“Soziale Gerechtigkeit” ist ein geflügelter Begriff. Soziale Gerechtigkeit ist positiv belegt. Es macht sich gut, soziale Gerechtigkeit zu fordern. Es gehört zum guten Ton, soziale Gerechtigkeit ganz oben auf der politischen oder eigenen Agenda zu verorten. So darf die Schuldenbremse, mit der staatliche Ausgaben reduziert werden sollen, nicht zu sozialer Ungerechtigkeit führen, Occupy-Aktivisten bewohnen öffentliche Plätze, demonstrieren gegen die “Gier der Banker” und für “soziale Gerechtigkeit”. Andere verkünden, dass man soziale Gerechtigkeit durch die dezentrale Produktion erneuerbarer Energien erreichen kann. Die Evangelische Kirche Deutschlands will die Schuldenkrise zu mehr Einsatz für soziale Gerechtigkeit nutzen, Studenten und Schüler demonstrieren für mehr soziale Gerechtigkeit im Bildungssystem , die Linke glaubt, dass eine sich weitende Schere zwischen Arm und Reich bei “den Menschen” zu einer Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit führt, während das Forum soziale Gerechtigkeit fordert, die Wirtschaft zum Diener sozialer Gerechtigkeit zu machen.
Die Beispiele machen zum einen deutlich, dass soziale Gerechtigkeit ein Begriff ist, der multifunktional einsetzbar ist: Soziale Sicherheit lässt sich nahezu in jedem Lebensbereich fordern. Zum anderen zeigen die Beispiele, dass soziale Gerechtigkeit mit der Verteilung von Ressourcen zu tun hat. Und da Ressourcen und insbesondere ihre Verteilung immer etwas mit Interessen zu tun haben, eignet sich soziale Gerechtigkeit bestens, um für die eigenen Interessen instrumentalisiert zu werden. Mit dem Verweis auf soziale Gerechtigkeit kann man die Subvention des dezentralen Ausbaus so genannter nachhaltiger Stromerzeugung fordern, man kann eine höhere Steuer für Reiche mit “sozialer Gerechtigkeit” begründen, die vermeintliche relative Armut von Alleinerziehenden zum Problem sozialer Gerechtigkeit stilisieren, das der Beseitigung bedarf, und man kann mit dem Verweis auf soziale Gerechtigkeit die Schaffung von Arbeitsplätzen für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen fordern, die sich dann um sozial Benachteiligte kümmern sollen, um auf diese Weise soziale Gerechtigkeit herzustellen.
Diese vielfältige Verwendbarkeit ein und desselben Begriffs, die beschriebene Möglichkeit, soziale Gerechtigkeit für nahezu alle Interessen, deren Ziel darin besteht, sich selbst einen privilegierten Zugang zu Ressourcen zu verschaffen oder doch zumindest andere von ihrem Zugang zu Ressourcen abzuschneiden, hat Friedrich A. Hayek dazu geführt, den Begriff der sozialen Gerechtigkeit und das Ziel sozialer Gerechtigkeit als illusorisch zu bezeichnen und zu verwerfen: “Mehr als zehn Jahre lang, habe ich mich intensiv damit befasst, den Sinn des Begriffs ‘soziale Gerechtigkeit’ herauszufinden. Der Versuch ist gescheitert; oder besser gesagt, ich bin zu dem Schluss gelangt, dass für eine Gesellschaft freier Menschen dieses Wort überhaupt keinen Sinn hat” (Hayek, 1977). Hintergrund dieser Schlussfolgerung ist die Konzeption einer Freien Gesellschaft von Hayeks. Eine freie Gesellschaft basiert für Hayek auf einer freien Marktwirtschaft, in der die Rechtsgleichheit der Akteure garantiert ist, Privilegienfreiheit herrscht und das Leistungsprinzip regiert. Die drei Begriffe, Rechtsgleichheit, Privilegienfreiheit und Leistungsprinzip, definieren die Spielregeln der freien Marktwirtschaft. Wer diesen Spielregeln zustimmt, erklärt sich auch mit den Ergebnissen, die im Rahmen dieser Spielregeln erreicht werden können, einverstanden, egal, ob die Ergebnisse für ihn positiv oder negativ sind. Gerechtigkeit so verstanden, ist demnach Prozessgerechtigkeit. Ergebnisse sind gerecht, wenn sie unter Einhaltung der Spielregeln zu Stande gekommen sind.
Diese Form der Prozessgerechtigkeit ist all denen ein Dorn im Auge, denen die Marktergebnisse nicht passen bzw. die eine Privilegierung bestimmter Spieler erreichen wollen. Entsprechend wird mit Gerechtigkeitsbegriffen wie “Bedarfsgerechtigkeit” oder “Verteilungsgerechtigkeit” hantiert , wobei Bedarfsgerechtigkeit, z.B. die Idee hinter dem bedingungslosen Grundeinkommen ist, Verteilungsgerechtigkeit, die Marktergebnisse nachträglich durch Umverteilung ändern will. Diesen Gerechtigkeiten, die unter dem Überbegriff “soziale Gerechtigkeit” gehandelt werden, ist eines gemeinsam: Sie stellen einen interessegeleiteten Eingriff in den Markt dar, bevorzugen die einen Marktteilnehmer zu Lasten der anderen Marktteilnehmer und rechtfertigen dies mit “sozialer Gerechtigkeit”.
Soziale Gerechtigkeit ist der Anlaß eine Bedarfsgerechtigkeit zu fordern, die alle Deutschen mit dem gleichen Grundstock an physischer Sicherheit versorgen soll. Da aber nicht alle Deutschen arbeiten hat dies notwendig zur Folge, dass einige profitieren, weil ihnen gegeben wird, obwohl sie keine Leistung erbringen, während anderen genommen wird, weil sie leisten. Ähnlich verhält es sich bei der Verteilungsgerechtigkeit, die den Leistenden einen Teil ihrer Leistung nimmt, um ihn an weniger oder gar nicht Leistende zu verteilen. Besonders problematisch wird diese Grundstruktur dann, wenn es darum geht zu bestimmen, wem wieviel genommen wird und wem wie viel zugeteilt bzw. zu wessen Gunsten umverteilt wird. In dieser Frage ist Streit vorprogrammiert, denn diejenigen, denen genommen wird, werden der Ansicht sein, es wird ihnen zu viel genommen bzw. jede Umverteilung ablehnen, während diejenigen, die erhalten, der Ansicht sein werden, zu wenig zu erhalten. Mit jeder Umverteilung und jeder Grundsicherung, die eine Regierung einführt, wird sie zudem bei anderen, die noch nicht in den Genuss von umverteilten Mitteln gekommen sind, Begehrlichkeiten wecken, und sie wird bei denen, denen gegeben wird, weitere Begehrlichkeiten wecken. Dagegen wird den Leistenden ein Grund gegeben, die eigene Leistung vor der Umverteilung zu schützen bzw. es wird ihnen der Anreiz genommen, überhaupt zu leisten. Zwischen all denjenigen, die versuchen, in den Genuss von Umverteilung zu kommen bzw. ihre Marktergebnisse vor Umverteilung zu schützen, steht die Regierung. Das Ziel einer Regierung besteht in erster Linie darin, wiedergewält zu werden. Um wiedergewählt zu werden, benötigt man Unterstützung, und Unterstützung kann man dadurch kaufen, dass man bestimmte der beschriebenen Interessen bedient, in dem man umverteilt, im Namen der sozialen Gerechtigkeit.
Diese unvermeidbare Degeneration der umverteilenden Regierung zum Handlanger unterschiedlichster Interessen und der unvermeidbare Streit darüber, was denn nun sozial gerecht ist und ab welcher Höhe eine Zuwendung sich als sozial gerecht qualifiziert, hat Hayek dazu veranlasst, den Begriff der sozialen Gerechtigkeit rundweg zu verwerfen, und nach dem Gesagten kann man ihm eigentlich nur zustimmen.
Hayek, Friedrich A. von (1977). Soziale Gerechtigkeit – eine Fata Morgana. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. April 1977, S.13.
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„Da aber nicht alle Deutschen arbeiten hat dies notwendig zur Folge, dass einige profitieren, weil ihnen gegeben wird, obwohl sie keine Leistung erbringen, während anderen genommen wird, weil sie leisten“
Falls sich auf dieser Annahme die Argumentationskette des Autors abstützt, sollte dieser nochmal seine Empirie überprüfen, bevor er eine falsche Schlussfolgerungen im Rahmen seines Versuchs einer gesamtgesellschaftliche Analyse zieht.
So wurden laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2007 fast 60 Milliarden Stunden Erwerbsarbeit und annähernd 100 Milliarden Stunden Unbezahlte Arbeit geleistet. Dieses Arbeitsvolumen kann eine Gesellschaft nur dann pro Jahr hervorbringen, wenn nahezu alle arbeitsfähigen Mitglieder tätig gewesen sind!
Es gibt einen elementaren Unterschied zwischen einer unbezahlten und einer bezahlten Arbeit: Die bezahlte Arbeit wird von jemandem nachgefragt, der bereit ist, dafür Geld zu bezahlen, die unezahlte nicht. Entsprechend produziert bezahlte Arbeit einen Mehrwert, unbezahlte Arbeit produziert keinen Mehrwert. Das mag man bedauern, aber in einer Welt der Knappheiten ist es nun einmal so, dass die Nachfrage nach einem vorhandenen Angebot den Preis bestimmt …Im übrigen ändert die unbezahlte Arbeit überhaupt nichts am Argument, nur dass diejenigen, die nun vom Arbeitsentgelt anderer profitieren, für sich, jedenfalls ein Teil davon, ins Feld führen können/kann, sie hätten unbezahlte Arbeit geleistet, also Arbeit, die niemand nachfragt, sonst wäre sie mit einem Entgelt versehen.
Das Wesen der unbezahlten Arbeit ist, dass man sie aus einer nicht-monetären Motivation ergreift. Es steht also die Sinnstiftung im Vordergrund. Und diese Sinnstiftung wird genährt durch Anerkennung. Eine Arbeit die nicht nachgefragt wird ergibt keinen Sinn, würde also auch von keinem getan werden. Da unterscheidet sich ein Ehrenamtliches Engagement nicht von einer bezahlten Tätigkeit.
Im gesamtgesellschaftlichen Kontext ist die unbezahlte Arbeit genauso wichtig wie die bezahlte Arbeit, denn ohne diese würde unsere Gesellschaft zusammenbrechen (Bildung, Erziehung, Pflege, Kultur, Politik etc.). Erst diese soziale Infrastruktur, die unsere Gemeinwesens zu Verfügung stellt, ermöglicht überhaupt das Hervorbringen von Gütern und Dienstleistungen. Die bezahlte Erwerbsarbeit ist daher angewiesen auf die Bereitstellung der kulturellen Güter durch die unbezahlte Arbeit …
Da stimme ich Ihnen zu. Und weil die unbezahlte Arbeit aus anderen als monetären Motiven getan wird, würde man die Bereitschaft dazu, die unbezahlte Tätigkeit zu übernehmen, dadurch beschädigen, dass man sie bezahlt. Crowding out nennt man das, das Beseitigen intrinsischer Motivation durch Bezahlung. Dies führt dann auch zu dem Schluss, dass derjenige, der für unbezahlte Arbeit bezahlt werden will, gar nicht die hehren Motive haben kann, die Sie ihm unterstellen, denn hätte er sie, würde er die unbezahlte Arbeit unbezahlt machen.
Michael Klein macht hier ein empirisches Argument aus der sozialpsychologischen Forschung, das ich in seiner Richtigkeit bestätigen kann.
Ich würde auch anfügen wollen, dass anscheinend niemand bereit ist, für die unbezahlte “Arbeit” zu bezahlen, obwohl sie für andere angeblich so wichtig ist. Würde man dann nicht erwarten, dass diese so wichtige Arbeit nachgefragt wird und die Nachfrage dazu führt, dass sie entsprechend entlohnt wird? Vielleicht ist die unbezahlte “Arbeit” ja vor allem für diejenigen, die sie tun, nutzenstiftend? Dafür, dass es so ist, sprechen ebenfalls sozialpsychologische Befunde (wie z.B. die mit Bezug auf den “warm glow”, von dem man hofft, dass er auf einen fällt, wenn man die Tätigkeit ausübt).
Unbezahlte Arbeit ist dann wohl “Hausarbeit” der Frauen. Das ist aber keine unbezahlte Arbeit, sie wird vom arbeitenden Mann bezahlt der fast sein gesamtes Einkommen dafür ausgibt.
Die Märchen von der “unbezahlten” Arbeit sind lächerlich.
Dass man Leute mit (eventuell) gut gemeinten finanziellen Belohnungen demotivieren kann, ist nicht nur ein Phänomen aus der unbezahlten Arbeit. Auch die weit verbreiteten Boni im Management erzeugen ähnliche Effekte und wirken bei sehr hohen Boni (und gleichzeitig eher moderaten Grundgehältern) sogar als Malus, weil das Erreichen einer Bonuszahlung schon in die Einkommenserwartung eingerechnet ist und somit eine Drucksituation entsteht.
„Dies führt dann auch zu dem Schluss, dass derjenige, der für unbezahlte Arbeit bezahlt werden will, gar nicht die hehren Motive haben kann, die Sie ihm unterstellen, denn hätte er sie, würde er die unbezahlte Arbeit unbezahlt machen.“
Es geht nicht darum, unbezahlte Arbeit zu bezahlen – das macht, wie bereits erwähnt, wenig Sinn – sondern solche Arbeiten erst zu ermöglichen. Dazu braucht es allerdings ein Einkommen, damit man sich ein „Ehrenamt“ überhaupt leisten kann. Viele ältere Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren, können dies aufgrund einer ausreichenden Rente/Pension (ähnliches gilt auch für einige Gutverdiener), während andere Bürger dieses Landes zwar genug Zeit hätten eine, für sie sinnvolle, unbezahlten Tätigkeit nachzugehen, es sich jedoch aufgrund ihrer Einkommenssituation nicht leisten können.
„Ich würde auch anfügen wollen, dass anscheinend niemand bereit ist, für die unbezahlte „Arbeit“ zu bezahlen, obwohl sie für andere angeblich so wichtig ist. Würde man dann nicht erwarten, dass diese so wichtige Arbeit nachgefragt wird und die Nachfrage dazu führt, dass sie entsprechend entlohnt wird? Vielleicht ist die unbezahlte „Arbeit“ ja vor allem für diejenigen, die sie tun, nutzenstiftend? Dafür, dass es so ist, sprechen ebenfalls sozialpsychologische Befunde (wie z.B. die mit Bezug auf den „warm glow“, von dem man hofft, dass er auf einen fällt, wenn man die Tätigkeit ausübt).“
Dieser Effekt ist bei manchem Engagierten wohl zu vermuten, er erklärt aber nicht, wie sich unser Gemeinwesen komplett auf diese unbezahlte Arbeit stützt – ohne die Einsicht in die Notwendigkeit bestimmter Tätigkeiten ließe sich niemals organisieren, das notwendigen Dinge in unserer Gesellschaft auch getan werden. Wie sollte z.B. Demokratie anders funktionieren …?
