Der 100 Seelenort Sumte: Zeichen einer nicht vorhandenen Flüchtlingspolitik

Eigentlich ist es ein Witz: Wir leben in einer Zeit, in der sich Politiker anmaßen, ihre Bürger zum richtigen Leben zu schubsen (nudgen), der Ansicht sind, sie könnten Entscheidungen für ihre Bürger treffen, weil sie besser informiert sind als ihre Bürger, selbst wenn es um deren ureigenes Leben geht, und mitten in dieser politischen Anmaßung bekommt man tagtäglich die vollkommene Unfähigkeit von Politikern demonstriert, selbst Offensichtliches abschätzen zu können.

Täglich vollzieht sich das selbe Spiel: Ein aufgescheuchter Haufen von Politikern, der hysterisch den Mund bewegt und monoton “Wir schaffen das” äußert oder entsprechende Zweifel mault; ein Haufen von Politikern der anomisch dem Treiben zusieht. Umrahmt sind die zur Tätigkeit unfähigen Politiker von einem Reigen der Kinder, die mit großen Augen ob der vielen Menschen, die plötzlich nach Deutschland kommen wollen, begeistert mit den Händen klatschen und “mehr, mehr” rufen.

Und wehe, einer, den man in den eigenen Reihen wähnt, ein Bürgermeister Palmer aus Tübingen, der sich mit den Realitäten des Lebens und vor allem seinen Knappheiten konfrontiert sieht, merkt an, dass man an die Grenze der Aufnahmefähigkeit gekommen sei. Dann werden die Kinder ganz schnell böse, klatschen nicht mehr sondern stampfen mit den Füßen auf und wollen, dass der böse Palmer ganz schnell geht – weg, damit noch mehr Menschen kommen und man wieder mit großen Augen klatschen kann.

Deutschland gleicht derzeit einem Tollhaus, in dem jeglicher Sinn für Realitäten verloren gegangen ist, einem “Wir schaffen das” gewichen ist und in dem die politische Klasse jeden Tag aufs Neue von Tausenden von Flüchtlingen zur Flucht vor der Realität getrieben wird.

Eigentlich, so sagt es die politische Theorie, ist das Amt des Politikers das Amt der Steuerung, der Vorgabe von Zielen, von realistischen Zielen. Ist ein Politiker gar ein Führer, dann erwartet man im Rahmen der Führungstheorie von ihm, dass er Ziele selbst definiert und bei seiner Gefolgschaft um Zustimmung für die entsprechenden Ziele wirbt.

Tucker, der alte Meister der Führungstheorie, er beschreibt dies wie folgt:

Tucker Leadership“A central function of leadership is the defining of situations for the group and the devising of policy responses designed to resolve the problem in accordance with the group’s interests as perceived by the leaders and others” (Tucker, 1977: 384)

Politische Führer, so erwartet Tucker, überschauen Situationen, definieren die Probleme und finden Lösungen, die im Interesse der Gruppe sind, die sie führen, und die entsprechend legitim sind. Tucker hat seine Rechnung ohne die politische Klasse Deutschlands gemacht.

Die politische Klasse Deutschlands macht derzeit den Eindruck von pubertierenden Jugendlichen, die eine Scheune in Brand gesteckt haben und nun versuchen, so viel Heu wie möglich aus der Scheune zu bekommen, bevor die Scheune niedergebrannt ist. Da man ihnen nicht gesagt hat, wie man einen Heuballen transportiert, laufen sie schreiend herum und verpflichten jeden, der ihnen begegnet, einen Heuballen aus der brennenden Scheune zu tragen.

Wer in der Zeit der Flüchtlingskrise, die Deutschland derzeit durchlebt, auf politische Führung gehofft hat, der sieht sich enttäuscht. Politische Führung ist der Notstandsverwaltung gewichen, die darin besteht, ankommende Flüchtlinge zu verteilen, nach Schlüssel versteht sich. Die hektischen und hysterischen Maßnahmen zur Verteilung der Flüchtlinge, auf deren Zahl Deutschland in keiner Weise vorbereitet war und ist, sie folgen keiner Überlegung, keinem Plan. Aus ihnen spricht die planke Not, die Platznot.

Deutschland ist vom Volk ohne Raum, zum Volk ohne Wohnraum für Flüchlinge geworden. Und deshalb wird zusammengeklaubt, was leersteht und wessen man habhaft werden kann, um Flüchtlinge unterzubringen.

