Deutsche Stummheit 2015: Bigotterie trifft politische Korrektheit

Wenn die nach-moderne Kultur, von der wir schon einmal geschrieben haben, irgend etwas auszeichnet, dann ist es die Weigerung der Akteure, die sich in Positionen und damit hierarchisch übergeordnet wähnen, mit denen, die aus ihrer Sicht unter ihnen anzusiedeln sind, zu reden. An die Stelle des Dialogs zwischen Personen unterschiedlicher Meinung tritt entweder die Beschimpfung dessen, der es wagt, einen Positionsinhaber zu kritisieren oder die symbolische Politik, mit der ein Zeichen gegen den Kritiker gesetzt werden soll, er quasi symbolisch fern-diskreditiert werden soll.

Miteinander redenDas für uns faszinierende an diesem Prozess ist, dass er sich durch alle öffentlichen Institutionen zieht. Politiker reden nicht mit ihren Kritikern, verweigern den Dialog mit denen, die sich gegen das, was Politiker für richtig (oder opportun) halten, wenden und diskreditieren die entsprechenden Bürger, in denen sie eigentlich Teile des Volkssouverän sehen sollten.

Amtsinhaber, die in öffentlichen Verwaltungen entsprechende Jobs ausüben, verweigern jede Form des Gesprächs mit Personen, die ihre Institution kritisieren oder gar darauf hinweisen, dass an ihrer Institution offen zu Straftaten aufgerufen wird.

Und wo früher der Sachbearbeiter namentlich für einen Brief verantwortlich zeichnete, antwortet heute entweder niemand mehr oder das Amt (oder das Team).

Es ist nicht weit her, mit der Gesprächsbereitschaft in Deutschland, und der vielleicht markanteste Ausdruck dieser neuen Stummheit besteht darin, dass Wissenschaftler, die einst dazu da waren, gesellschaftliche Entwicklungen zu analysieren und auf Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen, vor allem dadurch auffallen, dass Sie sich zu Vasallen fremder Interessen instrumentalisieren lassen, und zwar bereitwillig.

So findet sich kein uns bekannter deutscher Politikwissenschaftler, der an der Art und Weise, wie es machen Interessenvertretern in Deutschland gelingt, die Mehrheit nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen, etwas zu kritisieren findet. Geschweige denn, dass sich ein Soziologe fände, der die administrativen Machtstrukturen, die die neue Schweigsamkeit in Deutschland erst ermöglichen, kritisieren würde.

Die Sozialwissenschaften üben sich in symbolischer Politik, in Schweigsamkeit und haben einen Pakt geschlossen, der Kritik am politisch Korrekten ausschließt und Kritiker sanktioniert.

Dass man dann, wenn man zwei Herren dienen will, sich einerseits und in erster Linie als staatstreu erweisen will, sich andererseits aber weiterhin mit dem Mantel der Wissenschaft, also der Suche nach Erkenntnis, die zuweilen auch unliebsame Wahrheiten zu Tage befördert, schmücken will, dass man dann zuweilen bigott daher kommt, ist eine Zwangsläufigkeit der unterschiedlichen Ansprüche, die die beiden Herren an den Untergebenen stellen: Wo wissenschaftliche Erkenntnis Ehrlichkeit und Standhaftigkeit verlangt, da verlangt der politische Herr Lüge und symbolische Politik.

Dass dem so ist, hat Jan-Hendrik Olbertz gerade dadurch deutlich gemacht, dass er das Licht der Humboldt Universität abgedreht hat, um 17.00 Uhr und gestern, am 26. Januar. Warum? Weil ein paar 1000 Bürger unter den Linden und an der Humboldt Universität vorbeigezogen sind, die etwas zu kritisieren haben und sich “Bärgida” nennen.

In einer Demokratie wäre es nun üblich, mit den Kritikern einen Dialog zu eröffnen, und zwar ungeachtet davon, was man von ihren Kritikpunkten hält. Dies gebietet nicht nur der Anstand und die Tatsache, dass es sich um mehrere 1000 demonstrierende Souveräne und Wahlbürger handelt, sondern auch das schlichte rationale Kalkül, denn wie will man moralische Überlegenheit demonstrieren oder – ein etwas abseitiger Gedanke, der in Demokratien dennoch recht aktuell ist – die Kritiker von der Unhaltbarkeit ihrer Kritik überzeugen, wenn man nicht mit ihnen redet?