Der lange Kommentar hat letztlich ein Absurdum zur Grundlage (wie das Grundneinkommen überhaupt:
“Es geht nicht darum, unbezahlte Arbeit zu bezahlen – das macht, wie bereits erwähnt, wenig Sinn – sondern solche Arbeiten erst zu ermöglichen. Dazu braucht es allerdings ein Einkommen, damit man sich ein „Ehrenamt“ überhaupt leisten kann. Viele ältere Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren, können dies aufgrund einer ausreichenden Rente/Pension (ähnliches gilt auch für einige Gutverdiener), während andere Bürger dieses Landes zwar genug Zeit hätten eine, für sie sinnvolle, unbezahlten Tätigkeit nachzugehen, es sich jedoch aufgrund ihrer Einkommenssituation nicht leisten können.”
Wie man es auch dreht und wendet, jemand muss das Einkommen erwirtschaften, das dann denjenigen zugeteilt wird, die sich ehrenamtlich engagieren sollen. Dass Sie die entsprechende Umverteilung anders nennen und behaupten, man werde nicht für ehrenamtliche oder welche nicht-bezahlte Arbeit auch immer bezahlt, sondern durch ein Grundeinkommen quasi zur entsprechenden Tätigkeit freigestellt, ändert nichts daran, dass das Geld von jemand anderen ERARBEITET werden muss. Dadurch, dass man Dinge anders benennt, ändert man nichts an der Logik. Und da unsere Welt eine Welt begrenzter Ressourcen ist und nur verteilt werden kann, was auch erwirtschaftet wurde, bedeutet jede Umverteilung, wie auch immer man die Umverteilung nennt, ob Abgabe, Grundeinkommen oder was auch immer, dass einer arbeitet und die Mittel erwirtschaftet, die dazu dienen, einen anderen freizustellen. Mehr gibt es dazu aus meiner Sicht nicht mehr zu sagen.
Übrigens haben Rentner zumeist ein Arbeitsleben hinter sich gebracht, d.h. ihre Rente, die sie aus Ihrer Sicht für ehrenamtliche Tätigkeiten freistellt, wurde von den entsprechenden Rentnern während ihres Erwerbslebens erwirtschaftet. Ein Grundeinkommen basiert auf überhaupt keiner Leistung und entsprechend zeigt sich an dieser Idee wieder eine verquere Gerechtigkeitsvorstellung, die Leistungsgerechtigkeit ablehnt und statt dessen eine Gleichheit der Verteilung anstrebt, die keinerlei Bezug zu vergangener und aktueller Leistung hat. Das halte ich nicht nur für bar jeglicher rudimentären Form von Gerechtigkeit, sondern die Form offenen rent seekings halt ich schlicht für unmoralisch.
Wie verhindern Sie übrigens, dass Grundeinkommensbezieher sich zur Ruhe setzen und genau nichts machen?
Das ist doch Unsinn. Wenn ich an meinem Haus selbst etwas baue, dann steigt der Wert des Hauses wenn ich es verkaufen würde. Stellt das keinen Mehrwert dar? Unbezahlte Arbeit geht nicht in das BIP ein. Das sie keine Werte schafft ist quatsch, denn dann wären in der Tauschwirtschaft nach dem 2. WK keinerlei Werte geschaffen worden.
Ich kenne Ihre Baukünste nicht, insofern weiß ich nicht, ob die “unbezahlte Arbeit” in diesem Fall nicht den Wert eher reduzieren würde. Ihr Hinweis geht auch am Punkt vorbei, der in der Verbindung von Nachfrage und Mehrwert besteht. Wenn Sie an Ihrem Haus herumbauen und ein Dritter der Ansicht ist, der schiefe Kamin stelle eine Mehrwert dar, dann mag sich das in einem erhöhten Kaufpreis niederschlagen, aber auch nur deshalb, weil es eine Nachfrage dafür gibt. Ob der erhöhte Kaufpreis allerdings ein Mehrwert ist, darüber ließe sich trefflich streiten… Im Übrigen ist Ihr Begriff von “Bezahlung” zu eng, die Tauschwirtschaft nach dem 2 WK basierte gerade auf einer Währung, auf einem Umtauschkurs, von zehn Kartoffeln für zwei Zigaretten, dass dabei keine monetären Werte getauscht wurden, ändert nichts daran, dass es (1) eine Nachfrage gab und (2) eine Tausch-Währung.
Bevor ich Herrn Klein mangelhafte Kenntnis seiner Empirie vorwerfen würde, würde ich vielleicht versuchen, meine eigenen Mängel hinsichtlich der Aussagekraft statistischer Daten in Rechnung zu stellen: Wenn das Statistische Bundesamt ein bestimmtes Arbeitsvolumen ausweist, ist nichts darüber ausgesagt, wie sich die (bezahlte oder unbezahlte) Arbeit auf die Bevölkerung pro Kopf verteilt. Auf welcher logischen oder empirischen Basis man angesichts der Ausweisung eines bestimmten Arbeitsvolumens behaupten kann: “Dieses Arbeitsvolumen kann eine Gesellschaft nur dann pro Jahr hervorbringen, wenn nahezu alle arbeitsfähigen Mitglieder tätig gewesen sind!”, ist mir nicht nachvollziehbar. Welche Daten rechtfertigen diese Behauptung? Die Behauptung dadurch stärken zu wollen, dass sie mit einem Ausrufezeichen versehen wird, kann kaum als Ersatz für ein Argument angesehen werden, und an dieser Stelle bin ich versucht, ein Ausrufezeichen anzufügen 🙂
Außerdem stellt sich die grundlegend wichtige Frage, was denn bitte “unbezahlte Arbeit” sei.
Ehrenamtliche Arbeit wird nicht bezahlt, stiftet aber (wohl vor allem) dem, der sie tut, Nutzen in Form des Gefühls, etwas “Gutes” zu tun, von anderen Respekt und Dankbarkeit einfordern zu können oder diejenigen, für die man unbezahlt arbeitet, von sich selbst abhängig zu machen (in der Sozialen Arbeit ist das als Helfersyndrom bekannt). Inwieweit dies eine Arbeit ist, die (auch) für andere Nutzen stiftet oder die eher Schaden als Nutzen stiftet, wäre eine Frage, die empirisch zu beantworten ist.
In anderen Fällen “unbezahlter Arbeit” ist die Sachlage noch klarer: Wenn ich mir z.B. ein Kind wünsche und mir diesen Wunsch (übrigens mit Hilfe des Steuerzahlers als Sponsor: Leistungen aus der Krankenversicherung wie Mutterschaftsurlaub sowie Kindergeld, Elterngeld etc.) erfülle, kann ich dann die Versorgungsleistungen, die ich für mein Kind erbringen muss (oder soll), als “unbezahlte Betreuungsarbeit” ausgeben, obwohl ich einfach nur meine persönlichen Wünsche erfüllt habe und sozusagen meinem Hobby fröne? Gleiches gilt für unbezahlte Hausarbeit: Wenn ich denke, dass es mir nicht zumutbar ist, morgens meine Scheibe Brot zu toasten, weil ich Hunger habe und meinen Hunger befriedigen möchte, dann kann ich es ja lassen und statt “unbezahlter Hausarbeit” den Freitod durch Verhungern wählen.
Und diese alberne Einstellung ist es ja wohl, die einem Blog zugrunde liegt, der sich selbst “freiheitstattvollbeschaeftigung” nennt? Ich gehöre nicht zu den Menschen, die meinen, dass eine Arbeit zuf Finanzierung meines Lebensunterhaltes eine Zumutung an mich ist, die meine Freiheit einschränkt. Ich finde eine solche Idee schlichtweg albern, und sie gehört ins Reich der Paradiesvorstellungen, in denen jemand nicht näher Bekanntes (vielleicht die, die vollzeit arbeiten?) das Mana auf die Menschen regnen lässt, weil sie so wertvoll und “gut” sind – nur selbständig für ihren Lebensunterhalt aufkommen möchten oder können sie nicht, oder doch jedenfalls nicht so ganz, wo es doch unter Ergänzung durch Transferzahlungen, die vor allem Vollzeitbeschäftigte aufbringen, ausreicht, stundenweise zu arbeiten…. Würde das Ihre Vorstellung von “sozialer Gerechtigkeit” so ungefähr abbilden? Ich hoffe inständig, dass das nicht der Fall ist.
“Eine freie Gesellschaft basiert für Hayek auf einer freien Marktwirtschaft, in der die Rechtsgleichheit der Akteure garantiert ist, Privilegienfreiheit herrscht und das Leistungsprinzip regiert.”
Keine der drei Voraussetzungen ist auch nur annähernd erfüllt, vielleicht nicht einmal erfüllbar.
Recht bekommt idR der finanziell und/oder politisch Stärkere.
Und so lange Reichtum, Macht und Einfluss vererbt werden, einschließlich der Möglichkeit, nicht zu arbeiten und trotzdem vollkommen leistungsfrei reich zu bleiben und reicher zu werden, kann man wohl kaum von Privilegienfreiheit und Leistungsprinzip sprechen.
Da hätte Hayek also besser den Begriff der “freien Marktwirtschaft” rundweg verworfen.
Das ist ein “Suizid-Argument”. Viele Ideen zeichnen sich dadurch aus, dass Sie einen Zustand beschreiben, der derzeit nicht vorhanden ist. Wenn die Tatsache, dass etwas derzeit nicht vorhanden ist, gegen eine Idee spricht, dann können wir jede Form von Innovation ab sofort in den Orkus werfen, denn wer hätte etwa 1950 gedacht, dass Heimcomputer im Jahre 1990 normal sind, und was hätten die drei West-Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg wohl machen sollen, wo doch in Deutschland demokratische Ideale weitgehend unbekannt waren und vermutlich nicht einmal durchsetzbar… Eine Autokratie einrichten? Stalin um Rat fragen? Wenn Zustände gegen Veränderung sprechen, und das ist die Crux Ihres Arguments, dann können wir uns eindosen lassen, denn die Zustände sprechen immer gegen neue Ideen.
Ja, ich muss Herrn Klein zustimmen: Ein Konzept oder eine Idee zu verwerfen, weil sie (derzeit) nicht empirisch umgesetzt ist, ist unlogisch. Und wieso spricht es für einen von “kom” nicht näher bezeichneten und schon gar nicht begründeten gesellschaftlichen Entwurf, wenn ein anderer, klar bezeichneter und begründeter Entwurf “viellicht nicht einmal erfüllbar” sein sollte? Werden andere gesellschaftliche Entwürfe dadurch dann irgendwie “besser” (begründet)?
Wäre es nicht wesentlich konstruktiver, daran mitzuarbeiten, dass Rechtsgleichheit, Prvilegienfreiheit und das Leistungsprinzip in der Gesellschaft zur Geltung kommen können? Es gibt doch tausend Punkte, an denen man diesbezüglich ansetzen könnte: Zentrale Prüfungen für die Erteilung von Bildungszertifikaten, Streichung jeder Privilegierung bestimmter Lebensentwürfe – ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.
Nachsatz: “Wer diesen Spielregeln zustimmt…” – und wenn man diesen Spielregeln nicht zustimmt bzw. sie für konstruiert und unrealistisch hält?
Mir scheint, der Artikel basiert auf einem Strohmann-Argument. Ich definiere “Gerechtigkeit” und die geltenden Regeln, ohne die real verbreiteten Definitionen und Mechanismen zu berücksichtigen, setze Zustimmung dazu einfach voraus und schon soll Widerspruch eigentlich nicht mehr möglich sein.
Wie sonst sollte es gehen? Glauben Sie Gerechtigkeit existiert im Off, flottiert frei durch den Raum und ist für und an sich vorhanden? Ich empfehle Ihnen die Lektüre von David Humes Untersuchung über den menschlichen Verstand, in der ziemlich klar dargelegt wird, warum abstrakte Begriffe im Hirn geboren werden und daher gar nichts anderes sein können, als “Hirngespinste”, denn Gerechtigkeit gibt es in der Realität nicht – oder wo kann ich ein Kilo Gerechtigkeit kaufen? Und weil dem so ist, muss man Gerechtigkeit definieren und weil man Gerechtigkeit definieren muss, gibt es unterschiedliche und widerstreitende Definitionen und man muss sich entscheiden, welche Definition man für die richtige hält. Das kann man anhand rationaler Kriterien machen, man kann sich emotional an eine Definition hängen, was man nicht machen kann, ist Definitionen, die einem nicht passen ablehnen, weil sie ja “nur” Definitionen sind, denn das gilt für alle Formen von Gerechtigkeit. Es führt daher kein Weg daran vorbei, sich mit Definitionen auseinander zu setzen.
Wer diesen Spielregeln nicht zustimmt, sollte als rationaler Akteur, der ernst genommen werden will, seine Gründe hierfür nennen und alternative Spielregeln vorschlagen und diese ihrerseits begründen. Als Begründungen kommen logische und empirische Argumente in Frage (aber sicherlich keine bloß ideologisch begründeten Vorlieben oder keine bloße Konformität mit dem, was für die derzeit opportune Auffassung gehalten wird).
Und in diesem Zusammenhang muss ich sagen, dass die Frage, die Herr Klein mit Herrn Hayek aufgeworfen hat, diejenige war, was denn unter “sozialer Gerechtigkeit” überhaupt sinnvoll verstanden werden könnte, und genau auf diese Frage hat keiner der kritischen Kommentatoren geantwortet. Was darf man hieraus schließen? Bis ich Definitionsvorschläge und eine entsprechende Begründung für die Sinnhaftigkeit des Konzeptes höre, muss ich davon ausgehen, dass der Begriff “soziale Gerechtigkeit” verzichtbar ist, und ich sehe keinen Sinn darin, meine kognitive Landkarte mit Worthülsen zu füllen, die keinen Aussagegehalt haben und (bis auf Weiteres) nur als Symbol dafür gelten können, dass man, da man die Hülse bemüht, ein “guter” Mensch ist.
Soweit ich Hayek “kenne” sprach er sich für Bedarfsgerechtigkeit, im Sinne von bedingungslosem Grundeinkommen für alle Personen, die ohne Verschulden nicht in der Lage sind, auf dem Markt ein zum Leben ausreichendes Einkommen zu generieren, aus. Allerdings, und dies sei zugestanden, ging es ihm dabei wohl eher um systemstabilisierende Faktoren.
Cf., u.a. Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 3, 83.
Ich sehe jedoch auch Brüche in Hayek’s Denken. Zum einen wendet er gegen den Sozialismus ein, dass dieser nicht begriffen habe, dass “Kleingruppen-Moral und Große Gesellschaft unvereinbar” seien (Waibl: Ökonomie und Ethik, Bd. II, 211) im Gegenzug spricht er sich dafür aus, dass es jedem gestattet sei, seine Wert- und Zielvorstellungen, ohne eine bestimmte, vorgegebene Wertorientierung, zu verfolgen (Vermerk 17, 277).
