In den letzten Tagen hat ein Urteil des Landgerichts Köln, für das der stellvertretende Vorsitzende Richter am Landgericht Beenken verantwortlich zeichnet, einige Furore gemacht. Gegenstand des Urteils ist die Beschneidung eines vierjährigen Jungen “islamischen Glauben[s]” (4) wie es im Urteil heißt. Das Urteil wird von den einen, wie z.B. Arne Hoffmann, als Bestätigung ihrer Ansicht, dass die Beschneidung von Jungen den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllt, angesehen, andere Männerrechtler wie Manndat sehen darin eine längst fällige Garantie der körperlichen Unversehrtheit von Jungen. Insgesamt sehen sich Vertreter der deutschen Männerbewegung durch das Urteil des Landgerichts Köln also bestätigt. Demgegenüber ist Michael Bongardt, katholischer Theologe und Philosoph an der FU Berlin, der Ansicht, das Kölner Urteil fördere mit Sicherheit nicht den gesellschaftlichen Frieden, der Präsident des Verbandes Europäischer Rabbiner, Pinchas Goldschmid, sieht in dem Urteil eine der schwersten Attacken auf das jüdische Leben in Europa und den Fortbestand des Judentums in Deutschland in Frage gestellt, und wie immer, wenn es etwas im Leben anderer zu regeln gibt, hat sich die Bundesregierung mit einem Gesetzesvorhaben, das die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen erlaubt, zu Wort gemeldet.
Es ist auf der einen Seite erstaunlich, dass es noch etwas gibt, was Männer in Deutschland zu erregen vermag, auf der anderen Seite ist es fraglich, ob die Vorhaut kleiner Jungen tatsächlich geeignet ist, um als Widerstandssymbol einer Männerbewegung und Fanal gegen den Staatsfeminismus zu taugen. Aus meiner Sicht ist das Kölner Urteil bedenklich, und zwar in dreierlei Hinsicht: (1) es hat den Weg frei gemacht, für eine weitere Beschneidung individueller Freiheit, (2) es hat deutlich gemacht, dass es zwischen dem Staatsfeminismus und der Männerbewegung eine Reihe von Überschneidungen gibt und (3) es hat davon abgelenkt, dass die Probleme, die Männer in der deutschen Gesellschaft haben, nichts mit dem Vorhandensein oder dem nicht-Vorhandensein einer Vorhaut zu tun haben.
Bevor ich die drei Punkte im Einzelnen bespreche, will ich das Urteil des Landgerichts Köln etwas genauer darstellen, denn  – wie bereits der von mir sehr geschätzte Thomas Hobbes festgestellt hat, es ist immer besser, sich ein eigenes Bild zu machen, als dem rosaroten (das ist von mir) Gemälde anderer zu vertrauen. Ich habe in meiner Zeit als Gerichtsreporter u.a. am Landgericht Leipzig viele Urteile gesehen und gelesen (eine wissenschaftliche Studie und ein wissenschaftlicher Artikel aus dieser Zeit stehen demnächst im Downloadbereich zur Verfügung). Ich nehme mir vor diesem Hintergrund das Recht, die Qualität des Urteils aus Köln zu beurteilen. Verglichen mit dem Standard, den ich aus den Urteilen eines VRiLG Viro Schultz oder eines VRilG Jens Kaden, beide nach wie vor am Landgericht Leipzig tätig, gewöhnt bin, ist das Urteil  aus Köln kein gutes Urteil, es ist, wie ich nunmehr zeigen werde ein widersprüchliches und in seiner rechtlichen Würdigung absurdes Urteil.
Der Tatbestand, den der stellvertretende VRiLG Beenken und seine beiden Schöffen aus dem Postdienst zu beurteilen hatten, ist schnell erzählt. Ein Arzt hat eine Beschneidung an einem Vierjährigen durchgeführt. Er hat dies mit dem Einverständnis der Eltern gemacht und ist vom Amtsgericht Köln vom Vorwurf der Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs freigesprochen worden. Am Landgericht  Köln hat dieses Urteil des Amtsgerichts Bestand, denn: “Der Angeklagte war aus rechtlichen Gründen freizusprechen”. Die rechtlichen Gründe, die nunmehr angeführt werden, lassen unbedarfte Leser an der geistigen Verfassung von Juristen zweifeln und können wie folgt zusammengefasst werden. Bevor VRiLG Beenken in seiner Urteilsbegründung festgestellt hat, dass die Beschneidung von Jungen eine Körperverletzung darstellt (worum ihn übrigens niemand gebeten hat), war die Rechtslage nicht eindeutig. Weil die Rechtslage vor dem Urteil nicht eindeutig war, konnte der angeklagte Arzt nicht wissen, dass er sich strafbar macht, wenn er eine Beschneidung durchführt. Da er zudem keinen Behandlungsfehler gemacht hat und im Einverständnis der Eltern gehandelt hat, befand er sich in einem “unvermeidbaren Verbotsirrtum und damit ohne Schuld” (8). Es ist immer gut zu wissen, dass man sich nicht strafbar macht, wenn man gegen Gesetze verstößt, die es noch nicht gibt – oder? Nun gut, seit dem Urteil von VRilG Beenken soll nun also die Beschneidung von Jungen strafbar sein. Warum? Hier die Gründe:
Dem Recht der Eltern, die die Beschneidung aus religiösen Gründen gewünscht haben, kommt nach Ansicht von Richter Beenken kein Vorrang vor dem Recht des Kindes auf körperliche Unversertheit und Selbstbestimmung zu (5), wenngleich VRiLG Beenken trotz aller Rechte auf Selbstbestimmung von Kindern einräumen muss, dass ein Vierjähriger “mangels hinreichender Verstandesreife” keine Einwilligung zu seiner eigenen Beschneidung geben könne. Gar so weit ist es mit der Selbstbestimmung also doch nicht her.
Der zentrale Satz zur Begründung findet sich jedoch auf Seite 7 des Urteils. Dort heißt es: “Zudem wird der Körper des Kindes durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert. Diese Veränderung läuft dem Interesse des Kindes später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können zuwider”. Einmal beschnitten, immer muslimisch oder jüdisch?
Mir scheint, VRiLG Beenken ist mit dem letzten Satz  über das Ziel hinausgeschossen, und nicht nur mit diesem. Einmal davon abgesehen, dass die Beschneidung von Jungen z.B. im Koran überhaupt nicht vorkommt, ist es eine eher fragwürdige Ansicht, dass eine fehlende Vorhaut Jungen dauerhaft an eine Religion binden würde. Ich wette, auch beschnittene Jungen haben sich bereits von ihrer Zugehörigkeit zum Judentum oder zum Islam gelöst. Warum auch nicht? Die Ansicht, durch den Verlust der Vorhaut seien Jungen auf Gedeih und Verderb an die beschneidende Religion gekettet, ist einfach und schlicht blanker Unsinn. Und wie soll man ein Urteil ernstnehmen, das auf derartigem Unsinn aufbaut? Wie soll man einen Richter ernstnehmen, der auf Seite 5 die Selbstbestimmung von Kindern über die Grundrechte der Eltern stellt und eine Seite weiter feststellt, dass vierjährige noch keine “hinreichende Verstandesreife” haben, um selbstbestimmt zu handeln? Ist diese Urteil ein Witz oder ein Versuch, das “stellvertretend” vor dem VRiLG entfernt zu bekommen?
Wie dem auch sei, dieses Urteil ist kaum geeignet, um darauf die Hoffnungen der Männerbewegung zu bauen. Und dies bringt mich zu den drei Punkten, um deren Willen ich die Rezeption dieses Urteils in der Männerbewegung für bedenklich halte:
Beschneidung individueller Freiheit
Es ist nicht allzulange her, dass Nigel Farage auf diesem Blog die Strategie beklagt hat, negative Rechte (alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt) durch positive Rechte zu ersetzen (alles, was nicht erlaubt ist, ist verboten). Er hat dies im Hinblick auf die EU und die sich ausbreitende totale europäische Bürokratie getan. Tenor dieser Aussage ist die Einschränkung individueller Freiheiten durch Bürokratien und der damit einhergehende regelnde Eingriff von Bürokratien in private Leben. Und wie einfach es ist, individuelle Freiheiten zu entziehen, zeigt sich am Beispiel des Beschneidungsurteils. Etwas wird als schädlich deklariert und unter einen hehren Wert, z.B. die körperliche Unversertheit gestellt. Dann wird ein Präzendensfall geschaffen, z.B. durch das Landgericht, und dann wird geregelt. Und die einstig vorhandene religiöse Freiheit gibt es ab sofort nur noch auf Gnaden der Regierung. Religiöse Freiheit ist bedingte Freiheit geworden, von Staatsgnaden. Bedrückend dabei ist, dass die Einschränkung individueller Rechte von vielen so willig mitgetragen wird. So finden die selben Männerrechtler, die zu Recht auf die Barrikaden gehen, wenn der Staatsfeminsimus neue Rechte für Frauen, z.B. durch Quoten festsetzen und dabei eben einmal die unternehmerische Freiheit einschränken will, nichts dabei, den selben Staat, der für den Staatsfeminismus verantwortlich ist, zu bemühen, um das “Unrecht” der Beschneidung von kleinen Jungen mit seiner Hilfe und unter dem Kollateralschaden religiöser Freiheit zu beseitigen und damit dem regulierenden Eingriff, auch wenn er letztlich dem eigenen Ansinnen zuwider läuft den Weg zu bereiten.
Scheinbar hat Unfreiheit einen Reiz. Scheinbar macht es unglaublich zufrieden, wenn man das Verhalten anderer regulieren, beschränken, unfrei machen kann, und alles wegen ein paar Zentimetern Vorhaut. Wegen diesen wenigen Zentimetern wird eben einmal die Selbstbestimmung von Kindern über die Selbstbestimmung von Eltern gestellt und weil Kinder noch “keine hinreichende Verstandesreife” haben, wird ihre Selbstbestimmung eben einmal vom Staat wahr genommen. Wie wollen diejenigen, die so bereitwillig über individuelle Freiheiten hinweggehen, die gierige Hand des Staates stoppen, wenn irgend ein Gutmensch bedindet, dass das Füttern von Kindern mit Schokoladenriegeln ob der drohenden adipösen körperlichen Entwicklung einen langfristigen, wenn nicht irreparablen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Kindern darstellt? Wie wollen die entsprechenden Gutmenschen es verhindert, dass Mama Staat sich daran macht, allen Eltern, die nicht nach Schema F erziehen und ihre Kinder z.B. in der Schule an keinem anti-Vergewaltigungskurs teilnehmen lassen wollen, unter der Behauptung, die Selbstbestimmung der Kinder gehe über die Grundrechte der Eltern, das Sorgerecht entzieht? Warum sind es immer diejenigen, die das “wehret den Anfängen” als tägliche Litanei mit sich herumtragen, die die Anfänge erst erkennen, wenn sie im Endstadium angekommen sind?
Überschneidungen zwischen Staatsfeminismus und Männerbewegung
Das wichtigste Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen, dessen sich Staatsfeministen bedienen, ist die moralische Hoheit, die an bestimmten “Werten” ausgerichtet ist, wobei sich die Werte alle dadurch auszeichnen, dass sie Eingriffe in die Freiheiten anderer rechtfertigen. Wenn Staatsfeministen Unternehmen untersagen, ausschließlich Männer einzustellen, wenn sie in Schulen dafür streiten, dass Jungen, die den Ruch traditioneller Männlichkeit verbreiten, ausgesonderschult werden und wenn sie ganz offen versuchen, die Gesellschaft nach ihren Interessen umzugestalten und alles Männliche aus dem öffentlichen Leben zu entfernen, dann haben sie offensichtlich dieselbe Lust am Eingriff in das Leben anderer, das nunmehr die Männerbewegung im Hinblick auf die Beschneidung von Jungen gepackt zu haben scheint. Das ist mehr als bedauerlich. Es ist besonders bedauerlich, weil religiöse Minderheiten für die Männerbewegung offensichtlich dieselbe Rolle zur Befriedigung spielen, die Männern im Staatsfeminismus zugedacht ist, ihnen darf ohne weiteres Selbstbestimmung und religiöse Freiheit abgesprochen werden und nicht einmal der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie macht hier einen Unterschied.
