Unsinn der Woche: Ein Student names Kilian Krumm

Ja, der Name ist echt, und der Herr Krumm ist ein bekennender Juso (war ich auch mal, bevor bei mir der Verstand eingesetzt hat),  nicht nur das, er ist aktives Mitglied der Juso-HSG an der Trierer Universität und ein aktiver Diskutant auf Facebook, wo derzeit auf  unterschiedlichen Seiten über Thesen und Themen von ScienceFiles diskutiert wird.

FB_discIm konkreten Fall geht es um den Beitrag von Dr. habil. Heike Diefenbach: Warum man als Frau gegen eine Frauenquote sein muss. Und der Kilian findet sich unter denen, die diskutieren, nein, nicht diskutieren, sondern kommentieren und weil dem so ist, will ich dem Herrn Kilian ein wenig Breitenwirkung geben. Als Juso, der seine Zukunft wohl in der Politik sieht und der sein Wissen aus Wahlkämpfen bezieht (wie er sagt), hat er sicher ein großes Interesse an Publizität.

Ich gebe zu, dass mich sein selbstherrlicher Diskussionsstil, der von keinerlei Argument oder empirischem Beleg getrübt wird, erst erheitert und dann geärgert und dazu bewogen hat, mich mit ihm zu befassen: Immerhin will der Herr einen Abschluss an einer Universität erlangen, einen akademischen Grad erreichen. Entsprechend sollte man ein gewisses intellektuelles Niveau voraussetzen können. Da Letzteres nicht vorhanden ist und ich heute sowieso nicht sonderlich gut gelaunt bin, will ich dem Herrn Krumm ein wenig Nachhilfe in Sachen Argumentation und Logik geben – interaktive Nachhilfe, wenn man so will, anhand seiner eigenen Kommentare.

Man kann das Folgende als psychologische Obduktion geistiger Wirrniss ansehen, wobei es mir vor allem um die Struktur der Äußerungen und die psychologische Befindlichkeit dahinter geht. Morgen gibt es dann eine neue sozialpsychologische Studie, die eine Antwort auf die Frage gibt, wer, warum politischer Aktivist oder Extremist wird.

Los geht’s

Kilian KrummKilian Krumm: “Das Institut der Wirtschaft hat halt auch seine eigene Agenda. Ich kennen da auch andere Zahlen…”

Sie wissen nicht, worauf sich dieser Einwurf bezieht? Ich auch nicht. Aber es geht Herrn Kilian auch nicht darum, eine Antwort zu geben, sondern zu diskreditieren, in diesem Fall das “Institut der Wirtschaft”, das eine “Agenda” hat, was meint, dass es Zahlen fälscht. Das würde sich Kilian Krumm natürlich nie zu sagen trauen, deshalb belässt er es bei der “Agenda”, gefolgt von dem Einwurf, dass er “auch andere Zahlen” kennt. Und wenn er andere Zahlen kennt, und er natürlich keine Agenda bestenfalls eine Agenda 21 hat, müssen seine Zahlen richtig sein, die vom “Institut der Wirtschaft” falsch.

Erste Lektion Herr Krumm: Wissenschaft ist empirisch. Deshalb ist es notwendig, die eigenen Behauptungen zu belegen. Wenn das “Institut der Wirtschaft”, gemeint ist vermutlich das Institut der deutschen Wirtschaft, angeblich eine Agenda hat, dann muss man diese Agenda darlegen und belegen. Und wenn die eigenen Zahlen dann von anderen Zahlen abweichen, dann muss man zum einen die eigenen Zahlen angeben (und nicht nur vortäuschen, man hätte andere Zahlen) und man muss die eigenen gegen die anderen Zahlen und wieder an der Empirie prüfen. Methodenkurs: erstes und zweites Semester.

Kilian Krumm. “Größtes Problem ist die soziale Kluft zwischen einer kleinen Gruppe, die viel hat und vielen die wenig haben. Daran formieren sich viele weitere Benachteiligungen und Verteilungskämpfe. Das Kernproblem ist auch unumstritten, die Frage ist nur wie Mensch es lösen möchte”.

