Mynydd Carningli: Der Berg der Engel – eine prähistorische Landschaft

Montag, 13. Mai: Dauerregen in Südwales.
Was will man von einem 13. anderes erwarten?!

Aber natürlich ist ein Tag, an dem der Regen an das Fenster im Office klopft, nein, penetrant hämmert, bestens geeignet, um die Erinnerung an einen sonnigen, intensiven Tag, den wir hauptsächlich auf dem Berg verbracht haben, aufzufrischen und mit unseren Lesern im Rahmen unserer Reihe “Roving Welsh” zu teilen.

Sie finden übrigens alle unsere Ausflüge zu Orten in Wales, die man, wenn überhaupt, nur selten in Reiseführern findet, und wenn, dann sicher nicht mit der Menge an Informationen, die wir bereit stellen, in unserem Telegram-Kanal “Roving Welsh” – und zudem finden Sie dort jeden Tag ein “Pic of the day”, ein Photo des Tages, das wir von unseren Ausflügen mitgebracht haben.

Die Tour, von der wir heute berichten, besteht aus einem anstrengenden und einem “Chill-Out” Teil.
Beginnen wir mit der Anstrengung.

Und damit Sie auch wissen, wo genau wir uns aufgehalten haben:

Und los geht es:

Mynydd Carningli oder kurz: Carningli (auch als “Carn Ingli” geschrieben) ist ein 346 Meter – oder 347 Meter, je nachdem, welchen Quellen man Glauben schenkt – hoher Berg am östlichen Ende der Preseli-Berge, der trotz seiner vergleichsweise niedrigen Höhe die Landschaft um Newport in Pembrokeshire, wo der Fluss Nevern ins Meer mündet, dominiert.

Carningli ist um die 450 Millionen Jahre alt. Es handelt sich um einen längst erloschenen Vulkan, der von Meerwasser, Regenwasser und Wind so weit abgetragen wurde, dass das, was heute Carningli ist, nur noch den Kern des ehemaligen Berges darstellt. Er besteht aus verschiedenen Arten von Dolerit, einem feinkörnigen Gestein, das von basaltischem Magma geformt wird und aufgrund seines im Vergleich z.B. zu Rhyolit-Gesteinen, bei denen es sich ebenfalls um (eine Klasse von) Magmagesteine(n) handelt, hohen Eisen- und Magnesiumgehaltes eine vergleichsweise dunkle Farbe hat. Während der letzten großen Eiszeit war Carningli von Eis bedeckt, und Spuren von Erosion durch Eis sind noch heute in der Nähe des Gipfels sichtbar, wo das Eis das Gestein zu Felsplatten abgeschliffen hat. Die Ostwand von Carningli ist durch Frostschäden während Tausenden von Jahren fast nur noch eine große Geröllhalde, wobei einige der Steine im Geröll so groß wie Autos sind.

Der Berg der Engel ist Carningli seit dem 12. Jahrhundert, in dem seine Bezeichnung als “Mons Angelorum” erstmals dokumentiert ist. Der mittelalterlichen Erzählung vom Leben des Heiligen St. Brynach nach soll der Heilige, der um das Jahr 450 n.Chr. in einer kleinen Gemeinschaft von Mönchen in der Nähe gelebt haben soll, oft auf den Berg gestiegen sein, um mit den mit Engeln zu kommunizieren. Wenn man den Berg heute besteigt und die Ruhe und die 360-Grad-Aussicht, die man vom Gipfel aus hat, genießt, kann man sich gut vorstellen, dass der Heilige – wie andere Menschen auch – dort die Nähe zu den übermenschlichen Kräften gesucht haben soll.

Manche assoziieren Carningli bis heute mit dem Sitz der Erdgöttin, deren Form man ausmachen kann, wenn man Carningli von Süden aus betrachtet: Der Bergrücken hat dann die Form einer liegenden Frau, von der der Kopf, der Oberkörper samt Brust und die angezogenen Knie zu “erkennen” sind.