Männer haben erhebliche Probleme in Deutschland, die Vorhaut gehört meist nicht dazu
Männer leben kürzer als Frauen. Männer zahlen mehr Beiträge in die Rentenversicherung als Frauen, aber entnehmen deutlich weniger Beiträge. Männer sind in der Werbung Freiwild, der Beleidigung und Entwürdigung sind keine Grenzen gesetzt. Männer als Scheidungsopfer sind die neuen sozialen Outlaws. Obdachlosigkeit ist ein männliches Problem. Männer begehen deutlich häufiger Suizid als Frauen. Jungen werden in deutschen Schulen benachteiligt und und und. Will mir wirklich jemand weiß machen, die Männerbewegung müsse sich intensiv um die Beschneidung von Jungen kümmern? Für mich ist diese Fixierung auf Geschlechtsteile, deren Inszenierung anhand eines Eingriffs, der weitgehend harmlos ist und über dessen negative Folgen es so wichtige Sätze wie die folgenden zu formulieren gibt, einfach nur unsäglich: “Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die belegen, dass auch Jungenbeschneidung negative Auswirkungen auf die Sexualität hat. Eine [ungenannte] Studie aus dem Jahr 2007 belegt, dass bei einer Beschneidung die fünf sensitivsten Stellen des männlichen Penis entfernt und damit das Empfindungsvermögen wesentlich eingeschränkt wird”. Aber: “Männer, die bereits als Kinder beschnitten wurden und ihre Sexualität nie anders kennengelernt haben – und dies ist die überwältigende Mehrheit der Beschnittenen – können dies selbstverständlich kaum beurteilen”. Wie besser als mit diesem Beleg eines entfesselten und irrationalen Paternalismus könnte dieser Beitrag enden: Wir wissen besser, was für dich gut ist als du selbst. Zu schade, dass derartige Belege die Männerbewegung auf die Ebene stellen, auf der sich der Staatsfeminismus bereits befindet.
Manchmal ist es schwierig konstruktiv zu sein, um aber dennoch diesen Beitrag konstruktiv zu beenden, hier zwei abschließende Ideen um die aufgestaute Spannung abzulassen: Frau Dr. habil. Heike Diefenbach schlägt vor, eine beliebige Stiftung mit der Durchführung einer Expertise zu beauftragen, deren Ziel darin besteht, Erfahrungsberichte von Frauen aus binationalen Ehen und Partnerschaften mit Arabern oder Afrikanern zu sammeln und auf Basis dieser Erfahrungsberichte die “Qualität der Sexualität” zu bestimmen. In einem zweiten Schritt könnte zudem ein Vergleich mit deutschen Partnerschaften erfolgen, um Richtung und Ausmaß im Qualitätsgefälle zu erfassen. Ich schlage vor, Beschneidungsopfer auf einer Skala von 0 bis 100 die Intensität ihrer sexuellen Erfahrung bestimmen zu lassen und mit nicht-Beschneidungsopfern zu vergleichen. Wenn meine Erfahrung als (aus medizinischen Gründen) Beschnittener verallgemeinerungsfähig ist, wird das Ergebnis aus der  Skala fallen, und auch wenn mir Meike Beier und Mario Lichtenheldt in ihrer Stellungnahme für Manndat bestätigen, (a) ein eingeschränktes Empfindungsvermögen zu haben und (b) mein Empfindungsvermögen gar nicht beurteilen zu können, so muss ich hier feststellen: 100: I couldn’t stand more ….
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ich danke Dir für diesen Beitrag und für Deine allzeit vorhandene Bereitschaft, Stellung zu beziehen und dies auch öffentlich zu tun!
Das musste einfach einmal gesagt werden, vor allem angesichts der sehr enttäuschenden Reaktionen derer, die Deinen Beitrag (absehbar) nicht mögen: sie erschöpft sich in der Negativbewertung Deines Beitrags mit nur einem oder zwei Sternen, was dem ein oder anderen Persönchen ermöglicht, so etwas wie eine Meinung kundzutun, ohne sie als die eigene vertreten zu müssen. Ich hätte mir gewünscht, dass diejenigen, die etwas einzuwenden haben gegen das, was Du geschrieben hast, irgendeine Ahnung haben, WARUM sie etwas einzuwenden haben bzw. WAS genau sie dagegen einzuwenden haben und dass sie dementsprechend einen konstruktiven Beitrag zu diesem blog in Form von Argumenten für ihre Position im Rahmen eines (vernünftigen) Kommentars leisten.
Statt dessen beobachten sie den blog anscheinend rund um die Uhr, damit sie gleich nach Erscheinen in der Anonymität Sternchen vergeben dürfen (was man an dem Tempo erkennt, mit dem die Negativ-Bewertungen erfolgen). Mir scheint, dass das Fehlen einer (vollständigen) Vorhaut tatsächlich nicht das ist, was vielen Männern am meisten fehlt. Zu dumm, dass man nicht gerichtlich verfügen kann, dass sie das, was hier elementar fehlt, gefälligst zu entwickeln haben!
Ich denke, auch das musste einmal gesagt werden.
Also, nochmals, Michael: Danke – und Respekt!
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Henning Veitgen
Bezogen auf Nigels Beitrag würde ich noch anmerken wollen, dass das Absolute des Aphoristischen nicht taugt, um die gesellschaftliche Interaktion hinreichend zu beschreiben, wenn man Gegensatzpaare bemüht, um nanichäisch zwischen negativen oder positiven Rechten zu unterscheiden. Jedenfalls kommt man dann nicht weiter. Die Inauguration der Menschenrechte bedarf nun mal einer Rechtskultur, welche einen Teil möglicher Werte absolut setzt und andere obsolet stellt. Binäre oder reduktionistische Konstrukte helfen nicht weiter. Farage führt nicht genügend aus, wo der Unterschied, zwischen wollen dürfen und wollen müssen liegt, weil auch er Freiheit und Gleichheit nicht voneinander trennen kann, ohne solches ab vom Kritisierten institutionalisieren gezwungen wäre. Die Hauptaussage Farage’ ist doch, dass sich Systeme überleben und alleweil neu rekonstituieren; in Zeitabständen, die sich der menschlichen Beeinflussungsmöglichkeit entziehen. Eben deswegen tradieren wir Historie, Philosophie und Pädagogik, etc., weil jede neue Generation schreiend dumm ist und unfähig, dem Erlebten der Vorgängergeneration ein originäres Konzept entgegenzusetzen. Die Geschichte zahlt den Erkenntnisgewinn in Raten. Mehr Binse ist nicht, auch wenn Farage sich müht. Die Auswüchse der etablierten Systeme sind heute hartleibiger, aber bisher wohl kaum beweisbar hartleibiger als das Römische oder Chinesische Reich der Vorzeit.
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jck5000
@Henning Veitgen
Nach Bemühen eines Fremdwörterbuches darf ich feststellen, dass “nanichäisch” kein Wort ist. “Manichäisch” ist eines, aber das macht in diesem Kontext wenig Sinn. Ich zumindest verstehe Herrn Farage in keinem Fall so, dass er vom Elektorat ein positiveres Verhalten fordert, er fordert vielmehr das Volk dazu auf, die Macht des Elektorats, welches er als frei von moralischen und stattdessen gefüllt mit künstlichen Werten beschreibt, zu begrenzen.
Seine Hauptaussage ist zudem nicht, dass sich Systeme autopoietisch erneuern, sondern dass die EU als System nutzloser und gefährlicher wird, während sie das macht. Im Kern will er zudem kommunizieren, dass das Wählen seiner Partei eine Lösung dieses Problems wäre.
Die Dummheit und Unfähigkeit neuer Generationen stelle ich ebenfalls in Abrede; es ist vielmehr die Resistenz der Vorgängergeneration, Wandel zuzulassen, die neuen Konzepten entgegensteht.
Weiterhin habe ich nicht den Eindruck, der Artikel vermischt Freiheit und Gleichheit. Vielmehr postuliert er, dass Freiheiten beschnitten werden, um vermeintliche Gleichheit herzustellen, die aber de facto Ungleichheit bedeutet.
Zusammenfassend: Hinter vielen Fremdwörtern unterstellen Sie dem Artikel von Herrn Farage eine fehlende Tiefgründigkeit bezüglich gesellschaftlicher Entwicklungen und seines Verständnisses des Rechtssystems, die aber sehr wohl vorhanden ist.
Um das mal klar auszudrücken: Ich glaube, Sie haben den Artikel nicht verstanden. Und schreiben, statt nachzudenken, eine Menge Quatsch.
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Henning Veitgen
“(1) es hat den Weg frei gemacht, für eine weitere Beschneidung individueller Freiheit, (2) es hat deutlich gemacht, dass es zwischen dem Staatsfeminismus und der Männerbewegung eine Reihe von Überschneidungen gibt und (3) es hat davon abgelenkt, dass die Probleme, die Männer in der deutschen Gesellschaft haben, nichts mit dem Vorhandensein oder dem nicht-Vorhandensein einer Vorhaut zu tun haben.”
Von eins bis drei argumentefrei.
Zu eins: Die individuelle Freiheit und körperliche Unversehrtheit, GG Art. 2, eines Jungen ist eben nicht gewahrt, wenn Eltern aus mythisch/religiösen Gründen am Kinde herumschneiden (lassen) dürfen. Demnach ist die körperliche Unversehrtheit ein grundsätzliches Menschenrecht – es sei denn, ein unabdingbarer chirurgischer Eingriff wird nach bestem Wissen und Gewissen durch Ärzte notwendig – hier sind die Eltern gefordert, sorgenden Rechtes zu entscheiden. Die Religionsfreiheit ist eine Übereinkunft, die sich aus den Erfahrungen seit dem 30-jährigen Krieg speist und kann in einer republikanischen oder liberalen Republik niemals mehr Gewaltanspruch haben als individuelle Grundrechte. Ebensowenig kann das grundgesetzlich geschützte Erziehungsrecht niemals stärkere Wirkmächtigkeit beanspruchen, wollte man nicht Grundrechte ad absurdum führen.
Zwei: Wo sind diese Überschneidungen? Die Schnittmengen solltest Du belegen, sonst bleibt da nicht viel Substanz. Selbst wenn es Überschneidungen gäbe, spräche das weder für den Feminismus, noch gegen den Maskulismus, noch gegen die Freiheit und Bürgerrechte schon der kleinsten Menschen, dass ihnen kein Erlkönig oder eine Drama-Queen ein Leids antut. Deine Überlegung hat also nichts mit Feminismus oder Sonstigem zu tun. Es gibt ebenso normative Überschneidungen von Christentum und Judentum, von bürgerlichem und kirchlichem Recht, ohne dass dies zu der Klage führen würde, jeder Esel trüge den gleichen Sack.
Drei: Die Probleme der Männer in der deutschen Gesellschaft haben auch nichts mit den Zuständen in Syrien oder Bangladesh zu tun; dennoch kann man darüber nachdenken und in Fragen von Beschneidung der Meinung sein, dass ein jahrtausendlang ausgeübtes Selbstvergewisserungsritual nicht folgerichtig gut oder vernünftig ist. Das kann man selbst dann, wenn der Schaden der Betroffenen gering oder nur teilweise grausame Folgen zeitigt. Manche Themen werden nicht unwichtig, weil die Verschneidung an Mädchen grausamer sein könnte oder auch das Ohrlochstechen bei vornehmlich Mädchen überall auf der Welt ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt.
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Fred Handrick
Hier ein Beitrag, der aus liberaler und freiheitlicher Sicht meiner Meinung nach schlüssig das Gegenteil vertritt: http://www.terryrotter.de/feuerbringer/2012/06/und-weg-damit/
Unschlüssig finde ich die Argumentation, dass Eltern ihre Gesinnung bedenkenlos mit körperlichen Eingriffen an ihren Kindern austoben können und eine Beschränkung als Eingriff in die Freiheit gesehen wird. Das Eltern-Kind-Verhälnis ist schwierig, da eben Selbstbestimmung des Kindes erst zunehmend möglich wird, und daher ist das Thema auch so interessant, aber meine Freiheit hört auf, wo die andere anfängt. Sonst könnten Neonazis ihren Kids ja auch gut ne 88 auf den Hintern tätowieren lassen. Medizinisch unbedenklich, Körperfunktionen werden nicht eingeschränkt.
