätzer auf eben diese Frankfurter Schule beziehen, die seither in unzählichen Fachbereichen ihr Unwesen treiben, die zwar an Hochschulen als Gender, Cultural oder Post-Colonial oder sonstige Studies angeboten werden, aber mit Wissenschaft so viel gemein haben, wie ein Wachsapfel mit einer Frucht.
Ein Produkt dieser deutschen Tradition scheint Andreas Knie zu sein, der 1990 seine wissenschaftliche Doktor-Weihe für eine Arbeit mit dem Titel “Diesel – Karriere einer Technik : Genese und Formierungsprozesse im Motorenbau” erhalten hat. Schon damals hat Knie seine Dissertation, die an der Universität Marburg eingereicht wurde, unter dem Rubrum des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) verlegt, und bis heute ist er nicht wirklich vom WZB weggekommen. Derzeit wirkt er – wie man bei der Bundeszentrale für Politische Bildung nachlesen kann, als ” Professor für Soziologie und Leiter der Forschungsgruppe „Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung”, was einmal mehr zeigt, dass Soziologie kein geschützter Begriff zu sein scheint. Bis zum heutigen Tag findet sich eigentlich keinerlei Hinweis darauf, was Knie zum Soziologen befähigen soll, unter seinen Veröffentlichungen, weder in alten noch in neuen.
Aber geschenkt, lassen wir ihm seine akademische Denomination – nach jahrzehntelanger systematischer Entwertung von Bildungstiteln ist der Schaden ohnehin so groß, dass es nicht mehr darauf ankommt.
Uns interessiert Herr Knie wegen seines Beitrags für die “Bundeszentrale für politische Bildung” mit dem Titel “Deutschlands Weg in die Automobilgesellschaft – Verkehrspolitik im Schatten des NS” und dem Untertitel:
“Die entscheidenden Grundlagen für die autozentrierte deutsche Verkehrspolitik wurden im Nationalsozialismus gelegt. Trotz völlig geänderter Umstände setzt sich die Bevorzugung des Autos bis heute fort. Dies begrenzt auch den Gestaltungsspielraum auf kommunaler Ebene.”
Den Beitrag als solchen, hat man nach Angaben der BpB nach 16 Minuten hinter sich. Indes der Eindruck, es mit einem Vertreter der oben beschriebenen deutschen Tradition zu tun zu haben, er ist bereits nach wenigen Sekunden vorhanden. Was uns zurückbringt zu Willem Saris und den leicht auffindbaren Gemeinsamkeiten.
Andreas Knie ist der Ansicht, eine Kontinuität der Verkehrspolitik und ihrer Ausrichtung auf das Auto mit dem Nationalsozialismus herstellen zu können. Alles habe im Nationalsozialismus begonnen, sagt Knie, und er impliziert, dass die Massenmobilität, die durch Autos ermöglicht wird, ohne Nationalsozialisten in Deutschland nie Einzug gehalten hätte, denn schon 1934 wurde die Grundlage in der bis heute in weiten Teilen gültigen Reichsverkehrsverordnung gelegt und 1939 kam mit der Reichsgaragenordnung noch ein weiterer Grundstein hinzu.
Wer will.
Der findet.
Andreas Knie, 63 Jahre alt und 1960 geboren, hat parantale Grundlagen, die durch seine Großeltern in den 1940er Jahren gelegt wurden, Kriegsgrundlagen, Ergebnisse oder Kontinuitäten einer nationalsozialistischen Familienpolitik im Krieg, Konsequenzen arischer Familienpolitik, rassenbereinigter Familienpolitik … Dass auf dieser Grundlage eine gewisse Obzession mit dem Nationalsozialismus wächst, kann man mit sozialpsychologischen Studien leicht belegen. Dass Entbehrungserfahrungen, wie sie in den 1960er Jahren in Deutschland noch die Regel waren, beim jungen Andreas Neid auf diejenigen, die sich schon damals mehr, z.B. ein Auto, leisten konnten, hat aufkommen lassen, kann man leicht anschließen, aus dem großen Fundus sozialisationstheoretischer Arbeiten, der Soziologie, die Soziologie Knie sicher kennt.
