Gestern, als wir uns überlegt haben, was wir tun würden, wären wir König von Deutschland, gestern haben wir das WZB geschlossen. Und wir haben das DIW vergessen. Man kann gar nicht so viel König sein, wie man pseudo-wissenschaftliche Schwatzbuden schließen will…
In Erinnerung gebracht hat sich das DIW bei uns mit einer Predigt. Gehalten hat sie der Laienpastor Stefan Bach. Mit seiner Predigt macht er deutlich, warum es vielleicht keine gute Idee ist, wissenschaftliche Mitarbeiter aus der Abteilung “Staat” unbeaufsichtigt zu Wort kommen zu lassen.
Man mus den Anfang des kurzen Beitrags von Bach, der keinerlei empirische Grundlage hat, im Kontext des gesamten Beitrags würdigen, eines Beitrags, in dem von Steuerhinterziehern als Tätern die Rede ist und in dem für eine härtere Bestrafung von Steuerhinterziehern geworben wird, die den Zusammenhalt der Gemeinschaft schädigen:
Gefunden unter: “Menschen am DIW”
“Deutschlands Eliten sind nervös. Seit die Steueroasen in der Nachbarschaft trocken gelegt werden und der Fiskus sich nicht zu fein ist, in Kopfgeldjägermanier Konteninformationen aufzukaufen, müssen Zehntausende um ihre Entdeckung fürchten. Die Selbstanzeige vermeidet zwar die Bestrafung. Dafür zerstört die moralische Entrüstung Karrieren, bürgerliche Existenzen und öffentliche Ansehen. Prominente werden in den Medien an den Pranger gestellt.
Es gab selbst in Deutschland einmal eine Zeit, da wäre ein solcher vor Boshaftigkeit und Häme triefender Text nicht möglich gewesen. Da hätte sich derjenige, der sich zu dieser üblen Persiflage auf die Einleitung zum Kommunistischen Manifest hinreißen ließ, geschämt. Aber Scham ist ein Gefühl, das man in Deutschland 2014 vergeblich sucht, und mit der Scham ist der Anstand gewichen, und zwar einer mit Wissenschaft unvereinbaren Staatsdienlichkeit, einer Anbiederung an den Staat, die nicht einmal Heinrich Mann, der Autor des Untertan für möglich gehalten hat.
Und auf welcher Grundlage diese Form der Anbiederung wächst, zeigt sich, wenn Stefan Bach, der Laienprediger aus Berlin, vom “Breitensport der besseren Stände” schreibt, die “ihr Geld vor dem Fiskus verbergen”. Aber nun werden sie ja in “Kopfgeldjägermanier” gejagt, nicht ganz so, wie die Demonstranten aus der Ukraine, aber dennoch von “ihrem Staat”, der “die moralischen Standards” verschärft hat.
Offensichtlich ist das Denken von Stefan Bach in der Ständegesellschaft des Mittelalters stehen geblieben, und offensichtlich stellt das DIW mittlerweile Personen ein, die nicht einmal durch das erste Semester in Sozialstrukturanalyse gekommen sind und von der sozialen Struktur der Gesellschaft, deren Bürger zu belehren sie sich anschicken, keine Ahnung haben, sonst wüsste er, dass es seit der Industrialisierung keine Ständegesellschaft mehr gibt. Und kann man trotz aller Ahnungslosigkeit über die Sozialstruktur Deutschlands so dumm oder ideologisch verblendet sein, dass man den Widerspruch zwischen den Bürgern, die “ihr Geld vor dem Fiskus verbergen” und seiner Prämisse, dass ein Staat ein quasi natürliches Anrecht auf das Geld seiner Bürger habe, es entsprechend kein Eigentum als individuelles Verfügungsrecht geben kann, nicht bemerkt? Wie verquer muss man eigentlich denken, wenn man den Staat zu einem kollektiven Akteur in eigenem Recht macht, der eigene Entscheidungen über die Köpfe der Menschen hinweg trifft. Wie religiös besessen muss man sein?
