Induzierte Massenpanik? Deutsche Atomhysteriker sind in Fahrt

Belgien erlaubt es sich, Atomkraftwerke zu betreiben. Allein drei Reaktoren stehen im Belgischen Tihange: Tihange 1, 2 und 3, die in den Jahren 1975, 1982 und 1985 ans Netz gegangen sind. Wie so viele europäische Kernkraftwerke, so sind auch die drei Reaktoren in Tihange in die Jahre gekommen. Deshalb sollen sie nach dem geeinten Willen von Greenpeace und deutscher Regierung abgeschaltet werden. Denn Kernenergie ist bekanntlich gefährlich, fast so gefährlich wie eine Computertomographie oder das Röntgen der Lunge oder des Brustbereichs und außerdem sind Risse in der Außenhülle aufgetaucht.

Gegen den Willen der deutschen, hat die belgische Regierung beschlossen, von ihrer nationalen Souveränität Gebrauch zu machen und die drei Reaktoren weiter zu betreiben. Ein Schritt, der die Nuklear-Unfall-Hysteriker in Deutschland in Wallung versetzt und nun dazu geführt hat, dass die Stadt Aachen mit der freien, naja, fast freien Verteilung von Jodtabletten an besonders wertvolle Aachener, die unter 45 Jahren und am besten schwanger sind, versucht, vorhandenes Hysteriepotential auszunutzen und die öffentliche Meinung, die sowieso schon trotz allen Klimaschutzes lieber mit Kohle Strom erzeugt, weiter gegen Kernenergie aufzubringen und die Belgier mit ihren drei Reaktoren in Tihange und ihren vier Reaktoren in Doel zu isolieren. Vielleicht bricht die Regierung des kleinen Landes ja unter dem Druck des großen Nachbarn zusammen. Geschichtliche Vorbilder dafür, dass Belgien Deutschland nichts entgegen zu setzen weiß, gibt es genug. Nur gibt es derzeit keine Bestandsgarantie für Belgien, die von Frankreich und dem Vereinigten Königreich ausgesprochen wurde.

Um der Hysterie ein wenig die Luft abzulassen: Die Wahrscheinlichkeit eines Atomunfalles, der so ernst ist, dass die Umgebung in Mitleidenschaft gezogen wird, ist immer noch 1:1.000.000.

Quelle. IAEA

Wem das nicht genügt, dem seien ein paar Daten bereitgestellt.
Seit 1975 wurden im Zusammenhang mit der Erzeugung konventioneller Energie 65 Unfälle verzeichnet, die von Methangas-Explosionen in Kohlebergwerken über einen Dammbruch (z.B.: 1991, Rumänien) bis zur Explosion einer Ölquelle (Deep Water Horizon, 2010) reichen. Im gleichen Zeitraum gab es genau zwei ernsthafte Unfälle mit Kernenergie (Tschernobyl, 1986 und Fukushima, 2011). Als direkte Folge des Unfalls in Tschernobyl sind 47 Menschen gestorben. Als direkte Folge des Reaktorunfalls von Fukushima sind keine Menschen gestorben. Die Herstellung konventioneller Energie hat seit 1975 242.685 Menschenleben gefordert. Wenn man die Einschätzung der Gefahr, die mit der Herstellung von Energie verbunden ist, auf tatsächliche und nicht auf mögliche Folgen bezieht, dann kommt man nicht um die Feststellung herum, dass die Herstellung von Energie mit konventionellen Methoden mit einem viel höheren Risiko verbunden ist.

Aber wenn es um Kernenergie geht, dann ist nicht das tatsächliche, sondern das befürchtete Risiko von Bedeutung, dann malen NGOs und Kernkraftgegner die Strahlengefahr an die Wand, um die weitverbreitete Unkenntnis über die mit radioaktiver Strahlung verbundenen Risiken für die eigenen Zwecke auszunutzen.

