Die Logik des Misslingens: Dummheit gepaart mit Opportunismus

Vor einiger Zeit haben wir auf ScienceFiles eine Studie untersucht, die ihrerseits anonyme Bewerbungen als Methode gegen Diskriminierung untersucht hat. Selbstverständlich kam die Studie zu einem positiven Ergebnis, schließlich war die Antidiskriminierungsstelle Auftraggeber der Studie, die von der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt an der Europa-Universität Viadrina durchgeführt wurde. Und wer zahlt, bestimmt bekanntlich. Entsprechend verkündet die Antidiskriminierungsstelle gestützt auf die vermeintlich wissenschaftliche Studie:

“Ein kurzer Blick auf Namen, Geschlecht oder Alter reicht oft, um eine Bewerbung auszusortieren. Beim anonymisierten Bewerbungsverfahren wird auf Angaben wie Name, Geburtsdatum oder Herkunft verzichtet, so dass ausschließlich die Qualifikation der Bewerbenden zählt. So werden nachweislich die Chancen insbesondere für Frauen oder auch Menschen mit Migrationshintergrund auf eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhöht.”

logo_anonymisierteBewerbungenDiese Behauptungen hätte man seitens der Antidiskriminierungsstelle auch aufgestellt, wäre das Gegenteil bei der Auftragsstudie herausgekommen, eine Behauptung, die leicht belegt werden kann, denn: Es ist das Gegenteil herausgekommen. Betrachtet man die Ergebnisse mit den Augen eines Wissenschaftlers und nicht mit den Augen dessen, der von der Antidiskriminierungsstelle beauftragt und bezahlt wurde, dann zeigen sich folgende Effekte:

  • Anonyme Bewerbungen haben den Effekt, dass weniger Bewerber eingeladen werden als dies bei nicht anonymisierten Bewerbungen der Fall ist (es werden also Kosten gespart – an sich gut);
  • Anonymisierte Bewerbungen haben keinerlei Effekt auf die Wahrscheinlichkeit von Frauen, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, aber sie haben einen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit von Männern, und zwar einen negativen;
  • Anonymisierte Bewerbungen reduzieren die Wahrscheinlichkeit für Migranten, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden.

Unser abschließendes Votum zu dieser angeblichen Studie von der Viadrina Universität in Frankfurt an der Oder lautet wie folgt:

Die methodische Unbedarfheit, die die Autoren der Studie an den Tag legen, grenzt an Ignoranz und die Interpretation der Ergebnisse an Betrug oder kollektives Halluzinieren. Das ganze Machwerk ist eine Schande für die Gemeinde der empirischen Sozialforscher.

Aber, ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert, so lautet wohl das Motto der Viadrina Universität in Frankfurt an der Oder, die sich nicht nur als Produzent dieses herausragenden Beleges für Wissenschafts-Junk verdient gemacht hat, sondern den Ladenhüter anonymisierter Bewerbungen, weil es sonst scheinbar niemand machen will, nunmehr auch als “erste Hochschule bundesweit” in die Tat umsetzt:

“Menschen mit Migrationshintergrund oder Handicap, Frauen und ältere Arbeitnehmer: Auf der Suche nach einem attraktiven Arbeitsplatz fühlen sie sich häufig benachteiligt. Die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) zeigt nun, dass es aus Arbeitgebersicht auch anders gehen kann: Als erste Hochschule bundesweit erprobt sie, wie anonymisierte Bewerbungen – ohne Angabe des Namens, Alters, Geschlechts und der Nationalität – eingesetzt werden können. „Ziel der Viadrina ist es, die Auswahlverfahren garantiert diskriminierungsfrei zu gestalten und jeder Bewerberin und jedem Bewerber die gleiche Chance auf eine Einstellung zu ermöglichen“, sagte Viadrina-Präsident Dr. Gunter Pleuger zum Auftakt des Projekts. Angewandt wird das anonymisierte Bewerbungsverfahren für alle Stellen in der gesamten Verwaltung.”

Anonymer-LebenslaufWelche noble Gesinnung doch an der Viadrina Universität herrscht, eine noble Gesinnung, die an die Stelle wissenschaftlicher Kenntnisse, Methoden und entsprechend valider Forschung getreten zu sein scheint. Die Viadrina geht voran: um zu verhindern, dass sich Bewerber diskriminiert fühlen, werden Bewerbungen nur noch anonym geprüft, universitätsweit, naja, fast: universitätsverwaltungsweit. Ab sofort garantiert die Viadrina diskriminierungsfreie Bewerbungsverfahren, das sind große, fast großspurige Worte, insbesondere wenn damit Gefühle bei Bewerbern, die sich regelmäßig dem direkten Zugriff der Arbeitgeber entziehen, adressiert werden. Aber, wer nun denkt, die noble Geste und die großen Worte seien aufgeblasene Symbolik ohne Wert, ein weiterer Versuch einer Universität in der Diaspora zumindest verbal zur Gemeinde der Wissenschaft zu gehören, der muss sich belehren lassen, denn, wie man der Pressemitteilung der Viadrina-Universität entnehmen kann:

“Anonymisierte Bewerbungen verteilen die Chancen gerechter, wie ein Modellprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) im Jahr 2012 gezeigt hat. Zudem schaffen sie Transparenz im Auswahlverfahren. Durch den Verzicht auf persönliche Angaben wird im Bewerbungsprozess der Blick auf Eignung und Qualifikation gelenkt.”