Dass ein offenes Zusammenleben mit Menschen, welche diametral entgegengesetzte Wertvorstellungen verfolgen, so einfach nicht möglich ist, zeigt schon die Sprache und der unbewußte Konsens innerhalb der Sprechergemeinschaft – Luhmann hält z.b. fest, dass Werte mit einer unbezweifelbaren Evidenz bereits in der Kommunikation enthalten sind: “Werte gelten in der Kommunikationsweise der Unterstellung” (Luhmann 1993, 18).
Beispiele:
-“Liberale” Gesellschaften haben Probleme mit kopftuchtragenden Frauen in der Öffentlichkeit, und verbieten dies – meine Oma trug oft Kopftuch.
-Verschiedene Minderheiten, deren Moralvorstellungen erheblich vom Mainstream abweichen, fordern “Gleichberechtigung” – so argumentieren z.B. Sadisten, dass es Diskriminierung sei, wenn sie aufgrund ihrer “Neigung” den Arbeitsplatz bei christlichen Vorgesetzten verlieren würden.
(1) Hayeks “Ethik” ist eine Ethik, die man aus meiner Sicht mit der Idee des Gesellschaftsvertrags von Hobbes vergleichen kann und die auf Vernunft basiert. Die wertvorstellungen sind entsprechend vollkommen wurscht. Sie sind deshalb wurscht, weil sich die Akteure im Markt, also in ihrer täglichen Interaktion an gemeinsame Spielregeln halten, die sie freiwillig akzeptieren. Die Spielregeln geben im Wesentlichen die Bedingungen ihrer Interaktion an und die Menge der erlaubten Spielzüge. Da sich Akteure auf Regeln geeinigt haben, ist das Ergebnis der Interaktion dann gerecht, wenn es entsprechend der Spielregeln zu Stande gekommen ist. Insofern sehe ich nicht, wo es Probleme mit unterschiedlichen Wert- und Zielvorstellungen geben soll.
(2) Liberale Gesellschaften haben kein Problem mit kopftuchtragenden Frauen. Warum sollten Sie? Das Grundgut liberaler Gesellschaften ist die persönliche Freiheit, die jeder füllen kann, wie er mag.
Nun ja, hier kann ich nicht ganz zustimmen. Wenn Hayek gegen den Sozialismus evolutionär oder meinetwegen auch kulturell-familialistisch argumentiert – ähnliche Argumentationsweisen finden wir ja in versch. Bereichsethiken – um darzulegen, dass menschliche Moral zumeist auf die Familie oder das nähere Umfeld (Gruppe) beschränkt ist und sich nur in kleinem Maße auf die gesamte Gesellschaft ausweiten lässt – jedenfalls nicht in dem Maße, wie der Sozialismus es uns weismachen wollte -, dann impliziert dies auch, dass Wertvorstellungen der Kleingruppe in Bezug auf die propagierte, liberale Idee, dass es jedem gestattet sei, seine Wert- und Zielvorstellungen, ohne eine bestimmte, vorgegebene Wertorientierung, zu verfolgen, in Rechnung zu stellen sind.
@ Heike Diefenbach
Ich persönlich glaube nicht, dass es überhaupt Sinn macht hier eine “allgemeingültige” Definition finden zu wollen. Schon die Frage danach, was als – im normativen Sinne – “Soziales” gesehen werden sollte, ist eine Scheinfrage. Allein schon eine etymologische Begriffsherleitung offenbart die Schwächen. Was ist sozial? Was ist gerecht? Was ist soziale Gerechtigkeit? Sogesehen stimme ich Hayek zu. Diese Frage ist letztlich politisch zu beantworten.
Ich kann mit dem Begriff “kulturell-famialistisch” überhaupt nichts anfangen, weiß daher nicht, was damit gemeint sein soll und finde auch bei Hayek nichts, was mir weiterhelfen würde. Da Hayek Liberaler war, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass er eine Beschränkung menschlicher Moral auf die Familie angenommen hat, denn liberale sehen – mit Kant gesprochen – die Quelle aller Moral IM INIDIVIDUUM. Dass dem auch bei Hayek so ist, lässt sich damit belegen, dass die Zustimmung zu den Spielregelen des Marktes auf Freiwilligkeit basiert und somit auf individueller Einsicht und nicht etwa auf Verordnung. Und was ist mit “Wertvorstellungen der Kleingruppe” gemeint? Kann eine Kleingruppe eine Wertvorstellung haben? Ich glaube nicht. Wertvorstellungen haben Individuen, Gruppen haben gar nichts, Gruppen werden gebildet und aufgelöst – mehr nicht.
Hayek hat übrigens dafür plädiert, den Begriff der sozialen Gerechtigkeit fallen zu lassen, nicht ihn den Politikern zu überlassen, GERADE nicht!
Prima, dann sind wir, d.h. Herr Hayek, Herr Klein, Sie und ich, ja einer Meinung: Überlegungen darüber, was “soziale Gerechtigkeit” sein sollte, zeigen keine Möglichkeit auf, den Begriff sinnvoll zu definieren und entsprechend zu benutzen, und Begriffe, die keine Definition erlauben und dementsprechend nicht sinnvoll benutzt werden können (eben weil sie nirgendwohin verweisen außer bestenfalls in die Transzendenz oder in den Wahnsinn), können wir ohne Verlust aus unserem sprachlichen Repertoire streichen.
Wenn wir der Auffassung sind, dass der Begriff völlig leer ist, heißt das aber auch, dass wir dann, wenn er benutzt wird, ihn als bloßen “Kampfbegriff” zur Rechtfertigung von Vorteilsnahmen bestimmter Leute oder Gruppen identifizieren sollten, sofern diejenigen, die ihn benutzen, ihn ihrerseits nicht sinnvoll definieren können. Und das ist ein Grund dafür, warum man von Leuten allgemein und immer erwarten dürfen sollte, dass sie für die Begriffe, die sie benutzen, angeben können, was genau sie darunter verstehen. Wenn sie es selbst nicht wissen, können ihre Äußerungen kaum ernstgenommen werden; sie können dann ja gar nicht intersubjektiv mitgeteilt werden.
Der Begriff des “Familialismus” wird, soweit mir geläufig, vor allem im Diskurs um Tierrechte, als Gegenpol gegen den Vorwurf des Speziesismus aufgeführt. Der Familialismus rechtfertigt die Bevorzugung der eigenen Artgenossen.
Genau dieses Argument, sofern ich Hayek richtig lese, verwendet er in einem kulturellen Sinne, dh, er konstatiert gegen den Sozialismus – die Verallgemeinerung einer Stammesmoral, eine Gesellschaft voller sociis -, dass die vorherrschenden moralischen Prinzipien in einer kleinen Gruppe nicht auf die Gesellschaft übertragen werden können, eine Gesellschaft, in welcher wir uns befinden, kann eben nur dann bestehen, wenn die verschiedenen kulturellen Zellen – mein Ausdruck – auf ihre moralischen Prinzipien, auf eine Generalisierung eben dieser, verzichtet (ich verweise diesbezüglich auf Waibl: Ökonomie und Ethik II, 211; aufgeführte Originalstellen: Hayek: Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 2, 181, 197, 201, Bd. 3, 228).
Bis vor wenigen Jahren waren die verschiedenen “kulturellen Zellen” geprägt von einem mehr oder weniger einheitlichen Muster geteilter Grundüberzeugungen. Dem ist immer weniger der Fall. Aber ich schweife ab.
“Und was ist mit „Wertvorstellungen der Kleingruppe“ gemeint? Kann eine Kleingruppe eine Wertvorstellung haben? Ich glaube nicht. Wertvorstellungen haben Individuen, Gruppen haben gar nichts, Gruppen werden gebildet und aufgelöst – mehr nicht.”
Wir haben x Individuen in einer Gruppe. Jedes Individium X1-Xn der Gruppe hat “eigene” Wertvorstellungen, die sich wiederum aus den in der Gruppe vertretenen Wertvorstellungen speisen (Tabus usw.). Die Schnittmenge der Wertvorstellungen der einzelnen Mitglieder der Gruppe bilden den kleinsten gemeinsamen Nenner, die “Wertvorstellungen der Kleingruppe” – die Gruppe hat keine Wertvorstellungen, sie transportiert die einzelnen Wertvorstellungen als eine nach Außen. Bayern gelten als konservativ. Allgäuer werden anders gesehen als Franken usw.
“Hayek hat übrigens dafür plädiert, den Begriff der sozialen Gerechtigkeit fallen zu lassen, nicht ihn den Politikern zu überlassen, GERADE nicht!”
Ja, ich auch nicht, ich habe nur darauf hingewiesen, dass sie letztlich politisch zu beantworten sein wird. Ein Wissenschafter hat nie darüber zu entscheiden, ob Begriffe im Feld der Poltik fallen zu lassen sind oder nicht, auch wenn eine Begriffsbildung wissenschaftlich betrachtet in sich letztlich sinnlos oder gar widersprüchlich zu sein scheint. Dies hätte für mich totalitäre Züge, welche ich ablehne.
Mir ist völlig unnachvollziehbar, warum man Begriffe wie “soziale Gerechtigkeit”, die nichts bedeuten (denn anscheinend kann niemand klare Ausagen darüber machen, was sie bedeuten oder bedeuten sollen), weiterhin benutzen sollte oder ihre Benutzung akzeptieren sollte, obwohl man mit ihnen keinen Sinn verbinden kann. Für mich ist es eine Frage der kognitiven Hygiene, solche sinnlosen Hülsen auszuschließen. Begriffe haben keine eigene Existenz und haben entsprechend kein “Lebensrecht”. Wenn sich ein Begriff als sinnlos erwiesen hat, tun wir gut daran, ihn einfach nur fallen zu lassen, jedenfalls dann, wenn wir unser Handeln auf Vernunft und gegenseitigem Verständnis aufbauen wollen. Dann können wir es uns schlichtweg nicht leisten, uns mit solchen Hülsen um den Verstand zu schwätzen oder anderen vorzumachen, wir hätten eine Idee davon, wovon sie reden. Und das gilt auch oder vielleicht besonders für den Bereich der Politik. Eine Politik, die Worthülsen benutzt, um emotionale Appelle zu formulieren, anstatt sich selbst auf vernünftige Konzepte und Argumente zu stützen, ist eine fahrlässige Politik. Insofern ist die Politik wie jeder andere Lebensbereich der Vernunft unterzuordnen, und ein vernünftiger Diskurs beginnt mit vernünftigen Begriffen und Konzepten, und noch einmal: ein vernünftiger oder sinnvoller Begriff lässt sich zumindest definieren oder weniger anspruchsvoll formuliert: es lässt sich abgeben, was genau man mit ihm verbinden soll. Wenn nicht – weg damit!
Nachtrag: Ich finde es mehr oder weniger entsetzlich, dass es als “totalitärer Zug” gewertet wird, wenn man Leuten zumutet, die Begriffe, die sie benutzen, ggf. erklären zu können, damit man sie vielleicht versteht. Ich kann diese Wertung nur als versteckten Appell verstehen, doch bitte in Ruhe weiterhin ungestört mit Floskeln hantieren zu dürfen, die intellektuell oder “gut” klingen und die man deshalb benutzt, obwohl man selbst keine Ahnung hat, was man damit eigentlich sagen will. Wenn man keine Antworten hat, ist es in der Tat sehr unangehm, sich Fragern ausgesetzt zu sehen. Das rechtfertigt aber sicher nicht, die schlichte Tatsache des Fragen-Stellens als “totalitären Zug” zu verunglimpfen. Vielmehr wäre es wohl Anlass, den eigenen Denk- und Sprachhaushalt in Ordnung zu bringen.
Ich persönlich halte es für einen totalitären Zug, wenn man alle Welt dazu zwingen will, die eigenen Begriffe zu akzeptieren und sich gleichzeitig Fragen danach, was sie bedeuten sollen, verbittet.
Die “Wertvorstellungen der Kleingruppe” (Bayern gelten als konservativ), scheinen mir gerade keinen gemeinsamsten Nenner darzustellen, es scheint sich vielmehr um askriptive Stereotype zu handeln, die von außen an eine Gruppe herangetragen wird, die man von außen aufgrund von irgendwelchen Witzkriterien, Wohnort, Hautfarbe, Geschlecht als sonstige Unterschiede nievellierend ansieht. Nichts desto trotz ist es eine Askription und kein gemeinsamer Nenner und nichts desto trotz ist es falsch (oder wie erklären Sie die Tatsache, dass München, eine Stadt, die unzweifelhaft in Bayern liegt, SPD regiert ist, wo doch die Bayern als konservativ gelten…?).
Ein Wissenschafter hat nie darüber zu entscheiden, ob Begriffe im Feld der Poltik fallen zu lassen sind oder nicht, auch wenn eine Begriffsbildung wissenschaftlich betrachtet in sich letztlich sinnlos oder gar widersprüchlich zu sein scheint. Dies hätte für mich totalitäre Züge, welche ich ablehne.
Wow, das ist starker Tobak: Wenn man die besseren Argumente hat und andere mit ihrem fadenscheinigen Gewäsch nicht davonkommen lässt, dann hat das totalitäre Züge… Das muss sich erst einmal bei mir setzen. Ich kann da nur Dr. habil. Heike Diefenbach zitieren:
“Ich kann diese Wertung nur als versteckten Appell verstehen, doch bitte in Ruhe weiterhin ungestört mit Floskeln hantieren zu dürfen, die intellektuell oder „gut“ klingen und die man deshalb benutzt, obwohl man selbst keine Ahnung hat, was man damit eigentlich sagen will”
Und meinerseits will ich ergänzen, dass ich erhebliche Probleme damit habe, die Kritik an was auch immer, z.B. den Begrifflichkeiten, die Politiker benutzen (meist ohne eine Ahnung von deren Bedeutung zu haben, z.B. Populismus…) als totalitär zu brandmarken. Das hat Gemeinsamkeiten mit Denkverbot und stellt zudem nicht in Rechnung, dass (1) Kritik die einzige Möglichkeit ist, um Fehler, Lügen oder Missbrauch aufzudecken, (2) Sprache dann, wenn man den Gebrauch von Begriffen nicht mehr hinterfragen darf, zum sinnentlehrten Gelaber wird, (3) gerade Politiker jemanden brauchen, der ihnen regelmäßig sagt, wovon sie reden, damit sie wieder auf dem Boden der Tatsachen ankommen. Ich sehe die Aufgabe von Wissenschaft, von kritischer Wissenschaft darin, dabei mitzuhelfen, dass Begriffe wie soziale Gerechtigkeit, mit denen Politiker aus ideologischen Gründen hantieren und manipulieren, aus der öffentlichen Diskussion verschwinden. Das ist ein Beitrag, den Wissenschaftler denen schulden, die sie finanzieren und da Wissenschaftler in der Mehrzahl der Fälle deutlich besser ausgebildet sind als Politiker, ist es die erste und wichtigste Aufgabe von Wissenschaftlern, sich in dieser Weise zu engagieren. Dass viele deutsche Wissenschaftler lieber am Tropf von Ministerien hängen und Auftragsforschung betreiben, ist aus dieser Sicht eine Katastrophe.
