Klimawandel führt zu mehr Kriminalität – oder nicht?

Erschreckend ist das Wort, das uns angesichts einer Untersuchung von Matthew Ranson eingefallen ist. Die Untersuchung trägt den Titel “Crime, Weather and Climate Change“, dümpelt seit dem 18. Juli 2012 bei SSRN.COM und wurde seither magere 625 Mal heruntergeladen. Angesichts der Wetterphobie, die sich mit dem Klimawandel verbindet, eine karge Ausbeute. Angesichts der von Ranson in seiner Untersuchung gefundenen vermeintlichen Folgen des Klimawandels, kaum zu erklären.

Doch nun haben sich die Huffington Post, eher zurückhaltend mit: “Climate Change May Lead to More Crime as Planet Warms“, die Los Angeles Times mit großer Gewissheit : “Climate Change brings more crime” und Voice of Russia mit der Liebe zum Detail: “Global Warming impact on US: extra 22000 murders, 180000 cases of rape” erbarmt und der Untersuchung von Ranson zumindest zu erster medialer Aufmerksamkeit verholfen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis dieser Unfug in weit spationierten Lettern auch in deutschen Zeitungen ankommt, vermutlich zuerst im Spiegel und dann in der Zeit, und zwar so: “Klimawandel gut für Kriminelle” oder: “Klimakatastrophe wird zur Kriminalitätskatastrophe” …

Wir wollen die Ergebnisse dieser Untersuchung vorwegstellen, damit das Ausmaß der vermeintlichen Katastrophe auch klar wird.

crimerates in the desert“Between 2010 and 2099, climate change can be expected to cause an additional 22,000 murders, 180,000 cases of rape, 1.2 million aggravated assaults, 2.3 million simple assaults, 260,000 robberies, 1.3 million burglaries, 2.2 million cases of larceny and 580,000 cases of vehicle theft…”

Und das sind nur die Auswirkungen in den USA! Entsprechend ist der Autor dieser Ergebnisse auch nicht zurückhaltend, wenn es um die Interpretation derselben geht:

“The results suggest that climate change will have substantial e ffects on the prevalence of crime in the United States” (Ranson, 2012: 23).

Und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass diese Effekte des Klimawandels an den Grenzen der USA halt machen – oder doch?

Wie immer in solchen Fällen beginnen wir mit der Frage: Warum sollte das Wetter einen Einfluss auf Kriminalität haben? Generationen von Kriminologen waren der Ansicht, die Sozialstruktur, das direkte Umfeld, das herrschende Normengefüge oder die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, bedingten Kriminalität, auf das Wetter sind bislang nur wenige gekommen. Aber lassen wir uns auf dieses Gedankenspiel ein: Warum hat das Wetter einen Effekt auf Kriminalität?

penguin-cartoon-global-warmingDen ersten Hinweis für diesen Zusammenhang findet Herr Ranson bei Gary Becker und seiner Produktionsfunktion. Kriminelle, so liest Ranson die entsprechende Produktionsfunktion, kalkulieren das Wetter in ihre Entscheidung, eine Straftat zu begehen, ein, und zwar als Variable, die die Wahrscheinlichkeit beeinflusst, die Straftat erfolgreich abzuschließen. So geht von Straßenräubern die Rede, dass sie bei heftigem Unwetter nicht unterwegs sind, weil nämlich sonst auch niemand unterwegs ist…

Die zweite Hypothese ist nicht minder wild: Kriminalität steigt mit der Anzahl sozialer Interaktionen und soziale Interaktionen sind bei gutem Wetter häufiger als bei schlechtem Wetter. Deshalb nimmt Kriminalität zu. Und wir dachten, bestimmte Formen von Kriminalität, Diebstahl, Einbruch, Mord, leben gerade davon, dass keine soziale Interaktion zu Stande kommt. Man lernt nie aus.

Und dann kommt noch die Hypothese, nach der mit zunehmender Hitze die Aggressivität steigt, was wiederum in mehr Straftaten seinen Niederschlag findet und womit erklärt wäre, warum im Russischen Winter die Polizei nach Hause geschickt wird, und zwar ohne Bezüge… oder wird sie das nicht?

Ja. Das ist die Theorie, die vorbereiten soll, dass der Klimawandel und vor allem die damit einhergehende Erwärmung, zu höherer Kriminalität führt. Die Theorie drängt sich auf knapp einer Seite und dient, wie so oft, nur als Feigenblatt, für die Datenhuberei, die nachfolgt.

Die Datenhuberei basiert auf 2972 US-amerikanischen Counties, für die Ranson für den Zeitraum 1969 bis 2009 Kriminalitätsraten und Wetterdaten hat. Die Kriminalitätsraten gibt es vom Federal Bureau of Investigation und nach Straftaten differenziert. Die Wetterdaten gibt es vom National Climatic Data Center, das über die USA verteilt Wetterstationen betreibt, die Daten sammeln. Ranson hat diese Daten genutzt, um für jedes County und für jeden Tag eine Tages-Durchschnitts-Temperatur zu bestimmen, wobei die Messstation zur Bestimmung der Tages-Durchschnitts-Temperatur sich in einiger Entfernung (bis zu 50 Miles) vom Ort der Straftat befinden kann. Das gleiche gilt für den durchschnittilchen Niederschlag, den Ranson ebenso zur Erklärung von Kriminalität benutzt.