Der Staat ist ebenso wenig existent wie Gott, Herr Bach. Der Staat ist eine Denkfigur. Es gibt ihn nicht. Es gibt Individuen, die sich der Figur des Staates bedienen, um ihre Interessen durchzusetzen. Und dann gibt es Gläubige, die entweder aus Schadenfreude oder aus Neid bereit sind, diejenigen, die sich als Staat gebähren, gewähren zu lassen, jedenfalls so lange sie in Kopfjägermanier andere verfolgen.
Oder wie es in der Talpredigt heißt:
“Niemand ist bekanntlich ohne Schuld. … In der Bibel heißt es: Im Himmel ist mehr Freude über einen reuigen Sünder als über 99 Gerechte. Das bedeutet für die Sünder konkret: Alles beichten, Demut und Reue zeigen, Buße tun und Besserung geloben. Dann kann verziehen werden, und die öffentliche Hysterie hat ein Ende”.
Wenden wir die Logik von Herrn Bach einmal auf ihn selbst an und fragen: Was ist erst mit den Selbstgerechten dieser Welt, die aus vermeintlich wissenschaftlichen Anstalten heraus anderen den richtigen Weg zum Heil predigen? Wenn wir einen Beitrag wie den von Stefan Bach lesen, einen Beitrag aus einer wissenschaftlichen Institution, die aus Steuergeldern finanziert wird, dann können wir nur sagen: Uns sind 99 Steuervermeider lieber als ein opportunistischer Staatsanbiederer, der sich in vorauseilendem Gehorsam anschickt, seine wissenschaftliche Illiteralität über die Welt zu ergießen. “Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte”, hat Max Liebermann gesagt, als er die Nazis dabei beobachtet hat, wie sie 1933 die Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler mit einem Triumpfmarsch durch das Brandenburger Tor gefeiert haben. Wir können uns Max Liebermann 81 Jahre später nur anschließen.
Am schlimmsten ist es jedoch, wenn Prediger wie Stefan Bach, die wohl eher einem Bernhard von Clairveaux nacheifern wollen, wenn sie zum Kreuzzug, im Fall von Stefan Bach zu einer härteren Bestrafung von Steuervermeidern aufrufen, als dass sie die Botschaft z.B. der Bergpredigt (wie war das noch einmal mit der Nächstenliebe) verstanden hätten, am schlimmsten ist es, wenn derartige Laienprediger von Moral schwadronnieren und feststellen:
“Sicher ist es ein gesellschaftlicher Fortschritt, dass Klüngel, Korruption, Durchstecherei, Plagiate, Sexismus, Mobbing oder (Steuer-)Betrug nicht mehr toleriert werden. Die Skandalisierung der Medienöffentlichkeit schreckt die Täter ab und stabilisert den sozialen Zusammenhalt. Denn Schadenfreude ist die schönste Freude, besonders wenn sie den Mächtigen gilt.”
Die Passage zeigt, dass Stefan Bach seinen Katechismus der politischen Korrektheit gut auswendig gelernt hat. Sie zeigt aber auch, dass moralische Reife nicht durch das Herbeten von Begriffen erreicht werden kann. Moralische Reife, die sich z.B. auch in Anstand niederschlägt, ist das Ergebnis von Charakter-Arbeit, wie dies u.a. Kant beschrieben hat. Wer sagt, “Ich bin aber gegen Sexismus”, der zeigt damit die Reife eines dreijährigen Kindes, das sich nicht einmal traut, zu hinterfragen, was ihm vorgegeben wird.
Was entsprechende Kinder in der Wissenschaft zu suchen haben, deren Aufgabe darin besteht, Vorgegebenes zu hinterfragen, ist eine Frage, auf die wir derzeit keine Antwort haben. Aber natürlich sich Anbiederungskünstler für Staaten sehr nützlich, denn sie treiben einen Keil durch die Gesellschaft. Ganz im Gegenteil zu dem, was sie behaupten, von wegen sozialem Zusammenhalt.
Wie stabilisiert man einen sozialen Zusammenhalt, wenn man Kopfjagd auf Steuervermeider macht? Wie stabilisiert man sozialen Zusammenhalt, wenn man Begriffe wie Sexismus oder Mobbing einsetzt, um bestimmte Verhaltensweisen zu brandmarken und Diskussionen zu ersticken, Begriffe, die sich abermals eignen, um große Teile der Bevölkerung auszugrenzen?
