Selling Lifestyle: Gesinnungsfaschismus gibt es in vielen Varianten

Daimler-Benz hat getan, was viele Unternehmen tun. Man hat versucht, einen Lebensstil, eine Weltanschauung, eine Gesinnung zu verkaufen und dazu den Dalai Lama missbraucht: „Look at situations from all angles and you will become more open“, so lautet das Zitat: Betrachte eine Situation von allen Seiten und Du wirst offener / toleranter.

Ein gutes Zitat für all diejenigen, die Meinungsfreiheit schätzen. Ein schlechtes Zitat, wenn man Autos verkaufen und sich selbst als Unternehmen inszenieren will, das nicht Autos, sondern Lebensstile nebst zugrunde liegender Gesinnung verkauft.

Und zudem ein Rohrkrepierer, wie sich daran zeigt, dass beim ersten Lüftchen aus der Gegenrichtung, die offene Mercedes-Benz-Fahrt ins Stocken und schließlich an die Wand gefahren ist. Kritik von den Chinesen, die außerhalb von China leben, oder in China im Auftrag der dortigen kommunistischen Parteiführung die Meinung zensieren und Instagram, das soziale Netzwerk, auf dem Daimler-Benz den Dalai Lama missbraucht hat, mitlesen, im Gegensatz zu chinesischen Bürgern, die vom Zugang zu Instagram geblockt sind, haben sich beschwert, und Daimler-Benz hat sich entschuldigt. Nicht dafür, den Dalai Lama missbraucht zu haben, sondern dafür, mit dem Dalai Lama einen religiösen Führer zitiert zu haben, mit dem die Kommunisten Chinas nicht konfrontiert werden wollen, mit dem sie ein weltanschaulisches Gesinnungsproblem haben. Denn: Der Dalai Lama hat andere Ansichten als die Chinesische Parteiführung und ist deshalb persona non grata in einem Land, in dem man KEINE anderen Ansicht haben darf als die chinesische Parteiführung.

Dass Daimler-Benz vor der chinesischen Parteiführung kriecht, das findet Steffen Wurzel, ARD-Studio Shanghai, nicht gut. Wer in China Geschäfte machen wolle, so sein Schluss aus diesem „Vorgang“, der dürfe auch nicht „ansatzweise von der vorgegebenen staatlichen chinesischen Linie“ abweichen und am Beispiel zeige sich, dass Chinas Staats- und Parteiführung „immer rigoroser“ daran arbeite, die eigenen „politischen Vorstellungen … auf der Welt auszubreiten“.

Die Chinesen wollen also das verbreiten, was sie für die richtige Gesinnung halten. Sie wollen den richtigen, dieses Mal den richtigen chinesischen Lebensstil verkaufen. Und damit sind wir beim Problem.

Denn eigentlich machen die Chinesen nichts anderes als Daimler-Benz oder der Deutsche Bundestag, der mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz gerade die falsche Gesinnung aus dem öffentlichen Diskurs verbannen will, so wie die chinesischen Kommunisten die falsche Gesinnung aus dem dortigen öffentlichen Diskurs verbannt haben. Insofern sind sie alle eins in ihrer Form des Gesinnungsfaschismus. Mit der Ausnahme, dass Mercedes-Benz hofft, das, was als richtige Weltanschauung verbreitet werden soll, so nutzen zu können, dass die eigenen Verkaufszahlen steigen.

Es ist also wieder einmal an der Zeit festzustellen, dass es entweder Meinungsfreiheit gibt oder nicht. Entweder man verteidigt Meinungsfreiheit und bekämpft Gesinnungsdiktatur, wo immer man sie sieht, oder man verbreitet Gesinnungsdiktatur und gibt Meinungsfreiheit auf.

Wer sich also darüber mokieren will, dass die Chinesen den Missbrauch eines Ausspruchs des Dalai Lama durch Mercedes Benz unterbinden, der muss sich auch über das deutsche Netzdurchsetzungsgesetz mokieren, das dazu führt, dass jeden Tage eine Vielzahl strafrechtlich vollkommen irrelevanter Meinungsäußerungen gelöscht werden und das deutsche Rechtssystem zu einer Farce wird. Wer sich über die Chinesen ereifern will, der muss dafür sorgen, dass nicht unter dem Deckmantel des angeblichen Rassismus, Sexismus oder welcher Sonstismus gerade in ist, in angeblichen demokratischen Gesellschaften ein Kulturkrieg gegen die Meinungsfreiheit geführt wird, der dazu führt, dass z.B. VW den folgenden Werbespot zurückgezogen hat:

 

Und er muss auch solche Werbesprüche zulassen:

Und er muss davon absehen, das Werk der Chinesen dahingehend zu unterstützen, dass er wie Steffen Wurzel dies tut, eine Verkürzung vorträgt, bei der die Grenze zur Geschichtsfälschung vermutlich überschritten ist.