Bislang ist keiner der “kritischen” Kommentatoren auf die Frage eingegangen, um die es hier geht: Ist der Begriff “soziale Gerechtigkeit” irgendwie sinnvoll zu füllen, und falls ja, warum?
“Sinnvoll” müsste dabei m.E. bedeuten, dass der Begriff ein Konzept bezeichnen muss, dass eine klare Definition hat und sich logisch widerspruchsfrei aus einer Theorie ergibt oder sich in sie einfügt oder empirische Beobachtungen bezeichnet oder zusammenfasst, für die bislang keine adäquate Bezeichnung existiert.
Herr Hayek hat im Gegensatz zu allen Kommentatoren (inklusive meiner Person) eine ernsthafte und ausführliche Begründung gegeben, warum er hinsichtlich dieser Frage zu einer negativen Einschätzung kommt. Vergleichbares wäre von den “kritischen” Kommentatoren noch zu leisten.
Dazu versuche ich erst mal zu klären was Gerechtigkeit ist. Dann kann man daraus soziale Gerechtigkeit ableiten. Es wären dann diejenigen Aspekte der Gerechtigkeit die Sozial sind, also z.B. bestimmte Formen von Rechtsgleichheit und Privilegienfreiheit. Was Gerechtigkeit angeht, ist die beste Begriffsbestimmung die mir geläufig ist die von Rawls. Kennt jemand eine Bessere?
Weiter könnten wir ja mal, wenn wir den Begriff “Gerechtigkeit” als gegeben voraussetzen, soziale Gerechtigkeit definieren, als all diejenigen Aspekte von Gerechtigkeit, welche ursächlich durch den sozialen Status verletzt werden können.
Genauer:
Sei X ungerecht, dann ist X sozial ungerecht, wenn X durch Soziale- (bzw. Schicht-) Unterschiede
verursacht ist. Bleibt also X bestehen, wenn man alle Sozialen Unterschiede beseitigt, ist X nicht sozial ungerecht ist, sondern nur ungerecht.
Eine solche Definition ist nützlich um genau erkennen zu können wenn mit “Sozialer Gerechtigkeit” etwas gefordert wird, dass dazu dient andere Interessen als Gerechtigkeit durchzusetzen. So denke ich, dass eine Gesellschaft durchaus Solidarisch sein sollte, und bestimmte Forderungen wie z.B. nach eine Allgemeine Krankenversicherung, lassen sich mit der obigen Definition gut begründen.
Allerdings sehe ich keinen Grund einen Begriff wie Soziale Gerechtigkeit zu verwerfen, wenn man nicht gleichzeitig den Begriff Gerechtigkeit verwerfen will.
Für mich ist soziale Gerechtigkeit genau dann eine Ilusion wenn Gerechtigkeit eine solche ist.
Es ist meines Erachtens für liberale eine politische Dummheit diesen Begriff nicht bestimmen zu wollen, bzw. ihn einfach zu verwerfen.
Dein genaues Beispiel beschreibt nach meiner Ansicht nichts anderes als Leistungsgerechtigkeit, wenn zwei bei gleicher Leistung identische Outcomes erzielen und keine Drittvariable interveniert, dann ist das gerecht. Warum man diesen Zusammenhang mit einem Wort wie “sozial”, dessen Inhalt Du auch nicht genau bestimmen kannst, überfrachten muss, ist mir nicht nachvollziehbar. Und wenn man dann noch weiß, dass der Verweis auf “soziale Gerechtigkeit” es ermöglicht, nahezu jede Form der eigenen Vorteilsnahme zu legitimieren, dann halte ich das Festhalten an dem unnützen Konzept der soziale Gerechtigkeit für fahrlässig. Wenn Du einmal genau hinsiehst, wirst Du feststellen, dass mit sozialer Gerechtigkeit Umverteilungen gerechtfertigt werden, die alle Deinem Beispiel widersprechen. Was ist z.B. daran sozial gerecht, dass mit ESF-Mitteln und im Namen der sozialen Gerechtigkeit Frauenhäuser finanziert werden?
ich will an dem Begriff festhalten, da er starke Assoziationen verursacht und es politisch Unklug ist soziale Gerechtigkeit undefiniert zu lassen, insbesondere wenn man in einer Demokratie gewählt werden will. Es gibt keinen besonderen analytischen Grund den Begriff zu behalten. Ich denke er ist im Diskurs nützlich.
Aber mein Beispiel umfasst mehr als nur Leistungsgerechtigkeit, denn wenn z.B. der Zugang zur Medizinischen Versorgung Geld kostet, und man soziale Schichten nach ihrem Einkommen definiert, so wird durch meine Definition der Sozialen Gerechtigkeit die Forderung nach Zugang zu gleicher Medizinischen Versorgung für alle abgedeckt.
Insbesondere mit Hinblick auf Kinder ist das dann keine Variante von Leistungsgerechtigkeit.
Ferner denke ich, dass das Problem, dass man mit dem Verweis auf „soziale Gerechtigkeit“ alle möglichen Vorteilnahmen legitimieren kann, eben genau daran liegt, dass man gar nicht erst versucht den Begriff genau zu fassen.
Um meinen Begriff auf das Beispiel mit den Frauenhäusern anzuwenden:
Halten wir erst mal fest, dass Ungerecht für Frauen ist Opfer von häuslicher Gewalt zu werden. Allerdings ist dieses (Legen wir Rawls Gerechtigkeitsverständnis zu Grunde) für jeden ungerecht, nicht nur für Frauen. Es wäre auch dann noch ungerecht wenn alle Unterschiede zwischen Männern und Frauen nivelliert wären. Aus meiner Definition folgt also das man Finanzierung von Frauenhäusern schlichtweg nicht mit sozialer Gerechtigkeit begründen kann.
Man kann halt mit sozialer Gerechtigkeit nur alles mögliche begründen wenn man es unterlässt diesen Begriff genauer zu fassen. Der Begriff Gerechtigkeit hat das gleiche Problem, aber er ist mit nicht unnütz. Auch hier gilt je genauer der Begriff bestimmt ist, desto weniger kann er als Begründung für alles mögliche herangezogen werden.
Sicher widersprechen alle möglichen Forderungen im Namen sozialer Gerechtigkeit, meiner Begriffsbestimmung – genau das ist der Punkt. Statistik wird auch benutzt um Alles mögliche zu begründen. Dennoch würde ich nie Auf die Idee kommen Statistik so zu definieren, dass eine Definition von Statistik möglichst alle dieser Begründungen Logisch konsistent lässt. Schon gar nicht verwerfe ich Statistik als Begriff oder Methode, auch fordere ich nicht, dann nur von Mathematik zu reden anstelle von Statistik. Der Sinn der Begriffsbestimmung und der Nutzen liegt darin, dass er ermöglicht ungerechtfertigte Forderungen/bzw. falsche Schlussfolgerungen als solche zurückweisen zu können. Dazu braucht die Bestimmung auch nicht genau zu sein, nur genau genug …
PS:
Ich denke schon dass ich “sozial” genau genug bestimmen könnte, aber nicht in einem Blog Kommentar.
Bislang ist keiner der “kritischen” Kommentatoren auf die Frage eingegangen, um die es hier geht: Ist der Begriff “soziale Gerechtigkeit” irgendwie sinnvoll zu füllen, und falls ja, warum?
Lassen wir doch das sozial bei “sozialer Gerechtigkeit” weg und stellen fest, dass für den Begriff “Gerechtigkeit” ebenso argumentiert werden kann und folgern wir daraus ihrer Logik folgend: Schmeissen wir das Strafrecht über Bord, lassen wir das Faustrecht gelten, denn jeder versteht erfahrungsgemäss unter Gerechtigkeit etwas völlig anderes.
Einkommens- und Vermögensverteilung kann aber recht genau gemessen werden. Darum geht es, nicht um eine erkenntnistheoretisch wasserdichte Definition des Begriffs “soziale Gerechtigkeit” oder schlicht “Gerechtigkeit”. Diese akademische Schlaumeierei ist im Hinblick auf real bestehende existenzielle Bedrohungen, die sie mit ihrem Plädoyer für einen Anarchokapitalismus heraufbeschwören, völlig belanglos.
das ist aber wirklich nicht Ihr Niveau! Ich frage mich, warum es immer dann, wenn es an Begriffe wie “soziale Gerechtigkeit” geht und daran, die entsprechenden Begriffe auf Ihren Sinn hin zu überprüfen, es so schwierig ist, eine rationale und unemotionale Argumentation zu führen. Um Ihren Beitrag ein wenig zu entwirren:
Ok, lassen wir das Soziale weg.
Für Gerechtigkeit haben wir eine FORMALE Definition, weshalb wir nicht auf strittige Inhalte zurückgreifen müssen. Gerechtigkeit liegt dann vor, wenn der Input, den jemand bringt, kongruent zu seinem Output ist – equity eben. Entsprechend ist Gerechtigkeit das Ergebnis eines sozialen Vergleichsprozesses (da ist es wieder, das soziale) und Gerechtigkeit ist etwas, das ÜBERHAUPT NICHTS mit Verteilungsgleichheit zu tun hat. Deshalb geht der letzte Teil Ihres Kommentars völlig am Punkt vorbei. Und obwohl es mich interessieren würde, wie sie “Anarchokapitalismus” definieren, will ich mich dem Absatz auch nicht weiter widmen, denn er enthält nichts Substantielles.
Leider ist auch Ihr zweiter Absatz substanzlos, denn wie Sie sehen, gibt es eine FORMALE Definition von Gerechtigkeit, so dass wir auch das Strafrecht nicht über Bord werfen müssen:). Allerdings, to rub some salt, Strafrecht ist natürlich nichts in Stein gemeiseltes (wieder nichts mit Gleichheit..), sondern etwas hoch Kulturelles und insofern Ausdruck von (ungleich verteilten) Interessen… Die kritischen Kriminologen der 1980er Jahre, Blankenburg, Feest oder Opp, die wussten das noch.
Nun, ihre Auslegung des Begriffs “Gerechtigkeit” durch eine formale Definition hilft uns doch auch nicht viel weiter. Wenn wir nur bereits bei Wikipedia schauen, was hier alles unter dem Begriff der “Gerechtigkeit” aufgeführt wird – und es wird vermutlich noch viel mehr Definitionen und Konzeptionen von Gerechtigkeit geben, wenn man den gesamten Wissensstand über den Begriff oder das Konzept “Gerechtigkeit” aufarbeiten würde, dann kann gesagt werden, dass es unterschiedlich Perspektiven und Auffassungen darüber gibt, was unter dem Begriff/Konzept “Gerechtigkeit” verstanden wird und verstanden werden könnte und dass es hier auch unterschiedliche Interessen und Präferenzen gibt, welchen Begriff der “Gerechtigkeit” man eben universal etablieren möchte. http://de.wikipedia.org/wiki/Gerechtigkeit#Kritik_des_Gerechtigkeitsbegriffs
Jetzt kann man z.B. mit Michel Foucault und den Postmodernisten (aber auch z.B. mit Paul Feyerabend) argumentieren, dass es auch hier bei dieser formalen Definiton von Gerechtigkeit von “Herrn Klein” darum geht, die Deutungshoheit über diesen Begriff zu etablieren, und es eben kein empirisches Wahrheitskriterium gibt, das ausserhalb einer sozialen Konstruktion uns sagen kann, was genau “Gerechtigkeit” ist.
Wir haben es also mit einer “sozialen Konstruktion” zu tun und diese soziale Konstruktion kann je nach Präferenzen und Interessen sehr unterschiedlich aussehen. Somit ist eben auch der Begriff der “Gerechtigkeit” sie der der “sozialen Gerechtigkeit” unscharf (um mal ein bisschen Derridasche Dekonstruktion) 🙂 reinzubringen! 😀 http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialkonstruktivismus http://de.wikipedia.org/wiki/Dekonstruktion
Nein, ich bin effektiv der Ansicht, dass uns hier eine “formale Definition” von Gerechtigkeit überhaupt nicht weiterhilft, wenn es darum geht, festzulegen, was “Gerechtigkeit” sein könnte, was darunter alles verstanden werden kann und weshalb es unterschiedliche Definitionen, Präferenzen und Auffassungen gibt.
Nun, es mag viele INHALTLICHE Definitionen von Gerechtigkeit geben, aber ich vermute, dass es nur wenige “Gerechtigkeitsforscher” gibt, die Equity, in dem von mir beschriebenen FORMALEN Sinne in Frage stellen würden, zumindest bekommt man mit dem Konzept von Equity so unterschiedliche Autoren wie Rawls oder Merton unter einen Hut. Oder nehmen Sie Thomas Hobbes, für den es bekanntlich keine a-priori Gesetze, die Menschen beschränken, gibt, d.h. für den Menschen ein Recht auf alles haben und, was jetzt zu weit führen würde, um es auszuführen, aufgrund ihrer Vernunft dazu kommen, Verträge miteinander zu schließen, in denen Sie auf Teile ihres Rechts auf alles, verzichten. Die geschlossenen Verträge sichern den Menschen Eigentum und Besitz und beinhalten somit bereits eine Größe, die unterschiedliche Ausformungen, je nach den “Fähigkeiten” und “Leidenschaften” der einzelnen Menschen annimmt. Anders formuliert: Die Verträge sichern ungleiche Verteilungen, die durch den Einsatz ungleicher Fähigkeiten oder ungleicher Anstrengungen und Bedürfnisse entstanden sind. Deshalb ist für Hobbes Gerechtigkeit schlicht und einfach die Einhaltung der abgeschlossenen Verträge. (Hobbes, 1994 [1651],S.110) und wieder sind wir bei Equity.
Nun, bei Foucault bin ich mir nicht so sicher, vermute daher nur, dass Sie falsch liegen, was Paul Feyerabend angeht, so hat er zwar ein Buch geschrieben, das den Titel “Against Method” trägt, aber mitnichten Ausdruck eines Konstruktivismus der Art ist, wie Sie ihn hier beanspruchen wollen. Sie sollten sich z.B. in Musgrave und Lakatos (Criticism and the Growth of Knowledge) über das informieren, was Paul Feyerabend wirklich meint, bevor sie ihn zum Konstruktivisten machen. Im übrigen werden Sie die meisten Konstruktivisten von der Existenz einer Realität durch einen Fausthieb ins Gesicht überzeugen, und diejenigen, die davon nicht überzeugt sind, denen können Sie das Gehalt auf 400 Euro pro Monate kürzen, das wir die entsprechenden Konstruktivisten schnell von der Existenz einer “Gerechtigkeit” überzeugen.