Derartiger Unsinn kommt dabei heraus, wenn sich Prediger in die Wissenschaft einschleichen und dort ihr Unwesen treiben. Anstatt darauf hinzweisen, dass die Forschung, die zeigt, dass Steueroasen den Staaten, aus denen die meisten Steuervermeider stammen, einen wirtschaftlichen Nutzen bringen, stetig zunimmt, fordern die Prediger: “Steueroasen auszutrocknen” (Einen guten Einstieg bieten die Arbeiten von Desai et al.). Anstatt darauf hinzuweisen, dass es für Angestellte der Verwaltung, die sich im Dienste ihres imaginierten Staates als Diebe und Hehler verdingen, kaum möglich ist, eine moralische Überlegenheit über Diebe und Hehler einzuklagen, befürworten Prediger die Kopfjagd, und anstatt zu fragen, was los ist, wenn Menschen ihr Geld lieber vor der doch so großartigen “Gemeinschaft” in Sicherheit bringen, predigen sie die Schadenfreude über deren öffentliche Hinrichtung.
Wer wissen will, warum die Sozialwissenschaft in Deutschland immer weniger eine Wissenschaft und immer mehr eine Anstalt ist, in der sich Opportunisten nach oben dienen wollen, der muss nur den Beitrag von Stefan Bach im DIW-Wochenbericht lesen.
Wir leben in erstaunlichen Zeiten. Die Steuerzahler finanzieren Institutionen wie das DIW, an denen Laienprediger offenbar mit dem Segen der Leitung des DIW den Bürgern, die sie finanzieren, sagen, wie sie sich zu verhalten haben und eher die Seite derer ergreifen, sie sich als Staatsmacht gerieren, als dass sie sich an ihre eigentliche Aufgabe erinneren. Die eigentliche Aufgabe von steuerfinanzierten wissenschaftlichen Institutionen wie dem DIW besteht darin, zunächst wissenschaftliche Erkenntnis zu produzieren und diese Erkenntnis dann einzusetzen, um die Akteure auf der Basis der empirischen Erkenntnisse zu kontrollieren und wenn nötig zu kritisieren, die von sich behaupten, für den Staat (und damit für die Bürger) zu arbeiten.
Literatur
Desai, Mihir, Foley, C. Fritz & Hines, James R., 2006: Do Tax Havens Divert Economic Activity? Economics Letters 90: 219-224.
Desai, Mihir A., Foley, C. Fritz & Hines, James R., 2005: The Demand for Tax Havens. Journal of Public Economics 90 (3): 513-531.
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Wir erleben “erstaunliche Zeiten”, schreiben Sie. Das ist die passende Gefühlsbeschreibung. Ich staune täglich, dass wir ob des glasklaren Weges in den totalitäter Sozialismus keine Kritik aus berufenem Munde hören, die diesem Spuk ein Ende bereiten könnte. Und ich fühle mich an Hermann Hesse erinnert, der zu Zeiten der Kriegsbegeisterung vor dem ersten Weltkrieg, die auch unter den Schriftstellern herrschte, einer der wenigen war, der seine Stimme dagegen erhob:
“Am 3. November 1914 veröffentlichte er in der Neuen Zürcher Zeitung den Aufsatz: O Freunde, nicht diese Töne, in dem er an die deutschen Intellektuellen appellierte, nicht in nationalistische Polemik zu verfallen. Was darauf folgte, bezeichnete Hesse später als eine große Wende in seinem Leben: Erstmals fand er sich inmitten einer heftigen politischen Auseinandersetzung wieder, die deutsche Presse attackierte ihn, Hassbriefe gingen bei ihm ein, und alte Freunde sagten sich von ihm los. Zustimmung erhielt er weiterhin von seinem Freund Theodor Heuss, dem späteren ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, …..”
