Nicht-diskriminierende Geschmacklosigkeit: GEW-Broschüre “objektiv” nicht männerfeindlich

Vor einiger Zeit habe ich in einem Beitrag mit dem Titel “post-natale Geschlechtergerechtigkeit” auf das Titelbild einer GEW-Broschüre zum Elterngeld hingewiesen, das nach meiner Ansicht alle Bedingungen einer Diskriminierung von Männern und somit einer männerfeindlichen Darstellung erfüllt. Auf dem Titelblatt der GEW-Broschüre ist eine männliche Figur mit einer kindlichen Figur im Arm abgebildet, die durch einen Schlüssel, auf dem “Elterngeld” zu lesen steht, aufgezogen wird. Die Nachricht hinter dieser Abbildung ist klar: Männer sind aufziehbare Trottel, die sich dann, wenn Ihnen Elterngeld gezahlt wird, um Kinder kümmern.

Dr. habil. Heike Diefenbach und ich haben dieses Titelbild zum Anlass genommen, die Antidiskriminierungsstelle anzuschreiben, deren Tätigkeit, so denkt man, darin besteht, diskriminierende Gegenstände aus dem öffentlichen Leben zu entfernen.

Unsere Email hatte den folgenden Wortlaut:

———————-

Sehr geehrte Frau Lüders,

wir bitten Sie, sich in Ihrer Eigenschaft als Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit einer diskriminierenden Broschüre der GEW zu beschäftigen.

Die GEW vertreibt eine Broschüre zum Thema “Das neue Elterngeld – Tipps und Informationen für Mütter und Väter” auf deren Titelblatt eine männliche Figur abgebildet ist, die eine kindliche Figur in den Armen hält und durch einen Schlüssel, der mit dem Wort “Elterngeld” beschriftet ist, wie mechanisches Spielzeug aufgezogen wird. Dieses Bild des durch finanzielle Zuwendungen (Elterngeld) aufziehbaren und danach in der vorbestimmten Weise handelnden, also keiner eigenen Überlegung fähigen Trottels ist ein eklatanter Verstoß gegen §3 Abs. 3 AGG, in dem es heißt: “Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in §1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird”.

Die Darstellung einer durch Elterngeld aufziehbaren und somit zu keiner eigenen Überlegung fähigen männlichen Figur stellt eine Erniedrigung und Entwürdigung aus Gründen des Geschlechts im Sinne des §1 AGG dar, und ist geeignet ein durch Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung gekennzeichnetes Umfeld zu schaffen.

Deshalb bitten wir Sie, die entsprechende Broschüre aus dem Verkehr zu ziehen.

Sie finden das Bild der Broschüre unter diesem Link:
http://www.gew-berlin.de/images/Elterngeld.jpg

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. habil. Heike Diefenbach,
Wissenschaftliche Beraterin, Autorin und Dozentin

Michael Klein
Wissenschaftler Berater
science watch

————————–

Die Antwort der Antidiskriminierungsstelle ließ ein wenig auf sich warten, aber sie kam und hatte den folgenden Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Dr. Diefenbach, Sehr geehrter Herr Klein,

Vielen Dank für Ihre Nachricht an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, auch im Namen von Frau Christine Lüders, die mich gebeten hat Ihnen zu antworten. Ihr Unmut wird darin sichtbar.

Wir können allerdings nicht in dem gewünschten Sinne tätig werden.

Ohnehin ist die Publikation aus diskriminierungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Eine Belästigung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) liegt nicht vor. Der objektive Gehalt des Titelblatts der Broschüre erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen einer Benachteiligung nicht. Auf Ihre subjektive Wahrnehmung kommt es bei der rechtlichen Einordnung nicht an.

Hinzu kommt, dass die einschlägige Richtlinie 2004/113/EG, die die europarechtliche Grundlage für das AGG bildet, gar nicht anwendbar ist. Ausdrücklich heisst es in Art. 3 Abs. 3 RL 2004/113/EG: Diese Richtlinie gilt weder für den Inhalt von Medien und Werbung noch im Bereich der Bildung.