In jedem Fall gilt Carningli vielen Menschen – aus verschiedenen Gründen – als ein besonderer, “heiliger” Ort, an dem seltsame Dinge zu sehen sind, wie z.B. ungewöhnliche Wolkenformen, die sich um den Gipfel herum bilden und an die Flügel von Engeln erinnern, oder ein Lichtkranz, der über dem Gipfel erscheinende Regenbögen begleitet. Außerdem weist Carningli magnetische Anomalien auf:

“An interesting side issue is the fact that Carn Ingli possesses a strong magnetic anomaly that can spin compass needles to point south instead of north, and local farmers and others have reported (personal comments) occasional unusual phenomena around the tor – such as disembodied footsteps or guttural voices, or nocturnal rainbows over the peak. Some of these are possibly of a magnetically-induced hallucinatory nature” (Devereux & Wozencroft 2013: 67),

d.h.

“Ein interessantes Nebenthema ist die Tatsache, dass Carn Ingli eine starke magnetische Anomalie besitzt, die Kompassnadeln so bewegen kann, dass sie nach Süden statt nach Norden zeigen, und lokale Bauern und andere berichteten (in persönlichen Kommentaren) gelegentlich ungewöhnliche Phänomene rund um das Tor [den großen, freistehenden Felsvorsprung, der sich abrupt vom Bergkamm erhebt] – wie körperlose Schritte oder gutturale Stimmen oder nächtliche Regenbögen über dem Gipfel. Einige davon sind möglicherweise von magnetisch-induzierter halluzinatorischer Natur” (Devereux & Wozencroft 2013: 67).

Als wir Carningli erklommen haben, haben wir keine besonderen Wolkenphänomene oder Strahlenkränze sehen können und (unseres Wissens) auch keine Halluzinationen gehabt, aber wir haben die Ruhe “jenseits der bewohnten Erde”, die der Berg ausstrahlt, fühlen können und genossen.

Es ist gut möglich, dass Carningli schon seit Jahrtausenden als ein besonderer Berg gilt, und zwar nicht nur wegen der Bezüge, die der Berg zu verschiedenen Cromlechs hat. (Über einige von ihnen haben wir im Rahmen unseres letzten Reisebeschreibung berichtet; Carreg Coetan Arthur z.B. liegt ganz in der Nähe von Carningli, der von Carreg Coetan Arthur deutlich zu sehen ist, wenn man nach Süden schaut.) Carningli ist nämlich umgeben von einer ganzen Reihe vorgeschichtlicher Monumente, und der Hang des Berges ist gespickt voll mit Mauerüberresten, Feldabtrennungen, Siedlungsresten, die vom Neolithikum bis ins Mittelalter hineinreichen, und es ist “im Feld” oft schwierig zu unterscheiden, was was von wann ist.

Der Gipel von Carningli ist von einer langen Befestigungsanlage umgeben, die aus hohen, grob gebauten Verteidigungsmauern besteht, die ein Gebiet von 400m x 100m umgeben. Diese Mauern sind inzwischen zum größten Teil zerfallen, aber an einigen Stellen kann man das Original-Mauerwerk noch erkennen. Es scheint, dass es sich hier um eine befestigte Dorfanlage gehandelt hat, denn bei Ausgrabungen wurden Spuren von etwas 25 Rundhäusern gefunden.

“Carn Ingli may have been first enclosed during the Neolithic, at a time when ritual monuments were being built in the area, and was later adapted as a hillfort in the Iron Age. Occupation lasted for a long time, perhaps even into the Medieval period, before the site was abandoned” (Dyfed Archaeological Trust o.J.: 9),

d.h.

“Carn Ingli könnte zum ersten Mal während der Jungsteinzeit von Befestigungsmauern umgeben worden sein, zu einer Zeit, als rituelle Monumente in der Gegend gebaut wurden, und er wurde später als Bergfestung in der Eisenzeit ausgebaut. Sie [die Bergfestung] war für lange Zeit bewohnt, vielleicht sogar bis ins Mittelalter, bevor die Siedlung aufgegeben wurde” (Dyfed Archaeological Trust o.J.: 9).

Was die angesprochenen vorzeitlichen rituellen Monumente betrifft, so handelt es sich dabei um Steinkreise, stehende Steine und eine Reihe von “ring-cairns”.