Und hier kommt Sumte ins Spiel, ein Ort mit 102 Einwohnern, der früher zur DDR, dann zu Mecklenburg-Vorpommern gehörte und der heute zu Niedersachen gehört. 102 Einwohner, ein leerstehender Bürokomplex und irgendwo zwischen 500 und 1000 Flüchtlinge, das sind die Zutaten, die Sumte berühmt gemacht haben. Nicht nur die New York Times hat einen langen Bericht über Sumte gebracht, einen Bericht, in dem ein Autor seine Irritation darüber, dass es in Deutschland keine politische Führung und keine Idee davon gibt, wie man der vielen Flüchtlinge Herr werde könne, in einen jener deskriptiven Berichte verpackt, wie man sie nur in englischsprachigen Ländern findet.

Aber Sumte ist nicht nur in den USA berühmt, wo der Text der New York Times zwischenzeitlich vom Miami Herald, der Seattle Times und dem Daily Caller übernommen wurde, Sumte ist auch den Lesern des britischen Daily Telegraph ein Begriff, der Ort ist polnischen, tschechischen, spanischen, niederländischen und französischen Zeitungslesern bestens bekannt.

In der Tat, ist Sumte ein Ort, der weltweit Aufmerksamkeit erregt hat:

Sumte“Sumte has no shops, no police station, no school and only one bus passes trough each day. The initial number of arrivals was, in fact, reduced to avoid straining the local sewage system and give time for new pumps to be installed”,

so wundert sich Gordon Welters in der New York Times.

Worüber? Wohl über den Aberwitz, der in Deutschland herrscht, einem Land, in dem der öffentliche Notstand die Vernunft beseitigt hat, eine Vernunft, die, wäre sie in einem Verwaltungshirn heimisch, zumindest fragen würde, was 500, 750 oder 1000 Flüchtlinge, wie viele es auch immer sein mögen, im tage-, wochen- oder monatelangen Wartezustand, zu dem sie reduziert sind, in einem Dorf wie Sumte machen – womit sie sich ihre Zeit vertreiben, jene Zeit, die das einzige ist, was sie im Überfluss haben werden?

Vermutlich gibt es einen Sozialarbeiter, der nach Sumte abgeordnet wird, um sich dort um den Lager-Blues zu kümmern – mit Gesellschaftspielen oder Gruppentherapien vermutlich. Kein Zweifel, es gibt Verwaltungsmaßnahmen, die in Fällen von Problemen in Flüchtlingsunterkünften umgesetzt werden. Ob sie erfolgreich sind, ist eine andere Frage.

Für die Verwaltung zählt, dass man 500, 750 oder 1000 Flüchtlinge in Sumte untergebracht hat. Das Verwaltungsproblem ist gelöst, das Problem des Zusammenlebens in Sumte, es beginnt, aber das ist nicht das Problem, das die Verwaltung zu lösen hat. Das ist der Kern des derzeitigen Anarchismus: Jeder versucht das Flüchtlingsproblem, das man vor seiner Tür abgestellt hat, weiterzureichen – bis zum Endverbraucher, den Bürgern vor Ort, die das Problem, nachdem es durch die Verwaltung gereicht wurde, zur Lösung überantwortet bekommen haben.

Ob man denn eine Alternative zum Flüchtlingslager in Sumte habe, so hat ein Bürger aus Sumte, den die New York Times zitiert, gefragt. Sie können zwischen “Zustimmung” und “Zustimmung” wählen, wurde ihm lakonisch erklärt.

Wenn man als Politikwissenschaftler etwas aus dem Chaos und der nicht vorhandenen politischen Führung lernen kann, wie sie in der Behandlung des Zustroms von Flüchtlingen offenkundig geworden ist, dann ist es die Art und Weise, wie Politiker Probleme nicht lösen.

Die Nichtlösekapazität von Politikern, sie nimmt den folgenden Verlauf:

  1. Politiker schaffen ein Problem.
  2. Politiker sind unfähig, eine Lösung für das Problem zu finden.
  3. Das Problem wird an die Verwaltung übergeben.
  4. Die Verwaltung sucht nach der für sie einfachsten Lösung für das übergebene Problem.
  5. Die einfachste Lösung besteht darin, das Problem an die Bürger weiterzureichen und Bürger dazu zu verpflichtet, nun gefälligst das Problem, das Politiker geschaffen haben, zu lösen.

Bürger brauchen Politiker, um all die Probleme lösen zu müssen, die sie ohne Politiker nie gehabt hätten.

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