Wo sind heute unsere kritischen Literaten von Weltruhm? Wo sind die Philosophen, die gehört werden? Wo sind die unabhängigen Freigeister, die die heutigen Fehlentwicklungen anprangern? Wir haben Heerscharen von Geisteswissenschaftlern ausgebildet und ich weigere mich, zu glauben, dass alle nur abhängige Duckmäuser geworden sein sollen?
Dieses Vakuum ist einfach nur entsetzlich.
Da die BRD 1990 im gleichen Maße wie die DDR bei der Vereinigung von West- u. Mitteldeutschland erloschen ist wäre es an der Zeit zu klären welcher nicht exitierende Staat oder hier Jagd auf seine Bürger macht. Da es sich hier nicht nur um einen imaginären sondern um einen sumulierten Staat handelt wäre auch der Frage nachzugehen inwiefern die Deutschen zur Abgabe von Steuren verpflichtet sind an etwas das augenscheinlich nicht existent ist.
Verstehe ich das jetzt richtig? Wollen Sie allen ernstes behaupten der Staat ist wäre eine Chimäre? Ein Blick auf ein beleibiges schreiben “ihres!” Finanzamtes könnte Sie besseres lehren.
Auch den Rest ihres Pamphletes verstehe ich nicht, Die geistig moralische Wende ist vollzogen (der Kurs konnte offensichtlich noch weiter nach unten gesetzt werden). Der Staat hat jeden Anstand verloren, ihm sind Sitte Anstand und Moral egal. Bei einer Abgabenquote von über 70% in den unteren Lohngruppen bei gleichzeitiger Mästung seiner Dealer (sog, Banken) muss es auch so sein. Erst kommt das fressen, dann die Moral.
Die tumben Zellen dieses maroden Organismus sind nach “wie der Herr so das Gscherr zu bewerten”. Wozu also diese Aufregung? Die Steuer für Propaganda und Speichelleckerei (von der ethisch-moralsichen Unterschicht Haushaltaufgabe o.ä. genannt) muss doch nun dem letzten klargemacht haben mit was er es zu tun hat,
Einem Feudalsystem dem alles andere egal ist. Virtuell ist daran nur die eigene Gehirnwäsche.
Auch den Rest ihres Pamphletes verstehe ich nicht.
Das ist der entscheidende Satz in Ihrem Kommentar. Vielleicht erschließt sich Ihnen der Grundgedanke, wenn Sie den Text noch einmal lesen, wahlweise können Sie auch ins Land gehen und von dort ein Kilo Staat mitbringen.
Übrigens ist es ein Widerspruch, wenn man etwas, das man nach eigenem Bekunden nicht verstanden hat, als Pamphlet bezeichnet, denn die entsprechende Bewertung setzt Verständnis voraus.
Unfreiheit besteht darin, dass Individuen nicht willens sind, ihre individuelle Freiheit zur Kenntnis zu nehmen. Lieber nehmen Sie die Existenz eines Staates an, als dass Sie das Recht von Lieschen Müller vom Finanzamt in Frage stellen, 25,70 Euro Werbekosten zu streichen.
Mein erster Impuls war, Ihnen so zu begegnen wie Sie uns und Ihnen zu antworten: „Wollen Sie im Ernst behaupten, Ihnen sei Person und Gestalt des Staates leibhaftig erschienen?“ und weiter bemerken, dass ich Ihren für Sie psychologisch erleichternden Erguss in Kommentarform nicht verstehe, aber ich will Ihnen zugutehalten, dass Ihnen das/diese Art zu D/denken, wie sie dem von Ihnen kommentierten Text zugrundeliegt, vielleicht einfach ungewohnt ist. Also versuche ich es einmal wie folgt:
Niemand bekommt irgendwelche Schreiben von einem Finanzamt, denn es gibt kein Amt, und selbst, wenn Sie das bestreiten, werden Sie zugestehen müssen, dass ein Amt keine Hände und Finger hat und schon deshalb nicht schreiben kann. Wer schreibt, ist ein Mensch, oder es ist ein Mensch, der den Computer das Standardschreiben ausdrucken lässt, das wieder ein anderer Mensch oder er selbst verfasst und in ein Textverarbeitungsprogramm auf der Maschine eingegeben hat. Und dann gibt es noch Menschen, die bereit sind, diese Schreiben, die angeblich von einem Amt kommen, tatsächlich aber nur von einem ihrer Mitmenschen produziert und Ihnen zugemutet wurde, einzutüten und zu verschicken….
