Auto-Mobilität wurde von den Nazis erfunden… oder so: Stilblüten akademisierter Verbildung

Willem Saris hat vor einigen Jahrzehnten mit Bezug auf die Faktorenanalyse, ein statistisches Verfahren, das damals en vogue war, geschrieben: “Common Factors can always be found, but can they also be rejected?”: Im weitesten Sinne: Gemeinsamkeiten kann man immer finden, aber kann man sie auch zurückweisen/falsifizieren?

Saris, Willem E., and Harm Hartman (1990). Common factors can always be found but can they also be rejected?. Quality and Quantity 24, no. 4 (1990): 471-490.

Der Beitrag trägt – wenn man so will – die Kriegserklärung an die Pseudo-Wissenschaftler, die statistische Methoden benutzen, um ihre Vorurteile in Daten zu finden, bereits im Titel. Sein Gegenstand ist grundsätzlicher Art, denn nicht erst seit statistische Methoden Einzug in die Wissenschaft gehalten haben, war der Brauch, die eigene Ideologie vom “Katheter” aus, in dem, was Max Weber eine Afterwissenschaft genannt hat, als Wissenschaft auszugeben, weit verbreitet. Arthur Schopenhauer hat sich zeitlebens über den verbalen Dünnpfiff erregt, mit dem es einem Georg Willhelm Friedrich Hegel gelungen ist, Studenten anzuziehen, wie faules Obst die Fruchtfliegen. Die Frankfurter Schule und der von dort losgetretene Positivismusstreit hat in den 1960er Jahren gezeigt, wie lebendig eine deutsche Tradition ist, die unter der Überschrift “Wissenschaft” mit ideologischen Vorlieben handelt. Es ist kein Zufall, dass der Positivismusstreit von der Frankfurter Schule, dem Zentrum des akademischen Geschwätzes in Deutschland ausgegangen ist, und es ist kein Zufall, dass sich alle Schwätzer auf eben diese Frankfurter Schule beziehen, die seither in unzählichen Fachbereichen ihr Unwesen treiben, die zwar an Hochschulen als Gender, Cultural oder Post-Colonial oder sonstige Studies angeboten werden, aber mit Wissenschaft so  viel gemein haben, wie ein Wachsapfel mit einer Frucht.

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Ein Produkt dieser deutschen Tradition scheint Andreas Knie zu sein, der 1990 seine wissenschaftliche Doktor-Weihe für eine Arbeit mit dem Titel “Diesel – Karriere einer Technik : Genese und Formierungsprozesse im Motorenbau” erhalten hat. Schon damals hat Knie seine Dissertation, die an der Universität Marburg eingereicht wurde, unter dem Rubrum des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) verlegt, und bis heute ist er nicht wirklich vom WZB weggekommen. Derzeit wirkt er  – wie man bei der Bundeszentrale für Politische Bildung nachlesen kann, als ” Professor für Soziologie und Leiter der Forschungsgruppe „Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung”, was einmal mehr zeigt, dass Soziologie kein geschützter Begriff zu sein scheint. Bis zum heutigen Tag findet sich eigentlich keinerlei Hinweis darauf, was Knie zum Soziologen befähigen soll, unter seinen Veröffentlichungen, weder in alten noch in neuen.

Aber geschenkt, lassen wir ihm seine akademische Denomination – nach jahrzehntelanger systematischer Entwertung von Bildungstiteln ist der Schaden ohnehin so groß, dass es nicht mehr darauf ankommt.

Uns interessiert Herr Knie wegen seines Beitrags für die “Bundeszentrale für politische Bildung” mit dem Titel “Deutschlands Weg in die Automobilgesellschaft – Verkehrspolitik im Schatten des NS” und dem Untertitel:

“Die entscheidenden Grundlagen für die autozentrierte deutsche Verkehrspolitik wurden im Nationalsozialismus gelegt. Trotz völlig geänderter Umstände setzt sich die Bevorzugung des Autos bis heute fort. Dies begrenzt auch den Gestaltungsspielraum auf kommunaler Ebene.”

Den Beitrag als solchen, hat man nach Angaben der BpB nach 16 Minuten hinter sich. Indes der Eindruck, es mit einem Vertreter der oben beschriebenen deutschen Tradition zu tun zu haben, er ist bereits nach wenigen Sekunden vorhanden. Was uns zurückbringt zu Willem Saris und den leicht auffindbaren Gemeinsamkeiten.