Offensichtlich muss man schließen, dass es nicht darum geht, mit den Kritikern zu reden, sondern darum, sie symbolisch auszuschließen und damit natürlich auf eine billige Art und Weise, die einerseits den Kontakt mit diesen Subjekten, die man am liebsten aus der Gattung “Deutsch” ausschließen würde, verunmöglicht, andererseits diesen Ausschluss und den Unwert der Kritiker sehr deutlich macht. Also schaltet man ihnen symbolisch das Licht ab, lässt sie im Dunkeln stehen und macht damit deutlich: Ihr seid weder meine Aufmerksamkeit wert noch die öffentlichen Ressourcen, die an der Humboldt Universität an einem normalen Tag und oft vollkommen sinnlos verprasst werden.

Und weil symbolische Politik, wie das Ausschalten des Lichtes, interpretationsbedürftig ist, gibt es eine Presseerklärung, an die gute Presse, nicht an die bösen demonstrierenden Kritiker, in der man die eigene und sich selbst zugeschriebene Überlegenheit in Worte fasst:

Prof-Dr-Jan-Hendrik-Olbertz“Jan-Hendrik Olbertz: ‘Die Humboldt-Universität zu Berlin ist offen, tolerant und demokratisch. Internationalität und die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Meinungen sind für Erkenntnisprozesse und neue Ideen in Forschung und Lehre unabdingbar. Deshalb schalten wir während der Demonstration der Bärgida heute die Beleuchtung der Humboldt-Universität ab und setzen damit ein Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.”

Heuchelei und Bigotterie sind ständige Begleiter derjenigen, die versuchen, sich bei Politik und Verwaltung Liebkind zu machen und dennoch als Wissenschaftler zu erscheinen. Dass die Humboldt Universität eine Universität ist, an der Toleranz und Demokratie hochgehalten werden, kann man kaum behaupten, wenn man gerade demonstriert, dass man die Kritiker von der Bärgida weder toleriert noch dem demokratischen Grundanstand würdig sieht, der sich Dialog nennt.

Dass man in solchen Situationen einer expressiven Bigotterie auch Unsinn erzählt, wird am Zusammenhang zwischen Vielfalt der Kulturen, Religionen, Meinungen und Erkenntnisprozess deutlich, den Olbertz hier beschreibt. Soll man das so verstehen, dass bestimmte Erkenntnisse nur von bestimmten Angehörigen ethnischer Gruppen erzielt werden können, so, dass bestimmten Religionen bestimmte Erkenntnisse zufallen, während sie anderen Religionen verschlossen bleiben?

Der Unsinn, den der Präsident der Humboldt Universität hier redet (oder seine rassistischen Anwandlungen), hat (haben) seine (ihre) Ursache in seinem Kollektivismus, denn es sind nicht Religion, Kultur oder Meinungen, die Erkenntnis produzieren, sondern Individuen, und weil dem so ist, sind Religion, Kultur und Meinungen vollkommen egal, sie spielen im Erkenntnisprozess überhaupt keine Rolle.

Sie sind so egal, wie es dem Präsidenten der Humboldt Universität, Olbertz, egal ist, dass er an seiner Universität nicht nur ein Agitationszentrum für die Neuauflage von Marxismus-Leninismus in seiner primitiven Variante des Genderismus beherbergt, sondern auch ein Profx, das zu Straftaten aufruft. Sie sind so egal, wie es Jan-Hendrik Olberts egal ist, ob er in seiner ganzen Bigotterie für alle sichtbar wird, in einer Bigotterie, die unterschiedliche Gefallens- (Bärgida, gefällt mir nicht, Profx gefällt mir) und vor allem Wertmaßstäbe (Bärgidateilnehmer sind mir keines Wortes wert, d.h. des Dialogs unwert, aber mein Profx, das lass’ ich mir nicht nehmen) anlegt, ganz wie es den staatlichen Vorgaben, denen Olbertz marionettenhaft huldigt, gefällt.

Bildnachweis:
Prof-Dr-Jan-Hendrik-Olbertz 2014“ von BaertelsEigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

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