Eine soziale Kluft kann nicht mit materiellen Dingen begründet werden, denn damit wird die soziale Kluft zur materiellen Kluft: Soziales und materielles sind nicht identisch. Entsprechend kann sich an einer sozialen Kluft, keine Benachteiligung und auch kein Verteilungskampf “formieren”, überhaupt kann sich nichts an etwas formieren, bestenfalls kann etwas ein Auslöser für etwas anderes sein. Hier hapert es noch etwas mit der Beherrschung der deutschen Sprache. Versuchen Sie es mit “Daraus ergeben sich …”, Herr Krumm.

Disney_robin HoodAnsonsten haben wir es hier, wie es sich für einen Juso gehört, mit einer unbegründeten Verschwörungstheorie zu tun, die die bösen Bonzen, die man heute als “kleine Gruppe, die viel hat” umschreibt und die vielen, die wenig haben, miteinander kontrastiert. Astreines Ideologendeutsch, das dazu dient, sich selbst zum Robin Hood der Vielen zu stilisieren, der sich heutzutage unter Ausschluss persönlicher Gefahr hinter seinem Ikon auf Facebook verschanzt und daherkommenden Kommentaren, die der eigenen ideologischen Überzeugung nicht entsprechen, auflauert, ein verbaler Hinterhalt, quasi.

Besonders putzig ist der Versuch, die eigene Behauptung mit dem Verweis, dass das Kernproblem unbestritten ist, gegen Kritik oder Hinterfragen abzusichern. Das mag unter Jusos klappen, in der wissenschaftlichen Welt ist das ein Rohrkrepierer, denn hier kann man nur mit empirischen Belegen überzeugen. Aber nebenbei haben wir hier ein Beispiel dafür, warum Facebook und Twitter unter Politikern und solchen die es werden wollen, immer beliebter wird: Man kann ein paar Sätze unters Volk werfen und hoffen, dass niemand nach einer Begründung fragt, eine Hoffnung, die leider allzu häufig aufgeht.

Kilian Krumm: “Die 23% kenn ich nur aus dem Wahlkampf und war meines Wissens ein partikularer Wert aus einer Branche gewesen und keine absolute Zahl. Da sind wir glaub d’accord. Wahlkampf Kommunikation ist halt (leider) keine Wissenschaft. Nehmen wir mal deine 8% unbereinigt, wären bei einem fiktiven brutto Lohn einer Akademikerin von 3500€ 280€ monatlich weniger, im Jahr 3360€. Rechne dir das mal auf ne Lebensarbeitsleistung hoch… Und der Wert ist ja jetzt nur rausgegriffen. Du müsstest das übers ganze Lohngefüge berechnen…”

23% lassen aufhorchen, es geht um das vermeintliche Gender Pay Gap, das unter Ideologen hoch im Kurs steht und in der Realität nicht vorkommt. 23% entsprechen dem, was das Statistische Bundesamt lange als unbereinigtes Gender Pay Gap bezeichnet hat, bereinigt wurden daraus die 8%, die Herr Krumm nun und nicht aus dem Wahlkampf kennt und die er als unbereinigt ansieht. Nun, das Statistische Bundesamt ist fälschlicher Weise wie wir gezeigt haben, der Ansicht, die 8% seien das bereinigte Gender Pay Gap, nach Abzug von Unterschieden zwischen Frauen und Männern in Arbeitszeit, Berufserfahrung usw. allerdings unter Auslassung von Überstunden, bei deren Berücksichtigung, wie wir gezeigt haben, das Gender Pay Gap schlicht verschwindet und sich als das Hirngespinst erweist, das es nun einmal ist.

Hirngespinst hin oder her, Kilian Krumm mag die 8% und ist für Gerechtigkeit unterwegs. 8% ersponnene Ungerechtigkeit, die es zwar nicht gibt, die man aber trefflich instrumentalisieren kann, abermals um die eigene moralische Überlegenheit zu zeigen und zu mahnen, andere natürlich und davor, was für Folgen das Gender Pay Gap für das Leben nicht bekannter Dritter hat. Rührend, nur leider keinerlei Wissenschaft und eines Studenten unwürdig.

Kilian Krumm: “Das viele “Frauen” sich bewusst für oder gegen was “entscheiden” könnte nicht rein zufällig auch mit den vorherrschenden Strukturen und die dadurch greifende Sozialisation einhergehen, oder? Im sollten glaub ich bei der Deutung wer unterdückt wird, nicht männlich sozialisierte Personen die Deutungshoheit haben – eigentlich logisch, oder?”