Diese Leute verdienen ihren Lebensunterhalt mit diesen Handlungen, und deshalb haben sie ein Interesse daran, Amt zu spielen. Und die Illusion wird mit allen möglichen, teilweise sehr primitiven Mitteln, aufrechterhalten, z.B. wenn die Schreiben, die Sie “vom Amt” erhalten, nicht mehr namentlich von einem Sachbearbeiter unterzeichnet werden, so als wäre das Schreiben an Sie sozusagen von einem übermenschlichen Absender. Das ist natürlich albern, aber anscheinend reicht es, um bei einigen Leuten die Illusion entstehen zu lassen, sie könnten nicht anrufen und dem Menschen am anderen Ende sagen, was sie von seinem Verhalten ihm gegenüber halten.
Für alle anderen Bürger, die nicht direkte Nutznießer des Spiels “Amt” sind, stellt sich die Frage, was sie denn davon haben sollten, wenn sie mitspielen und so tun, als gäbe es das Amt. D.h. wer Amt spielen will oder Staat, der muss den anderen erklären, warum sie mitspielen sollen. Wenn den Bürgern eingetrichtert werden kann, dass es das Amt oder den Staat halt einfach gebe und sie hätten sich damit abzufinden, dann ist eine solche Erklärung nicht mehr nötig, und diejenigen, die mit der Aufführung des Stückes “Staat” Geld verdienen, können nach Belieben verfahren.
Oder wie Antonio Gramsci schreibt:
“… it is the bureaucracy – i.e. the crystallisation of the leading personnel – which exercises coercive power, and at a certain point it becomes a caste” (Gramsci 2008: 77).
Und deshalb ist es so wichtig, dass Menschen ihre soziale Ordnung dauerhaft kritisch beobachten und nach ihrer Legtimation fragen. Das Stück “Staat” ist nur eine einzige der vielen, vielen Möglichkeiten, nach denen Menschen ihr Zusammenleben organisieren können, und während des allergrößten Zeitraums der Menschheitsgeschichte hat es auch keine Aufführung mit dem Titel “Staat” gegeben (und niemand hat sie vermisst), und sie wird sicher nicht das Endstadium der Entwicklung sozialer Ordnungen von Menschen sein. Ohnehin werden die meisten für die Lebensrealität der Menschen relevanten Dinge nach wie vor relativ regional entschieden und organisiert. Es ist kein Zufall, dass “der Staat” mangels realer Aufgaben seine Hauptfunktion darin sieht, Ideologien zu verbreiten und Bevölkerungen (um) zu erziehen, oder in den Worten von Phil Abrams:
“The internal and external relations of political and governmental institutions (the state-system) can be studied effectively without postulating the reality of the state. So in particular can their involvement with economic interests in an overall complex of domination and subjection. But studies proceeding in that way invariably discover a third mode, dimension or region of domination – the ideological. And the particular function of the ideological is to mis-represent political and economic domination in ways that legitimate subjection” (Abrams 2008: 122).
In einem anderen Kommentar und in Reaktion auf einen anderen Kommentatoren habe ich das Folgende geschrieben, was hier vielleicht wert ist, wiederholt zu werden:
“Was den Staat betrifft, so ist er ein Konstrukt, auf das sich Leute geeinigt haben, und durch bestimmte Handlungen und Redeweisen tun sie so, als gäbe es das Konstrukt in der Realität. Sie kennen den Spruch “Stell’ Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin” – dann gibt es keinen Krieg, auch dann, wenn irgendein Hansel meinte, er müsste einem anderen Hansel erzählen, dass er eine Entität namens “Staat” repräsentiere und dieselbe durch ihn gerade Krieg erklärt habe. Äquivalent hierzu lässt sich formulieren: “Stell’ Dir vor, es soll Staat gespielt werden, aber keiner will die Rolle des Finanzbeamten oder des Familienministers oder …. spielen” – dann fällt die Aufführung des Stückes “Staat” schlicht aus, oder schlicht ausgedrückt: dann gibt es keinen Staat.