Aber all das soll uns nicht interessieren, denn wir wollen damit nur demonstrieren, dass es sehr leicht ist, eine willkürliche Gemeinsamkeit als historische Kontinuität aufzurichten und damit einen Ausgangspunkt zu schaffen, um die eigene Ideologie peu-á-peu als vermeintliches Ergebnis einer zielgerichteten historische Entwicklung, die in keiner Weise hätte anders verlaufen können, darzustellen. Wir imitieren die Vorgehensweise von Andreas Knie, die aus unserer Sicht ein klassischer Knieschuss in Tradition großer deutscher Schwätzer ist, im vorliegenden Fall wohl in Tradition von Marx, dessen einfältiger historischer Materialismus ebenso, wie dies Knie tut, behauptet, dass eine einzige Variable, nämlich der Kampf zwischen Besitzlosen und Besitzenden seit Anbeginn der Zeitrechnung und seither in genau drei Phasen alles Sein bestimmt.
Bei Knie bestimmt die Verkehrspolitik der Nationalsozialisten seither das Sein des Autobesitzes in Deutschland, und das ist eine der Gemeinsamkeiten, die er mit Karl Marx aufweist, die Überzeugung, man könne Jahrzehnte Entwicklung auf genau eine Variablen zurückführen. Aber das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit, die Knie mit Marx aufweist. Wie Marx, so verachtet auch Knie Individuen. Eine einfach zu belegende Behauptung, denn im gesamten Text von Knie kommen Individuen, also diejenigen, die Autos kaufen und damit fahren, überhaupt nicht vor. Der Absatz von Autos wird vom Staat befördert. Die Möglichkeit, Autos auf öffentlichen Plätzen zu parken, vom Bundesverwaltungsgericht eröffnet. Die Autofahrer sind die Figuren, die von mächtigen, den Staat lenkenden Menschen über ein Brett befördert werden, jedenfalls in der doch sehr einfachen Welt von Andreas Knie. Und weil diese Welt so einfach ist, deshalb ist es für Knie auch ganz einfach, den Deutschen ihr Auto wieder abzugewöhnen. Es reicht, “den Raum neu zu verteilen”:
“Der Raum wird neu verteilt, das private Auto ist nur noch ein kleiner Teil einer viel größeren Geschichte in der Zukunft der lebenswerten Städte.”
Irgendwer verteilt den Raum neu.
Indes, irgendwer muss sich an die Neuverteilung des Raumes halten.
Was Leute wie Andreas Knie in ihrer Hybris, die allein darauf ausgerichtet ist, anderen zu schaden, natürlich unter Verweis auf das höhere Gute, das damit erreicht werden soll, noch so eine Finte von Sozialisten, die damit ihre wahren Ziele, ihre seit Jahrzehnten gehegten Verletzungen, die sich als Nickligkeit und Boshaftigkeit ausleben, kaschieren wollen, nicht auf der Rechnung haben, das sind der Gegenstand der Psychologie: Menschen und der Gegenstand der Soziologie: Soziale Beziehungen.
Menschen handeln und sie kooperieren. Soziologen wissen das. Knie scheint noch nie davon gehört zu haben. Weil Menschen handeln und kooperieren, weil sie Agency über ihre eigenen Handlungen ausüben, deshalb können Regierungen nur dann ohne Gewalt überleben, wenn die Ziele von Regierungen irgendwie mit den Zielen der handelnden Akteure, deren Bedürfnissen und Wünschen übereinstimmen, ihnen nicht dauerhaft entgegen stehen. Das Bedürfnis nach Mobilität, ein Bedürfnis, das durch die Pferdekutsche nur bedingt befriedigt wurde, hat mit dem FORD T, den Henry Ford schon 1913 in Serie produzieren ließ, so dass 1920 die meisten US-Amerikaner schon einmal in einem FORT T gesessen oder mit einem FORD T gefahren sind, einen Schub erhalten. Das, was noch wenige Jahre zuvor unmöglich gewesen ist, in einen Möglichkeitsraum, den jeder erreichen kann, gestellt: Individuelle, UNABHÄNGIGE MOBILITÄT.