Doch verbleiben wir zunächst bei den Störfällen, die es in den 449 Kernkraftwerken weltweit seit 1952 gegeben hat. In 11 Störfällen, die als erheblich zu betrachten sind, darunter Three Mile Island in den USA (1979) und Tschernobyl sind 47 Menschen ums Leben gekommen, alle als Folge des Reaktorunfalls in Tschernobyl, alle waren sie Beschäftigte oder Feuerwehrmänner.

Quelle: World Nuclear Association

Abermals müsste man feststellen, dass Kernenergie viel ungefährlicher ist als andere Formen der Energiegewinnung. Aber das wird in Deutschland natürlich bestritten, schon wegen dem Hysterie-Faktor, und zwar mit Verweis auf die Strahlung, die schreckliche Strahlung, die von Kernkraftwerken ausgehen kann, jedenfalls dann, wenn der Stahlmantel des inneren Reaktors und die ihn umgebende luftdichte Strahlhülle zerstört werden und die Hülle des äußeren Reaktors, die in der Regel aus einer Mischung aus Stahl und Beton besteht, penetriert wird. Die beschriebene Sicherheitsbauweise soll gewährleisten, dass radioaktives Material, das sich im Kernreaktor befindet, dort auf unbestimmte Zeit eingeschlossen werden kann. Der Reaktor in Tschernobyl hatte keine entsprechende Sicherheitsbauweise. Deshalb ist der Reaktorunfall in Tschernobyl der Unfall, der die weitreichendsten Schäden angerichtet hat.

Damit sind wir zurück bei der Strahlung. Von Reaktoren kann im Wesentlichen Beta- und Gamma-Strahlung ausgehen. Erstere hat nur eine kurze Reichweite und kann nur wenig mehr als die Haut im direkten Kontakt penetrieren, Letztere ist in der Lage, tief in einen menschlichen Körper einzudringen, was uns zur Art der Kontamination mit Radioaktivität bringt. Die Kontamination kann auf drei wegen erfolgen: Vollständige Kontamination des Körpers bei direkter Nähe zur radioaktiven Quelle, externe und interne Kontamination.

Die Gefahr einer Ganzkörper-Kontamination besteht nur für Personen, die sich in unmittelbarer Nähe zum Kernreaktor aufhalten. Externe Kontamination durch Strahlung bedroht Menschen, die in unmittelbarer Nähe zu einem Kernkraftwerk leben und interne Kontamination setzt voraus, dass radioaktive Partikel oder radioaktiv belastete Nahrungsmittel zu sich genommen werden.

Aus dem Tschernobyl-Unfall ist bekannt, welche radioaktiven Isotope in die Umwelt gelangen, wenn ein Reaktorkern schmilzt. Die entsprechende Aufstellung umfasst (geordnet nach Halbwertzeit):

  • Neptunium-239
  • Molybdän-99
  • Tellurium-132
  • Xenon-133
  • Jod-131
  • Barium-140
  • Cäsium-141
  • Ruthenium-103
  • Strontium-89
  • Zirconium-95
  • Curium-242
  • Cerium-144
  • Ruthenium-106
  • Cäsium-134
  • Plutonium-241
  • Strontium-90
  • Cäsium-137
  • Plutonium-238
  • Plutonium-240
  • Plutonium-239

Radioaktive Gase (Xenonß133) oder Isotope mit kurzer (Neptunium-239; Halbwertzeit: 58 Stunden; Molybdän-99; Halbwertzeit: 67 Stunden) oder sehr langer Halbwertzeit (Plutonium-239: 24.400 Jahre) sind für Menschen weitgehend ungefährlich. Gefährlich für Menschen ist vor allem Jod-131, dann, wenn es direkt eingeatmet oder über die Nahrung aufgenommen wird. Jod-131 hat eine Halbwertzeit von 8 Tagen, d.h. das Isotop zerfällt im Laufe von 8 Tagen zu 50% und stellt danach nur noch eine geringe radioaktive Gefahr dar. Das Problem mit der Aufnahme von Jod-131 ergibt sich aus der Emission von Beta-Strahlung durch Jod-131, die die Schilddrüse in Mitleidenschaft ziehen kann.