Wie in beiden Artikeln aber angesprochen – es geht doch nur um die Vorhaut. Da gibt’s doch wichtigeres.
Allerdings interessant sind die Argumentationen für andere, schwerer wiegende Fäll im Eltern-Kind-Verhältnis. Wie in dem plakativen Neonazi-Beispiel klar wird, irgendwo muss die Freiheit der Eltern ein Ende finden. Religionen einen größeren Spielraum einzuräumen als Eltern, die ihre Kinderaus anderen Gesinnungsgründen körperlich unbedenkliche Eingriffe wie Piercings unterziehen lassen, ist ebenso unhaltbar.
Ich bin mit deinen drei Thesen nicht einverstanden:
(1) es hat den Weg frei gemacht, für eine weitere Beschneidung individueller Freiheit,
Mit diesem Argument könnte man jedes neue Verbot abschmettern. Damit würde man es sich aber zu einfach machen. Es gibt sinnvolle Verbote. Das Beschneidungsverbot gehört meines Erachtens dazu.
(2) es hat deutlich gemacht, dass es zwischen dem Staatsfeminismus und der Männerbewegung eine Reihe von Überschneidungen gibt und
Weil beide Gruppen Verbote fordern? Da kommt es doch sehr auf den Einzelfall an. Du interpretierst da vorschnell etwas in die Männerrechtsbewegung hinein.
(3) es hat davon abgelenkt, dass die Probleme, die Männer in der deutschen Gesellschaft haben, nichts mit dem Vorhandensein oder dem nicht-Vorhandensein einer Vorhaut zu tun haben.
Da die Probleme von Männern in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielt, kann davon auch nicht abgelenkt werden. Ich sehe im Gegenteil einen positiven Effekt, was die Diskussion von Männerproblemen betrifft.
Natürlich muss man sich überlegen, wo die Grenze beim Selbstbestimmungsrecht der Eltern ist. Mir erscheint es logisch, die Grenze beim Körper zu machen. Der Körper selbst sollte tabu sein.
Bei dieser ganzen Thematik wird meines Erachtens ein Bimborium um Religion gemacht. Dabei sollte doch eigentlich der Betroffene selbst im Vordergrund stehen. Dabei wird vor allem die Religionsfreiheit überstrapaziert. Diese kann doch nicht bedeuten, dass Religion ein Argument an sich ist, sondern nur, dass eine Religion im Rahmen der Gesetze ausgeübt werden darf.
Ich finde es allerdings etwas ärgerlich, dass die Beschneidungsgegner selbige meiner Erfahrung nach (habe mich selbst im Erwachsenenalter ohne Notwendigkeit beschneiden lassen) übertrieben negativ dargestellen. Zum Beispiel wird notorisch Empfindlichkeit mit Erregbarkeit gleichgesetzt und die Rolle, die das Gehirn bei der Sache spielt, ignoriert und nur der anatomische Aspekt betrachtet. Ich habe ja den Vergleich und weiß daher, dass sich meine Lust nicht verringert hat. Aber jeder Mann reagiert oder empfindet anders. Einige kommen damit nicht klar.
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Christoph
Hallo Michael,
ich denke, der Ärger vieler Männerrechtler über die Versuche der Politik, das Urteil des Kölner Landgerichts auszuhebeln, liegt in erster Linie in der Ungleichbehandlung von männlicher und weiblicher Genitalverstümmelung durch die Politik begründet. Während unsere Politiker sich geradezu überschlagen, um immer schärfere Strafen und längere Verjährungsfristen bei weiblichen Beschneidungen zu fordern, sollen Beschneidungen von Jungen sogar noch rechtlich abgesichert werden, obwohl die Folgen in vielen (wenn auch nicht allen) Fällen vergleichbar sind. In diesen Doppelstandards liegt der Skandal, auf diesen Punkt gehst du in deinem Text leider nicht ein.
Ansonsten großes Kompliment zu diesem wundervollen und sehr informativen Blog !
Gruß,
Christoph
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dentix07
Sehr geehrter Herr Klein,
hier muß ich Ihnen widersprechen!
(Vorweg ganz kurz: Ich habe mich erst im Alter von 45 (weder medizinisch, noch religiös begründet) von meiner (überlangen) Vorhaut getrennt. Ich kenne also sehr gut den Unterschied einer hypersensiblen Eichel im Gegensatz zur „Normalsituation“ wo die Eichel bei Erektion nicht mehr von der Vorhaut bedeckt wird, was dazu führt, daß eine natürliche (allerdings begrenzte) Desensibilisierung der Eichel bei den unwillkürlichen (und willkürlichen) täglichen Erektionen passiert. Ich bin einer von denen, die den Unterschied tatsächlich beurteilen können!)
Sie argumentieren (angelehnt an Herrn Farage), das Kölner Beschneidungsurteil wäre eine weitere Beschneidung von Freiheitsrechten! Kann man – zunächst – so sehen!
Ich halte dem entgegen, daß es eines der wenigen Urteile der letzten Zeit ist, daß der rechtlichen Schlechterbehandlung von Jungen und Männern gegenüber der zunehmenden Privilegierung von Frauen ein „Stop“ entgegenstellt!
Die Beschneidung weiblicher Kinder ist ohne wenn und aber verboten, obwohl es auch da Unterschiede der Beschneidungsformen – von der „leichtesten“, der KlitorisVORHAUTentfernung (anatomisch und physiologisch vergleichbar mit der reinen Vorhautbeschneidung bei Jungen) bis zur „pharaonischen“ Beschn. (am ehesten vergleichbar mit der Praxis der Dowayos [Kamerun], bei denen die gesamte Penishaut bis zur Wurzel abgeschält wird) – gibt, während eine „leichte“ Form bei Jungen(!) erlaubt sein soll?
Das hieße das Grund- und Menschenrecht von Jungen auf körperliche Unversehrtheit ist geringer als das von Mädchen!? Und hängt auch noch von der Schwere des Eingriffs ab, bei vergleichbarem Eingriff wiegt das Grund- und Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit bei Mädchen höher als Elternrecht und Religionsfreiheit, bei Jungen jedoch nicht, weil es sich ja „nur“ um ein bißchen Haut handelt?
Herr Farage beklagt in seinem Beitrag auch, daß Eliten das Prinzip „divide et impera“ geschickt nutzen um die eigene Machtposition zu erhalten und auszubauen, ich zitiere aus ihrer Übersetzung: „Durch die Segmentierung der Gesellschaft, deren Reduzierung auf kleine Fraktionen, die sich in ineffizientem Gezänk miteinander ergehen, geht die Unfähigkeit einher, einen gemeinsamen Willen, einen Willen der Mehrheit des Volkes zu formulieren.“
Ich denke Sie sehen schon worauf ich hinaus will!
Genau dies geschieht doch im Zusammenhang mit dem Urteil! Durch die Infragestellung des Urteils werden wiederum unterschiedlich privilegierte Gruppen geschaffen, die „Religiösen“ – sogar noch in der Unterteilung zischen Christen einerseits und Juden und Moslems andererseits (und da noch in Traditionalisten und Reformer – denen Sonderrechte eingeräumt werden sollen, dann Frauen, die das Sonderrecht des absoluten Schutzes genießen vs. Männer, unterteilt in Beschnittene und Unbeschnittene!
Besser hätte es für die „Eliten“ doch kaum kommen können!
(Mal abgesehen von den Schwierigkeiten vor die sich der Gesetzgeber gestellt sehen wird zu definieren bis zu welcher Grenze (anatomisch) die Beschneidung keine Körperverletzung darstellt (Dowayo-Praxis wird berechtigterweise wohl niemand akzeptieren) und der dann sicher einsetzenden Klagewelle religiöser Eltern, die mit Recht auf die grundgesetzlich garantierte Gleichbehandlung der Geschlechter abheben und für ihre Mädchen mindestens das Recht auf KlitorisVORHAUTentfernung zu erklagen versuchen! Was wiederum Nigel Farage bestätigen würde!)
[Ich hatte mich schon gewundert warum ausgerechnet die Grünen, die es doch ansonsten nicht so mit Traditionen und Brauchtum – schon garnicht religiösem – haben, so schnell den Protesten religiöser Gruppen und konfessionell gebundener Juristen nachgaben! Jetzt weiß ich es! :)]
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Pit
Ich sehe ja ein, dass es schwierig ist das Kölner Landgerichtsurteil schlecht zu reden, und wie mir scheind geht es Ihnen da nicht anderes. Weil es nicht schlecht ist.
Es schützt die Rechte des unmündigen Kindes vor unnötigen und folgenreichen medizinischen Eingriffen. Seien sie aus religiösen Eskapaden oder aus optischen Wünschen der Eltern.
Es gibt Eltern, die lassen ihre kinder beschneiden weil sie beschnittene Penise schöner finden.
Die Befürwortung des Urteils ist, soweit es mich betrifft, kein Widerstand gegen den Staatsfeminismus, wie von Ihnen unterstellt, sondern ein notweniger Schritt jungen und Männer nicht weiter als rechteloses Vieh zu betrachten.
Die Bezeichnungen “religiöse Freiheit” und “Freiheit” allgemein fallen mir zu oft im falschen Kontext. Für Sie ist es Freiheit, dass Eltern mit ihren Kindern machen können was sie wollen.
Was wäre denn wenn in Deutschland eine Gruppe einwandert die ihren Kindern Nase und Ohren abschneidet, weil sie so einem riesigen Spagettimonster huldigen welches das Universum geschaffen hat?
Muss man das auch akzeptieren??? Sie schreiben: “wegen ein paar zentimeter Vorhaut” und bezeichnest den Eingriff als “weitgehend harmlos” Wo ziehen Sie denn die Grenze?
Das Urteil ist keine Beschneidung der individuellen Freiheit der Eltern. Die sollen ruhig individuell über sich selber entscheiden und sich abschndeiden lassen was sie wollen.
Es ist eine Sicherung der individuellen Freiheit der Kinder, nötige Entscheidungen dann zu treffen wenn sie reif dazu sind und nicht ein Leben lange mit den Folgen der elterlichen bestimmung zu leben.
Und abgeschnittene Körperteile sind ernste Folgen, wenn es unnötig ist.
Die Tasache, dass Menschen durch eine Besch. nicht ein Leben lang an eine Religion gebunden sind, wie Sie völlig richtig feststellen, ist eigendlich ein Argument gegen diese.
Wenn Menschen sich als Erwachsene entscheiden eine Religion anzunehmen, die fordert sich Körperteile abschneiden zu lassen, dann können sie das tun.
Aber wenn sie diese Ablegen wollen, weil sie als Kinder da reinerzogen wurden, dann wachsen denen keine Körperteile nach.
Ihre Betrauerung der verloren gegangenen Freiheiten der Eltern lässt mich schmunzeln. Jede Freiheit findet ihr Ende, wenn sie die Freiheit anderer verletzt.
Und religöse Freiheiten finden ihr Ende in den Gesetzen eines Landes. Wenn ein Land es nicht zulässt Kinder unnötig zu verstümmeln, dann haben es diese religiösen Gruppen zu akzepieren.
Das ist Integration! Und nicht wenn ein Land seine Gesetze an solche Bräuche anpasst.
Ihr Vergleich mit den Schokoriegeln und dem anti-vergewaltigungskurs finde ich geradezu niedlich.
Mann! Den kindern wird was vom Körper abgeschnitten. Das wächst nicht nach! Den Kurs holst man nach, die Kalorien nimmt man wieder ab.
Genauso den Vorwurf, Männerrechtler würden sich anmaßen anderen vorzuschreiben was gut für sie ist.
Männerrechtler versuchen nicht den kindern ihre Besch. auszureden. Wie auch? Die Treffen diese Entscheidung ja nicht. Sondern die Eltern.
Und die haben nicht das Interesse des Kindes im Auge, sondern ihre Religion. Sofern es keine medizinischen Gründe gibt.
Entlarfend finde ich die Idee mit der Beurteilung der “Qualität der sexualität” von beschnittenen und nichtbeschnittenen Männern durch Frauen. Vielleicht bin ich ja doch auf Satire reingefallen.
Religiöse Freiheit ist wie jede Freiheit eine bedingte, sie endet dort, wo sie einem Anderen an die Unversehrtheit geht, wo sie die Freiheit des Anderen beschränkt. Wäre das anders, müsste es beispielsweise erlaubt sein, homosexuelle Männer ‘zu Tode zu bringen’, wie es das Alte Testament bekanntlich fordert.
