Die Politikwissenschaft lebt
Politikwissenschaft ist nicht nur Werner J. Patzelt, auf dessen Schultern die ganze Last der Außenwirkung der deutschen Politikwissenschaft zu ruhen scheint.
Aber es scheint nur so, denn es gibt sogar eine Deutsche Gesellschaft für Politikwissenschaft, ein etwas ergrauter und altehrwürdiger Verein, der sich sogar im Internet findet. Nun ja, sagen wir, bei der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft hat man sich damit angefreundet, dass man, wenn man mit der Zeit gehen will, eine Präsenz im Internet benötigt, dass man die entsprechende Präsenz auch nutzen kann, um sich zu präsentieren und eine Homepage nicht aufbauen muss, wie ein eng beschriebenes Din-A4-Blatt, das hat sich noch nicht so richtig herumgesprochen.
Aber, Politikwissenschaftler zeichnen sich gewöhnlich nicht dadurch aus, dass sie ihrer Zeit voraus sind oder gar auf der Höhe ihrer Zeit (wenn man Patzelt einmal ausnimmt), und insofern muss man schon staunen, dass die Deutsche Gesellschaft für Politikwissenschaft es überhaupt geschafft hat, eine Internetpräsenz zu erstellen – wenn die Präsenz jetzt noch gewartet und regelmäßig aktualisiert würde (“Deutsche Gesellschaft für Politikwissenschaft – zuletzt aktualisiert am 17.09.2013”) – ganz neue Welten täten sich auf.
Apropos neue Welten: Wir fragen uns schon länger, wo eigentlich die Vertreter der Politikwissenschaft sind, wenn es darum geht, Phänomene der derzeitigen politischen Ordnung zu untersuchen, z.B. den Einfluss von Verbänden kleiner Minderheiten auf die Politik (Wir finden es immer noch verwunderlich, dass LSTB oder LSBT oder wie die Verbände der Schwulen, Lesben und sonstigen Xen sich akronymisieren mögen, es nicht nur schaffen, Schulbücher zu gestalten, sondern sich auch als Profiteur von Gesetzen zu installieren vermögen).
Ein anderes Thema, das in den Zuständigkeitsbereich von Politikwissenschaftlern fallen würde, wäre die Analyse der Steuermittel, die von Parteien dazu missbraucht werden, um Parteisoldaten und allerlei Unsinn über ihre Ableger, die politischen Vereine zu finanzieren, die sich in einer Variante des modernen Etikettenschwindels “politische Stiftungen” nennen.
Auch eine Netzwerkanalyse der Profiteure staatlicher Gender-Förderung wäre sicherlich ein sehr lohnendes Unterfangen, schon weil auf diese Weise deutlich würde, wie viele Milliarden in welchen Löchern verschwinden – ganz zu schweigen von der Kosten-Nutzen Analyse, die man über die Subventionierung von Genderphobia durchführen könnte.
Das sind nur die Themen, die uns ad-hoc einfallen.
Leider ist Politikwissenschaftlern bislang nichts zu diesen Themen eingefallen.
Aber dennoch scheint sich die deutsche Politikwissenschaft zu bewegen. Nicht nur gibt die Deutsche Gesellschaft für Politikwissenschaft über ihre Internet-Präsenz gelegentliche Zuckungen von sich, die man als Lebenszeichen interpretieren kann, es gibt gar eine “Nachwuchstagung der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft“, was es voraussetzt, dass es Nachwuchs gibt. Noch ein Lebenszeichen!
Die Nachwuchstagung hat “Emotionen in der Politik. Politisches Handeln zwischen Affektivität und Rationalität” zum Titel – etwas sperrig und nicht unbedingt konkret, so dass man nicht wirklich weiß, worüber der Nachwuchs hier diskutieren will,
- darüber, dass im Bundestag immer öfter geweint wird, z.B. wenn eine grüne Tante ganz traurig darüber ist, dass Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz verletzt werden;
- oder darüber, dass Wähler zu Wutbürgern werden, wenn sie sehen, wie Politiker sich selbst bereichern und mit welchem irrationalen Unsinn sie das, was sie als Politik bezeichnen, rechtfertigen wollen;
- oder darüber, dass Politikwissenschaftlern, die noch eine beliebige Demokratietheorie in ihren Vorlesungen gehört haben, die Tränen in die Augen steigen, wenn sie sehen, wie demokratisch nicht einmal entfernt legitimierte Akteure wie die EU-Kommission das Leben von einigen Millionen Europäern bestimmen, ganz zu schweigen von den Geld-Hazardeuren in der EZB.