Das ist der Punkt: Alles, was keine physische Realität hat, ist ein Konstrukt, und Konstrukte werden von Menschen in eine Art virtuelle Realität überführt, indem sie so reden oder handeln als hätten diese Konstrukte eine reale Existenz.
Es ist Aufgabe der Sozialwissenschaften herauszuarbeiten, wie solche Konstrukte entstehen und für das reale Leben realer Menschen in ihren realen Interaktionen miteinander relevant oder irrelevant gemacht werden.”
Literatur:
Abrams, Philip, 2008: Notes on the Difficulty of Studying the State, pp. 112-130 in: Sharma, Aradhana & Gupta, Akhil (eds.): The Anthropology of the State: A Reader. Oxford: Blackwell.
Gramsci, Antonio, 2008: State and Civil Society, pp. 71-85 in: Sharma, Aradhana & Gupta, Akhil (eds.): The Anthropology of the State: A Reader. Oxford: Blackwell.
Und:
eine m.E. wirklich informative Darstellung der historischen Entwicklung der Idee des Nationalstaates bietet der Historiker:
Anderson, Benedict, 2006: Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London: Verso.
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Wir erleben “erstaunliche Zeiten”, schreiben Sie. Das ist die passende Gefühlsbeschreibung. Ich staune täglich, dass wir ob des glasklaren Weges in den totalitäter Sozialismus keine Kritik aus berufenem Munde hören, die diesem Spuk ein Ende bereiten könnte. Und ich fühle mich an Hermann Hesse erinnert, der zu Zeiten der Kriegsbegeisterung vor dem ersten Weltkrieg, die auch unter den Schriftstellern herrschte, einer der wenigen war, der seine Stimme dagegen erhob:
“Am 3. November 1914 veröffentlichte er in der Neuen Zürcher Zeitung den Aufsatz: O Freunde, nicht diese Töne, in dem er an die deutschen Intellektuellen appellierte, nicht in nationalistische Polemik zu verfallen. Was darauf folgte, bezeichnete Hesse später als eine große Wende in seinem Leben: Erstmals fand er sich inmitten einer heftigen politischen Auseinandersetzung wieder, die deutsche Presse attackierte ihn, Hassbriefe gingen bei ihm ein, und alte Freunde sagten sich von ihm los. Zustimmung erhielt er weiterhin von seinem Freund Theodor Heuss, dem späteren ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, …..”
Wo sind heute unsere kritischen Literaten von Weltruhm? Wo sind die Philosophen, die gehört werden? Wo sind die unabhängigen Freigeister, die die heutigen Fehlentwicklungen anprangern? Wir haben Heerscharen von Geisteswissenschaftlern ausgebildet und ich weigere mich, zu glauben, dass alle nur abhängige Duckmäuser geworden sein sollen?
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oh, sorry, Zitat Hesse ist aus Wikipedia.
http://www.cicero.de/salon/geschlechterdebatte-der-mann-der-ewige-taeter/57177
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article125545098/Die-jungen-Frauen-von-heute-sind-Angstweibchen.html
Sorry OT, aber wird Sie interessieren.
Da die BRD 1990 im gleichen Maße wie die DDR bei der Vereinigung von West- u. Mitteldeutschland erloschen ist wäre es an der Zeit zu klären welcher nicht exitierende Staat oder hier Jagd auf seine Bürger macht. Da es sich hier nicht nur um einen imaginären sondern um einen sumulierten Staat handelt wäre auch der Frage nachzugehen inwiefern die Deutschen zur Abgabe von Steuren verpflichtet sind an etwas das augenscheinlich nicht existent ist.
Verstehe ich das jetzt richtig? Wollen Sie allen ernstes behaupten der Staat ist wäre eine Chimäre? Ein Blick auf ein beleibiges schreiben “ihres!” Finanzamtes könnte Sie besseres lehren.