Die Nachfrage nach unabhängiger Mobilität, die im 19. Jahrhundert noch Taugenichtsen vorbehalten war, wie sie Eichendorff beschrieben hat, ist mit dem Automobil zu einer Nachfrage geworden, die mit der Notwendigkeit, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, vereinbar ist. Das Auto ist für viele Menschen ein Symbol von Freiheit. Nur für Andreas Knie ist es das nicht. Für Knie ist die Geschichte des Automobils eine Geschichte, die im Nationalsozialismus mit dem Bau von Autobahnen und einer Politik, die Autos zur Massenware machen sollte (was indes nicht gelungen ist), beginnt und in der Bundesrepublik (nicht etwa in der DDR, Knie berücksichtigt nicht einmal einen Trabant oder einen Wartburg) mit insgesamt zwei Enjtscheidungen vorangetrieben wurde. Die erste Entscheidung macht das Auto unter Werbekosten in der Steuererklärung absetzbar. Die zweite Entscheidung designiert öffentliche Flächen als Parkplätze. Die Nazis, die Werbekosten und die Parkplätze sind dafür verantwortlich, dass die meisten Deutschen heute ein Auto ihr eigen nennen.
Die Welt ist in manchen Köpfen doch sehr einfach und zudem konsequent menschenleer, denn dass Individuen ein Interesse daran haben könnten, ein Auto ihr eigen zu nennen, dass diese Individuen Druck auf politische Akteure ausüben, damit Randbedingungen geschaffen werden, die Autobesitz ermöglichen, dass MENSCHEN, nicht Systeme, INDIVIDUEN, nicht Organisationen ihre Interessen durchsetzen, das ist Andreas Knie, dem Soziologen, offenkundig noch nie in den Sinn gekommen. Wir könnten jetzt bei der oben dargestellten historischen Konstellation, die seine Geburt erst ermöglicht hat, ansetzen und uns fragen, wie es sein kann, dass jemand nicht einmal auf die Idee kommt, Menschen als Akteure zu berücksichtigen, aber das überlassen wir denen, die für solche historische Musterfindungsaktionen empfänglich sind.
Die Universität Marburg hat Andreas Knie seinen Doktortitel verliehen. Die Universität Marburg war unter den ersten Hochschulen, die einen Nationalsozialistsischen Deutschen Studentenbund vorweisen konnten, und zwar bereits 1926. Die Universität Marburg hat eine Arisierung durchgeführt, der unter anderem Wilhelm Röpke (kein Jude, aber bekannter Gegner der Nationalsozialisten) zum Opfer gefallen ist. Die an der Universität Marburg tätigen Wissenschaftler haben alle das “Bekenntnis deutscher Professoren zu Adolf Hitler” unterzeichnet.
Knie ist der Ansicht, der Deutschen Liebe zum Auto beginne im Nationalsozialismus, muss man aus der Geschichte der Universität Marburg schließen, dass der Marburger Absolventen Liebe zum Unfug ebenfalls im Dritten Reich ihren Ausgangspunkt genommen hat?
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Sozusagen ein Schuss ins Knie. Er kann so einen gequirlten Unsinn doch nur verbreiten, da er u.a. durch die Nutzung von Automobilen eine quersubventionierte Position innehat, die durch technische Fortschritte beim Automobil und in vielen anderen Bereichen bezahlt werden kann (ok, aktuell ist das auch schon wieder obsolet).
Er ist ein eindimensionaler Sozialwissenschaftsschwätzer. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Braucht niemand, kann weg.
Ich finde den verlinkten Artikel gar nicht so schlecht. Wenn man mal davon absieht, daß hier die Nazi-Konnotierung das moderne Straßennetz als etwas schlechtes erscheinen lassen will, ist es doch im Gegenteil Zeugnis außerordentlicher Weitsicht der nationalsozialistischen Planer, ein solch gigantisches Infrastrukturprojekt wie die Ertüchtigung des deutschen Straßennetzes für den automobilen Massenverkehr in Angriff genommen zu haben. Das hat nach dem Krieg die rasche Reindustrialisierung im Westen erleichtert. Andere europäische Länder hatten nichts vergleichbares.
Die Nazis haben das Straßennetz nicht geplant.
Die Pläne lagen schon ein paar Jahrzehnte in den Schubladen, doch dann kamen Kriegsniederlage, Inflation und Wirtschaftskrise und daher hatte man sie damals nicht umgesetzt.