Es ist Aufgabe des Staates, diese Grenze der Freiheit zu verteidigen im Sinne jener, die es selbst nicht können – wie Kinder. Es geht nicht nur um Schutz DER Religion, sondern auch und gerade um Schutz VOR Religion.
Hier vom angeblichen Reiz der Unfreiheit zu schwadronieren, ist in etwa so sinnvoll wie eine Klage über die Unfreiheit, die eine rote Ampel bedeutet oder überhaupt das gesamte Strafrecht. Wer Körperverletzung oder Mord verbietet, tut das nicht, um andere zu ‘regulieren, beschränken, unfrei’ zu machen, sondern um menschliches Zusammenleben einigermaßen gedeihlich zu gestalten – auch wenn Körperverletzer und Mörder das als Einschränkung ihrer individuellen Freiheit betrachten mögen.
Wenn diese ‘wenigen Zentimeter’ Vorhaut angeblich nicht so wichtig sind, stellt sich die Frage, warum es so enorm wichtig sein soll, sie möglichst schnell zu entfernen.
Und was genau spricht dagegen, jeden Mann selbst über seinen Körper entscheiden zu lassen? Etwa die wilde Entschlossenheit der von religiösem Wahn Umzingelten, für die es offenbar nichts Erbaulicheres gibt, als wehrlosen Kleinkindern am Genital herumzuschnippeln?
Hier wäre ein striktes Eingreifen des Staates im Sinne der Kinder sinnvoll, beispielsweise in Form der Entziehung des Sorgerechts. Ja, das wäre tatsächlich eine Freiheitseinschränkung, wie sie z:B. auch Eltern hinzunehmen haben, die ihrem Kind medizinische Behandlung verweigern oder die es vernachlässigen. Kinder sind kein Eigentum, mit dem nach Gutdünken verfahren werden kann.
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Tuka
Ich weiß es ist jetzt unfair hier in in diesem Forum, der Wohnstatt des kritischen Geistes, mit Emotionen und Gefühlen zu argumentieren.
Aber nur mal um deutlich zu machen, was es für kleine (männliche) Kinder bedeutet, wenn die paar “Milimeter” “weggeschnippelt” werden:
Und ja, dass Urteil das ist nicht so toll, die Begründung ist angreifbar. Aber Beschneidung greift ganz nüchtern und ganz objektiv auf die körperlicher Unversehrtheit zu. Und zwar unabhängig davon ob es um Jungen und Mädchen geht.
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anonym
Hallo Tuka,
oft helfen Emotionen und Gefühlen aber die Argumente zu untermauern und das ist auch gut so.
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jck5000
Im ersten Kommentar bemängelt ja Frau Diefenbach die “Herabwertung” des Artikels, vermutet dabei inhaltliche Nicht-Konformität als Grund. Die folgenden 9 Kommentare und der herausragend pointilierte Kommentar von “behaarter Kerl” geben ihr da wohl recht, und es ist schade, dass das wirklich wichtige, was ich aus Herrn Kleins Artikel rauslese, nämlich “hey, wir haben echt schlimmere Probleme”, untergeht.
[Anmerkung von mir: den Kommentar von behaarter Kerl habe ich zwischenzeitlich gelöscht, da ich Beleidigungen nur dann freischalte, wenn der Kerl, der beleidigt, Mann genug ist, auch seinen Namen zu nennen!, M.K.]
Das solche Aussagen untergehen, bestätigt aber gleich Postulat #2, dass nämlich der Staatsfeminismus und die Männerrechtsbewegung Parallelen aufweisen. Ich hätte das eigentlich nie für möglich gehalten, aber so dümmlich, wie in einigen Kommentaren hier gegenargumentiert wird – “kommt es doch sehr auf den Einzelfall an” – das kenne ich sonst eher von Feministen, Gender[Substantiv]befürwortern, der antifaschistischen Linken… kurz gesagt also Gruppen, die das eigenständige Denken für ein dogmatisches Ideal geopfert haben.
Und die Parallelen sind da, wenngleich ich den Unterton “wenn man das so macht wie Gruppe x, dann ist das schlecht, weil Gruppe x schlecht ist” nicht mag, weil das genau die Strategie der “Gutmenschen” ist, die immer dann zur Anwendung kommt, wenn es ihnen in den Kram passt (anderen aber verboten ist – mein Argument, dass man Rauchverbote ablehnen sollte, um keine Naziideologie zu verbreiten, kam nicht sehr gut an…) – aber da verstoße ich gegen meine eigene Maxime, also zurück zur Sachlichkeit:
(1) es hat den Weg frei gemacht, für eine weitere Beschneidung individueller Freiheit,
Dazu Gismatis: Mit diesem Argument könnte man jedes neue Verbot abschmettern. Damit würde man es sich aber zu einfach machen. Es gibt sinnvolle Verbote. Das Beschneidungsverbot gehört meines Erachtens dazu.
Dazu ich: Im Kern richtig, aber sollte ein libertär geprägter Blog (das könnte man, ohne einen Artikel zu lesen, allein aufgrund der Blogroll feststellen) nicht auch libertäre Werte vertreten? Hat den Artikel von Nigel Farage keiner hier gelesen, oder hat ihn nur keiner verstanden?
Ich bin sicher, es gibt sinnvolle Verbote, aber es gibt eine ganze Reihe Dinge, die verboten sind, obwohl es dafür keinen rationalen Grund gibt. Und das werden täglich zwei mehr (ich finde leider die Quelle nicht mehr, tippe aber mal auf Christopher Snowdon). Und das brauchen wir nicht. So ziemlich das einzige neue Verbot, was ich unterstützen würde, wäre “Lügen durch Politiker”. Bei Todesstrafe, aber die ist ja schon verboten.
Darum, das Eltern mit ihren Kindern machen dürfen, was sie wollen, kommen wir nicht drumrum, wenn wir sie ihnen nicht wegnehmen (was öfters gar keine so schlechte Idee wäre).
Die Religionsgeschichte… ist mir ziemlich egal. In dem von Fred Handrick verlinkten Beitrag wird erwähnt, dass religiös motivierte Beschneidungen vergleichbar wären mit der Forderung, “dass ein weltoffener Staat religiöse Traditionen wie die Steinigung von Ehebrecherinnen als Ausdruck von Vielfalt schützen müsse”. Ich mag das Beispiel nicht, da mir die Abwägung zwischen der Verwerflichkeit des deutschen Unterhaltsrechts und Steinigungen schwer fällt… und schon ist die schöne Sachlichkeit wieder weg. Aber das mit dem Unterhaltsrecht ist – im Gegensatz zu der Beschneidungsgeschichte – tatsächlich ein ernstes Problem, also lasse ich das.
Und ich, sollte ich denn jemals einen Sohn haben, würde ihn ganz sicher in jungen Jahren beschneiden lassen wollen. Nur um ihm das im Erwachsenenalter aus eventuell notwendigen medizinischen Gründen zu ersparen. Macht nämlich überhaupt keinen Spass – zumindest mir bereitete es keine große Freude.
Gemeinsamkeiten zwischen Feministen und den gängigen Männerbewegten gibt es viele – und eine davon ist fundamental: Es gibt kein Leben ohne Berechtigung. Von Berechtigung kann man gar nicht genug bekommen. Ohne den großen Staatsberechtiger wüßten weder die Feministen noch die Männerbewegten, was sie den lieben langen Tag lang tun und denken sollen. Die Männerbewegten regen sich bloß darüber auf, daß sie mit den Geschlitzten nicht gleich-berechtigt sind.
Die Berechtigung als solche ist ein sozialistisches Prinzip. Sozialisten gibt es geschlitzt und bezipfelt. Zusammen sind sie die Masse, das Kollektiv und an dem Satz “Du bist nichts, dein Volk ist alles” stört sie bloß das Wort Volk. Sie ersetzen es durch Bevölkerung – und diejenigen, die sich für Individualisten halten – trotz allem – durch das Wort Gruppe. Die Gruppe ist die kleinste individualistische Einheit im Vorstellungsvermögen des linken Berechtigungsfetischisten.
Michael Klein hängt seinen Artikel über die Lust an der Unfreiheit am Urteil des LG Köln zur Beschneidung kleiner Jungen aus religiösen Gründen auf. Mir gefällt auch nicht, daß an kleinen Jungen herumgeschnippelt wird. Mir gefällt auch vieles andere nicht. Und gar nicht gefällt mir eine staatliche Vorhautsberechtigung. Wenn schon die Vorhaut kleiner Juden gegen die religiöse Tradition ihrer Eltern per Gerichtsurteil gerettet werden muß, dann gäbe es eine Menge anderer Menschenbestandteile, die noch viel dringender per Gerichtsurteil zu retten wären – und somit eine Bestandsberechtigung erhalten müssten. Mit welcher Berechtigung schickt ein Staat dann die Gehirne solcher Jungen, denen er zuvor zu einer Vorhautsberechtigung verholfen hat, auf ein Schlachtfeld, wo die graue Masse derartig durchlöchert werden kann, daß die Blutzufuhr zur vorher geretteten Vorhaut zum Erliegen kommt? – Mit der Berechtigung, daß der Staat zur Berechtigung berechtigt ist? Das nützt der erschossenen Vorhaut recht wenig.
Zum Totlachen war die Äußerung des Herrn Graumann vom Zentralrat der Juden. Er meinte, man müsse sich nach dem LG-Urteil aus Köln überlegen, ob jüdisches Leben in Deutschland nun überhaupt noch möglich sei! Was soll man dazu noch sagen, außer: “Hättest du gewußt, daß es so billig zu haben ist, Adolf …”
Aber meinereiner redet gegen Windmühlen, wenn er Freiheit fordert und Berechtigung ablehnt. Idiotische Sozialisten, so weit das Auge reicht.
Gegen die Berechtigung – Max
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Dummerjan
“Für mich ist diese Fixierung auf Geschlechtsteile, deren Inszenierung anhand eines Eingriffs, der weitgehend harmlos ist und über dessen negative Folgen es so wichtige Sätze wie die folgenden zu formulieren gibt, ”
Eine erstaunliche Formulierung für jemanden, der Rationalität und Empirizität als Programm führt. Die Frage ob ein Eingriff “weitgehend harmlos” ist ist doch schlicht eine empirische Frage.
“Weitgehend harmlos” ist dabei die betreffende Quantifizierung.
Nun sind die empirischen Quallen zu den einzelnen Risiken der männlcihen Zirkumzension unter hygienischen Umständen – oder sollen wir über Beschneidungen mit Glasscherben sprechen? – nicht sehr ergibig.
Dennoch:
Das Deutsche Ärzteblatt: “In bis zu 32 Prozent werden Meatusstenosen [Verengung der Harnröhrenmündung] nach Neugeborenenzirkumzisionen beobachtet.”
Hier: http://www.aerzteblatt.de/archiv/61273 und Dtsch Arztebl 2008; 105(34-35): A-1778 / B-1535 / C-1503
Ebenda:
“Der Nutzen überwiegt die Nachteile allerdings nur dann, wenn eine Zirkumzision das Risiko einer späteren Erkrankung nicht nur unerheblich verringert. Das Erkrankungsrisiko ist in den genannten Fällen allerdings sehr gering: Bei Harnwegsinfekten liegt die Inzidenz bei 1,12 Prozent (10). Für Peniskrebs wies die American Cancer Society darauf hin, dass die dabei bestehende Sterblichkeitsrate von der durch Zirkumzisionen verursachten aufgehoben werden dürfte (7). Auch die Wahrscheinlichkeit, später an einer manifesten Phimose, Paraphimose oder einer Balanoposthitis zu erkranken, ist gering – sie liegt zwischen zwei und vier Prozent (11). Nicht viel anders ist die Sache zu sehen bei Syphilis oder Gonorrhö.”
Dieser Satz : “Für Peniskrebs wies die American Cancer Society darauf hin, dass die dabei bestehende Sterblichkeitsrate von der durch Zirkumzisionen verursachten aufgehoben werden dürfte (7)” ist interessant, weil die Mortalität von Peniskrebs mit 1:1000000 bekannt ist.