“Ring-cairns” oder Ringsteinhaufen sind prähistorische Monumente, die aus der späteren Jungsteinzeit und der Bronzezeit stammen. Bei ihnen umfasst eine (etwa) kreisförmige Erdbank oder umfassen (etwa) kreisförming angelegte Steine ein Gebiet von bis zu 20 Metern mit einem hohlen Bereich im Zentrum, der oft Feuerstellen mit Ascheresten oder verbrannten Knochen enthält, was Ring-cairns als Grabstätten identifiziert. Die den zentralen Hohlraum umgebende Erd- oder Steinbank ist auf der Innen- und Außenseite mit Steinen bedeckt, so dass Ring-cairns wie große Steinhaufen aussehen. Einer davon – und vielleicht der beeindruckendste –, ist Carn Briw, der noch heute 17m Durchmesser misst und 1,8 Meter hoch ist, obwohl er stark verfallen ist. Man erreicht ihn vom Gipfel von Carningli aus auf einem kurzen Fußweg durch das Moor. Vom Gipfel von Carningli aus gesehen bietet sich das folgende Bild, auf dem man selbst bei diesigen Wetter (wie am Tag unseres Ausflugs) erkennen kann, dass die Spitze des Ring-Cairns genau in die Mitte zweier Berggipfel der Preseli-Berge in der Entfernung zeigt – Zufall?! Wahrscheinlich nicht.

Zu dumm, dass einem die Zeit immer im Nacken sitzt und man früher oder später den erklommenen Berg hinter sich lassen und die Aufstiegsleistung damit hinfällig werden lassen muss.

Aber es ist natürlich nicht so, dass die Gegend um Newport nur den Carningli zu bieten hätte.

Weit gefehlt! Auch der Ort selbst, der rund 1.200 Bewohner beheimatet, ist pituresque und wird von seinen Bewohnern in “top shape” gehalten. Genießen Sie die Impressionen vom Rückweg von Carningli nach Newport, und dann machen wir uns auf den Weg von Newport nach Cym yr Eglwys.

Cwm yr Eglwys ist ein kleines Hamlet (ein Weiler) direkt an der irischen See, bekannt nicht nur für seine geschützte Lage, die vom Wind ungestörtes “Braten” in der Sonne garantiert – meistens, zuweilen auch nicht -, denn bekannt ist das Weiler vor allem für die Überreste der Kirche von St. Brynach. Das ist der Heilige, der mit den Engeln auf Carningli Kontakt gepflegt haben soll, wie oben berichtet.

Die Kirche ist heute eine Ruine. Je eine Nacht in den Jahren 1850 und 1851, je eine Nacht und eine Sturmflut haben ausgereicht, um die Kirche zur Ruine werden zu lassen. Beide haben die Kirche beschädigt und dem Meer näher gerückt als einem lieb sein konnte. Rund ein Meter Boden wurde durch die beiden Stürme weggespült. Als Folge waren diejenigen, die auf dem Friedhof um die Kirche eine letzte Ruhestätte gefunden haben, ihrer schützenden Bodenschicht beraubt. Nach Wiederbestattung der vielen Knochen hat die Kirche denen, die sie aufgesucht haben, weiterhin eine Stätte der Andacht geboten, bis in den Oktober 1859. Dann hat der große Sturm von 1859 der Kirche den Garaus gemacht, ihr das Fundament entzogen, das Dach gestohlen und die Wände beschädigt. 1880 wurde, was von der Kirche noch übrig war, abgerissen, mit Ausnahme des Eingangs und der Westmauer, die bis heute steht. Man sieht, dass schon 1850, 1851 und 1859 menschliches Einwirken durch die beginnende industrielle Revolution in der Lage war, Sturmfluten per Klimawandel herbeizuführen und Kirchen zu zerstören. Sie sehen, der Klimawandel ist des Teufel! (Ironie aus.)

Cwm yr Eglwys ist – jedenfalls bei Abendsonne – einer der besten Endpunkte für eine Tagestour, den man anfahren kann.


Bisher in der Reihe “Roving Welsh” erschienen:


Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt.

Literatur

Dyfed Archaeological Trust, o.J.: Mynydd Carningli – Mynydd Melyn. Llandeilo. http://www.dyfedarchaeology.org.uk/wp/wp-content/uploads/walkermynyddcarningli.pdf

John, Brian, 2008: Carningli: Land and People. Newport (Pembrokeshire): Greencroft Books

 

 

 

 

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