Das deutsche Kaiserreich hatte durchaus fähige Leute in der Verwaltung, nur die Trttls ganz oben mit “von und zu” waren das Problem. Je länger der Name desto kleiner der Geist, stimmt vermutlich historisch gesehen.
Ich glaube, in historischer Sicht können es die “Von-und-Zus” mit Annalena & Co. schon gerade noch aufnehmen…
Um das von mir zuvor geschriebene klarzustellen: Das Kaiserreich war für den Fortschritt verantwortlich, den die Nationalsozialisten dann für ihre Ziele mißbrauchen konnten. Das Bildungswesen und die Elitenauswahl hatten hohes Niveau.
“[…] nur die Trttls ganz oben mit “von und zu” waren das Problem.” Problem wofür? Für den dargestellten Sachverhalt, nach Ihrer eigenen Darstellung, ja wohl nicht. 🤔
Ganz unrecht hat der Herr Soziologe ja nicht. Die staatliche Subventionierung des Autos (Autobahnbau!) beginnt ja tatsächlich im NS. Und mit dem Volkswagen wurde ein entsprechendes massentaugliches Fahrzeug geschaffen.
Und seitdem nimmt die Subventionierung des Autoverkehrs durch den Staat kein Ende. Man lese dazu die Werke von Prof. Knoflacher von der TU Wien.
Und?
Im 19. Jhdt. konnte man mit dem Eisenbahngeschäft noch Vermögen machen. Die großen Linien der USA wurden alle von Gesellschaften betrieben, nicht vom Staat. Aber keinem dieser Kapitalisten wäre es eingefallen, vom Staat den kostenlosen Bau und Unterhalt der dafür nötigen Infrastruktur (Schienennetz, Bahnhöfe,…) zu verlangen, sondern das war Aufgabe ebendieser Gesellschaften.
Für die liebe Automobilindustrie (der man die Mineralölkonzerne zugesellen kann) war und ist es selbstverständlich, daß die öffentliche Hand das Straßennetz baut und instandhält. Daher: Kostenwahrheit! Damit erledigt sich das Problem Massenmotorisierung von selbst.
Zur Kostenwahrheit gehört, dass zumindest in Deutschland die Autofahrer mehr Steuern zahlen als für die Straßen aufgewendet wird.
Genauer wäre der Vergleich doch so (und dann kein Widerspruch mehr):
Im 19. Jhdt. hat die liebe Lokomotivindustrie (denen man die Kohlegruben zugesellen kann) darauf reagiert, daß jemand anderes ihre Produkte braucht und sich nicht um die Schienen gekümmert.
Wenn im übrigen jemand privat eine Straße baut, kann er damit per Maut Geld verdienen und die Parkplätze und Rasthäuser unterwegs wird dann auch nicht der Staat erstellen.
Ja, der Herr Andreas Knie.
Die USA hatte keine Automobilisierung, weil sie nicht von Nazis regiert wurden. So wurde aus den USA ein Fahrradland, wie auch auch Großbritannien, Frankreich usw.
Ein Nachtrag:
Daß konkrete Menschen, die unbedingt automobil sein wollten, die Nationalsozialisten zur Autosubventionierung veranlaßten, darf bezweifelt werden.
Richtig ist natürlich, daß der Autowahn nicht vom NS abhing; in den USA brach er schon viel früher aus, sodaß G. K. Chesterton schon lange vor dem 2. Weltkrieg spöttlisch von den drei Grundrechten des US-Amerikaners sprechen konnte: auf Leben, Freiheit und Autofahren (und Chesterton war kein Soziologe).
Daß der us-amerikanische Staat in Straßenbau investierte, dürfte auch eher nicht auf konkrete Autofahrer zurückzuführen sein, sondern auf Autohersteller wie Ford (es ist ja eine altbekannte Strategie aller Konzerne, die Nebenkosten ihrer Produkte auf die öffentliche Hand abzuwälzen). Bei Kostenwahrheit hätten Ford & Co., nicht der Staat den Straßenbau finanzieren müssen.
Ja nee, es ging auch schon darum, den Warenverkehr zu ermöglichen, Industriealisierung ist Spezialisierung und Differenzierung und Arbeitsteilung zwecks Produktionssteigerung, man braucht also viele Firmen, die sich je auf ein Produkt spezialisieren und alles andere einkaufen, natürlich verkaufen sie dann eben ihre Spezial-Produkte als Vorprodukte für andere Produkte und dafür braucht man Transportwege.
“Spezial-Produkte” meint hier allgemein im Unterschied zu früheren Zeiten, in denen alle Arbeitsschritte vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt in einer oder in wenigen Händen lag, folgendes: einer fördert das Eisenerz, einer verhüttet das Eisenerz und macht Stahl draus, der nächste kauft den Stahl und produziert wieder etwas anderes daraus usw.
Die Bedeutung der Entwicklung des Straßennetzes dürfte seit Bismarcks Einigung allen klar sein: durch die einheitlichen Regeln, die die Preußen eingeführt haben, kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung: Recht, Straßen, Zölle, Sprache usw.
Die Bedeutung eines Straßennetzes dürfte auch jedem Altphilologen klar sein: das römische Straßennetz war wichtiger Bestandteil der militärischen und wirtschaftlichen Expansion des röm. Reiches. Und funktioniert z.T. noch heute.
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Wie kommt es, dass römische Straßen 2.000 Jahre halten, aber deutsche Straßen im 21. Jh. nach spätestens 10 Jahren wie Flickwerk aussehen?
Das ist ja fast schon “Knie-würdige” Logik!
Natürlich möchte ein Hersteller so viel wie möglich verkaufen, aber der entscheidende Punkt beim T-Modell war die Bezahlbarkeit.
Was die Straßen angeht, so passen sich die die Autos der Straßenqualität an, nicht umgekehrt.
Das T-Modell und die sonstigen Autos damals hatten ihre großen Räder und die Bodenfreiheit nicht umsonst. Oder andersherum: welcher Autohersteller beschwert sich hierzulande über die maroden Straßen? Das ist denen doch egal – dann verkaufen sie halt mehr SUV statt normaler Limousinen.
Im übrigen ist es nicht “der us-amerikanische Staat”, der den größten Teil des Straßennetzes dort betreibt, sondern die einzelnen Bundesstaaten (die wesentlich unabhängiger voneinander sind als die Bundesländer hier – man möchte fast sagen unabhängiger als die EU-Mitgliedstaaten). Und natürlich sind es nicht “konkrete Autofahrer”, die als einzige Straßen haben wollten, sondern die jeweilige Regierung im Auftrag ihrer Wähler.
Der letzte deutsche Kaiser brachte mal den Spruch: “Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung, ich glaube an das Pferd.”
Er wird nicht der einzige gewesen sein, der an die alte Lebensart geglaubt hat, weil ihm diese viele Vorteile gegenüber seinen Mitmenschen verschaffte. Was man sonst noch von ihm weiß, ist, dass er täglich bis zu 8 mal seine Kleidung wechselte und ein Faible für Militäruniformen hatte: der wollte den schönen Schein aufrecht erhalten, hat aber nicht funktioniert.
Man hat das Recht, die Realität zu ignorieren.
Man hat nicht das Recht, von den Folgen der Ignoranz verschont zu bleiben.
(frei nach A.Rnd.)
Die Grünen ignorieren grade, dass die Grüne Wende nicht funktioniert und außer Armut, Verlust von Wirtschaftskraft, Know-How, Fachfirmen und Facharbeitern und hohen Kosten nicht viel bringen wird.
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Mit den Worten des großen Philosophen T.Pratchett:
“Haven’t you got any romance in your soul?’ said Magrat plaintively.
‘No,’ said Granny. ‘I ain’t. And stars don’t care what you wish, and magic don’t make things better, and no one doesn’t get burned who sticks their hand in a fire. If you want to amount to anything as a witch, Magrat Garlick, you got to learn three things. What’s real, what’s not real, and what’s the difference.”
― Terry Pratchett, Witches Abroad
Da es nachgewiesen ist, dass Henry Ford ein Sponsor der Nationalsozialisten war, ohne dem Hitler bis 33 nicht durchgehalten hätte, kann man mit etwas Fantasie sein T-Model auch den Nazis andichten. Was mir aber immer auffällt, wenn die Grüne Khmer ihre ideale Welt, ohne Autos mit viel Lastenrad und ohne Konsum, beschreibt, dann beschreiben sie die aktuelle Situation in Nord-Korea und es gibt aktuell 14% der Bevölkerung, die sich die Situation wie in Nord-Korea herbeiwünschen.