Also kann man mit einer Mortalitätsrate bei Zirkumzensionen unter klinischen Bedingungen von 1:1000000 ausgehen.
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Dr. Frank Münster
“Also kann man mit einer Mortalitätsrate bei Zirkumzensionen unter klinischen Bedingungen von 1:1000000 ausgehen.”
Sie liegt leider deutlich höher. Allein das Narkoserisiko liegt bei 1:10000. Aber die geschätzten 100-200 Jungen, die aufgrund dieses Eingriffes, bzw. seiner Komplikationen allein in den USA jährlich sterben sollten doch Anlaß genug sein, von dieser Prozedur abzusehen.
Aber es sind ja nur Jungen.
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Dummerjan
“Allein das Narkoserisiko liegt bei 1:10000”
Ok, interessant, gibt es dazu Quellen (ad hoc)?
Es gibt, soweit ich das übersehe, zwei Themen, welche geeignet sind, die Männerbewegung zu spalten:
1. Die Gleichberechtigung (manche wollen sie, wenn auch unter neuer Defintion);
2. Die Vorhautbeschneidung.
Was letztere betrifft, so erstaunte mich anfangs die Heftigkeit und Erbitterung in dieser relativ jungen Debatte. “Christoph” schrieb oben, daß das “in erster Linie in der Ungleichbehandlung von männlicher und weiblicher Genitalverstümmelung durch die Politik begründet [liegt].” Damit dürfte er nicht ganz falsch liegen.
Aus meiner Sicht liegt die Ursache aber viel tiefer.
Wenn nämlich die Männerrechtler sich aufregen über das “Herumschneiden” an Jungen (unwissentlich drücken sie sich sogar korrekt aus, denn es handelt sich um eine Circumcision) und das ausschließlich als Körperverletzung bewerten, dann unterschlagen sie, ich möchte sagen böswillig, den positiven Aspekt.
Für Juden und Muslime war bzw. ist nämlich die Beschneidung das, was für die Christen die Taufe ist: ein Ritual der Initiation in die Gemeinschaft der Gottgläubigen.
Und genau das ist es, woran sich der Haß der Männerrechtler entzündet. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit daran, daß die heutige Männerbewegung größtenteils aus der pro-feministischen Männer-Bewegung hervorgegangen ist, welche ihrerseits wiederum aus einer Generation von ideologischen Vatermördern hervorging.
Als Erhard Eppler die Parole prägte: “Wer die menschliche Gesellschaft will, muß die männliche überwinden”, da karikierte er den Auftrag des israelitischen Volkes, welcher so hätte formuliert werden können: “Wer die gottgewollte Gesellschaft will, muß die weibliche überwinden.”
Die weibliche Gesellschaft, das war damals die der Fruchtbarkeits- und Mutterkulte. Unter Hitler lebte sie als Atavismus wieder auf (Stellvertreter Bormann: “Wir müssen…einen Mutterkult treiben”), ja sie triumphierte ingestalt von teilweise physischer Vernichtung über das einstmals auserwählte Volk, das sie für eine Zeitlang überwunden hatte. Im Wurzelgrund der Männerbewegung lebt sie unerkannt weiter.
Die Männerbewegung hat hier, ingestalt der Männerrechtler (man verwechsle beide nicht!) eine Geburtswunde. Es gilt, diese freizulegen. Aber das schmerzt natürlich.
Eines ihrer Argumente, das mich aufhorchen ließ, war das der vermeintlich verminderten Lustfähigkeit des beschnittenen Penis. Unbeschnittenen, so sagen sie, fehle die Vergleichsmöglichkeit, somit die Urteilskraft. Aber – den Unbeschnittenen fehlt sie auch! Wie konnte diese Unlogik durchgehen?
Es geht ihnen primär um die Lust – als Prinzip. Eben um das Lustprinzip, als Gegensatz zum Realitätsprinzip. Man will eine Wohlfühl-, keine Verantwortungs-Gesellschaft; man will weibliche statt männliche Werte. Es ist die (weibliche) Wohlfühlgesellschaft, die sie nicht aufgeben wollen. Jeder Schmerz, auch derjenige der Beschneidung an einem Lustorgan, ist da eine unerträgliche Zumutung – und vor Allem eine feindliche, weil patriarchale Symbolhandlung.
Nochmals, hier kommt eine tiefgehende Geburtswunde der Männerbewegung zum Ausdruck. Sie begann als Protestbewegung gegen die Vaterwelt jüdischen Ursprungs, das Patriarchat. Noch heute glauben Männer- und Väterrechtler, sich vom Patriarchat befreien zu müssen. Nicht anders als die Feministen.
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fredcrist
Nun nachdem ich mich als alter Mediziner doch einmal outen möchte:
Nach meinem Verständnis handelt es sich um eine Amputation. Ich habe als Kind eine sogenannte Phimose gehabt. War aber nichts weiter als die physiologische Verklebung des Präputims mit der Glans penis (kann laut neueren Forschungen bis spät in der Jungenpubertät so sein). Wurde früher anders gesehen. Vergessen darf man aber auch nicht, dass gerade in der Medizinhistorie oder sollte ich schreiben “HER´SSTORY” gerade die, die sich aufgelehnt haben (schönes Beispiel: Ignaz Semmelweis).
Mir geht es aber garnicht darum, ob archaische Riten (s. Aborigenes in Australien) verboten werden oder auch nicht. Mir geht es darum, dass zwischen den “Gechhlechtern” eben nicht unterschieden wird. Warum ist die Incision der Clitorishat ein Verbrechen gegen Frauenrechte, die Amputation der Vorhaut (sog. Beschneidung (was für ein Euphimismus) aber keins.
OK: Sie sind beschnitten und empfinden sich nicht als amputiert. Dass aber dafür in Amerika trotz relativ guter Medizin trotzdem noch 100-200 Jungen sterben, muß ja wohl das Opfer der Religion sein (s. Bibel).
Es ist mir bewusst, dass weder mit christlichen, islamischen noch jüdischen Fundamentalisten eine Diskussion wirklich zielführend sein kann. Ich habe weder eine Temporallappenanomalie (sprich das religiöse Wahnerlebnis), aber dann habe ich ich ein Problem mit solchen Leuten.
MFG
Und ich würde die Diskussion gerne weiter führen, es sei denn Sie sind RV in einem anderen Forum
PS. Die Christen verbrennen schon lange keine Hexer und Hexen mehr.
Ich bin zwar ein christlicher “Fundamentalist” – d.h. ich bin kein bloßer Sonntags-Christ -, und, wenn Sie so wollen, leiden Andere daher an meiner “Temporallappen-Anomalie”. Aber religiös zu argumentieren, das erübrigt sich für mich, weil ja für Christen die Beschneidung durch die Taufe ersetzt worden ist.
Warum Sie inbezug auf Jungen- und Mädchenbeschneidung für “Gleichberechtigung” eintreten, verstehe ich nicht. In meinem Fall war der Grund für die Operation eine festgestellte Phimose. Bei Frauen gibt es das nicht. Frau Dieffenbach hat sich dazu schon geäußert. Im Übrigen gehöre ich zu den Feminismus-Kritikern, welche die Gleichberechtigung ausdrücklich ablehnen. Ich will Gerechtigkeit, und darunter verstehe ich das Recht auf Ungleichheit.
Was mich an der Debatte bewegt, ist nicht so sehr die Frage, ob Jungen nun auch aus nichtmedizinischen Gründen beschnitten werden sollen oder nicht. Mich fasziniert vielmehr die ungeheure Erregung, welche durch dieses Thema in der Männerbewgung ausgelöst wird! Und diese Erregung, sie hat auch ein Gutes: “Man lernt sich kennen”.
Die rätselhaftesten Wesen in der Männerbewegung sind aus meiner Sicht diejenigen, welche den Pränatalmord durch mütterliche Vollmacht gar nicht schlimm finden, die Entfernung der Vorhaut in patriarchaler Tradition aber schon.
Das ist für mich dermaßen paradox, daß ich ins tiefe Nachsinnen gerate!
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Lieber Michael,
ich danke Dir für diesen Beitrag und für Deine allzeit vorhandene Bereitschaft, Stellung zu beziehen und dies auch öffentlich zu tun!
Das musste einfach einmal gesagt werden, vor allem angesichts der sehr enttäuschenden Reaktionen derer, die Deinen Beitrag (absehbar) nicht mögen: sie erschöpft sich in der Negativbewertung Deines Beitrags mit nur einem oder zwei Sternen, was dem ein oder anderen Persönchen ermöglicht, so etwas wie eine Meinung kundzutun, ohne sie als die eigene vertreten zu müssen. Ich hätte mir gewünscht, dass diejenigen, die etwas einzuwenden haben gegen das, was Du geschrieben hast, irgendeine Ahnung haben, WARUM sie etwas einzuwenden haben bzw. WAS genau sie dagegen einzuwenden haben und dass sie dementsprechend einen konstruktiven Beitrag zu diesem blog in Form von Argumenten für ihre Position im Rahmen eines (vernünftigen) Kommentars leisten.
Statt dessen beobachten sie den blog anscheinend rund um die Uhr, damit sie gleich nach Erscheinen in der Anonymität Sternchen vergeben dürfen (was man an dem Tempo erkennt, mit dem die Negativ-Bewertungen erfolgen). Mir scheint, dass das Fehlen einer (vollständigen) Vorhaut tatsächlich nicht das ist, was vielen Männern am meisten fehlt. Zu dumm, dass man nicht gerichtlich verfügen kann, dass sie das, was hier elementar fehlt, gefälligst zu entwickeln haben!
Ich denke, auch das musste einmal gesagt werden.
Also, nochmals, Michael: Danke – und Respekt!
Bezogen auf Nigels Beitrag würde ich noch anmerken wollen, dass das Absolute des Aphoristischen nicht taugt, um die gesellschaftliche Interaktion hinreichend zu beschreiben, wenn man Gegensatzpaare bemüht, um nanichäisch zwischen negativen oder positiven Rechten zu unterscheiden. Jedenfalls kommt man dann nicht weiter. Die Inauguration der Menschenrechte bedarf nun mal einer Rechtskultur, welche einen Teil möglicher Werte absolut setzt und andere obsolet stellt. Binäre oder reduktionistische Konstrukte helfen nicht weiter. Farage führt nicht genügend aus, wo der Unterschied, zwischen wollen dürfen und wollen müssen liegt, weil auch er Freiheit und Gleichheit nicht voneinander trennen kann, ohne solches ab vom Kritisierten institutionalisieren gezwungen wäre. Die Hauptaussage Farage’ ist doch, dass sich Systeme überleben und alleweil neu rekonstituieren; in Zeitabständen, die sich der menschlichen Beeinflussungsmöglichkeit entziehen. Eben deswegen tradieren wir Historie, Philosophie und Pädagogik, etc., weil jede neue Generation schreiend dumm ist und unfähig, dem Erlebten der Vorgängergeneration ein originäres Konzept entgegenzusetzen. Die Geschichte zahlt den Erkenntnisgewinn in Raten. Mehr Binse ist nicht, auch wenn Farage sich müht. Die Auswüchse der etablierten Systeme sind heute hartleibiger, aber bisher wohl kaum beweisbar hartleibiger als das Römische oder Chinesische Reich der Vorzeit.
@Henning Veitgen
Nach Bemühen eines Fremdwörterbuches darf ich feststellen, dass “nanichäisch” kein Wort ist. “Manichäisch” ist eines, aber das macht in diesem Kontext wenig Sinn. Ich zumindest verstehe Herrn Farage in keinem Fall so, dass er vom Elektorat ein positiveres Verhalten fordert, er fordert vielmehr das Volk dazu auf, die Macht des Elektorats, welches er als frei von moralischen und stattdessen gefüllt mit künstlichen Werten beschreibt, zu begrenzen.
Seine Hauptaussage ist zudem nicht, dass sich Systeme autopoietisch erneuern, sondern dass die EU als System nutzloser und gefährlicher wird, während sie das macht. Im Kern will er zudem kommunizieren, dass das Wählen seiner Partei eine Lösung dieses Problems wäre.
Die Dummheit und Unfähigkeit neuer Generationen stelle ich ebenfalls in Abrede; es ist vielmehr die Resistenz der Vorgängergeneration, Wandel zuzulassen, die neuen Konzepten entgegensteht.