Die Strahlendosis wird gewöhnlich in Gray (Gy) und in Sievert (Sv) gemessen, wobei Gray die Einheit für aufgenommene Strahlung darstellt, Sievert die Einheit für die effektive Dosis. Wenn der ganze Körper eines Menschen Strahlung ausgesetzt ist, entspricht 1Gy einem Sv.

Wer mit dem Flugzeug von New York nach Japan fliegt, nimmt eine effektive Strahlung von 0.07 mSv auf, eine Dosis, die jeder Mensch aus der natürlich vorhandenen Strahlung auf der Erde, der er jeden Tag ausgesetzt ist, in 7 Tagen aufgenommen hat. Eine Computertomographie ist mit der Aufnahme von 7 mSv verbunden, 6 Monate natürlicher Strahlung auf der Erde sind das Äquivalent dazu. Ein Mensch, der den Reaktorunfall von Three Mile Island an der Grenze des Kernkraftwerkes verfolgt hat, hat dort 1 mSv aufgenommen, 3 Monate natürliche Strahlung. Die Bewohner der Gebiete, die mit einer niedrigen Strahlenbelastung nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl kontaminiert waren, haben 10-20 mSv aufgenommen, das entspricht drei bis sechs Jahren natürlicher Strahlung. Die Bewohner der Gebiete, die mit einer hohen Strahlenbelastung durch den Unfall kontaminiert wurden, haben rund 50 mSv aufgenommen, was der Aufnahme natürlicher Strahlung über 17 Jahre auf der Erde entspricht.

Im Zusammenhang mit dem Reaktorunfall in Tschernobyl sind auch die bislang einzigen Fälle von Strahlenkrankheit berichtet worden: 134 Arbeiter und Feuerwehrmänner, die kurz nach dem Unfall am Reaktor gearbeitet haben, wurden mit Strahlenkrankheit diagnostiziert. Es gibt keinen einzigen bekannten Fall von Strahlenkrankheit in der weiteren Bevölkerung.

Die Hauptgefahr durch Strahlung geht wie gesagt von Jod-131 aus. Es steht im Verdacht, die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung zu erhöhen. Die folgenden Studien, die das Risiko an Leukämie oder an Schilddrüsenkrebs zu erkranken, für Menschen, die in der Umgebung von Tschernobyl zur Zeit des Unfalls gelebt haben, untersucht haben, kommen alle zu dem Ergebnis, dass es keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für weder Leukämie noch Schilddrüsenkrebs als Folge des bislang schwersten Reaktorunfalls weltweit gegeben habe:

  • Petridou E, Trichopoulos D, Dessypris N, et al. Infant leukaemia after in utero exposure to radiation from Chernobyl. Nature 1996;382:352-3.
  • Steiner M, Burkart W, Grosche B, Kaletsch U, Michaelis J. Trends in infant leukaemia in West Germany in relation to in utero exposure due to Chernobyl accident. Radiat Environ Biophys 1998;37:87-93.
  • Parkin DM, Clayton D, Black RJ, et al. Childhood leukaemia in Europe after Chernobyl: 5 year follow-up. Br J Cancer 1996;73:1006-12.
  • Noshchenko AG, Zamostyan PV, Bondar OY, Drozdova VD. Radiation-induced leukemia risk among those aged 0-20 at the time of the Chernobyl accident: a casecontrol study in the Ukraine. Int J Cancer 2002;99:609-18.
  • Konogorov AP, Ivanov VK, Chekin SY, Khait SE. A case-control analysis of leukemia in accident emergency workers of Chernobyl. J Environ Pathol Toxicol Oncol 2000;19:143-51.
  • Romanenko AY, Finch SC, Hatch M, et al. The Ukrainian-American study of leukemia and related disorders among Chornobyl cleanup workers from Ukraine: III. Radiation risks. Radiat Res 2008;170: 711-20.
  • Kesminiene A, Evrard AS, Ivanov VK, et al. Risk of hematological malignancies among Chernobyl liquidators. Radiat Res 2008;170:721-35.
  • Ivanov V, Ilyin L, Gorski A, Tukov A, Naumenko R. Radiation and epidemiological analysis for solid cancer incidence among nuclear workers who participated in recovery operations following the accident at the Chernobyl NPP. J Radiat Res (Tokyo) 2004;45:41-4.
  • Ivanov VK, Gorski AI, Tsyb AF, Ivanov SI, Naumenko RN, Ivanova LV. Solid cancer incidence among the Chernobyl emergency workers residing in Russia: estimation of radiation risks. Radiat Environ Biophys 2004;43:35-42.
  • Pukkala E, Kesminiene A, Poliakov S, et al. Breast cancer in Belarus and Ukraine after the Chernobyl accident. Int J Cancer 2006;119:651-8.
  • Bogdanova NV, Antonenkova NN, Rogov YI, Karstens JH, Hillemanns P, Dörk T. High frequency and allele-specific differences of BRCA1 founder mutations in breast cancer and ovarian cancer patients from Belarus. Clin Genet 2010;78: 364-72.