Auch den Rest ihres Pamphletes verstehe ich nicht, Die geistig moralische Wende ist vollzogen (der Kurs konnte offensichtlich noch weiter nach unten gesetzt werden). Der Staat hat jeden Anstand verloren, ihm sind Sitte Anstand und Moral egal. Bei einer Abgabenquote von über 70% in den unteren Lohngruppen bei gleichzeitiger Mästung seiner Dealer (sog, Banken) muss es auch so sein. Erst kommt das fressen, dann die Moral.
Die tumben Zellen dieses maroden Organismus sind nach “wie der Herr so das Gscherr zu bewerten”. Wozu also diese Aufregung? Die Steuer für Propaganda und Speichelleckerei (von der ethisch-moralsichen Unterschicht Haushaltaufgabe o.ä. genannt) muss doch nun dem letzten klargemacht haben mit was er es zu tun hat,
Einem Feudalsystem dem alles andere egal ist. Virtuell ist daran nur die eigene Gehirnwäsche.
Das ist der entscheidende Satz in Ihrem Kommentar. Vielleicht erschließt sich Ihnen der Grundgedanke, wenn Sie den Text noch einmal lesen, wahlweise können Sie auch ins Land gehen und von dort ein Kilo Staat mitbringen.
Übrigens ist es ein Widerspruch, wenn man etwas, das man nach eigenem Bekunden nicht verstanden hat, als Pamphlet bezeichnet, denn die entsprechende Bewertung setzt Verständnis voraus.
Unfreiheit besteht darin, dass Individuen nicht willens sind, ihre individuelle Freiheit zur Kenntnis zu nehmen. Lieber nehmen Sie die Existenz eines Staates an, als dass Sie das Recht von Lieschen Müller vom Finanzamt in Frage stellen, 25,70 Euro Werbekosten zu streichen.
Mein erster Impuls war, Ihnen so zu begegnen wie Sie uns und Ihnen zu antworten: „Wollen Sie im Ernst behaupten, Ihnen sei Person und Gestalt des Staates leibhaftig erschienen?“ und weiter bemerken, dass ich Ihren für Sie psychologisch erleichternden Erguss in Kommentarform nicht verstehe, aber ich will Ihnen zugutehalten, dass Ihnen das/diese Art zu D/denken, wie sie dem von Ihnen kommentierten Text zugrundeliegt, vielleicht einfach ungewohnt ist. Also versuche ich es einmal wie folgt:
Niemand bekommt irgendwelche Schreiben von einem Finanzamt, denn es gibt kein Amt, und selbst, wenn Sie das bestreiten, werden Sie zugestehen müssen, dass ein Amt keine Hände und Finger hat und schon deshalb nicht schreiben kann. Wer schreibt, ist ein Mensch, oder es ist ein Mensch, der den Computer das Standardschreiben ausdrucken lässt, das wieder ein anderer Mensch oder er selbst verfasst und in ein Textverarbeitungsprogramm auf der Maschine eingegeben hat. Und dann gibt es noch Menschen, die bereit sind, diese Schreiben, die angeblich von einem Amt kommen, tatsächlich aber nur von einem ihrer Mitmenschen produziert und Ihnen zugemutet wurde, einzutüten und zu verschicken….
Diese Leute verdienen ihren Lebensunterhalt mit diesen Handlungen, und deshalb haben sie ein Interesse daran, Amt zu spielen. Und die Illusion wird mit allen möglichen, teilweise sehr primitiven Mitteln, aufrechterhalten, z.B. wenn die Schreiben, die Sie “vom Amt” erhalten, nicht mehr namentlich von einem Sachbearbeiter unterzeichnet werden, so als wäre das Schreiben an Sie sozusagen von einem übermenschlichen Absender. Das ist natürlich albern, aber anscheinend reicht es, um bei einigen Leuten die Illusion entstehen zu lassen, sie könnten nicht anrufen und dem Menschen am anderen Ende sagen, was sie von seinem Verhalten ihm gegenüber halten.