Andreas Knie ist der Ansicht, eine Kontinuität der Verkehrspolitik und ihrer Ausrichtung auf das Auto mit dem Nationalsozialismus herstellen zu können. Alles habe im Nationalsozialismus begonnen, sagt Knie, und er impliziert, dass die Massenmobilität, die durch Autos ermöglicht wird, ohne Nationalsozialisten in Deutschland nie Einzug gehalten hätte, denn schon 1934 wurde die Grundlage in der bis heute in weiten Teilen gültigen Reichsverkehrsverordnung gelegt und 1939 kam mit der Reichsgaragenordnung noch ein weiterer Grundstein hinzu.

Wer will.
Der findet.

Andreas Knie, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Andreas Knie, 63 Jahre alt und 1960 geboren, hat parantale Grundlagen, die durch seine Großeltern in den 1940er Jahren gelegt wurden, Kriegsgrundlagen, Ergebnisse oder Kontinuitäten einer nationalsozialistischen Familienpolitik im Krieg, Konsequenzen arischer Familienpolitik, rassenbereinigter Familienpolitik … Dass auf dieser Grundlage eine gewisse Obzession mit dem Nationalsozialismus wächst, kann man mit sozialpsychologischen Studien leicht belegen. Dass Entbehrungserfahrungen, wie sie in den 1960er Jahren in Deutschland noch die Regel waren, beim jungen Andreas Neid auf diejenigen, die sich schon damals mehr, z.B. ein Auto, leisten konnten, hat aufkommen lassen, kann man leicht anschließen, aus dem großen Fundus sozialisationstheoretischer Arbeiten, der Soziologie, die Soziologie Knie sicher kennt.

Aber all das soll uns nicht interessieren, denn wir wollen damit nur demonstrieren, dass es sehr leicht ist, eine willkürliche Gemeinsamkeit als historische Kontinuität aufzurichten und damit einen Ausgangspunkt zu schaffen, um die eigene Ideologie peu-á-peu als vermeintliches Ergebnis einer zielgerichteten  historische Entwicklung, die in keiner Weise hätte anders verlaufen können, darzustellen. Wir imitieren die Vorgehensweise von Andreas Knie, die aus unserer Sicht ein klassischer Knieschuss in Tradition großer deutscher Schwätzer ist, im vorliegenden Fall wohl in Tradition von Marx, dessen einfältiger historischer Materialismus ebenso, wie dies Knie tut, behauptet, dass eine einzige Variable, nämlich der Kampf zwischen Besitzlosen und Besitzenden seit Anbeginn der Zeitrechnung und seither in genau drei Phasen alles Sein bestimmt.

Bei Knie bestimmt die Verkehrspolitik der Nationalsozialisten seither das Sein des Autobesitzes in Deutschland, und das ist eine der Gemeinsamkeiten, die er mit Karl Marx aufweist, die Überzeugung, man könne Jahrzehnte Entwicklung auf genau eine Variablen zurückführen. Aber das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit, die Knie mit Marx aufweist. Wie Marx, so verachtet auch Knie Individuen. Eine einfach zu belegende Behauptung, denn im gesamten Text von Knie kommen Individuen, also diejenigen, die Autos kaufen und damit fahren, überhaupt nicht vor. Der Absatz von Autos wird vom Staat befördert. Die Möglichkeit, Autos auf öffentlichen Plätzen zu parken, vom Bundesverwaltungsgericht eröffnet. Die Autofahrer sind die Figuren, die von mächtigen, den Staat lenkenden Menschen über ein Brett befördert werden, jedenfalls in der doch sehr einfachen Welt von Andreas Knie. Und weil diese Welt so einfach ist, deshalb ist es für Knie auch ganz einfach, den Deutschen ihr Auto wieder abzugewöhnen. Es reicht, “den Raum neu zu verteilen”:

“Der Raum wird neu verteilt, das private Auto ist nur noch ein kleiner Teil einer viel größeren Geschichte in der Zukunft der lebenswerten Städte.”

Irgendwer verteilt den Raum neu.
Indes, irgendwer muss sich an die Neuverteilung des Raumes halten.

Was Leute wie Andreas Knie in ihrer Hybris, die allein darauf ausgerichtet ist, anderen zu schaden, natürlich unter Verweis auf das höhere Gute, das damit erreicht werden soll, noch so eine Finte von Sozialisten, die damit ihre wahren Ziele, ihre seit Jahrzehnten gehegten Verletzungen, die sich als Nickligkeit und Boshaftigkeit ausleben, kaschieren wollen, nicht auf der Rechnung haben, das sind der Gegenstand der Psychologie: Menschen und der Gegenstand der Soziologie: Soziale Beziehungen.