Sollten Sie sich für die Elternzeit entscheiden, wünschen wir Ihnen hierfür alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Dr. Alexander Sopp
Referent
———————————————————————–
Referat Grundsatzangelegenheiten und Beratung Antidiskriminierungsstelle des Bundes

11018 Berlin
Tel.: 03018/555-1865
Fax: 03018/555-41865
E-Mail: beratung@ads.bund.de

——————————

Auf diese “Antwortmail” hat Dr. habil. Heike Diefenbach in der folgenden Weise geantwortet:

Sehr geehrter Herr Dr. Sopp,

vielen Dank für Ihr Antwortschreiben, das Sie an Herrn Klein und mich bezüglich unserer Anzeige einer männerfeindlichen und allgemein menschenunwürdigen Darstellung gerichtet haben.

Ihr Antwortschreiben ist allerdings nicht akzeptabel, denn es enthält trotz der Kürze eine bemerkenswerte Reihe von Unklarheiten, so dass mir nichts anderes bleibt, als diesbezüglich um Aufklärung zu bitten und Sie dazu aufzufordern, Ihrer Funktion als vom Steuerzahler finanzierten Adressaten für Anzeigen von Diskriminierungen zu entsprechen und in der kommenden Woche entsprechend tätig zu werden.

Um nachvollziehbar zu machen, warum Ihr Schreiben nicht akzeptabel ist, will ich auf die folgenden Punkte hinweisen:

1. Was, bitte, meinen Sie damit, dass es Frau Lüders Unmut ausdrücke, wenn sie Sie damit beauftragt, uns zu antworten? Ist das so zu verstehen, dass zum einen unsere Anfrage per se unangenehme Arbeit bedeutet, und zum anderen Frau Lüders aus unbekannten Gründen die Gewohnheit hat, Ihnen die “Strafarbeiten” aufzugeben? Falls dem so ist, muss ich darauf hinweisen, dass ich an den internen Reibereien in Ihrer Stelle wenig interessiert bin und hierauf auch keine Rücksicht nehmen kann. Selbstverständlich hätte ich aber erwartet, dass Frau Lüders selbst antwortet, denn schließlich habe ich auch nicht meine Referentin oder Sekretärin schreiben lassen, sondern tue das selbst, obwohl ich als Selbständige nicht wie Frau Lüders von den monatlichen Überweisungen von Steuergeldern lebe, sondern für mich Zeit Geld ist. Man dürfte ihr daher, glaube ich, zumuten, dass sie Ihre Arbeit macht.

2. ‘Was meinen Sie damit, dass “[e]ine Belästigung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nicht vorlieg[e und dass] [d]er objektive Gehalt des Titelblatts der Broschüre […] die gesetzlichen Voraussetzungen einer Benachteiligung nicht [erfülle]”? Natürlich liegt eine Belästigung vor, aber das ist ja nur meine subjektive Überzeugung. Aber wenn es auf subjektive Wahrnehmungen nicht ankommt, dann kommt es auch auf Ihre subjektive Wahrnehmung darüber, ob das Titelblatt “gesetzliche Voraussetzungen” erfüllt oder nicht, bei der rechtlichen Einordnung doch gar nicht an, oder gelten für Sie andere Regeln als für andere Bürger der Bundesrepublik? Hier wäre ich für Aufklärung der logischen Verhältnisse sehr dankbar.

3. Wenn zutrifft, “dass die einschlägige Richtlinie 2004/113/EG, die die europarechtliche Grundlage für das AGG bildet, gar nicht anwendbar ist, [weil es] […] in Art. 3 Abs. 3 RL 2004/113/EG [ausdrücklich heiße]: Diese Richtlinie gilt weder für den Inhalt von Medien und Werbung noch im Bereich der Bildung”, dann frage ich mich wie sicherlich sehr viele Bürger Europas, für welche Inhalte in welchen Formen der Präsentation die Richtlinie überhaupt gilt. Wenn Bürger sie nicht einfordern können, wenn ihnen Diskriminierungen begegnen, muss die Richtlinie als ein bloßes Instrument des Staates zur Durchsetzung seiner eigenen (ideologisch bedingten?) Interessen gewertet werden, statt als Instrument, Diskriminierung innerhalb der und gegen die Bevölkerung entgegenzuwirken, für das aber auf jeden Fall der Steuerzahler finanziell aufkommt, u.a. in Form des Gehaltes, das Frau Lüders und Sie beziehen. Als Bildungs- und Ungleichheitsforscherin mit einiger Publikationspräsenz interessiert mich diese Frage ganz besonders, und ich wäre für Ihre Stellungnahme bzw. die von Frau Lüders zu dieser Frage sehr, sehr dankbar, wäre sie doch für die Abfassung zukünftiger Publikationen sehr hilfreich und erhellend.