Wenn alles sozial konstruiert ist, worüber regen Sie sich dann hier so auf? Denken Sie einfach, ich konstruiere die Realität halt anders als Sie, dass ich das nicht denke und auch für falsch halte, darf Sie doch eigentlich nicht stören, in ihrer schönen, sozial konstruierten Welt.
@ Chomsky, aber wahrscheinlich nicht der Linguist… 🙂
Leider ist mir entgangen, worin Ihr Argumente gegen eine formale Definition von Gerechtigkeit besteht. Der Hinweise darauf, dass, wer definiert, die “Deutungshoheit” hat, ist kein stichhaltiges Argument gegen den Nutzen einer formalen Definiton, der allein schon darin besteht, dass man dann nicht aneinander vorbeiredet, sondern weiß, wovon derjernige, der sich um eine Definition bemüht, spricht; wovon man selbst spricht, wenn man “Gerechtigkeit” nicht definieren kann oder will, weiss man dann anscheinend selbst nicht, aber die Hauptsache scheint ja zu sein, man kann die Definitionen anderer Leute zurückweisen, weil sie angeblich “Deutungshoheit” anstreben. Und wie, bitte, soll das weiterhelfen? Im Verzicht auf Arbeitsdefinitionen liegt wohl kaum irgendein konstruktives Element. Wie viel leichter ist es, sich als Bedenkenträger angesichts von Deutungsvielfalt und Komplexität zu geben, als sich auf eine Definition festzulegen, die nicht nur Kommunikation ermöglicht, sondern auch Gefahr läuft, kritisierbar zu sein? Ich muss sagen, ich halte es für eine äusserst schwache Verteidigung der Beliebigkeit und der Unfähigkeit oder des Unwillens, konstruktiv zu sein, wenn man auf den Konstruktionscharakter von Konzepten verweist.
Nun zum konstruktiven Teil meinerseits, und da gilt es Folgendes festzuhalten:
Die drei Gerechtigkeitsregeln equity, need und equality sind empirisch seit den 1960er-Jahren in einer Vielzahl von internationalen Studien als diejenigen Regeln nachgewiesen, die Menschen bei Entscheidungen über Verteilungen zugrunde legen. Sie messen nachweislich etwas und unterscheiden sich sinnvoll nicht nur voneinander, sondern auch nach kulturellem und Entscheidungskontext. Das kann man der empirischen Gerechtigkeitsforschung, wie wir sie heute kennen und wie sie in Fachzeitschriften repräsentiert ist, deutlich entnehmen.
Wem das nicht gefällt, dem mag das nicht “weiterhelfen”, aber an Fragen der Gerechtigkeit interessierten Sozialforschern hilft dies alles enorm weiter, denn es sagt etwas über die Realität oder, wie manche zu sagen vorziehen würden: über die Konstruktionen, die (reale, nicht konstruierte) Menschen von Gerechtigkeit haben und nach denen sie ihre Verteilungsentscheidungen vornehmen.
Halla zusammem, was passiert in deutschland ist oberkritisch! Ich war immer links! Aber es ist unglaublich… Ich rufe nach rechts! Ist eine Einigung
möglich? Heute jetzt und hier? Rechts und Links an einem Tisch??? Unglaubllich aber nicht unmöglich! Einmalig, wie diese momentan für alle unerträgliche Situation? Unerträglich weil unsozial!
Soziale Gerechtigkeit erscheint auch mir eine Illusion zu sein, ebenso wie die freie Gesellschaft von Hayek, Rechtsgleichheit, Privilegienfreiheit und auch das Leistungsprinzip in seiner Reinform. Soziale Ungleichheit hat jedenfalls das Potential, unsere Gesellschaft nachhaltig zu spalten.
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„Da aber nicht alle Deutschen arbeiten hat dies notwendig zur Folge, dass einige profitieren, weil ihnen gegeben wird, obwohl sie keine Leistung erbringen, während anderen genommen wird, weil sie leisten“
Falls sich auf dieser Annahme die Argumentationskette des Autors abstützt, sollte dieser nochmal seine Empirie überprüfen, bevor er eine falsche Schlussfolgerungen im Rahmen seines Versuchs einer gesamtgesellschaftliche Analyse zieht.
So wurden laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2007 fast 60 Milliarden Stunden Erwerbsarbeit und annähernd 100 Milliarden Stunden Unbezahlte Arbeit geleistet. Dieses Arbeitsvolumen kann eine Gesellschaft nur dann pro Jahr hervorbringen, wenn nahezu alle arbeitsfähigen Mitglieder tätig gewesen sind!
Siehe auch:
„Kostgänger“ des Staates
http://blog.freiheitstattvollbeschaeftigung.de/2007/09/14/%E2%80%9Ekostganger%E2%80%9C-des-staates-%E2%80%93-ein-einwand-gegen-das-grundeinkommen/
Verkehrte Welt
http://blog.freiheitstattvollbeschaeftigung.de/2009/05/08/verkehrte-welt/
Deutschland, eine Arbeitsgesellschaft oder eine Bürgergemeinschaft?
http://blog.freiheitstattvollbeschaeftigung.de/2011/05/06/deutschland-eine-arbeitsgesellschaft-oder-eine-burgergemeinschaft/
Es gibt einen elementaren Unterschied zwischen einer unbezahlten und einer bezahlten Arbeit: Die bezahlte Arbeit wird von jemandem nachgefragt, der bereit ist, dafür Geld zu bezahlen, die unezahlte nicht. Entsprechend produziert bezahlte Arbeit einen Mehrwert, unbezahlte Arbeit produziert keinen Mehrwert. Das mag man bedauern, aber in einer Welt der Knappheiten ist es nun einmal so, dass die Nachfrage nach einem vorhandenen Angebot den Preis bestimmt …Im übrigen ändert die unbezahlte Arbeit überhaupt nichts am Argument, nur dass diejenigen, die nun vom Arbeitsentgelt anderer profitieren, für sich, jedenfalls ein Teil davon, ins Feld führen können/kann, sie hätten unbezahlte Arbeit geleistet, also Arbeit, die niemand nachfragt, sonst wäre sie mit einem Entgelt versehen.
Das Wesen der unbezahlten Arbeit ist, dass man sie aus einer nicht-monetären Motivation ergreift. Es steht also die Sinnstiftung im Vordergrund. Und diese Sinnstiftung wird genährt durch Anerkennung. Eine Arbeit die nicht nachgefragt wird ergibt keinen Sinn, würde also auch von keinem getan werden. Da unterscheidet sich ein Ehrenamtliches Engagement nicht von einer bezahlten Tätigkeit.
Im gesamtgesellschaftlichen Kontext ist die unbezahlte Arbeit genauso wichtig wie die bezahlte Arbeit, denn ohne diese würde unsere Gesellschaft zusammenbrechen (Bildung, Erziehung, Pflege, Kultur, Politik etc.). Erst diese soziale Infrastruktur, die unsere Gemeinwesens zu Verfügung stellt, ermöglicht überhaupt das Hervorbringen von Gütern und Dienstleistungen. Die bezahlte Erwerbsarbeit ist daher angewiesen auf die Bereitstellung der kulturellen Güter durch die unbezahlte Arbeit …
Da stimme ich Ihnen zu. Und weil die unbezahlte Arbeit aus anderen als monetären Motiven getan wird, würde man die Bereitschaft dazu, die unbezahlte Tätigkeit zu übernehmen, dadurch beschädigen, dass man sie bezahlt. Crowding out nennt man das, das Beseitigen intrinsischer Motivation durch Bezahlung. Dies führt dann auch zu dem Schluss, dass derjenige, der für unbezahlte Arbeit bezahlt werden will, gar nicht die hehren Motive haben kann, die Sie ihm unterstellen, denn hätte er sie, würde er die unbezahlte Arbeit unbezahlt machen.
Michael Klein macht hier ein empirisches Argument aus der sozialpsychologischen Forschung, das ich in seiner Richtigkeit bestätigen kann.
Ich würde auch anfügen wollen, dass anscheinend niemand bereit ist, für die unbezahlte “Arbeit” zu bezahlen, obwohl sie für andere angeblich so wichtig ist. Würde man dann nicht erwarten, dass diese so wichtige Arbeit nachgefragt wird und die Nachfrage dazu führt, dass sie entsprechend entlohnt wird? Vielleicht ist die unbezahlte “Arbeit” ja vor allem für diejenigen, die sie tun, nutzenstiftend? Dafür, dass es so ist, sprechen ebenfalls sozialpsychologische Befunde (wie z.B. die mit Bezug auf den “warm glow”, von dem man hofft, dass er auf einen fällt, wenn man die Tätigkeit ausübt).
Unbezahlte Arbeit ist dann wohl “Hausarbeit” der Frauen. Das ist aber keine unbezahlte Arbeit, sie wird vom arbeitenden Mann bezahlt der fast sein gesamtes Einkommen dafür ausgibt.
Die Märchen von der “unbezahlten” Arbeit sind lächerlich.
ajk
Dass man Leute mit (eventuell) gut gemeinten finanziellen Belohnungen demotivieren kann, ist nicht nur ein Phänomen aus der unbezahlten Arbeit. Auch die weit verbreiteten Boni im Management erzeugen ähnliche Effekte und wirken bei sehr hohen Boni (und gleichzeitig eher moderaten Grundgehältern) sogar als Malus, weil das Erreichen einer Bonuszahlung schon in die Einkommenserwartung eingerechnet ist und somit eine Drucksituation entsteht.
Was uns eigentlich motiviert ist z.B. hier hervorragend veranschaulicht worden:
http://www.youtube.com/watch?v=u6XAPnuFjJc
„Dies führt dann auch zu dem Schluss, dass derjenige, der für unbezahlte Arbeit bezahlt werden will, gar nicht die hehren Motive haben kann, die Sie ihm unterstellen, denn hätte er sie, würde er die unbezahlte Arbeit unbezahlt machen.“
Es geht nicht darum, unbezahlte Arbeit zu bezahlen – das macht, wie bereits erwähnt, wenig Sinn – sondern solche Arbeiten erst zu ermöglichen. Dazu braucht es allerdings ein Einkommen, damit man sich ein „Ehrenamt“ überhaupt leisten kann. Viele ältere Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren, können dies aufgrund einer ausreichenden Rente/Pension (ähnliches gilt auch für einige Gutverdiener), während andere Bürger dieses Landes zwar genug Zeit hätten eine, für sie sinnvolle, unbezahlten Tätigkeit nachzugehen, es sich jedoch aufgrund ihrer Einkommenssituation nicht leisten können.
Die Ermöglichung von Arbeit, welche sich auf dem Prinzip der Entkopplung von Arbeit und Einkommen ergibt, ist dabei auch nicht auf den Non-Profit Sektor begrenzt, sondern lässt sich auch auf die Erwerbsarbeit übertragen:
http://www.archiv-grundeinkommen.de/bvfa/dahrendorf.htm
http://grundeinkommen.tv/?p=1039
„Ich würde auch anfügen wollen, dass anscheinend niemand bereit ist, für die unbezahlte „Arbeit“ zu bezahlen, obwohl sie für andere angeblich so wichtig ist. Würde man dann nicht erwarten, dass diese so wichtige Arbeit nachgefragt wird und die Nachfrage dazu führt, dass sie entsprechend entlohnt wird? Vielleicht ist die unbezahlte „Arbeit“ ja vor allem für diejenigen, die sie tun, nutzenstiftend? Dafür, dass es so ist, sprechen ebenfalls sozialpsychologische Befunde (wie z.B. die mit Bezug auf den „warm glow“, von dem man hofft, dass er auf einen fällt, wenn man die Tätigkeit ausübt).“
Dieser Effekt ist bei manchem Engagierten wohl zu vermuten, er erklärt aber nicht, wie sich unser Gemeinwesen komplett auf diese unbezahlte Arbeit stützt – ohne die Einsicht in die Notwendigkeit bestimmter Tätigkeiten ließe sich niemals organisieren, das notwendigen Dinge in unserer Gesellschaft auch getan werden. Wie sollte z.B. Demokratie anders funktionieren …?
Der lange Kommentar hat letztlich ein Absurdum zur Grundlage (wie das Grundneinkommen überhaupt:
Wie man es auch dreht und wendet, jemand muss das Einkommen erwirtschaften, das dann denjenigen zugeteilt wird, die sich ehrenamtlich engagieren sollen. Dass Sie die entsprechende Umverteilung anders nennen und behaupten, man werde nicht für ehrenamtliche oder welche nicht-bezahlte Arbeit auch immer bezahlt, sondern durch ein Grundeinkommen quasi zur entsprechenden Tätigkeit freigestellt, ändert nichts daran, dass das Geld von jemand anderen ERARBEITET werden muss. Dadurch, dass man Dinge anders benennt, ändert man nichts an der Logik. Und da unsere Welt eine Welt begrenzter Ressourcen ist und nur verteilt werden kann, was auch erwirtschaftet wurde, bedeutet jede Umverteilung, wie auch immer man die Umverteilung nennt, ob Abgabe, Grundeinkommen oder was auch immer, dass einer arbeitet und die Mittel erwirtschaftet, die dazu dienen, einen anderen freizustellen. Mehr gibt es dazu aus meiner Sicht nicht mehr zu sagen.
Übrigens haben Rentner zumeist ein Arbeitsleben hinter sich gebracht, d.h. ihre Rente, die sie aus Ihrer Sicht für ehrenamtliche Tätigkeiten freistellt, wurde von den entsprechenden Rentnern während ihres Erwerbslebens erwirtschaftet. Ein Grundeinkommen basiert auf überhaupt keiner Leistung und entsprechend zeigt sich an dieser Idee wieder eine verquere Gerechtigkeitsvorstellung, die Leistungsgerechtigkeit ablehnt und statt dessen eine Gleichheit der Verteilung anstrebt, die keinerlei Bezug zu vergangener und aktueller Leistung hat. Das halte ich nicht nur für bar jeglicher rudimentären Form von Gerechtigkeit, sondern die Form offenen rent seekings halt ich schlicht für unmoralisch.
Wie verhindern Sie übrigens, dass Grundeinkommensbezieher sich zur Ruhe setzen und genau nichts machen?
“unbezahlte Arbeit produziert keinen Mehrwert.”
Das ist doch Unsinn. Wenn ich an meinem Haus selbst etwas baue, dann steigt der Wert des Hauses wenn ich es verkaufen würde. Stellt das keinen Mehrwert dar? Unbezahlte Arbeit geht nicht in das BIP ein. Das sie keine Werte schafft ist quatsch, denn dann wären in der Tauschwirtschaft nach dem 2. WK keinerlei Werte geschaffen worden.