Dass Knie zum Bedienen des grünen Narratives deren Autofeindlichkeit dazu missbraucht sogar hier den abgedroschen Nazi aus dem Hut zu zaubern verwundert nicht, ist aber unverschämt: Unverschämt gegenüber dem Rest der Welt, der auch auf Individualverkehr und in Folge wirtschaftliche Prosperität setzt. Und bestätigt leider den Größenwahn der ideologisch Verblendeten – welch bittere Geneinsamkeit mit den von ihm kritisierten!
Die Nazis hatten andere Probleme als die paar Pkw. Die größten Steuereinnahmen lieferte die Reichsbahn. Und deren Gewinne gingen zurück, weil nach 1918 die Armee die seit 1908 subventionieren Lkw an Private verscheuerte. In der Folge ergab sich ein brutaler Wettbewerb zwischen Lkw und Güterbahn (Dittebrand-Diss 1931), der durch keine Landverkehrsordnung gezähmt werden konnte.
Die NSdAP hatte die Idee, alle Lkw-Betreiber zum Bahnbeamtentum zu zwingen. Das verhinderte die Organisation Todt, die für die staatlichen Bauprogramme wie Westwall freie Unternehmer verlangte. Die Nazis gründeten daraufhin eine Lkw-Herrenrasse: Den Güterfernverkehrsunternehmer, dem für jeden Lkw eine Genehmigung erteilt wurde. Zugleich wurde ein Abrechnungskartell gegründet, der Reichs-Kraftwagen-Betriebsverband (RKB). Dieser – nicht der Fuhrunternehmer – rechnete mit den Kunden die Fracht ab. Die Fracht wurde berechnet nach dem Reichs-Kraftwagentarif (RKT), der eine preislich gleich hohe Vergütung versprach wie der Deutsche Eisenbahn Gütertarif. Die Aufbauten mussten mit silbernen Rauten bemalt werden, damit die weit erkennbar waren (Heimes 1973). Der Güternahverkehr war frei von Beschränkungen, beim Stückgut war der Auftraggeber die Bahn, seit 1930 durch ihre Tochtergesellschaft Schenker. Die zahlten zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig , was bis heute nicht viel anders ist.
Motorentechnisch blieben die deutschen Lkw-Hersteller zurück, weil das Militär den Vergasermotor bevorzugte für das Vorrücken zur Sowjetunion. Dass der Diesel sich sehr wohl unter unterschiedlichsten Außentemperaturen bewährten, zeigte der 12-Zylinder Direkteinspritzer W2 im Panzer T 34 und die Zweitakter von Detroit Diesel in den USA, die in U-Booten und Schnellbooten verwendet wurden. Erst in den 60er Jahren holten die hiesigen Hersteller den Rückstand auf.
In Sachen PKW kommt die Alt-West-BRD erst in den 60er Jahren auf Stückzahlen, Da sind die Reparaturen der Straßen in den Städten weitgehend abgeschlossen. Weil man bei einem Bestand von 20 Millionen Pkw (ca. 1970) nicht mit einem weiteren Anwachsen des Verkehr rechnete unterblieb die damals schon nötige Ortsumgehung. Als das erkannt wurde, waren Bund, Länder und Gemeinden schon längst zu pleite. Die alltäglichen Staus auf den BAB haben viel damit zu tun, dass regionale Alternativstrecken fehlen.
Der Pkw hat ja die Arbeiterklasse als überall disponible Reservearmee möglich gemacht. In drei Schichten 24/7. Wohnhaft im Pkw oder – welcher Luxus – in ein Campinganhänger in den USA. Aus China kann man schon die isolierten 40 ft ISO-Wohncontainer beziehen.
Wir gehen daher herrlichen Zeiten entgegen. Die Arbeiterschaft wird ihres in 5 Jahrzehnten entwickelten Mobilitätskonzeptes beraubt und erlebt damit, was Marx in der Klasse beobachtet: Kapital ist wesentlich Verwandlung von Lebenszeit in Arbeitszeit. Die Transportzeiten zu und von der Stätte der Exploitation hatte er mitgerechnet.