Weiterhin habe ich nicht den Eindruck, der Artikel vermischt Freiheit und Gleichheit. Vielmehr postuliert er, dass Freiheiten beschnitten werden, um vermeintliche Gleichheit herzustellen, die aber de facto Ungleichheit bedeutet.
Zusammenfassend: Hinter vielen Fremdwörtern unterstellen Sie dem Artikel von Herrn Farage eine fehlende Tiefgründigkeit bezüglich gesellschaftlicher Entwicklungen und seines Verständnisses des Rechtssystems, die aber sehr wohl vorhanden ist.
Um das mal klar auszudrücken: Ich glaube, Sie haben den Artikel nicht verstanden. Und schreiben, statt nachzudenken, eine Menge Quatsch.
“(1) es hat den Weg frei gemacht, für eine weitere Beschneidung individueller Freiheit, (2) es hat deutlich gemacht, dass es zwischen dem Staatsfeminismus und der Männerbewegung eine Reihe von Überschneidungen gibt und (3) es hat davon abgelenkt, dass die Probleme, die Männer in der deutschen Gesellschaft haben, nichts mit dem Vorhandensein oder dem nicht-Vorhandensein einer Vorhaut zu tun haben.”
Von eins bis drei argumentefrei.
Zu eins: Die individuelle Freiheit und körperliche Unversehrtheit, GG Art. 2, eines Jungen ist eben nicht gewahrt, wenn Eltern aus mythisch/religiösen Gründen am Kinde herumschneiden (lassen) dürfen. Demnach ist die körperliche Unversehrtheit ein grundsätzliches Menschenrecht – es sei denn, ein unabdingbarer chirurgischer Eingriff wird nach bestem Wissen und Gewissen durch Ärzte notwendig – hier sind die Eltern gefordert, sorgenden Rechtes zu entscheiden. Die Religionsfreiheit ist eine Übereinkunft, die sich aus den Erfahrungen seit dem 30-jährigen Krieg speist und kann in einer republikanischen oder liberalen Republik niemals mehr Gewaltanspruch haben als individuelle Grundrechte. Ebensowenig kann das grundgesetzlich geschützte Erziehungsrecht niemals stärkere Wirkmächtigkeit beanspruchen, wollte man nicht Grundrechte ad absurdum führen.
Zwei: Wo sind diese Überschneidungen? Die Schnittmengen solltest Du belegen, sonst bleibt da nicht viel Substanz. Selbst wenn es Überschneidungen gäbe, spräche das weder für den Feminismus, noch gegen den Maskulismus, noch gegen die Freiheit und Bürgerrechte schon der kleinsten Menschen, dass ihnen kein Erlkönig oder eine Drama-Queen ein Leids antut. Deine Überlegung hat also nichts mit Feminismus oder Sonstigem zu tun. Es gibt ebenso normative Überschneidungen von Christentum und Judentum, von bürgerlichem und kirchlichem Recht, ohne dass dies zu der Klage führen würde, jeder Esel trüge den gleichen Sack.
Drei: Die Probleme der Männer in der deutschen Gesellschaft haben auch nichts mit den Zuständen in Syrien oder Bangladesh zu tun; dennoch kann man darüber nachdenken und in Fragen von Beschneidung der Meinung sein, dass ein jahrtausendlang ausgeübtes Selbstvergewisserungsritual nicht folgerichtig gut oder vernünftig ist. Das kann man selbst dann, wenn der Schaden der Betroffenen gering oder nur teilweise grausame Folgen zeitigt. Manche Themen werden nicht unwichtig, weil die Verschneidung an Mädchen grausamer sein könnte oder auch das Ohrlochstechen bei vornehmlich Mädchen überall auf der Welt ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt.
Hier ein Beitrag, der aus liberaler und freiheitlicher Sicht meiner Meinung nach schlüssig das Gegenteil vertritt:
http://www.terryrotter.de/feuerbringer/2012/06/und-weg-damit/
Unschlüssig finde ich die Argumentation, dass Eltern ihre Gesinnung bedenkenlos mit körperlichen Eingriffen an ihren Kindern austoben können und eine Beschränkung als Eingriff in die Freiheit gesehen wird. Das Eltern-Kind-Verhälnis ist schwierig, da eben Selbstbestimmung des Kindes erst zunehmend möglich wird, und daher ist das Thema auch so interessant, aber meine Freiheit hört auf, wo die andere anfängt. Sonst könnten Neonazis ihren Kids ja auch gut ne 88 auf den Hintern tätowieren lassen. Medizinisch unbedenklich, Körperfunktionen werden nicht eingeschränkt.
Wie in beiden Artikeln aber angesprochen – es geht doch nur um die Vorhaut. Da gibt’s doch wichtigeres.
Allerdings interessant sind die Argumentationen für andere, schwerer wiegende Fäll im Eltern-Kind-Verhältnis. Wie in dem plakativen Neonazi-Beispiel klar wird, irgendwo muss die Freiheit der Eltern ein Ende finden. Religionen einen größeren Spielraum einzuräumen als Eltern, die ihre Kinderaus anderen Gesinnungsgründen körperlich unbedenkliche Eingriffe wie Piercings unterziehen lassen, ist ebenso unhaltbar.
Ich bin mit deinen drei Thesen nicht einverstanden:
(1) es hat den Weg frei gemacht, für eine weitere Beschneidung individueller Freiheit,
Mit diesem Argument könnte man jedes neue Verbot abschmettern. Damit würde man es sich aber zu einfach machen. Es gibt sinnvolle Verbote. Das Beschneidungsverbot gehört meines Erachtens dazu.
(2) es hat deutlich gemacht, dass es zwischen dem Staatsfeminismus und der Männerbewegung eine Reihe von Überschneidungen gibt und
Weil beide Gruppen Verbote fordern? Da kommt es doch sehr auf den Einzelfall an. Du interpretierst da vorschnell etwas in die Männerrechtsbewegung hinein.
(3) es hat davon abgelenkt, dass die Probleme, die Männer in der deutschen Gesellschaft haben, nichts mit dem Vorhandensein oder dem nicht-Vorhandensein einer Vorhaut zu tun haben.
Da die Probleme von Männern in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielt, kann davon auch nicht abgelenkt werden. Ich sehe im Gegenteil einen positiven Effekt, was die Diskussion von Männerproblemen betrifft.
Natürlich muss man sich überlegen, wo die Grenze beim Selbstbestimmungsrecht der Eltern ist. Mir erscheint es logisch, die Grenze beim Körper zu machen. Der Körper selbst sollte tabu sein.
Bei dieser ganzen Thematik wird meines Erachtens ein Bimborium um Religion gemacht. Dabei sollte doch eigentlich der Betroffene selbst im Vordergrund stehen. Dabei wird vor allem die Religionsfreiheit überstrapaziert. Diese kann doch nicht bedeuten, dass Religion ein Argument an sich ist, sondern nur, dass eine Religion im Rahmen der Gesetze ausgeübt werden darf.
Ich finde es allerdings etwas ärgerlich, dass die Beschneidungsgegner selbige meiner Erfahrung nach (habe mich selbst im Erwachsenenalter ohne Notwendigkeit beschneiden lassen) übertrieben negativ dargestellen. Zum Beispiel wird notorisch Empfindlichkeit mit Erregbarkeit gleichgesetzt und die Rolle, die das Gehirn bei der Sache spielt, ignoriert und nur der anatomische Aspekt betrachtet. Ich habe ja den Vergleich und weiß daher, dass sich meine Lust nicht verringert hat. Aber jeder Mann reagiert oder empfindet anders. Einige kommen damit nicht klar.
Hallo Michael,
ich denke, der Ärger vieler Männerrechtler über die Versuche der Politik, das Urteil des Kölner Landgerichts auszuhebeln, liegt in erster Linie in der Ungleichbehandlung von männlicher und weiblicher Genitalverstümmelung durch die Politik begründet. Während unsere Politiker sich geradezu überschlagen, um immer schärfere Strafen und längere Verjährungsfristen bei weiblichen Beschneidungen zu fordern, sollen Beschneidungen von Jungen sogar noch rechtlich abgesichert werden, obwohl die Folgen in vielen (wenn auch nicht allen) Fällen vergleichbar sind. In diesen Doppelstandards liegt der Skandal, auf diesen Punkt gehst du in deinem Text leider nicht ein.
Ansonsten großes Kompliment zu diesem wundervollen und sehr informativen Blog !
Gruß,
Christoph
Sehr geehrter Herr Klein,
hier muß ich Ihnen widersprechen!
(Vorweg ganz kurz: Ich habe mich erst im Alter von 45 (weder medizinisch, noch religiös begründet) von meiner (überlangen) Vorhaut getrennt. Ich kenne also sehr gut den Unterschied einer hypersensiblen Eichel im Gegensatz zur „Normalsituation“ wo die Eichel bei Erektion nicht mehr von der Vorhaut bedeckt wird, was dazu führt, daß eine natürliche (allerdings begrenzte) Desensibilisierung der Eichel bei den unwillkürlichen (und willkürlichen) täglichen Erektionen passiert. Ich bin einer von denen, die den Unterschied tatsächlich beurteilen können!)
Sie argumentieren (angelehnt an Herrn Farage), das Kölner Beschneidungsurteil wäre eine weitere Beschneidung von Freiheitsrechten! Kann man – zunächst – so sehen!
Ich halte dem entgegen, daß es eines der wenigen Urteile der letzten Zeit ist, daß der rechtlichen Schlechterbehandlung von Jungen und Männern gegenüber der zunehmenden Privilegierung von Frauen ein „Stop“ entgegenstellt!
Die Beschneidung weiblicher Kinder ist ohne wenn und aber verboten, obwohl es auch da Unterschiede der Beschneidungsformen – von der „leichtesten“, der KlitorisVORHAUTentfernung (anatomisch und physiologisch vergleichbar mit der reinen Vorhautbeschneidung bei Jungen) bis zur „pharaonischen“ Beschn. (am ehesten vergleichbar mit der Praxis der Dowayos [Kamerun], bei denen die gesamte Penishaut bis zur Wurzel abgeschält wird) – gibt, während eine „leichte“ Form bei Jungen(!) erlaubt sein soll?
Das hieße das Grund- und Menschenrecht von Jungen auf körperliche Unversehrtheit ist geringer als das von Mädchen!? Und hängt auch noch von der Schwere des Eingriffs ab, bei vergleichbarem Eingriff wiegt das Grund- und Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit bei Mädchen höher als Elternrecht und Religionsfreiheit, bei Jungen jedoch nicht, weil es sich ja „nur“ um ein bißchen Haut handelt?
Herr Farage beklagt in seinem Beitrag auch, daß Eliten das Prinzip „divide et impera“ geschickt nutzen um die eigene Machtposition zu erhalten und auszubauen, ich zitiere aus ihrer Übersetzung: „Durch die Segmentierung der Gesellschaft, deren Reduzierung auf kleine Fraktionen, die sich in ineffizientem Gezänk miteinander ergehen, geht die Unfähigkeit einher, einen gemeinsamen Willen, einen Willen der Mehrheit des Volkes zu formulieren.“
Ich denke Sie sehen schon worauf ich hinaus will!
Genau dies geschieht doch im Zusammenhang mit dem Urteil! Durch die Infragestellung des Urteils werden wiederum unterschiedlich privilegierte Gruppen geschaffen, die „Religiösen“ – sogar noch in der Unterteilung zischen Christen einerseits und Juden und Moslems andererseits (und da noch in Traditionalisten und Reformer – denen Sonderrechte eingeräumt werden sollen, dann Frauen, die das Sonderrecht des absoluten Schutzes genießen vs. Männer, unterteilt in Beschnittene und Unbeschnittene!
Besser hätte es für die „Eliten“ doch kaum kommen können!
(Mal abgesehen von den Schwierigkeiten vor die sich der Gesetzgeber gestellt sehen wird zu definieren bis zu welcher Grenze (anatomisch) die Beschneidung keine Körperverletzung darstellt (Dowayo-Praxis wird berechtigterweise wohl niemand akzeptieren) und der dann sicher einsetzenden Klagewelle religiöser Eltern, die mit Recht auf die grundgesetzlich garantierte Gleichbehandlung der Geschlechter abheben und für ihre Mädchen mindestens das Recht auf KlitorisVORHAUTentfernung zu erklagen versuchen! Was wiederum Nigel Farage bestätigen würde!)