Für alle anderen Bürger, die nicht direkte Nutznießer des Spiels “Amt” sind, stellt sich die Frage, was sie denn davon haben sollten, wenn sie mitspielen und so tun, als gäbe es das Amt. D.h. wer Amt spielen will oder Staat, der muss den anderen erklären, warum sie mitspielen sollen. Wenn den Bürgern eingetrichtert werden kann, dass es das Amt oder den Staat halt einfach gebe und sie hätten sich damit abzufinden, dann ist eine solche Erklärung nicht mehr nötig, und diejenigen, die mit der Aufführung des Stückes “Staat” Geld verdienen, können nach Belieben verfahren.
Oder wie Antonio Gramsci schreibt:
“… it is the bureaucracy – i.e. the crystallisation of the leading personnel – which exercises coercive power, and at a certain point it becomes a caste” (Gramsci 2008: 77).
Und deshalb ist es so wichtig, dass Menschen ihre soziale Ordnung dauerhaft kritisch beobachten und nach ihrer Legtimation fragen. Das Stück “Staat” ist nur eine einzige der vielen, vielen Möglichkeiten, nach denen Menschen ihr Zusammenleben organisieren können, und während des allergrößten Zeitraums der Menschheitsgeschichte hat es auch keine Aufführung mit dem Titel “Staat” gegeben (und niemand hat sie vermisst), und sie wird sicher nicht das Endstadium der Entwicklung sozialer Ordnungen von Menschen sein. Ohnehin werden die meisten für die Lebensrealität der Menschen relevanten Dinge nach wie vor relativ regional entschieden und organisiert. Es ist kein Zufall, dass “der Staat” mangels realer Aufgaben seine Hauptfunktion darin sieht, Ideologien zu verbreiten und Bevölkerungen (um) zu erziehen, oder in den Worten von Phil Abrams:
“The internal and external relations of political and governmental institutions (the state-system) can be studied effectively without postulating the reality of the state. So in particular can their involvement with economic interests in an overall complex of domination and subjection. But studies proceeding in that way invariably discover a third mode, dimension or region of domination – the ideological. And the particular function of the ideological is to mis-represent political and economic domination in ways that legitimate subjection” (Abrams 2008: 122).
In einem anderen Kommentar und in Reaktion auf einen anderen Kommentatoren habe ich das Folgende geschrieben, was hier vielleicht wert ist, wiederholt zu werden:
“Was den Staat betrifft, so ist er ein Konstrukt, auf das sich Leute geeinigt haben, und durch bestimmte Handlungen und Redeweisen tun sie so, als gäbe es das Konstrukt in der Realität. Sie kennen den Spruch “Stell’ Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin” – dann gibt es keinen Krieg, auch dann, wenn irgendein Hansel meinte, er müsste einem anderen Hansel erzählen, dass er eine Entität namens “Staat” repräsentiere und dieselbe durch ihn gerade Krieg erklärt habe. Äquivalent hierzu lässt sich formulieren: “Stell’ Dir vor, es soll Staat gespielt werden, aber keiner will die Rolle des Finanzbeamten oder des Familienministers oder …. spielen” – dann fällt die Aufführung des Stückes “Staat” schlicht aus, oder schlicht ausgedrückt: dann gibt es keinen Staat.
Das ist der Punkt: Alles, was keine physische Realität hat, ist ein Konstrukt, und Konstrukte werden von Menschen in eine Art virtuelle Realität überführt, indem sie so reden oder handeln als hätten diese Konstrukte eine reale Existenz.
Es ist Aufgabe der Sozialwissenschaften herauszuarbeiten, wie solche Konstrukte entstehen und für das reale Leben realer Menschen in ihren realen Interaktionen miteinander relevant oder irrelevant gemacht werden.”
Literatur:
Abrams, Philip, 2008: Notes on the Difficulty of Studying the State, pp. 112-130 in: Sharma, Aradhana & Gupta, Akhil (eds.): The Anthropology of the State: A Reader. Oxford: Blackwell.
Gramsci, Antonio, 2008: State and Civil Society, pp. 71-85 in: Sharma, Aradhana & Gupta, Akhil (eds.): The Anthropology of the State: A Reader. Oxford: Blackwell.
Und:
eine m.E. wirklich informative Darstellung der historischen Entwicklung der Idee des Nationalstaates bietet der Historiker:
Anderson, Benedict, 2006: Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London: Verso.