Wurzel begründet die Aversion der chinesischen Parteiführung gegen den Dalai Lama damit, dass der Dalai Lama wegen seines „Einsatzes für mehr Autonomie in Tibet“ der nämlichen Parteiführung als „Staatsfeind“ gelte.

Das wird den historischen Gegebenheiten nicht einmal im Ansatz gerecht.
Der Dalai Lama ist nicht irgend jemand, dem es gerade gefällt, für die Autonomie Tibets einzustehen. Der jetzige Dalai Lama, Tenzin Gaytso, war bis 1959 religiöser und weltlicher Führer des Landes Tibet. Nachdem Tibet bereits 1950 von der Volksarmee Mao Tse Tungs überrannt und annektiert worden war, kam es 1959 zum Aufstand gegen die chinesische Besatzung, der mit der Flucht des Dalai Lama nach Indien endete. Im indischen Exil hat der Dalai Lama alle weltliche Führung auf die Exilregierung Tibets übertragen und ist seither nur noch das religiöse Oberhaupt des tibetischen Buddhismus. Ihn zu einem Befürworter der tibetanischen Autonomiebestrebungen zu machen, kommt der Behauptung gleich, Charles de Gaulle sei der Führer der französischen Autonomiebewegung gewesen, die sich vom Großdeutschen Reich lossagen wollte.

Abgesehen davon, dass der derzeitige Dalai Lama also mit Nichten auf einer Stufe mit Unterstützern von IRA oder ETA steht, die für die Autonomie Nordirlands von Großbritannien bzw. des Baskenlandes von Spanien kämpf(t)en und abgesehen davon, dass Autonomie bei der ARD dann, wenn es um Katalonien geht oder darum, dass Großbritannien seine Autonomie von der EU erklärt hat, eher negativ bewertet wird, genießt der Dalai Lama international ein hohes Ansehen. Deshalb ist er für die chinesische Parteiführung gefährlich, und deshalb wird er von Unternehmen wie DaimlerBenz dazu missbraucht, ihre unförmigen Gefährte als Ausdruck eines offenen Lebensstils zu vermarkten.

Wer sich für die Geschichte Tibets und des Dalai Lama interessiert, dem sei der Film „Kundun“ empfohlen. 

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5Comments

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  1. 2
    Sebastian

    Die Kritik an der rückgratlosen Haltung deutscher Unternehmen und Politiker gegenüber China ist moralisch berechtigt. Verständlich ist sie für mich allerdings auch, denn die Unternehmen einerseits wollen gerne weiter in China verkaufen – was bei politisch ungenehmen Standpunkten durchaus schnell eingeschränkt werden kann (so viel zu den angeblich freien Märkten in China). Auf der anderen Seite möchte die deutsche Regierung eben auch keine unnötigen Handelshemmnisse für die deutsche Industrie provozieren, die in China sehr gut verdient.

    Die Gesinnungsverbreitung von MB mit der Chinas gleichzusetzen ist allerdings zu kurz gegriffen. MB unterdrückt mit seiner Meinung (bzw. Gesinnungsverbreitung) niemanden, sondern wirbt um Sympathie bei denjenigen, die für solche Botschaften zugänglich sind. Chinas Staatsdoktrin („Ein-China-Politik“) dagegen unterdrückt alle nach Autonomie strebenden bzw. tatsächlich autonomen Regionen, auf die die VR China Anspruch erhebt.
    Davon kann Taiwan ein Lied singen. Eine vollkommen autonome und ursprünglich in der Welt anerkannte Nation (National China) hat sich ursprünglich mit der VR China darum gestritten, welches das „echte“ China ist. Inzwischen darf auf Exportgütern nicht mal mehr „made in Taiwan“ stehen und bei internationalen Turnieren wie den IOC-Kommerzveranstaltungen darf die taiwanesische Delegation unter diesem Namen nicht antreten – weil sonst ein sportlicher bzw. in ersterem Fall wirtschaftlicher Boykott der riesen-Volkswirtschaft für diejenigen droht, die das zulassen.

    China nutzt seine wirtschaftliche und politische Macht, um die Rechte dritter Nationen massiv einzuschränken und das ist schon eine ganz andere Hausnummer als eine möglicherweise provokative Werbung.

    Die Kritik am ND-Gesetz ist Selbstverständlich richtig (das hat sein Urheber bereits am eigenen Leib erfahren), aber auch diese Art der Zensur ist Zensur auf einer ganz anderen Ebene. Schon, weil ihre Gültigkeit beschränkt ist und die Zensur privaten Betreibern überlassen wird.
    Ein Hauptkritikpunkt ist zudem weniger die generelle Stoßrichtung des Gesetzes als vielmehr die handwerkliche Ausführung, die die Zensur durch die sozialen Netzwerke durch Rechtsunsicherheiten ausufern lässt.

  2. 5
    Reiner Steppkes

    Daimler hätte klüger gehandelt, hätten die Verantwortlichen sich eines Zitates aus der roten Mao-Bibel bedient. Bestimmt würde sich dort ein ähnlicher oder sinngemäßer Spruch gefunden haben.

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