Ein näherer Blick auf die Titel der Vorträge, die am 23 Juli in Mülheim an der Ruhr gehalten werden sollen, zeigt, dass es unter dem politikwissenschaftlichen Nachwuchs Zweifel daran gibt, dass der deutsche demokratische Versuch noch ein rationaler, argumentativer Versuch zur Demokratie ist. Die Zweifel nagen sich am Problem der Gefühle fest, den Affekten, mit denen man so trefflich spielen kann.
Man sagt z.B. X in Y sei rechtsextrem, und schon läuft eine Meute von linken Berufsdemonstranten durch Y um es X so richtig zu zeigen. Wahlweise zeigen es die linken Helden auch unbeteiligten Kleinwagen und Schaufensterscheiben, also den Insignien des Klassenfeinds.
Oder, wie wäre es mit den Emotionen, die man damit anrühren kann, dass man alles in einen Topf wirft? Kritiker von Genderismus und Rechtsextreme, Islam, Muslime, al-Qaeda, Saudi Arabien und Islamismus, demonstrierende Bürger und Homophobie, demonstrierende Bürger und Ausländerfeindlichkeit oder Islamophobie usw.
Nun, die genannten Varianten der Instrumentalisierung von Emotionen, um diejenigen, die sich mit einem Nasenring aus Emotionen durch die Manege führen lassen, durch eben selbe zu führen, sie sind nicht Gegenstand der Nachwuchstagung.
Vielmehr wird kritisch analysiert, welche Bedeutung Emotionen und Identitäten im EU-Wahlkampf haben. Erinnert sich noch jemand an den EU-Wahlkampf? Gab es überhaupt einen? Es wird die globale Kooperation zwischen Affekt und Vertrauen analysiert, was ermutigend ist, legt es doch den Schluss nahe, hier fragt sich jemand, ob Politiker gute Gründe für ihr Verhalten haben oder al gusto reagieren, weil ihnen gerade danach ist.
Und schließlich wird noch nach der Affektivität des Politischen und dem Wert einer affekttheoretischen Perspektive gefragt. Sofern es sich dabei um die Frage danach handelt, warum es in Deutschland möglich ist, dass sich Akteure ohne konkrete Kenntnisse und nur durch Appelle an Emotionen in Positionen halten können, und warum es Bürger gibt, die nicht nach Gründen und rationalen Argumenten fragen, sondern auf emotionale Reize reagieren, dann sollte uns das freuen (vielleicht kann uns Benjamin C. Seyd ja sein Skript schicken…), und zwar so sehr, dass wir im Affekt soweit gehen würden, die Politikwissenschaft nicht nur als lebend zu bezeichnen, sondern als Relevantes erforschend.
P.S. Es handelt sich um ein post-humes Lebenszeichen, denn der Nachwuchskongress fand letztes Jahr statt…
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Hat dies auf Oberhessische Nachrichten rebloggt.
Mir ist bei Politikwissenschaftlern aufgefallen, dass es hinderlich zu sein scheint, auf der Höhe der Zeit zu sein. Im Grunde wachen diese Leute größtenteils nur auf, wenn es auf dem Kanzlersessel einen Wechsel gibt und sie sich ein paar neue Namen einprägen müssen. Die Phrasen bleiben die selben. Sollte sich doch einmal ein neues Phänomen auf der politischen Bühne anmelden, ist das ja noch lange kein Grund für unabhängige und objektive Forschung, sondern lediglich eine kurze Wachphase, um zu erfassen, wie politisch gesteuerte “Leitmedien” die Lage sehen und deren Lied nachzusingen.