4. Ihren letzten Satz “Sollten Sie sich für die Elternzeit entscheiden, wünschen wir Ihnen hierfür alles Gute” verstehe ich schlichtweg nicht. Wer ist “wir”? Sie haben uns doch allein und ohne fremde Hilfe geschrieben, oder? Was hat die Antidiskriminierungsstelle mit der Elternzeitregelung zu tun? Wo sehen Sie den Bezug? Wir, also ich :-), sehen keinen. “Wir” haben “uns” an die Antidiskriminierungsstelle wegen eines Falls klarer menschenverachtender Darstellung gewandt, in der Menschen wie auf primitive Weise (nämlich durch die Zahlung von ein wenig Geld) manipulierbare, quasi mechanisch aufziehbare Metallmännchen dargestellt werden. Sonst nichts.

Mir ist die Bedeutung Ihres letztes Satzes also überhaupt nicht klar, aber er klingt freundlich, weil er einen guten Wunsch enthält, und selbstverständlich möchte ich eine freundliche Geste ebenso freundlich beantworten. Daher wünsche ich Ihnen probeweise viel Glück damit, Ihren Selbstwert auf irgendeine Weise erhalten zu können, falls Sie sich für die Elternzeit entschieden haben sollten und sich der von uns angesprochenen Abbildung gemäß als aufziehbares Männlein fühlen müssten.

Bitte widmen Sie sich unserer Angelegenheit in der kommenden Woche ernsthaft; sonst werde ich mich vielleicht an jemand anderen wenden müssen. Was Herr Klein in dieser Angelegenheit zu unternehmen gedenkt, entzieht sich derzeit meiner Kenntnis.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende im Kreise Ihrer Familie und verbleibe
mit freundlichen Grüßen,

Dr. habil. Heike Diefenbach

_________________
Dr. phil. habil. Heike Diefenbach
– Scientific Consultant, Writer and Educator –

Entweder hat die Mail von Dr. habil. Heike Diefenbach, sowohl der Leiterin als auch ihrem Referenten die Sprache verschlagen, oder die Mühlen in der Antidiskriminierungsstelle mahlen extrem langsam, jedenfalls ist die Mail von Dr. habil. Heike Diefenbach bis jetzt unbeantwortet geblieben.

(c) rubbish press
(c) rubbish press

Der Mail von Dr. habil. Heike Diefenbach ist nichts mehr  hinzuzufügen, aber ich habe mich dennoch entschlossen, die Antwort von der Antidiskriminierungsstelle einmal in zwei Punkten ernst zu nehmen. Zum einen findet Herr Dr. Sopp, dass das Titelbild der Broschüre der GEW nicht zu beanstanden sei. Deshalb habe ich das Titelblatt etwas verändert und bitte jeden, der es hier sieht darum, es weiterzugeben und zu verteilen, damit der Gleichberechtigung im Hinblick auf nicht zu beanstandende, wenngleich geschmacklose Titelbilder Rechnung getragen wird, nicht dass im nächsten Gleichstellungsbericht konstatiert werden muss, dass “feministische” Geschmacklosigkeiten das Feld beherrschen.

Zum anderen findet Dr. Alexander Sopp, dass außer seinen subjektiven Wahrnehmungen alle anderen subjektiven Wahrnehmungen unerheblich sind, weshalb er gleich seine eigene subjektive Wahrnehmung zur objektiven Wahrnehmung erhebt. Damit ist ein philosophisches Problem gelöst, das seit Jahrtausenden zu viel Streit geführt hat und das letztlich auch darin seinen Niederschlag findet, dass sich arme deutsche Richter mühen müssen, einen möglichst objektiven Sachverhalt aus subjektiven Äußerungen von Zeugen zu rekonstruieren. Jetzt, da wir Alexander Sopp haben, ist das alles nicht mehr notwendig. Er kennt das objektiv Richtige. Er weiß, wie die Dinge stehen und deshalb sollten wir Gerichte abschaffen, Richter nach Hause schicken und den Referenten der Antidiskriminierungsstelle, Dr. Alexander Sopp, in allen Streitfragen um seine objektive Meinung bitten.

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