Ich kenne Ihre Baukünste nicht, insofern weiß ich nicht, ob die “unbezahlte Arbeit” in diesem Fall nicht den Wert eher reduzieren würde. Ihr Hinweis geht auch am Punkt vorbei, der in der Verbindung von Nachfrage und Mehrwert besteht. Wenn Sie an Ihrem Haus herumbauen und ein Dritter der Ansicht ist, der schiefe Kamin stelle eine Mehrwert dar, dann mag sich das in einem erhöhten Kaufpreis niederschlagen, aber auch nur deshalb, weil es eine Nachfrage dafür gibt. Ob der erhöhte Kaufpreis allerdings ein Mehrwert ist, darüber ließe sich trefflich streiten… Im Übrigen ist Ihr Begriff von “Bezahlung” zu eng, die Tauschwirtschaft nach dem 2 WK basierte gerade auf einer Währung, auf einem Umtauschkurs, von zehn Kartoffeln für zwei Zigaretten, dass dabei keine monetären Werte getauscht wurden, ändert nichts daran, dass es (1) eine Nachfrage gab und (2) eine Tausch-Währung.
Bevor ich Herrn Klein mangelhafte Kenntnis seiner Empirie vorwerfen würde, würde ich vielleicht versuchen, meine eigenen Mängel hinsichtlich der Aussagekraft statistischer Daten in Rechnung zu stellen: Wenn das Statistische Bundesamt ein bestimmtes Arbeitsvolumen ausweist, ist nichts darüber ausgesagt, wie sich die (bezahlte oder unbezahlte) Arbeit auf die Bevölkerung pro Kopf verteilt. Auf welcher logischen oder empirischen Basis man angesichts der Ausweisung eines bestimmten Arbeitsvolumens behaupten kann: “Dieses Arbeitsvolumen kann eine Gesellschaft nur dann pro Jahr hervorbringen, wenn nahezu alle arbeitsfähigen Mitglieder tätig gewesen sind!”, ist mir nicht nachvollziehbar. Welche Daten rechtfertigen diese Behauptung? Die Behauptung dadurch stärken zu wollen, dass sie mit einem Ausrufezeichen versehen wird, kann kaum als Ersatz für ein Argument angesehen werden, und an dieser Stelle bin ich versucht, ein Ausrufezeichen anzufügen 🙂
Außerdem stellt sich die grundlegend wichtige Frage, was denn bitte “unbezahlte Arbeit” sei.
Ehrenamtliche Arbeit wird nicht bezahlt, stiftet aber (wohl vor allem) dem, der sie tut, Nutzen in Form des Gefühls, etwas “Gutes” zu tun, von anderen Respekt und Dankbarkeit einfordern zu können oder diejenigen, für die man unbezahlt arbeitet, von sich selbst abhängig zu machen (in der Sozialen Arbeit ist das als Helfersyndrom bekannt). Inwieweit dies eine Arbeit ist, die (auch) für andere Nutzen stiftet oder die eher Schaden als Nutzen stiftet, wäre eine Frage, die empirisch zu beantworten ist.
In anderen Fällen “unbezahlter Arbeit” ist die Sachlage noch klarer: Wenn ich mir z.B. ein Kind wünsche und mir diesen Wunsch (übrigens mit Hilfe des Steuerzahlers als Sponsor: Leistungen aus der Krankenversicherung wie Mutterschaftsurlaub sowie Kindergeld, Elterngeld etc.) erfülle, kann ich dann die Versorgungsleistungen, die ich für mein Kind erbringen muss (oder soll), als “unbezahlte Betreuungsarbeit” ausgeben, obwohl ich einfach nur meine persönlichen Wünsche erfüllt habe und sozusagen meinem Hobby fröne? Gleiches gilt für unbezahlte Hausarbeit: Wenn ich denke, dass es mir nicht zumutbar ist, morgens meine Scheibe Brot zu toasten, weil ich Hunger habe und meinen Hunger befriedigen möchte, dann kann ich es ja lassen und statt “unbezahlter Hausarbeit” den Freitod durch Verhungern wählen.
Und diese alberne Einstellung ist es ja wohl, die einem Blog zugrunde liegt, der sich selbst “freiheitstattvollbeschaeftigung” nennt? Ich gehöre nicht zu den Menschen, die meinen, dass eine Arbeit zuf Finanzierung meines Lebensunterhaltes eine Zumutung an mich ist, die meine Freiheit einschränkt. Ich finde eine solche Idee schlichtweg albern, und sie gehört ins Reich der Paradiesvorstellungen, in denen jemand nicht näher Bekanntes (vielleicht die, die vollzeit arbeiten?) das Mana auf die Menschen regnen lässt, weil sie so wertvoll und “gut” sind – nur selbständig für ihren Lebensunterhalt aufkommen möchten oder können sie nicht, oder doch jedenfalls nicht so ganz, wo es doch unter Ergänzung durch Transferzahlungen, die vor allem Vollzeitbeschäftigte aufbringen, ausreicht, stundenweise zu arbeiten…. Würde das Ihre Vorstellung von “sozialer Gerechtigkeit” so ungefähr abbilden? Ich hoffe inständig, dass das nicht der Fall ist.
“Eine freie Gesellschaft basiert für Hayek auf einer freien Marktwirtschaft, in der die Rechtsgleichheit der Akteure garantiert ist, Privilegienfreiheit herrscht und das Leistungsprinzip regiert.”
Keine der drei Voraussetzungen ist auch nur annähernd erfüllt, vielleicht nicht einmal erfüllbar.
Recht bekommt idR der finanziell und/oder politisch Stärkere.
Und so lange Reichtum, Macht und Einfluss vererbt werden, einschließlich der Möglichkeit, nicht zu arbeiten und trotzdem vollkommen leistungsfrei reich zu bleiben und reicher zu werden, kann man wohl kaum von Privilegienfreiheit und Leistungsprinzip sprechen.
Da hätte Hayek also besser den Begriff der “freien Marktwirtschaft” rundweg verworfen.
Das ist ein “Suizid-Argument”. Viele Ideen zeichnen sich dadurch aus, dass Sie einen Zustand beschreiben, der derzeit nicht vorhanden ist. Wenn die Tatsache, dass etwas derzeit nicht vorhanden ist, gegen eine Idee spricht, dann können wir jede Form von Innovation ab sofort in den Orkus werfen, denn wer hätte etwa 1950 gedacht, dass Heimcomputer im Jahre 1990 normal sind, und was hätten die drei West-Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg wohl machen sollen, wo doch in Deutschland demokratische Ideale weitgehend unbekannt waren und vermutlich nicht einmal durchsetzbar… Eine Autokratie einrichten? Stalin um Rat fragen? Wenn Zustände gegen Veränderung sprechen, und das ist die Crux Ihres Arguments, dann können wir uns eindosen lassen, denn die Zustände sprechen immer gegen neue Ideen.
Ja, ich muss Herrn Klein zustimmen: Ein Konzept oder eine Idee zu verwerfen, weil sie (derzeit) nicht empirisch umgesetzt ist, ist unlogisch. Und wieso spricht es für einen von “kom” nicht näher bezeichneten und schon gar nicht begründeten gesellschaftlichen Entwurf, wenn ein anderer, klar bezeichneter und begründeter Entwurf “viellicht nicht einmal erfüllbar” sein sollte? Werden andere gesellschaftliche Entwürfe dadurch dann irgendwie “besser” (begründet)?
Wäre es nicht wesentlich konstruktiver, daran mitzuarbeiten, dass Rechtsgleichheit, Prvilegienfreiheit und das Leistungsprinzip in der Gesellschaft zur Geltung kommen können? Es gibt doch tausend Punkte, an denen man diesbezüglich ansetzen könnte: Zentrale Prüfungen für die Erteilung von Bildungszertifikaten, Streichung jeder Privilegierung bestimmter Lebensentwürfe – ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.
Nachsatz: “Wer diesen Spielregeln zustimmt…” – und wenn man diesen Spielregeln nicht zustimmt bzw. sie für konstruiert und unrealistisch hält?
Mir scheint, der Artikel basiert auf einem Strohmann-Argument. Ich definiere “Gerechtigkeit” und die geltenden Regeln, ohne die real verbreiteten Definitionen und Mechanismen zu berücksichtigen, setze Zustimmung dazu einfach voraus und schon soll Widerspruch eigentlich nicht mehr möglich sein.
Wie sonst sollte es gehen? Glauben Sie Gerechtigkeit existiert im Off, flottiert frei durch den Raum und ist für und an sich vorhanden? Ich empfehle Ihnen die Lektüre von David Humes Untersuchung über den menschlichen Verstand, in der ziemlich klar dargelegt wird, warum abstrakte Begriffe im Hirn geboren werden und daher gar nichts anderes sein können, als “Hirngespinste”, denn Gerechtigkeit gibt es in der Realität nicht – oder wo kann ich ein Kilo Gerechtigkeit kaufen? Und weil dem so ist, muss man Gerechtigkeit definieren und weil man Gerechtigkeit definieren muss, gibt es unterschiedliche und widerstreitende Definitionen und man muss sich entscheiden, welche Definition man für die richtige hält. Das kann man anhand rationaler Kriterien machen, man kann sich emotional an eine Definition hängen, was man nicht machen kann, ist Definitionen, die einem nicht passen ablehnen, weil sie ja “nur” Definitionen sind, denn das gilt für alle Formen von Gerechtigkeit. Es führt daher kein Weg daran vorbei, sich mit Definitionen auseinander zu setzen.
Wer diesen Spielregeln nicht zustimmt, sollte als rationaler Akteur, der ernst genommen werden will, seine Gründe hierfür nennen und alternative Spielregeln vorschlagen und diese ihrerseits begründen. Als Begründungen kommen logische und empirische Argumente in Frage (aber sicherlich keine bloß ideologisch begründeten Vorlieben oder keine bloße Konformität mit dem, was für die derzeit opportune Auffassung gehalten wird).
Und in diesem Zusammenhang muss ich sagen, dass die Frage, die Herr Klein mit Herrn Hayek aufgeworfen hat, diejenige war, was denn unter “sozialer Gerechtigkeit” überhaupt sinnvoll verstanden werden könnte, und genau auf diese Frage hat keiner der kritischen Kommentatoren geantwortet. Was darf man hieraus schließen? Bis ich Definitionsvorschläge und eine entsprechende Begründung für die Sinnhaftigkeit des Konzeptes höre, muss ich davon ausgehen, dass der Begriff “soziale Gerechtigkeit” verzichtbar ist, und ich sehe keinen Sinn darin, meine kognitive Landkarte mit Worthülsen zu füllen, die keinen Aussagegehalt haben und (bis auf Weiteres) nur als Symbol dafür gelten können, dass man, da man die Hülse bemüht, ein “guter” Mensch ist.
Soweit ich Hayek “kenne” sprach er sich für Bedarfsgerechtigkeit, im Sinne von bedingungslosem Grundeinkommen für alle Personen, die ohne Verschulden nicht in der Lage sind, auf dem Markt ein zum Leben ausreichendes Einkommen zu generieren, aus. Allerdings, und dies sei zugestanden, ging es ihm dabei wohl eher um systemstabilisierende Faktoren.
Cf., u.a. Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 3, 83.
Ich sehe jedoch auch Brüche in Hayek’s Denken. Zum einen wendet er gegen den Sozialismus ein, dass dieser nicht begriffen habe, dass “Kleingruppen-Moral und Große Gesellschaft unvereinbar” seien (Waibl: Ökonomie und Ethik, Bd. II, 211) im Gegenzug spricht er sich dafür aus, dass es jedem gestattet sei, seine Wert- und Zielvorstellungen, ohne eine bestimmte, vorgegebene Wertorientierung, zu verfolgen (Vermerk 17, 277).
Dass ein offenes Zusammenleben mit Menschen, welche diametral entgegengesetzte Wertvorstellungen verfolgen, so einfach nicht möglich ist, zeigt schon die Sprache und der unbewußte Konsens innerhalb der Sprechergemeinschaft – Luhmann hält z.b. fest, dass Werte mit einer unbezweifelbaren Evidenz bereits in der Kommunikation enthalten sind: “Werte gelten in der Kommunikationsweise der Unterstellung” (Luhmann 1993, 18).
Beispiele:
-“Liberale” Gesellschaften haben Probleme mit kopftuchtragenden Frauen in der Öffentlichkeit, und verbieten dies – meine Oma trug oft Kopftuch.
-Verschiedene Minderheiten, deren Moralvorstellungen erheblich vom Mainstream abweichen, fordern “Gleichberechtigung” – so argumentieren z.B. Sadisten, dass es Diskriminierung sei, wenn sie aufgrund ihrer “Neigung” den Arbeitsplatz bei christlichen Vorgesetzten verlieren würden.
Zwei Dinge, weil es sonst zu weit führt:
(1) Hayeks “Ethik” ist eine Ethik, die man aus meiner Sicht mit der Idee des Gesellschaftsvertrags von Hobbes vergleichen kann und die auf Vernunft basiert. Die wertvorstellungen sind entsprechend vollkommen wurscht. Sie sind deshalb wurscht, weil sich die Akteure im Markt, also in ihrer täglichen Interaktion an gemeinsame Spielregeln halten, die sie freiwillig akzeptieren. Die Spielregeln geben im Wesentlichen die Bedingungen ihrer Interaktion an und die Menge der erlaubten Spielzüge. Da sich Akteure auf Regeln geeinigt haben, ist das Ergebnis der Interaktion dann gerecht, wenn es entsprechend der Spielregeln zu Stande gekommen ist. Insofern sehe ich nicht, wo es Probleme mit unterschiedlichen Wert- und Zielvorstellungen geben soll.
(2) Liberale Gesellschaften haben kein Problem mit kopftuchtragenden Frauen. Warum sollten Sie? Das Grundgut liberaler Gesellschaften ist die persönliche Freiheit, die jeder füllen kann, wie er mag.
Nun ja, hier kann ich nicht ganz zustimmen. Wenn Hayek gegen den Sozialismus evolutionär oder meinetwegen auch kulturell-familialistisch argumentiert – ähnliche Argumentationsweisen finden wir ja in versch. Bereichsethiken – um darzulegen, dass menschliche Moral zumeist auf die Familie oder das nähere Umfeld (Gruppe) beschränkt ist und sich nur in kleinem Maße auf die gesamte Gesellschaft ausweiten lässt – jedenfalls nicht in dem Maße, wie der Sozialismus es uns weismachen wollte -, dann impliziert dies auch, dass Wertvorstellungen der Kleingruppe in Bezug auf die propagierte, liberale Idee, dass es jedem gestattet sei, seine Wert- und Zielvorstellungen, ohne eine bestimmte, vorgegebene Wertorientierung, zu verfolgen, in Rechnung zu stellen sind.