Und jetzt wird gerechnet, und zwar Regressionen über Zeit und heraus kommt, dass die Effekte von Temperatur und von Niederschlag nicht linear sind:

nonlinear effects“These nonlinear eff ects are most apparent for property crimes such as burglary and larceny. For bins below 40 degrees F, increases in temperature have a strong positive e ffect on the number of burglaries and larcenies reported. However, above 40 degrees F, increases in temperature have little or no e ffect on these crimes. The degree of nonlinearity varies by o ffense, with violent crimes tending to have a much more linear relationship through the entire range of temperatures” (15).

Auch die Effekte der Niederschlagsmenge sind nicht wie erwünscht:

“… the e ffects of precipitation on crime rates vary by o ffense. Although precipitation causes statistically signi ficant decreases in larceny, the opposite is true for vehicle theft: more vehicles are stolen in months with many rainy days” (16).

Und nun, da wir festgestellt haben, dass Temperaturen und Niederschlagsmengen unterschiedliche Korrelationen mit verschiedenen Formen von Kriminalität haben, nun geht’s zum Effekt des Klimawandels. Wie kommt der Klimawandel ins Modell? Nun, man rechnet ihn einfach ein und die Straftaten hoch. Klimawandel bedeutet mehr Temperatur (und weniger Regen) und entsprechend nehmen die Straftaten zu, die einen Zusammenhang mit hohen Temperaturen zeigen und es nehmen die zu, die bei Regen seltener begangen werden.

So einfach kann man Ergebnisse produzieren. Falsche Ergebnisse. Denn wären die Ergebnisse von Ranson richtig, dann stellte sich die Frage, warum Kriminologen seit Jahrzehnten mit so absurden Variablen wie Gelegenheit und Abschreckung hantieren, wo man einfach nur den Temperaturregler im klimatisierten Gebäude nach unten drehen muss, um Einbruch, Nötigung, Körperverletzung und was noch alles zu verhindern. Wären sie richtig, dann müsste man den Süden der USA ganzjährig und den Norden der USA in den Sommermonaten für Bewohner sperren und die nach Unterkunft suchenden US-Amerikaner an den Nordpol umsiedeln, um das Kriminalitätsproblem zu lösen.

Was die Untersuchung von Ranson zeigt, ist wie die Opportunismus-Spirale unter Wissenschaftlern oder solchen, die es sein wollen, funktioniert: Man nehme einen weithin publizierten Wandel, der bislang nur in einem Simulationsmodell vorhanden ist und setze ihn als gegeben, hier: den Klimawandel. Dann suche man sich Daten zusammen, die mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen könnten sofern es ihn gäbe, hier: die durchschnittlichen Tagestemperaturen und die durchschnittlichen Niederschlagsmengen. Nun bringe man diese Daten mit etwas Negativem in Zusammenhang, hier: Kriminalität. Die Korrelationen, die sich mit Sicherheit einstellen, in die eine oder in die andere Richtung, nutze man, um die Auswirkungen des angenommenen Klimawandels auf den nicht weiter begründeten Zusammenhang zu berechnen, eh voilá – ein Aufreger, auf den sich hoffentlich die Medien stürzen werden.

Wir stellen folgende Hypothesen auf: Klimawandel erhöht die Säuglingssterblichkeit; Klimawandel erhöht die Scheidungshäufigkeit; Klimawandel reduziert die Verkaufszahlen für Couchtische und Klimawandel wirkt sich negativ auf die geistige Entwicklung der Menschheit aus, insbesondere bei Sozialwissenschaftlern. Und nicht zu vergessen: Der Klimawandel führt zu mehr Ufo-Sightings und er hat einen negative Effekt auf die Einschaltzahlen von ARD Tatort. Wetten, dass es möglich ist, den entsprechenden Zusammenhang zu finden und hochzurechnen? (Eine Aufgabe für Chaeremon?)

Ranson, Matthew (2012). Crime, Weather, and Climate Change.

Folgen Sie uns auf Telegram.
Anregungen, Hinweise, Kontakt? -> Redaktion @ Sciencefiles.org
Wenn Ihnen gefällt, was Sie bei uns lesen, dann bitten wir Sie, uns zu unterstützen. ScienceFiles lebt weitgehend von Spenden. Helfen Sie uns, ScienceFiles auf eine solide finanzielle Basis zu stellen.
Wir haben drei sichere Spendenmöglichkeiten:

Donorbox

Unterstützen Sie ScienceFiles


Unsere eigene ScienceFiles-Spendenfunktion

Zum Spenden einfach klicken

Unser Spendenkonto bei Halifax:

ScienceFiles Spendenkonto: HALIFAX (Konto-Inhaber: Michael Klein):
  • IBAN: GB15 HLFX 1100 3311 0902 67
  • BIC: HLFXGB21B24

Print Friendly, PDF & Email
9 Comments

Bitte keine Beleidigungen, keine wilden Behauptungen und keine strafbaren Inhalte ... Wir glauben noch an die Vernunft!

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Entdecke mehr von SciFi

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen

Entdecke mehr von SciFi

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen