Trittbrettfahrer der Geschichte: Mohren(straße), Kolonialismus, psychologische Wiedergutmachung

Das Trittbrettfahrerproblem, es ist nicht nur in der Ökonomie bestens bekannt. Es beschreibt ein Verhalten, bei dem sich Akteure einen Vorteil dadurch verschaffen wollen, dass sie die Leistung anderer unentgeltlich in Anspruch nehmen. Was man vor der Erfindung der politischen Korrektheit als “Schmarotzen” bezeichnet hat, es ist eine Form des Trittbrettfahrens. Manche Vorstände, die alle Freuden der Feierlichkeiten zu einem Vereinsjubiläum (unentgeltlich) teilen, die Arbeit aber den anderen Mitgliedern überlassen, qualifizieren sich als Trittbrettfahrer. Trittbrettfahrer stehlen die Ideen anderer, imitieren Produkte, versuchen in jedem Fall, einen Vorteil ohne entsprechenden Aufwand zu erheischen.

Trittbrettfahren besteht also darin, die Leistungen Dritter für sich zu okkupieren, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Trittbrettfahren gibt es auch zeitversetzt. Letztgenannte Fahrer nennen sich dann z.B. Aktivisten und versuchen aus historischen Gegebenheiten einen Vorteil für sich zu ziehen.

Da gibt es zum Beispiel die deutsche Kolonialgeschichte- wenige Jahre lang, aber lang genug, um in Deutsch Südwestafrika die Herero fast vollständig auszurotten. Deutsche als Kolonialherren, das war weitgehend eine unerfreuliche Geschichte, und zwar für die Menschen, die damals, von vielleicht 1884 bis 1918 in den deutschen Schutzgebieten lebten.

Die sind aber lange tot.

Zu lange, um materielle Wiedergutmachung zu fordern.

Südwestafrika, Eingeborene
D.S.W.Afrika Eingeborene

Macht aber nichts, denn heute gibt es ja Aktivisten, die versuchen, die Leiden derjenigen, die vor mehr als 100 Jahren deutschen Kolonialträumen zum Opfer gefallen sind, zu instrumentalisieren und eine “psychologische Wiedergutmachung” fordern.

Wie kann eine “psychologische Wiedergutmachung” dafür aussehen, dass Lothar von Trotha im August 1904 mehrere Tausend Herero vor die Wahl gestellt hat, sich erschießen zu lassen oder in die Omaheke, eine unwirtliche Trockensavanne zu flüchten, um dort zu verdursten?

Nun die Wiedergutmachung, die “psychologische Wiedergutmachung”, die besteht nach Ansicht der SPD und ihres Abgeordneten Karamba Diaby darin, “schwarze Menschen in Deutschland” nicht auszugrenzen. Und weil “schwarze Menschen in Deutschland” nicht ausgegrenzt werden sollen, so Diaby, haben “rassistische Bezeichnungen … nichts auf den Straßenschildern unseres Landes zu suchen, weil sie eindeutig die Würde des Menschen verletzen”.

Mohrenstraße.1Karamba, Diaby weiß das. Wer der Mensch ist, dessen Würde verletzt wird, ist unklar. Dass es die Anwohner der Berliner Mohrenstraße, die für Aktivisten zum Fanal des post-kolonialen deutschen Rassismus geworden ist (und nicht etwa die in Annaberg-Buchholz, Bingen, Bonn, Coburg, Ettlinger oder Gotha), nicht sind, ist offenkundig, denn die Anwohner, sie finden, dass Mohrenstraße nicht rassistisch ist.

“Wie können Weiße beurteilen, welche Begriffe für Schwarze diskriminierend sind?”, fragt ein Moctar Kamara, den der Vorwärts zitiert und nimmt damit schon einmal für sich in Anspruch, alleiniger Experte dafür zu sein, was “für Schwarze diskriminierend” ist und was nicht. Es hat Vorteile, wenn man wie Karamba Diaby genau weiß, dass Straßenamen wie “Mohrenstraße” “die Würde des Menschen verletzten” oder wie Moctar Kamara, dass nur bestimmte Schwarze bestimmen können, was für Schwarze diskriminierend ist.

Dass sich beide dabei als astreine Rassisten zu erkennen geben, ist dann wohl der Logik des Trittbrettfahrens geschuldet, die es erfordert, das posthume Vermächtnis der Opfer deutscher Kolonialherrschaft als psychologische Wiedergutmachung zu inszenieren. Deshalb behauptet Kamara, dass Menschen schwarzer und weißer Hautfarbe grundverschieden sind, so grundverschieden, dass Letztere keinerlei Empathie für Erstere empfinden können und umgekehrt. Der Ku-Klux-Klan wird sich freuen, angesichts dieser unerwarteten Schützenhilfe aus Deutschlands “black community”.

Und deshalb weiß Karamba Diaby ganz genau, was die “Würde des Menschen” verletzt. Dass es die Würde der 1904 elendiglich verdursteten oder sonstwie gestorbenen Herero verletzen könnte, wenn sie 112 Jahre später dafür herhalten müssen, um die Bezeichnung von Straßennamen zu kämpfen, zu dieser Einsicht reicht die tiefe Kenntnis dessen, was die Würde des Menschen ausmacht, bei Diaby nicht aus. Dass es manch einen Herero wütend machen würde, wenn er wüsste, zu welchen Zwecken er im Jahre 2016 von satten Aktivisten, deren Problemwahrnehmung bei der Bezeichnung “Mohr” auf Straßenschildern aufhört, missbraucht wird? Kamara hat offensichtlich keine Angst davor.

So ist das eben mit den heutigen Aktivisten, die das Leiden von Menschen vergangener Zeit zu psychologischen Zwecken missbrauchen, nicht zu psychologischer Wiedergutmachung, denn selbst eine psychologische Wiedergutmachung erfordert die Anwesenheit der Geschädigten – sonst ist es keine Wiedergutmachung, sonst ist es die Instrumentalisierung von Toten, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen, sonst ist es Trittbrettfahren.

 

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