Menschen handeln und sie kooperieren. Soziologen wissen das. Knie scheint noch nie davon gehört zu haben. Weil Menschen handeln und kooperieren, weil sie Agency über ihre eigenen Handlungen ausüben, deshalb können Regierungen nur dann ohne Gewalt überleben, wenn die Ziele von Regierungen irgendwie mit den Zielen der handelnden Akteure, deren Bedürfnissen und Wünschen übereinstimmen, ihnen nicht dauerhaft entgegen stehen. Das Bedürfnis nach Mobilität, ein Bedürfnis, das durch die Pferdekutsche nur bedingt befriedigt wurde, hat mit dem FORD T, den Henry Ford schon 1913 in Serie produzieren ließ, so dass 1920 die meisten US-Amerikaner schon einmal in einem FORT T gesessen oder mit einem FORD T gefahren sind, einen Schub erhalten. Das, was noch wenige Jahre zuvor unmöglich gewesen ist, in einen Möglichkeitsraum, den jeder erreichen kann, gestellt: Individuelle, UNABHÄNGIGE MOBILITÄT.

Die Nachfrage nach unabhängiger Mobilität, die im 19. Jahrhundert noch Taugenichtsen vorbehalten war, wie sie Eichendorff beschrieben hat, ist mit dem Automobil zu einer Nachfrage geworden, die mit der Notwendigkeit, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, vereinbar ist. Das Auto ist für viele Menschen ein Symbol von Freiheit. Nur für Andreas Knie ist es das nicht. Für Knie ist die Geschichte des Automobils eine Geschichte, die im Nationalsozialismus mit dem Bau von Autobahnen und einer Politik, die Autos zur Massenware machen sollte (was indes nicht gelungen ist), beginnt und in der Bundesrepublik (nicht etwa in der DDR, Knie berücksichtigt nicht einmal einen Trabant oder einen Wartburg) mit insgesamt zwei Enjtscheidungen vorangetrieben wurde. Die erste Entscheidung macht das Auto unter Werbekosten in der Steuererklärung absetzbar. Die zweite Entscheidung designiert öffentliche Flächen als Parkplätze. Die Nazis, die Werbekosten und die Parkplätze sind dafür verantwortlich, dass die meisten Deutschen heute ein Auto ihr eigen nennen.

Die Welt ist in manchen Köpfen doch sehr einfach und zudem konsequent menschenleer, denn dass Individuen ein Interesse daran haben könnten, ein Auto ihr eigen zu nennen, dass diese Individuen Druck auf politische Akteure ausüben, damit Randbedingungen geschaffen werden, die Autobesitz ermöglichen, dass MENSCHEN, nicht Systeme, INDIVIDUEN, nicht Organisationen ihre Interessen durchsetzen, das ist Andreas Knie, dem Soziologen, offenkundig noch nie in den Sinn gekommen. Wir könnten jetzt bei der oben dargestellten historischen Konstellation, die seine Geburt erst ermöglicht hat, ansetzen und uns fragen, wie es sein kann, dass jemand nicht einmal auf die Idee kommt, Menschen als Akteure zu berücksichtigen, aber das überlassen wir denen, die für solche historische Musterfindungsaktionen empfänglich sind.

Die Universität Marburg hat Andreas Knie seinen Doktortitel verliehen. Die Universität Marburg war unter den ersten Hochschulen, die einen Nationalsozialistsischen Deutschen Studentenbund vorweisen konnten, und zwar bereits 1926. Die Universität Marburg hat eine Arisierung durchgeführt, der unter anderem Wilhelm Röpke (kein Jude, aber bekannter Gegner der Nationalsozialisten) zum Opfer gefallen ist. Die an der Universität Marburg tätigen Wissenschaftler haben alle das “Bekenntnis deutscher Professoren zu Adolf Hitler” unterzeichnet.

Knie ist der Ansicht, der Deutschen Liebe zum Auto beginne im Nationalsozialismus, muss man aus der Geschichte der Universität Marburg schließen, dass der Marburger Absolventen Liebe zum Unfug ebenfalls im Dritten Reich ihren Ausgangspunkt genommen hat?


 

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