@ Heike Diefenbach
Ich persönlich glaube nicht, dass es überhaupt Sinn macht hier eine “allgemeingültige” Definition finden zu wollen. Schon die Frage danach, was als – im normativen Sinne – “Soziales” gesehen werden sollte, ist eine Scheinfrage. Allein schon eine etymologische Begriffsherleitung offenbart die Schwächen. Was ist sozial? Was ist gerecht? Was ist soziale Gerechtigkeit? Sogesehen stimme ich Hayek zu. Diese Frage ist letztlich politisch zu beantworten.
Ich kann mit dem Begriff “kulturell-famialistisch” überhaupt nichts anfangen, weiß daher nicht, was damit gemeint sein soll und finde auch bei Hayek nichts, was mir weiterhelfen würde. Da Hayek Liberaler war, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass er eine Beschränkung menschlicher Moral auf die Familie angenommen hat, denn liberale sehen – mit Kant gesprochen – die Quelle aller Moral IM INIDIVIDUUM. Dass dem auch bei Hayek so ist, lässt sich damit belegen, dass die Zustimmung zu den Spielregelen des Marktes auf Freiwilligkeit basiert und somit auf individueller Einsicht und nicht etwa auf Verordnung. Und was ist mit “Wertvorstellungen der Kleingruppe” gemeint? Kann eine Kleingruppe eine Wertvorstellung haben? Ich glaube nicht. Wertvorstellungen haben Individuen, Gruppen haben gar nichts, Gruppen werden gebildet und aufgelöst – mehr nicht.
Hayek hat übrigens dafür plädiert, den Begriff der sozialen Gerechtigkeit fallen zu lassen, nicht ihn den Politikern zu überlassen, GERADE nicht!
@terminatus30
Prima, dann sind wir, d.h. Herr Hayek, Herr Klein, Sie und ich, ja einer Meinung: Überlegungen darüber, was “soziale Gerechtigkeit” sein sollte, zeigen keine Möglichkeit auf, den Begriff sinnvoll zu definieren und entsprechend zu benutzen, und Begriffe, die keine Definition erlauben und dementsprechend nicht sinnvoll benutzt werden können (eben weil sie nirgendwohin verweisen außer bestenfalls in die Transzendenz oder in den Wahnsinn), können wir ohne Verlust aus unserem sprachlichen Repertoire streichen.
Wenn wir der Auffassung sind, dass der Begriff völlig leer ist, heißt das aber auch, dass wir dann, wenn er benutzt wird, ihn als bloßen “Kampfbegriff” zur Rechtfertigung von Vorteilsnahmen bestimmter Leute oder Gruppen identifizieren sollten, sofern diejenigen, die ihn benutzen, ihn ihrerseits nicht sinnvoll definieren können. Und das ist ein Grund dafür, warum man von Leuten allgemein und immer erwarten dürfen sollte, dass sie für die Begriffe, die sie benutzen, angeben können, was genau sie darunter verstehen. Wenn sie es selbst nicht wissen, können ihre Äußerungen kaum ernstgenommen werden; sie können dann ja gar nicht intersubjektiv mitgeteilt werden.
Der Begriff des “Familialismus” wird, soweit mir geläufig, vor allem im Diskurs um Tierrechte, als Gegenpol gegen den Vorwurf des Speziesismus aufgeführt. Der Familialismus rechtfertigt die Bevorzugung der eigenen Artgenossen.
Genau dieses Argument, sofern ich Hayek richtig lese, verwendet er in einem kulturellen Sinne, dh, er konstatiert gegen den Sozialismus – die Verallgemeinerung einer Stammesmoral, eine Gesellschaft voller sociis -, dass die vorherrschenden moralischen Prinzipien in einer kleinen Gruppe nicht auf die Gesellschaft übertragen werden können, eine Gesellschaft, in welcher wir uns befinden, kann eben nur dann bestehen, wenn die verschiedenen kulturellen Zellen – mein Ausdruck – auf ihre moralischen Prinzipien, auf eine Generalisierung eben dieser, verzichtet (ich verweise diesbezüglich auf Waibl: Ökonomie und Ethik II, 211; aufgeführte Originalstellen: Hayek: Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 2, 181, 197, 201, Bd. 3, 228).
Bis vor wenigen Jahren waren die verschiedenen “kulturellen Zellen” geprägt von einem mehr oder weniger einheitlichen Muster geteilter Grundüberzeugungen. Dem ist immer weniger der Fall. Aber ich schweife ab.
“Und was ist mit „Wertvorstellungen der Kleingruppe“ gemeint? Kann eine Kleingruppe eine Wertvorstellung haben? Ich glaube nicht. Wertvorstellungen haben Individuen, Gruppen haben gar nichts, Gruppen werden gebildet und aufgelöst – mehr nicht.”
Wir haben x Individuen in einer Gruppe. Jedes Individium X1-Xn der Gruppe hat “eigene” Wertvorstellungen, die sich wiederum aus den in der Gruppe vertretenen Wertvorstellungen speisen (Tabus usw.). Die Schnittmenge der Wertvorstellungen der einzelnen Mitglieder der Gruppe bilden den kleinsten gemeinsamen Nenner, die “Wertvorstellungen der Kleingruppe” – die Gruppe hat keine Wertvorstellungen, sie transportiert die einzelnen Wertvorstellungen als eine nach Außen. Bayern gelten als konservativ. Allgäuer werden anders gesehen als Franken usw.
“Hayek hat übrigens dafür plädiert, den Begriff der sozialen Gerechtigkeit fallen zu lassen, nicht ihn den Politikern zu überlassen, GERADE nicht!”
Ja, ich auch nicht, ich habe nur darauf hingewiesen, dass sie letztlich politisch zu beantworten sein wird. Ein Wissenschafter hat nie darüber zu entscheiden, ob Begriffe im Feld der Poltik fallen zu lassen sind oder nicht, auch wenn eine Begriffsbildung wissenschaftlich betrachtet in sich letztlich sinnlos oder gar widersprüchlich zu sein scheint. Dies hätte für mich totalitäre Züge, welche ich ablehne.
@terminatus30
Mir ist völlig unnachvollziehbar, warum man Begriffe wie “soziale Gerechtigkeit”, die nichts bedeuten (denn anscheinend kann niemand klare Ausagen darüber machen, was sie bedeuten oder bedeuten sollen), weiterhin benutzen sollte oder ihre Benutzung akzeptieren sollte, obwohl man mit ihnen keinen Sinn verbinden kann. Für mich ist es eine Frage der kognitiven Hygiene, solche sinnlosen Hülsen auszuschließen. Begriffe haben keine eigene Existenz und haben entsprechend kein “Lebensrecht”. Wenn sich ein Begriff als sinnlos erwiesen hat, tun wir gut daran, ihn einfach nur fallen zu lassen, jedenfalls dann, wenn wir unser Handeln auf Vernunft und gegenseitigem Verständnis aufbauen wollen. Dann können wir es uns schlichtweg nicht leisten, uns mit solchen Hülsen um den Verstand zu schwätzen oder anderen vorzumachen, wir hätten eine Idee davon, wovon sie reden. Und das gilt auch oder vielleicht besonders für den Bereich der Politik. Eine Politik, die Worthülsen benutzt, um emotionale Appelle zu formulieren, anstatt sich selbst auf vernünftige Konzepte und Argumente zu stützen, ist eine fahrlässige Politik. Insofern ist die Politik wie jeder andere Lebensbereich der Vernunft unterzuordnen, und ein vernünftiger Diskurs beginnt mit vernünftigen Begriffen und Konzepten, und noch einmal: ein vernünftiger oder sinnvoller Begriff lässt sich zumindest definieren oder weniger anspruchsvoll formuliert: es lässt sich abgeben, was genau man mit ihm verbinden soll. Wenn nicht – weg damit!
@terminatus30
Nachtrag: Ich finde es mehr oder weniger entsetzlich, dass es als “totalitärer Zug” gewertet wird, wenn man Leuten zumutet, die Begriffe, die sie benutzen, ggf. erklären zu können, damit man sie vielleicht versteht. Ich kann diese Wertung nur als versteckten Appell verstehen, doch bitte in Ruhe weiterhin ungestört mit Floskeln hantieren zu dürfen, die intellektuell oder “gut” klingen und die man deshalb benutzt, obwohl man selbst keine Ahnung hat, was man damit eigentlich sagen will. Wenn man keine Antworten hat, ist es in der Tat sehr unangehm, sich Fragern ausgesetzt zu sehen. Das rechtfertigt aber sicher nicht, die schlichte Tatsache des Fragen-Stellens als “totalitären Zug” zu verunglimpfen. Vielmehr wäre es wohl Anlass, den eigenen Denk- und Sprachhaushalt in Ordnung zu bringen.
Ich persönlich halte es für einen totalitären Zug, wenn man alle Welt dazu zwingen will, die eigenen Begriffe zu akzeptieren und sich gleichzeitig Fragen danach, was sie bedeuten sollen, verbittet.
Die “Wertvorstellungen der Kleingruppe” (Bayern gelten als konservativ), scheinen mir gerade keinen gemeinsamsten Nenner darzustellen, es scheint sich vielmehr um askriptive Stereotype zu handeln, die von außen an eine Gruppe herangetragen wird, die man von außen aufgrund von irgendwelchen Witzkriterien, Wohnort, Hautfarbe, Geschlecht als sonstige Unterschiede nievellierend ansieht. Nichts desto trotz ist es eine Askription und kein gemeinsamer Nenner und nichts desto trotz ist es falsch (oder wie erklären Sie die Tatsache, dass München, eine Stadt, die unzweifelhaft in Bayern liegt, SPD regiert ist, wo doch die Bayern als konservativ gelten…?).
Wow, das ist starker Tobak: Wenn man die besseren Argumente hat und andere mit ihrem fadenscheinigen Gewäsch nicht davonkommen lässt, dann hat das totalitäre Züge… Das muss sich erst einmal bei mir setzen. Ich kann da nur Dr. habil. Heike Diefenbach zitieren:
Und meinerseits will ich ergänzen, dass ich erhebliche Probleme damit habe, die Kritik an was auch immer, z.B. den Begrifflichkeiten, die Politiker benutzen (meist ohne eine Ahnung von deren Bedeutung zu haben, z.B. Populismus…) als totalitär zu brandmarken. Das hat Gemeinsamkeiten mit Denkverbot und stellt zudem nicht in Rechnung, dass (1) Kritik die einzige Möglichkeit ist, um Fehler, Lügen oder Missbrauch aufzudecken, (2) Sprache dann, wenn man den Gebrauch von Begriffen nicht mehr hinterfragen darf, zum sinnentlehrten Gelaber wird, (3) gerade Politiker jemanden brauchen, der ihnen regelmäßig sagt, wovon sie reden, damit sie wieder auf dem Boden der Tatsachen ankommen. Ich sehe die Aufgabe von Wissenschaft, von kritischer Wissenschaft darin, dabei mitzuhelfen, dass Begriffe wie soziale Gerechtigkeit, mit denen Politiker aus ideologischen Gründen hantieren und manipulieren, aus der öffentlichen Diskussion verschwinden. Das ist ein Beitrag, den Wissenschaftler denen schulden, die sie finanzieren und da Wissenschaftler in der Mehrzahl der Fälle deutlich besser ausgebildet sind als Politiker, ist es die erste und wichtigste Aufgabe von Wissenschaftlern, sich in dieser Weise zu engagieren. Dass viele deutsche Wissenschaftler lieber am Tropf von Ministerien hängen und Auftragsforschung betreiben, ist aus dieser Sicht eine Katastrophe.
Bislang ist keiner der “kritischen” Kommentatoren auf die Frage eingegangen, um die es hier geht: Ist der Begriff “soziale Gerechtigkeit” irgendwie sinnvoll zu füllen, und falls ja, warum?
“Sinnvoll” müsste dabei m.E. bedeuten, dass der Begriff ein Konzept bezeichnen muss, dass eine klare Definition hat und sich logisch widerspruchsfrei aus einer Theorie ergibt oder sich in sie einfügt oder empirische Beobachtungen bezeichnet oder zusammenfasst, für die bislang keine adäquate Bezeichnung existiert.
Herr Hayek hat im Gegensatz zu allen Kommentatoren (inklusive meiner Person) eine ernsthafte und ausführliche Begründung gegeben, warum er hinsichtlich dieser Frage zu einer negativen Einschätzung kommt. Vergleichbares wäre von den “kritischen” Kommentatoren noch zu leisten.
Definition: Soziale Gerechtigkeit
ich versuche das mal zu Klären:
Dazu versuche ich erst mal zu klären was Gerechtigkeit ist. Dann kann man daraus soziale Gerechtigkeit ableiten. Es wären dann diejenigen Aspekte der Gerechtigkeit die Sozial sind, also z.B. bestimmte Formen von Rechtsgleichheit und Privilegienfreiheit. Was Gerechtigkeit angeht, ist die beste Begriffsbestimmung die mir geläufig ist die von Rawls. Kennt jemand eine Bessere?
Weiter könnten wir ja mal, wenn wir den Begriff “Gerechtigkeit” als gegeben voraussetzen, soziale Gerechtigkeit definieren, als all diejenigen Aspekte von Gerechtigkeit, welche ursächlich durch den sozialen Status verletzt werden können.
Genauer:
Sei X ungerecht, dann ist X sozial ungerecht, wenn X durch Soziale- (bzw. Schicht-) Unterschiede
verursacht ist. Bleibt also X bestehen, wenn man alle Sozialen Unterschiede beseitigt, ist X nicht sozial ungerecht ist, sondern nur ungerecht.
Eine solche Definition ist nützlich um genau erkennen zu können wenn mit “Sozialer Gerechtigkeit” etwas gefordert wird, dass dazu dient andere Interessen als Gerechtigkeit durchzusetzen. So denke ich, dass eine Gesellschaft durchaus Solidarisch sein sollte, und bestimmte Forderungen wie z.B. nach eine Allgemeine Krankenversicherung, lassen sich mit der obigen Definition gut begründen.
Allerdings sehe ich keinen Grund einen Begriff wie Soziale Gerechtigkeit zu verwerfen, wenn man nicht gleichzeitig den Begriff Gerechtigkeit verwerfen will.
Für mich ist soziale Gerechtigkeit genau dann eine Ilusion wenn Gerechtigkeit eine solche ist.
Es ist meines Erachtens für liberale eine politische Dummheit diesen Begriff nicht bestimmen zu wollen, bzw. ihn einfach zu verwerfen.
Hallo Eike,
Dein genaues Beispiel beschreibt nach meiner Ansicht nichts anderes als Leistungsgerechtigkeit, wenn zwei bei gleicher Leistung identische Outcomes erzielen und keine Drittvariable interveniert, dann ist das gerecht. Warum man diesen Zusammenhang mit einem Wort wie “sozial”, dessen Inhalt Du auch nicht genau bestimmen kannst, überfrachten muss, ist mir nicht nachvollziehbar. Und wenn man dann noch weiß, dass der Verweis auf “soziale Gerechtigkeit” es ermöglicht, nahezu jede Form der eigenen Vorteilsnahme zu legitimieren, dann halte ich das Festhalten an dem unnützen Konzept der soziale Gerechtigkeit für fahrlässig. Wenn Du einmal genau hinsiehst, wirst Du feststellen, dass mit sozialer Gerechtigkeit Umverteilungen gerechtfertigt werden, die alle Deinem Beispiel widersprechen. Was ist z.B. daran sozial gerecht, dass mit ESF-Mitteln und im Namen der sozialen Gerechtigkeit Frauenhäuser finanziert werden?