[Ich hatte mich schon gewundert warum ausgerechnet die Grünen, die es doch ansonsten nicht so mit Traditionen und Brauchtum – schon garnicht religiösem – haben, so schnell den Protesten religiöser Gruppen und konfessionell gebundener Juristen nachgaben! Jetzt weiß ich es! :)]
Ich sehe ja ein, dass es schwierig ist das Kölner Landgerichtsurteil schlecht zu reden, und wie mir scheind geht es Ihnen da nicht anderes. Weil es nicht schlecht ist.
Es schützt die Rechte des unmündigen Kindes vor unnötigen und folgenreichen medizinischen Eingriffen. Seien sie aus religiösen Eskapaden oder aus optischen Wünschen der Eltern.
Es gibt Eltern, die lassen ihre kinder beschneiden weil sie beschnittene Penise schöner finden.
Die Befürwortung des Urteils ist, soweit es mich betrifft, kein Widerstand gegen den Staatsfeminismus, wie von Ihnen unterstellt, sondern ein notweniger Schritt jungen und Männer nicht weiter als rechteloses Vieh zu betrachten.
Die Bezeichnungen “religiöse Freiheit” und “Freiheit” allgemein fallen mir zu oft im falschen Kontext. Für Sie ist es Freiheit, dass Eltern mit ihren Kindern machen können was sie wollen.
Was wäre denn wenn in Deutschland eine Gruppe einwandert die ihren Kindern Nase und Ohren abschneidet, weil sie so einem riesigen Spagettimonster huldigen welches das Universum geschaffen hat?
Muss man das auch akzeptieren??? Sie schreiben: “wegen ein paar zentimeter Vorhaut” und bezeichnest den Eingriff als “weitgehend harmlos” Wo ziehen Sie denn die Grenze?
Das Urteil ist keine Beschneidung der individuellen Freiheit der Eltern. Die sollen ruhig individuell über sich selber entscheiden und sich abschndeiden lassen was sie wollen.
Es ist eine Sicherung der individuellen Freiheit der Kinder, nötige Entscheidungen dann zu treffen wenn sie reif dazu sind und nicht ein Leben lange mit den Folgen der elterlichen bestimmung zu leben.
Und abgeschnittene Körperteile sind ernste Folgen, wenn es unnötig ist.
Die Tasache, dass Menschen durch eine Besch. nicht ein Leben lang an eine Religion gebunden sind, wie Sie völlig richtig feststellen, ist eigendlich ein Argument gegen diese.
Wenn Menschen sich als Erwachsene entscheiden eine Religion anzunehmen, die fordert sich Körperteile abschneiden zu lassen, dann können sie das tun.
Aber wenn sie diese Ablegen wollen, weil sie als Kinder da reinerzogen wurden, dann wachsen denen keine Körperteile nach.
Ihre Betrauerung der verloren gegangenen Freiheiten der Eltern lässt mich schmunzeln. Jede Freiheit findet ihr Ende, wenn sie die Freiheit anderer verletzt.
Und religöse Freiheiten finden ihr Ende in den Gesetzen eines Landes. Wenn ein Land es nicht zulässt Kinder unnötig zu verstümmeln, dann haben es diese religiösen Gruppen zu akzepieren.
Das ist Integration! Und nicht wenn ein Land seine Gesetze an solche Bräuche anpasst.
Ihr Vergleich mit den Schokoriegeln und dem anti-vergewaltigungskurs finde ich geradezu niedlich.
Mann! Den kindern wird was vom Körper abgeschnitten. Das wächst nicht nach! Den Kurs holst man nach, die Kalorien nimmt man wieder ab.
Genauso den Vorwurf, Männerrechtler würden sich anmaßen anderen vorzuschreiben was gut für sie ist.
Männerrechtler versuchen nicht den kindern ihre Besch. auszureden. Wie auch? Die Treffen diese Entscheidung ja nicht. Sondern die Eltern.
Und die haben nicht das Interesse des Kindes im Auge, sondern ihre Religion. Sofern es keine medizinischen Gründe gibt.
Entlarfend finde ich die Idee mit der Beurteilung der “Qualität der sexualität” von beschnittenen und nichtbeschnittenen Männern durch Frauen. Vielleicht bin ich ja doch auf Satire reingefallen.
Religiöse Freiheit ist wie jede Freiheit eine bedingte, sie endet dort, wo sie einem Anderen an die Unversehrtheit geht, wo sie die Freiheit des Anderen beschränkt. Wäre das anders, müsste es beispielsweise erlaubt sein, homosexuelle Männer ‘zu Tode zu bringen’, wie es das Alte Testament bekanntlich fordert.
Es ist Aufgabe des Staates, diese Grenze der Freiheit zu verteidigen im Sinne jener, die es selbst nicht können – wie Kinder. Es geht nicht nur um Schutz DER Religion, sondern auch und gerade um Schutz VOR Religion.
Hier vom angeblichen Reiz der Unfreiheit zu schwadronieren, ist in etwa so sinnvoll wie eine Klage über die Unfreiheit, die eine rote Ampel bedeutet oder überhaupt das gesamte Strafrecht. Wer Körperverletzung oder Mord verbietet, tut das nicht, um andere zu ‘regulieren, beschränken, unfrei’ zu machen, sondern um menschliches Zusammenleben einigermaßen gedeihlich zu gestalten – auch wenn Körperverletzer und Mörder das als Einschränkung ihrer individuellen Freiheit betrachten mögen.
Wenn diese ‘wenigen Zentimeter’ Vorhaut angeblich nicht so wichtig sind, stellt sich die Frage, warum es so enorm wichtig sein soll, sie möglichst schnell zu entfernen.
Und was genau spricht dagegen, jeden Mann selbst über seinen Körper entscheiden zu lassen? Etwa die wilde Entschlossenheit der von religiösem Wahn Umzingelten, für die es offenbar nichts Erbaulicheres gibt, als wehrlosen Kleinkindern am Genital herumzuschnippeln?
Hier wäre ein striktes Eingreifen des Staates im Sinne der Kinder sinnvoll, beispielsweise in Form der Entziehung des Sorgerechts. Ja, das wäre tatsächlich eine Freiheitseinschränkung, wie sie z:B. auch Eltern hinzunehmen haben, die ihrem Kind medizinische Behandlung verweigern oder die es vernachlässigen. Kinder sind kein Eigentum, mit dem nach Gutdünken verfahren werden kann.
Ich weiß es ist jetzt unfair hier in in diesem Forum, der Wohnstatt des kritischen Geistes, mit Emotionen und Gefühlen zu argumentieren.
Aber nur mal um deutlich zu machen, was es für kleine (männliche) Kinder bedeutet, wenn die paar “Milimeter” “weggeschnippelt” werden:
http://postimage.org/image/q93pjmu0h/
Und ja, dass Urteil das ist nicht so toll, die Begründung ist angreifbar. Aber Beschneidung greift ganz nüchtern und ganz objektiv auf die körperlicher Unversehrtheit zu. Und zwar unabhängig davon ob es um Jungen und Mädchen geht.
Hallo Tuka,
oft helfen Emotionen und Gefühlen aber die Argumente zu untermauern und das ist auch gut so.
Im ersten Kommentar bemängelt ja Frau Diefenbach die “Herabwertung” des Artikels, vermutet dabei inhaltliche Nicht-Konformität als Grund. Die folgenden 9 Kommentare und der herausragend pointilierte Kommentar von “behaarter Kerl” geben ihr da wohl recht, und es ist schade, dass das wirklich wichtige, was ich aus Herrn Kleins Artikel rauslese, nämlich “hey, wir haben echt schlimmere Probleme”, untergeht.
[Anmerkung von mir: den Kommentar von behaarter Kerl habe ich zwischenzeitlich gelöscht, da ich Beleidigungen nur dann freischalte, wenn der Kerl, der beleidigt, Mann genug ist, auch seinen Namen zu nennen!, M.K.]
Das solche Aussagen untergehen, bestätigt aber gleich Postulat #2, dass nämlich der Staatsfeminismus und die Männerrechtsbewegung Parallelen aufweisen. Ich hätte das eigentlich nie für möglich gehalten, aber so dümmlich, wie in einigen Kommentaren hier gegenargumentiert wird – “kommt es doch sehr auf den Einzelfall an” – das kenne ich sonst eher von Feministen, Gender[Substantiv]befürwortern, der antifaschistischen Linken… kurz gesagt also Gruppen, die das eigenständige Denken für ein dogmatisches Ideal geopfert haben.
Und die Parallelen sind da, wenngleich ich den Unterton “wenn man das so macht wie Gruppe x, dann ist das schlecht, weil Gruppe x schlecht ist” nicht mag, weil das genau die Strategie der “Gutmenschen” ist, die immer dann zur Anwendung kommt, wenn es ihnen in den Kram passt (anderen aber verboten ist – mein Argument, dass man Rauchverbote ablehnen sollte, um keine Naziideologie zu verbreiten, kam nicht sehr gut an…) – aber da verstoße ich gegen meine eigene Maxime, also zurück zur Sachlichkeit:
(1) es hat den Weg frei gemacht, für eine weitere Beschneidung individueller Freiheit,
Dazu Gismatis: Mit diesem Argument könnte man jedes neue Verbot abschmettern. Damit würde man es sich aber zu einfach machen. Es gibt sinnvolle Verbote. Das Beschneidungsverbot gehört meines Erachtens dazu.
Dazu ich: Im Kern richtig, aber sollte ein libertär geprägter Blog (das könnte man, ohne einen Artikel zu lesen, allein aufgrund der Blogroll feststellen) nicht auch libertäre Werte vertreten? Hat den Artikel von Nigel Farage keiner hier gelesen, oder hat ihn nur keiner verstanden?
Ich bin sicher, es gibt sinnvolle Verbote, aber es gibt eine ganze Reihe Dinge, die verboten sind, obwohl es dafür keinen rationalen Grund gibt. Und das werden täglich zwei mehr (ich finde leider die Quelle nicht mehr, tippe aber mal auf Christopher Snowdon). Und das brauchen wir nicht. So ziemlich das einzige neue Verbot, was ich unterstützen würde, wäre “Lügen durch Politiker”. Bei Todesstrafe, aber die ist ja schon verboten.
Darum, das Eltern mit ihren Kindern machen dürfen, was sie wollen, kommen wir nicht drumrum, wenn wir sie ihnen nicht wegnehmen (was öfters gar keine so schlechte Idee wäre).
Die Religionsgeschichte… ist mir ziemlich egal. In dem von Fred Handrick verlinkten Beitrag wird erwähnt, dass religiös motivierte Beschneidungen vergleichbar wären mit der Forderung, “dass ein weltoffener Staat religiöse Traditionen wie die Steinigung von Ehebrecherinnen als Ausdruck von Vielfalt schützen müsse”. Ich mag das Beispiel nicht, da mir die Abwägung zwischen der Verwerflichkeit des deutschen Unterhaltsrechts und Steinigungen schwer fällt… und schon ist die schöne Sachlichkeit wieder weg. Aber das mit dem Unterhaltsrecht ist – im Gegensatz zu der Beschneidungsgeschichte – tatsächlich ein ernstes Problem, also lasse ich das.
Und ich, sollte ich denn jemals einen Sohn haben, würde ihn ganz sicher in jungen Jahren beschneiden lassen wollen. Nur um ihm das im Erwachsenenalter aus eventuell notwendigen medizinischen Gründen zu ersparen. Macht nämlich überhaupt keinen Spass – zumindest mir bereitete es keine große Freude.
Gemeinsamkeiten zwischen Feministen und den gängigen Männerbewegten gibt es viele – und eine davon ist fundamental: Es gibt kein Leben ohne Berechtigung. Von Berechtigung kann man gar nicht genug bekommen. Ohne den großen Staatsberechtiger wüßten weder die Feministen noch die Männerbewegten, was sie den lieben langen Tag lang tun und denken sollen. Die Männerbewegten regen sich bloß darüber auf, daß sie mit den Geschlitzten nicht gleich-berechtigt sind.