Die einzige Bevölkerungsgruppe, für die ein um 2-5% pro 1 Gv aufgenommenes Jod-131 erhöhtes Risiko an Schilddrüsenkrebs zu erkranken, gefunden wurde, waren Kinder, die Jod-131 inhaliert oder über die Nahrung aufgenommen haben. Da Jod-131 nach acht Tagen zerfallen ist, besteht die entsprechende Gefahr der Aufnahme nur, wenn die Kinder Jod-131 direkt ausgesetzt waren oder es über die Nahrung aufgenommen haben. Jod-131 hält sich maximal 3 Monate in der Nahrungskette.

Um die Gefahr, die von Jod-131 ausgeht, eine Gefahr, die bislang ausschließlich in Tschernobyl, also einem Reaktor, dessen Sicherheits-Bauweise nicht einmal ansatzweise der Bauweise heutiger Reaktoren auch der belgischen Reaktoren entspricht, in erheblichem Maße aufgetreten ist (in Fukushima war das Ausmaß emittierten Jod-131 in der höchsten Schätzung knapp 40% des Niveaus von Tschernobyl, in der geringsten Schätzung 5%), zu reduzieren, kann eine Mischung von Kalium und Jod verabreicht werden, eben jene Mischung, die in den Tabletten enthalten ist, die in Aachen an alle Aachener unter 45 Jahren und natürlich an Mütter verteilt werden sollen. Neben der Antwort auf die Frage, welche Aachener von den dortigen Stadträten als besonders wertvoll und welche als verzichtbar angesehen werden, eine direkte logische Folge, die sich dann ergibt, wenn man die Gefahr eines Reaktorunfalls und einer Verbreitung von Jod-131 für so imminent ansieht, wie die Stadträte, wird diese Maßnahme vor allem einen Publicity Effect haben, der auch nicht dadurch getrübt wird, dass die Aufnahme von Kalium-Jodid nicht ungefährlich ist. Allerdings zeigt eine Studie aus Polen, dass die Todesfälle infolge der Aufnahme von Kalium-Jodid nicht so häufig waren, wenngleich etwas häufiger als bei einer normalen Schutzimpfung.

  • Nauman J, Wolff J. Iodide prophylaxis in Poland after the Chernobyl reactor accident: benefits and risks. Am J Med 1993; 94:524-32.

Wer sich vergewissern will, dass wir nichts geschrieben haben, was nicht tatsächlich dem Stand der wissenschaftlichen Forschung entspricht, der kann dies hier tun: Christodoulas, John, Forrest; Robert D., Ainsley, Christopher G., Tochner, Zelig, Hahn, Stephen M. & Glatstein, Eli (2011). Short-Term and Long-Term Health Risks of Nuclear-Power-Plant Accidents. New England Journal of Medicine 364(24): 2334-2341.

Wer sich seine Kernkraft-Hysterie lieber nicht durch Fakten verderben lässt, der darf diesen Text nicht lesen und muss unseren Text schnell vergessen. Am besten über einem Rotwein. Die Wahrscheinlichkeit, beim Trinken zu ersticken, ist übrigens um ein Vielfaches höher als die Wahrscheinlichkeit, Jod-131 ausgesetzt zu werden.

 

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