Hallo Michael,
ich will an dem Begriff festhalten, da er starke Assoziationen verursacht und es politisch Unklug ist soziale Gerechtigkeit undefiniert zu lassen, insbesondere wenn man in einer Demokratie gewählt werden will. Es gibt keinen besonderen analytischen Grund den Begriff zu behalten. Ich denke er ist im Diskurs nützlich.
Aber mein Beispiel umfasst mehr als nur Leistungsgerechtigkeit, denn wenn z.B. der Zugang zur Medizinischen Versorgung Geld kostet, und man soziale Schichten nach ihrem Einkommen definiert, so wird durch meine Definition der Sozialen Gerechtigkeit die Forderung nach Zugang zu gleicher Medizinischen Versorgung für alle abgedeckt.
Insbesondere mit Hinblick auf Kinder ist das dann keine Variante von Leistungsgerechtigkeit.
Ferner denke ich, dass das Problem, dass man mit dem Verweis auf „soziale Gerechtigkeit“ alle möglichen Vorteilnahmen legitimieren kann, eben genau daran liegt, dass man gar nicht erst versucht den Begriff genau zu fassen.
Um meinen Begriff auf das Beispiel mit den Frauenhäusern anzuwenden:
Halten wir erst mal fest, dass Ungerecht für Frauen ist Opfer von häuslicher Gewalt zu werden. Allerdings ist dieses (Legen wir Rawls Gerechtigkeitsverständnis zu Grunde) für jeden ungerecht, nicht nur für Frauen. Es wäre auch dann noch ungerecht wenn alle Unterschiede zwischen Männern und Frauen nivelliert wären. Aus meiner Definition folgt also das man Finanzierung von Frauenhäusern schlichtweg nicht mit sozialer Gerechtigkeit begründen kann.
Man kann halt mit sozialer Gerechtigkeit nur alles mögliche begründen wenn man es unterlässt diesen Begriff genauer zu fassen. Der Begriff Gerechtigkeit hat das gleiche Problem, aber er ist mit nicht unnütz. Auch hier gilt je genauer der Begriff bestimmt ist, desto weniger kann er als Begründung für alles mögliche herangezogen werden.
Sicher widersprechen alle möglichen Forderungen im Namen sozialer Gerechtigkeit, meiner Begriffsbestimmung – genau das ist der Punkt. Statistik wird auch benutzt um Alles mögliche zu begründen. Dennoch würde ich nie Auf die Idee kommen Statistik so zu definieren, dass eine Definition von Statistik möglichst alle dieser Begründungen Logisch konsistent lässt. Schon gar nicht verwerfe ich Statistik als Begriff oder Methode, auch fordere ich nicht, dann nur von Mathematik zu reden anstelle von Statistik. Der Sinn der Begriffsbestimmung und der Nutzen liegt darin, dass er ermöglicht ungerechtfertigte Forderungen/bzw. falsche Schlussfolgerungen als solche zurückweisen zu können. Dazu braucht die Bestimmung auch nicht genau zu sein, nur genau genug …
PS:
Ich denke schon dass ich “sozial” genau genug bestimmen könnte, aber nicht in einem Blog Kommentar.
Bislang ist keiner der “kritischen” Kommentatoren auf die Frage eingegangen, um die es hier geht: Ist der Begriff “soziale Gerechtigkeit” irgendwie sinnvoll zu füllen, und falls ja, warum?
Lassen wir doch das sozial bei “sozialer Gerechtigkeit” weg und stellen fest, dass für den Begriff “Gerechtigkeit” ebenso argumentiert werden kann und folgern wir daraus ihrer Logik folgend: Schmeissen wir das Strafrecht über Bord, lassen wir das Faustrecht gelten, denn jeder versteht erfahrungsgemäss unter Gerechtigkeit etwas völlig anderes.
Einkommens- und Vermögensverteilung kann aber recht genau gemessen werden. Darum geht es, nicht um eine erkenntnistheoretisch wasserdichte Definition des Begriffs “soziale Gerechtigkeit” oder schlicht “Gerechtigkeit”. Diese akademische Schlaumeierei ist im Hinblick auf real bestehende existenzielle Bedrohungen, die sie mit ihrem Plädoyer für einen Anarchokapitalismus heraufbeschwören, völlig belanglos.
Wow, Herr Bosshard,
das ist aber wirklich nicht Ihr Niveau! Ich frage mich, warum es immer dann, wenn es an Begriffe wie “soziale Gerechtigkeit” geht und daran, die entsprechenden Begriffe auf Ihren Sinn hin zu überprüfen, es so schwierig ist, eine rationale und unemotionale Argumentation zu führen. Um Ihren Beitrag ein wenig zu entwirren:
Ok, lassen wir das Soziale weg.
Für Gerechtigkeit haben wir eine FORMALE Definition, weshalb wir nicht auf strittige Inhalte zurückgreifen müssen. Gerechtigkeit liegt dann vor, wenn der Input, den jemand bringt, kongruent zu seinem Output ist – equity eben. Entsprechend ist Gerechtigkeit das Ergebnis eines sozialen Vergleichsprozesses (da ist es wieder, das soziale) und Gerechtigkeit ist etwas, das ÜBERHAUPT NICHTS mit Verteilungsgleichheit zu tun hat. Deshalb geht der letzte Teil Ihres Kommentars völlig am Punkt vorbei. Und obwohl es mich interessieren würde, wie sie “Anarchokapitalismus” definieren, will ich mich dem Absatz auch nicht weiter widmen, denn er enthält nichts Substantielles.
Leider ist auch Ihr zweiter Absatz substanzlos, denn wie Sie sehen, gibt es eine FORMALE Definition von Gerechtigkeit, so dass wir auch das Strafrecht nicht über Bord werfen müssen:). Allerdings, to rub some salt, Strafrecht ist natürlich nichts in Stein gemeiseltes (wieder nichts mit Gleichheit..), sondern etwas hoch Kulturelles und insofern Ausdruck von (ungleich verteilten) Interessen… Die kritischen Kriminologen der 1980er Jahre, Blankenburg, Feest oder Opp, die wussten das noch.
@Herr Klein
Nun, ihre Auslegung des Begriffs “Gerechtigkeit” durch eine formale Definition hilft uns doch auch nicht viel weiter. Wenn wir nur bereits bei Wikipedia schauen, was hier alles unter dem Begriff der “Gerechtigkeit” aufgeführt wird – und es wird vermutlich noch viel mehr Definitionen und Konzeptionen von Gerechtigkeit geben, wenn man den gesamten Wissensstand über den Begriff oder das Konzept “Gerechtigkeit” aufarbeiten würde, dann kann gesagt werden, dass es unterschiedlich Perspektiven und Auffassungen darüber gibt, was unter dem Begriff/Konzept “Gerechtigkeit” verstanden wird und verstanden werden könnte und dass es hier auch unterschiedliche Interessen und Präferenzen gibt, welchen Begriff der “Gerechtigkeit” man eben universal etablieren möchte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Gerechtigkeit#Kritik_des_Gerechtigkeitsbegriffs
Jetzt kann man z.B. mit Michel Foucault und den Postmodernisten (aber auch z.B. mit Paul Feyerabend) argumentieren, dass es auch hier bei dieser formalen Definiton von Gerechtigkeit von “Herrn Klein” darum geht, die Deutungshoheit über diesen Begriff zu etablieren, und es eben kein empirisches Wahrheitskriterium gibt, das ausserhalb einer sozialen Konstruktion uns sagen kann, was genau “Gerechtigkeit” ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Feyerabend
http://de.wikipedia.org/wiki/Relativismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Michel_Foucault
Wir haben es also mit einer “sozialen Konstruktion” zu tun und diese soziale Konstruktion kann je nach Präferenzen und Interessen sehr unterschiedlich aussehen. Somit ist eben auch der Begriff der “Gerechtigkeit” sie der der “sozialen Gerechtigkeit” unscharf (um mal ein bisschen Derridasche Dekonstruktion) 🙂 reinzubringen! 😀
http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialkonstruktivismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Dekonstruktion
Nein, ich bin effektiv der Ansicht, dass uns hier eine “formale Definition” von Gerechtigkeit überhaupt nicht weiterhilft, wenn es darum geht, festzulegen, was “Gerechtigkeit” sein könnte, was darunter alles verstanden werden kann und weshalb es unterschiedliche Definitionen, Präferenzen und Auffassungen gibt.
Hallo Chomsky,
was macht die Linguistik?
Nun, es mag viele INHALTLICHE Definitionen von Gerechtigkeit geben, aber ich vermute, dass es nur wenige “Gerechtigkeitsforscher” gibt, die Equity, in dem von mir beschriebenen FORMALEN Sinne in Frage stellen würden, zumindest bekommt man mit dem Konzept von Equity so unterschiedliche Autoren wie Rawls oder Merton unter einen Hut. Oder nehmen Sie Thomas Hobbes, für den es bekanntlich keine a-priori Gesetze, die Menschen beschränken, gibt, d.h. für den Menschen ein Recht auf alles haben und, was jetzt zu weit führen würde, um es auszuführen, aufgrund ihrer Vernunft dazu kommen, Verträge miteinander zu schließen, in denen Sie auf Teile ihres Rechts auf alles, verzichten. Die geschlossenen Verträge sichern den Menschen Eigentum und Besitz und beinhalten somit bereits eine Größe, die unterschiedliche Ausformungen, je nach den “Fähigkeiten” und “Leidenschaften” der einzelnen Menschen annimmt. Anders formuliert: Die Verträge sichern ungleiche Verteilungen, die durch den Einsatz ungleicher Fähigkeiten oder ungleicher Anstrengungen und Bedürfnisse entstanden sind. Deshalb ist für Hobbes Gerechtigkeit schlicht und einfach die Einhaltung der abgeschlossenen Verträge. (Hobbes, 1994 [1651],S.110) und wieder sind wir bei Equity.
Nun, bei Foucault bin ich mir nicht so sicher, vermute daher nur, dass Sie falsch liegen, was Paul Feyerabend angeht, so hat er zwar ein Buch geschrieben, das den Titel “Against Method” trägt, aber mitnichten Ausdruck eines Konstruktivismus der Art ist, wie Sie ihn hier beanspruchen wollen. Sie sollten sich z.B. in Musgrave und Lakatos (Criticism and the Growth of Knowledge) über das informieren, was Paul Feyerabend wirklich meint, bevor sie ihn zum Konstruktivisten machen. Im übrigen werden Sie die meisten Konstruktivisten von der Existenz einer Realität durch einen Fausthieb ins Gesicht überzeugen, und diejenigen, die davon nicht überzeugt sind, denen können Sie das Gehalt auf 400 Euro pro Monate kürzen, das wir die entsprechenden Konstruktivisten schnell von der Existenz einer “Gerechtigkeit” überzeugen.
Wenn alles sozial konstruiert ist, worüber regen Sie sich dann hier so auf? Denken Sie einfach, ich konstruiere die Realität halt anders als Sie, dass ich das nicht denke und auch für falsch halte, darf Sie doch eigentlich nicht stören, in ihrer schönen, sozial konstruierten Welt.
@ Chomsky, aber wahrscheinlich nicht der Linguist… 🙂
Leider ist mir entgangen, worin Ihr Argumente gegen eine formale Definition von Gerechtigkeit besteht. Der Hinweise darauf, dass, wer definiert, die “Deutungshoheit” hat, ist kein stichhaltiges Argument gegen den Nutzen einer formalen Definiton, der allein schon darin besteht, dass man dann nicht aneinander vorbeiredet, sondern weiß, wovon derjernige, der sich um eine Definition bemüht, spricht; wovon man selbst spricht, wenn man “Gerechtigkeit” nicht definieren kann oder will, weiss man dann anscheinend selbst nicht, aber die Hauptsache scheint ja zu sein, man kann die Definitionen anderer Leute zurückweisen, weil sie angeblich “Deutungshoheit” anstreben. Und wie, bitte, soll das weiterhelfen? Im Verzicht auf Arbeitsdefinitionen liegt wohl kaum irgendein konstruktives Element. Wie viel leichter ist es, sich als Bedenkenträger angesichts von Deutungsvielfalt und Komplexität zu geben, als sich auf eine Definition festzulegen, die nicht nur Kommunikation ermöglicht, sondern auch Gefahr läuft, kritisierbar zu sein? Ich muss sagen, ich halte es für eine äusserst schwache Verteidigung der Beliebigkeit und der Unfähigkeit oder des Unwillens, konstruktiv zu sein, wenn man auf den Konstruktionscharakter von Konzepten verweist.
Nun zum konstruktiven Teil meinerseits, und da gilt es Folgendes festzuhalten:
Die drei Gerechtigkeitsregeln equity, need und equality sind empirisch seit den 1960er-Jahren in einer Vielzahl von internationalen Studien als diejenigen Regeln nachgewiesen, die Menschen bei Entscheidungen über Verteilungen zugrunde legen. Sie messen nachweislich etwas und unterscheiden sich sinnvoll nicht nur voneinander, sondern auch nach kulturellem und Entscheidungskontext. Das kann man der empirischen Gerechtigkeitsforschung, wie wir sie heute kennen und wie sie in Fachzeitschriften repräsentiert ist, deutlich entnehmen.
Wem das nicht gefällt, dem mag das nicht “weiterhelfen”, aber an Fragen der Gerechtigkeit interessierten Sozialforschern hilft dies alles enorm weiter, denn es sagt etwas über die Realität oder, wie manche zu sagen vorziehen würden: über die Konstruktionen, die (reale, nicht konstruierte) Menschen von Gerechtigkeit haben und nach denen sie ihre Verteilungsentscheidungen vornehmen.
Halla zusammem, was passiert in deutschland ist oberkritisch! Ich war immer links! Aber es ist unglaublich… Ich rufe nach rechts! Ist eine Einigung
möglich? Heute jetzt und hier? Rechts und Links an einem Tisch??? Unglaubllich aber nicht unmöglich! Einmalig, wie diese momentan für alle unerträgliche Situation? Unerträglich weil unsozial!
“Soziale Gerechtigkeit” könnte es ein Science – Fiction – Ausdruck sein.
Soziale Gerechtigkeit erscheint auch mir eine Illusion zu sein, ebenso wie die freie Gesellschaft von Hayek, Rechtsgleichheit, Privilegienfreiheit und auch das Leistungsprinzip in seiner Reinform. Soziale Ungleichheit hat jedenfalls das Potential, unsere Gesellschaft nachhaltig zu spalten.