Und hier finden wir dann den sozialistischen Patriarchen, wenn ich dieses nette Wort einmal benutzen darf, in Reinkultur: “entscheiden” können für ihn Frauen nämlich nur in Hochkommata und natürlich nicht wirklich, denn Frauen sind Deppen, die von den vorherrschendnen Strukturen und ihrer Sozialisation vollständig determiniert sind und so gegängelt werden, dass daraus Unterdrückung wird. Und natürlich haben männliche Personen wie Krumm Deutungshoheit, beanspruchen sie jedenfalls, und zwar für sich, in diesem Fall. Das ist abermals rührend, aber, Herr Krumm, logisch ist es nicht.

Logik fuer DummiesLogik ist eine formale Methode des Schließens, die es als Aussagen- und als Prädikatenlogik gibt. Bleiben wir bei ersterer, dann können wir prüfen, ob ihre Aussage logisch ist. Explanandum (oder mehr traditionell: Konklusion) ist: Frauen können sich nicht bewusst für oder gegen etwas entscheiden. Nun benötigen wir noch ein Explanans, das der Einfachheit halber aus einem allgemeinen und einem speziellen Satz oder anders formuliert aus einem Gesetz und einer Randbedingung bestehen soll. Vorherrschende Strukturen und Sozialisation führen dazu, dass Frauen sich nicht bewusst für oder gegen etwas entscheiden können, behauptet Herr Krumm. und das wollen wir als Randbedingung (oder Antezedenz) durchgehen lassen. Die vorherrschenden Strukturen und die Sozialisation sind durch die Deutungshoheit, die natürlich männliche Personen haben, determiniert. Das wollen wir auch als Randbedingung (oder Antezedenz) durchgehen lassen, und da wir nunmehr im Mittelterm zweimal vorherrschende Strukturen und Sozialisation haben, können wir beides kürzen und durch “männliche Deutungshoheit” ersetzen.

Was dazu führt, dass wir den Inhalt der Aussage von Herrn Krumm auf: Deutungshoheit männlicher Personen führt dazu, dass Frauen nicht bewusst entscheiden können, reduzieren können. Dies ist eine gewagte These, und eben nur eine These. Es ist kein logischer Schluss und insofern Ausgangspunkt einer logischen Analyse, nicht Endpunkt. Nunmehr wäre zu zeigen, warum und wie es männlichen Personen gelingt, Frauen ihre Selbstbestimmung zu nehmen, was ziemlich schwierig sein dürfte, und ich wage einmal die Prognose, dass ein direktes Zusammentreffen zwischen Dr. habil. Heike Diefenbach und Kilian Krumm eine Ohrfeige für Letzteren zur Folge hätte, und somit in der wirklichen Welt, einen Beleg dafür, dass weibliche Menschen zu willentlichen Entscheidungen fähig sind, ganz ohne männliche Deutungshoheit.

Ich empfehle Herrn Krumm, bevor er sich das nächste Mal öffentlich äußert, dass er sich nicht nur darüber kundig macht, wie man argumentiert, wie man Belege für Behauptungen bringt und präsentiert, sondern auch darüber, was Logik ist und darüber, wie man vermeidet, logische Fehler zu begehen.

Und die Essenz der Fallstudie:

scully facepalmEs ist immer wieder erstaunlich, wie nachweislich ahnungslose Personen sich in einer Dreistigkeit in Diskussionen einmischen und dort versuchen, durch Be- oder Abwertungen von in der Regel Personen oder Institutionen (Gebildete nennen das einen Fehlschluss ad hominem, Eingebildete denken, sie seien “strategisch”) eine Meinung zu Ihren Gunsten zu beeinflussen. Sobald Widerstand gegen derart plumpe Versuche der Meinungsmanipulation aufkeimt, werden die Widerständler mit dem beliebten Mittel der Ausgrenzung traktiert, was derzeit vor allem bedeutet, unliebsame Diskutanten oder “solche Personen” in die rechte Ecke abzuschieben, denn für Linke ist rechts ein Synonym für böse und böse ist schlecht und, ja, mehr wissen sie auch nicht. Dass derartig primitive Strategien zuweilen erfolgreich sind, bei Unbedarften auf keinen Widerstand stoßen, ist schließlich das, was mich am meisten ärgert und an dem, was man formale Bildung nennt, massiv zweifeln lässt.

Und was das Ganze Pallaver des Herr Krumm mit dem Beitrag von Dr. habil. Heike Diefenbach zu tun hat, das weiß nur er allein.

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