Ach ja, das Modellprojekt der Antidiskriminierungsstelle ist kein anderes als die Studie der Viadrina Universität, von der wir eingangs berichtet haben. Modellprojekt klingt natürlich besser, und tatsächlich haben sich ja L’Oreal, die Deutsche Telekom, die Deutsche Bundespost und das Ministerium für FSFJ an diesem Modellprojekt beteiligt, die Riege der Musterschüler also, die immer schon lachen und jubeln, bevor die Pointe der Geschichte erzählt ist. Beteiligt meint in diesem Fall, die Unternehmen und das Ministerium haben die Daten bereitgestellt, die an der Viadrina Universität mit einer ganz eigenen methodischen Interpretation, die man auch methodische Unkenntnis nennen kann, ausgewertet wurden.

Ganz nebenbei erfährt man, dass an der Viadrina Universität in Frankfurt an der Oder Qualifikation nicht zu den persönlichen Angaben gezählt wird und wohl als eine Form sozialisierten Gemeinguts beansprucht wird. Das erklärt dann vermutlich den Ruf, den die Viadrina in der Wissenschaftswelt nicht erarbeitet, aber doch für das, was sich dort geleistet wird, erhalten hat.

Logik des MisslingensWenn es darum geht, Gutes zu tun, dann sind Gutmenschen eben nicht zu stoppen, auch nicht durch Fakten, die zeigen, dass ihr Tun zwar ihrer Psyche Gutes tun mag, ansonsten aber bestenfalls effektlos, schlimmstenfalls schädlich ist. Die Guttuer leben in der Welt der Intention. Negative Effekte ihres Guttuns sind der Kollateralschaden, der in Kauf genommen wird, um das eigene Wohlbefinden zu begründen, die eigene Gutheits-Grandeur zur Schau zu stellen. Symbolik ist auf dem Feld der Gutmenschen das A und O, Fakten die störenden Variablen, die man besser ignoriert. Und überhaupt: Wo gehobelt wird, da fallen eben Späne – man soll eben nicht so puristisch sein und am Ende noch Steuergelder, die vergeudet werden, oder Fetische, die an die Stelle von Realität gesetzt werden, bejammern. Es lebe die Intention, Gutes zu tun. Was daraus folgt, ist unerheblich.

Aber eines muss man den Gutmenschen lassen, sie haben ein Potential zur Erheiterung ihrer Umwelt. Um unseren Lesern zum Abschluss dieses Posts auch ein bischen Spass zu gönnen, hier ein Muster von der Antidiskriminierungsstelle, das zeigt, wie man ein Anschreiben schwärzt, um denjenigen, die es lesen, das Erraten des Geschlechts des Bewerbers so einfach wie möglich zu machen – dummerweise haben deutsche Wörter unterschiedliche Anzahlen von Buchstaben, die zeitweise alles offenbaren, was man eigentlich geheimhalten wollte. Aber, wie gesagt, es geht nicht um das, was ist, sondern um das, was intendiert ist, um denjenigen, die es intendieren, ein psychologisches Hochgefühl zu verschaffen, und es ihnen zu ermöglichen, sich als guter Mensch in ihrer Sicht und als … [bitte durch Leser per Kommentar füllen] aus Sicht der anderen zu präsentieren.

Hier also das Schwärzungsmuster, das an ihre Frau Exzellenz gerichtet ist, vermutlich von Frau Hausbacken-Unterwurf. Das Muster-Anschreiben stammt nicht aus dem deutschen Kaiserreich. Wer auch immer es erstellt hat, scheint jedoch in den Zeiten zu schwelgen, in denen der Plebs vom Adel unterschieden wurde und die Anrede “Ihre Exzellenz” zumindest normaler war als heute.

ADS_Muster_Schwarz

Nachtrag

Falls sich jemand wundert, dass die anonymisierten Bewerbungen, die angeblich so effektiv im Verhindern von Diskriminierung sind, nur für Einstellungen innerhalb der Verwaltung der Viadrina Universität gelten und entsprechend für wissenschaftliche Positionen weiterhin eine Diskriminierung nach Geschlecht, Herkunft und was auch immer in Kauf genommen wird, dem sei gesagt, die Auslassung hat System. Der ganze Zweck des Professorinnenprogramms stünde ja in Gefahr, wenn man nicht sicher sein kann, einen weiblichen Bewerber zu wählen. Am Ende wählt man einen männlichen Bewerber und die ganze schöne Finanzierung durch BMBF und Kultusministerium ist dahin. Nein, Diskriminierung ist dann, wenn es um wissenschaftliche Positionen geht, gewünscht. Folglich haben noble Gesten da ihre Grenzen, wo es an die gewünschte Form von Diskriminierung geht, wie dies ja auch an Schulen der Fall ist, an denen anscheinend noch niemand außer uns auf die Idee gekommen ist, die Lehrerleistung und Schülerbewertung unabhängig und anonymisiert prüfen zu lassen.

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