Die Berechtigung als solche ist ein sozialistisches Prinzip. Sozialisten gibt es geschlitzt und bezipfelt. Zusammen sind sie die Masse, das Kollektiv und an dem Satz “Du bist nichts, dein Volk ist alles” stört sie bloß das Wort Volk. Sie ersetzen es durch Bevölkerung – und diejenigen, die sich für Individualisten halten – trotz allem – durch das Wort Gruppe. Die Gruppe ist die kleinste individualistische Einheit im Vorstellungsvermögen des linken Berechtigungsfetischisten.
Michael Klein hängt seinen Artikel über die Lust an der Unfreiheit am Urteil des LG Köln zur Beschneidung kleiner Jungen aus religiösen Gründen auf. Mir gefällt auch nicht, daß an kleinen Jungen herumgeschnippelt wird. Mir gefällt auch vieles andere nicht. Und gar nicht gefällt mir eine staatliche Vorhautsberechtigung. Wenn schon die Vorhaut kleiner Juden gegen die religiöse Tradition ihrer Eltern per Gerichtsurteil gerettet werden muß, dann gäbe es eine Menge anderer Menschenbestandteile, die noch viel dringender per Gerichtsurteil zu retten wären – und somit eine Bestandsberechtigung erhalten müssten. Mit welcher Berechtigung schickt ein Staat dann die Gehirne solcher Jungen, denen er zuvor zu einer Vorhautsberechtigung verholfen hat, auf ein Schlachtfeld, wo die graue Masse derartig durchlöchert werden kann, daß die Blutzufuhr zur vorher geretteten Vorhaut zum Erliegen kommt? – Mit der Berechtigung, daß der Staat zur Berechtigung berechtigt ist? Das nützt der erschossenen Vorhaut recht wenig.
Zum Totlachen war die Äußerung des Herrn Graumann vom Zentralrat der Juden. Er meinte, man müsse sich nach dem LG-Urteil aus Köln überlegen, ob jüdisches Leben in Deutschland nun überhaupt noch möglich sei! Was soll man dazu noch sagen, außer: “Hättest du gewußt, daß es so billig zu haben ist, Adolf …”
Aber meinereiner redet gegen Windmühlen, wenn er Freiheit fordert und Berechtigung ablehnt. Idiotische Sozialisten, so weit das Auge reicht.
Gegen die Berechtigung – Max
“Für mich ist diese Fixierung auf Geschlechtsteile, deren Inszenierung anhand eines Eingriffs, der weitgehend harmlos ist und über dessen negative Folgen es so wichtige Sätze wie die folgenden zu formulieren gibt, ”
Eine erstaunliche Formulierung für jemanden, der Rationalität und Empirizität als Programm führt. Die Frage ob ein Eingriff “weitgehend harmlos” ist ist doch schlicht eine empirische Frage.
“Weitgehend harmlos” ist dabei die betreffende Quantifizierung.
Nun sind die empirischen Quallen zu den einzelnen Risiken der männlcihen Zirkumzension unter hygienischen Umständen – oder sollen wir über Beschneidungen mit Glasscherben sprechen? – nicht sehr ergibig.
Dennoch:
Das Deutsche Ärzteblatt: “In bis zu 32 Prozent werden Meatusstenosen [Verengung der Harnröhrenmündung] nach Neugeborenenzirkumzisionen beobachtet.”
Hier:
http://www.aerzteblatt.de/archiv/61273 und Dtsch Arztebl 2008; 105(34-35): A-1778 / B-1535 / C-1503
Ebenda:
“Der Nutzen überwiegt die Nachteile allerdings nur dann, wenn eine Zirkumzision das Risiko einer späteren Erkrankung nicht nur unerheblich verringert. Das Erkrankungsrisiko ist in den genannten Fällen allerdings sehr gering: Bei Harnwegsinfekten liegt die Inzidenz bei 1,12 Prozent (10). Für Peniskrebs wies die American Cancer Society darauf hin, dass die dabei bestehende Sterblichkeitsrate von der durch Zirkumzisionen verursachten aufgehoben werden dürfte (7). Auch die Wahrscheinlichkeit, später an einer manifesten Phimose, Paraphimose oder einer Balanoposthitis zu erkranken, ist gering – sie liegt zwischen zwei und vier Prozent (11). Nicht viel anders ist die Sache zu sehen bei Syphilis oder Gonorrhö.”
Dieser Satz : “Für Peniskrebs wies die American Cancer Society darauf hin, dass die dabei bestehende Sterblichkeitsrate von der durch Zirkumzisionen verursachten aufgehoben werden dürfte (7)” ist interessant, weil die Mortalität von Peniskrebs mit 1:1000000 bekannt ist.
Also kann man mit einer Mortalitätsrate bei Zirkumzensionen unter klinischen Bedingungen von 1:1000000 ausgehen.
“Also kann man mit einer Mortalitätsrate bei Zirkumzensionen unter klinischen Bedingungen von 1:1000000 ausgehen.”
Sie liegt leider deutlich höher. Allein das Narkoserisiko liegt bei 1:10000. Aber die geschätzten 100-200 Jungen, die aufgrund dieses Eingriffes, bzw. seiner Komplikationen allein in den USA jährlich sterben sollten doch Anlaß genug sein, von dieser Prozedur abzusehen.
Aber es sind ja nur Jungen.
“Allein das Narkoserisiko liegt bei 1:10000”
Ok, interessant, gibt es dazu Quellen (ad hoc)?
Es gibt, soweit ich das übersehe, zwei Themen, welche geeignet sind, die Männerbewegung zu spalten:
1. Die Gleichberechtigung (manche wollen sie, wenn auch unter neuer Defintion);
2. Die Vorhautbeschneidung.
Was letztere betrifft, so erstaunte mich anfangs die Heftigkeit und Erbitterung in dieser relativ jungen Debatte. “Christoph” schrieb oben, daß das “in erster Linie in der Ungleichbehandlung von männlicher und weiblicher Genitalverstümmelung durch die Politik begründet [liegt].” Damit dürfte er nicht ganz falsch liegen.
Aus meiner Sicht liegt die Ursache aber viel tiefer.
Wenn nämlich die Männerrechtler sich aufregen über das “Herumschneiden” an Jungen (unwissentlich drücken sie sich sogar korrekt aus, denn es handelt sich um eine Circumcision) und das ausschließlich als Körperverletzung bewerten, dann unterschlagen sie, ich möchte sagen böswillig, den positiven Aspekt.
Für Juden und Muslime war bzw. ist nämlich die Beschneidung das, was für die Christen die Taufe ist: ein Ritual der Initiation in die Gemeinschaft der Gottgläubigen.
Und genau das ist es, woran sich der Haß der Männerrechtler entzündet. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit daran, daß die heutige Männerbewegung größtenteils aus der pro-feministischen Männer-Bewegung hervorgegangen ist, welche ihrerseits wiederum aus einer Generation von ideologischen Vatermördern hervorging.
Als Erhard Eppler die Parole prägte: “Wer die menschliche Gesellschaft will, muß die männliche überwinden”, da karikierte er den Auftrag des israelitischen Volkes, welcher so hätte formuliert werden können: “Wer die gottgewollte Gesellschaft will, muß die weibliche überwinden.”
Die weibliche Gesellschaft, das war damals die der Fruchtbarkeits- und Mutterkulte. Unter Hitler lebte sie als Atavismus wieder auf (Stellvertreter Bormann: “Wir müssen…einen Mutterkult treiben”), ja sie triumphierte ingestalt von teilweise physischer Vernichtung über das einstmals auserwählte Volk, das sie für eine Zeitlang überwunden hatte. Im Wurzelgrund der Männerbewegung lebt sie unerkannt weiter.
Die Männerbewegung hat hier, ingestalt der Männerrechtler (man verwechsle beide nicht!) eine Geburtswunde. Es gilt, diese freizulegen. Aber das schmerzt natürlich.
Eines ihrer Argumente, das mich aufhorchen ließ, war das der vermeintlich verminderten Lustfähigkeit des beschnittenen Penis. Unbeschnittenen, so sagen sie, fehle die Vergleichsmöglichkeit, somit die Urteilskraft. Aber – den Unbeschnittenen fehlt sie auch! Wie konnte diese Unlogik durchgehen?
Es geht ihnen primär um die Lust – als Prinzip. Eben um das Lustprinzip, als Gegensatz zum Realitätsprinzip. Man will eine Wohlfühl-, keine Verantwortungs-Gesellschaft; man will weibliche statt männliche Werte. Es ist die (weibliche) Wohlfühlgesellschaft, die sie nicht aufgeben wollen. Jeder Schmerz, auch derjenige der Beschneidung an einem Lustorgan, ist da eine unerträgliche Zumutung – und vor Allem eine feindliche, weil patriarchale Symbolhandlung.
Nochmals, hier kommt eine tiefgehende Geburtswunde der Männerbewegung zum Ausdruck. Sie begann als Protestbewegung gegen die Vaterwelt jüdischen Ursprungs, das Patriarchat. Noch heute glauben Männer- und Väterrechtler, sich vom Patriarchat befreien zu müssen. Nicht anders als die Feministen.
Nun nachdem ich mich als alter Mediziner doch einmal outen möchte:
Nach meinem Verständnis handelt es sich um eine Amputation. Ich habe als Kind eine sogenannte Phimose gehabt. War aber nichts weiter als die physiologische Verklebung des Präputims mit der Glans penis (kann laut neueren Forschungen bis spät in der Jungenpubertät so sein). Wurde früher anders gesehen. Vergessen darf man aber auch nicht, dass gerade in der Medizinhistorie oder sollte ich schreiben “HER´SSTORY” gerade die, die sich aufgelehnt haben (schönes Beispiel: Ignaz Semmelweis).
Mir geht es aber garnicht darum, ob archaische Riten (s. Aborigenes in Australien) verboten werden oder auch nicht. Mir geht es darum, dass zwischen den “Gechhlechtern” eben nicht unterschieden wird. Warum ist die Incision der Clitorishat ein Verbrechen gegen Frauenrechte, die Amputation der Vorhaut (sog. Beschneidung (was für ein Euphimismus) aber keins.
OK: Sie sind beschnitten und empfinden sich nicht als amputiert. Dass aber dafür in Amerika trotz relativ guter Medizin trotzdem noch 100-200 Jungen sterben, muß ja wohl das Opfer der Religion sein (s. Bibel).
Es ist mir bewusst, dass weder mit christlichen, islamischen noch jüdischen Fundamentalisten eine Diskussion wirklich zielführend sein kann. Ich habe weder eine Temporallappenanomalie (sprich das religiöse Wahnerlebnis), aber dann habe ich ich ein Problem mit solchen Leuten.
MFG
Und ich würde die Diskussion gerne weiter führen, es sei denn Sie sind RV in einem anderen Forum
PS. Die Christen verbrennen schon lange keine Hexer und Hexen mehr.
@ fredcrist:
Ich bin zwar ein christlicher “Fundamentalist” – d.h. ich bin kein bloßer Sonntags-Christ -, und, wenn Sie so wollen, leiden Andere daher an meiner “Temporallappen-Anomalie”. Aber religiös zu argumentieren, das erübrigt sich für mich, weil ja für Christen die Beschneidung durch die Taufe ersetzt worden ist.
Warum Sie inbezug auf Jungen- und Mädchenbeschneidung für “Gleichberechtigung” eintreten, verstehe ich nicht. In meinem Fall war der Grund für die Operation eine festgestellte Phimose. Bei Frauen gibt es das nicht. Frau Dieffenbach hat sich dazu schon geäußert. Im Übrigen gehöre ich zu den Feminismus-Kritikern, welche die Gleichberechtigung ausdrücklich ablehnen. Ich will Gerechtigkeit, und darunter verstehe ich das Recht auf Ungleichheit.
Was mich an der Debatte bewegt, ist nicht so sehr die Frage, ob Jungen nun auch aus nichtmedizinischen Gründen beschnitten werden sollen oder nicht. Mich fasziniert vielmehr die ungeheure Erregung, welche durch dieses Thema in der Männerbewgung ausgelöst wird! Und diese Erregung, sie hat auch ein Gutes: “Man lernt sich kennen”.
Die rätselhaftesten Wesen in der Männerbewegung sind aus meiner Sicht diejenigen, welche den Pränatalmord durch mütterliche Vollmacht gar nicht schlimm finden, die Entfernung der Vorhaut in patriarchaler Tradition aber schon.
Das ist für mich dermaßen paradox, daß ich ins tiefe Nachsinnen gerate!