Idiotie oder Verschwörung? Hamburger Richter vergeben Lügenlizenz [Metapher]

Es ist schwierig derzeit nicht an Verschwörungstheorien zu glauben. Nicht, weil wir es für nicht möglich halten, dass es unter Richtern geistig minderbemittelte gibt. Sicher nicht. Schon eher, weil Verschwörungstheorien als Erklärung meist nur dann sinnvoll vorgebracht werden können, wenn man den Verschwörern nicht nur logistische Kompetenzen und Kooperationskompetenzen zugesteht, die außerordentlich sind, sondern auch den Zugriff auf Ressourcen und Handlanger in Medien, Gerichten und anderen Institutionen, die für die Durchsetzung der Zwecke einer Verschwörung notwendig sind.

Auf Grund dieser Schwierigkeiten haben wir in der Vergangenheit mit dem Konzept der Isomorphie hantiert, das in aller Kürze sagt, dass phantasie- und einfallslose Akteure dann, wenn einer von ihnen einmal eine Idee hat, diese Idee massenhaft kopieren und somit in Bereichen der Gesellschaft, z.B. in den Medien oder Parteien, eine Gleichschaltung herbeiführen, so dass man egal, welches Programm man einschaltet, denselben Duktus und denselben Inhalt zugemutet bekommt, egal, welche Partei man wählt, dieselben Inhalte aufgezwungen bekommt.

Einige Ereignisse und eine ganze Reihe von Beobachtungen, die wir über die letzten Wochen und Monate gemacht haben, lassen uns an der Erklärung durch Isomorphie zweifeln und mehr zu einer Verschwörungstheorie tendieren.
Es soll Menschen geben, die bereits bei der Nutzung des Begriffs „Verschwörungstheorie“ einen insularen Überlegenheitsschub erhalten, der sich gemeinhin in Emoticons niederschlägt, weil es für affektive Reaktionen keine rationale Begründung gibt. Wir empfehlen diesen Lesern, ihre Naivität beizubehalten und nicht weiter zu lesen, denn es besteht die Gefahr, etwas zu lernen.

Der Reihe nach.

Zwei Baustellen.

Baustelle 1:
Eine Stiftung für Neue Verantwortung, Pathos bereits im Namen ist ein untrügliches Zeichen für eine Mogelpackung, wurde gestern von ihren Pressefreunden bei den ARD-Faktenfindern, die offensichtlich ein Netzwerk mit den Neu Verantwortlichen teilen, ausgiebig für die Studie „Fakten statt Fakes“ gelobt. Eine Junk Studie, die keinerlei Ansprüchen an methodisch sauberes Arbeiten genügt und die man deshalb als Fake Studie bezeichnen muss, die aber nützlich im gemeinsamen politischen Kampf, den die Faktenfinder der ARD und die Neuen Verantwortlichen führen, ist. In dieser Fake Studie gibt es eine Definition von „Fake News“, die man nicht dümmer fassen kann, sie lautet:

„Fake News“ sind gezielt verbreitete falsche oder irreführende Informationen, die jemandem (Person, Gruppe oder Organisation) Schaden zufügen soll[EN].“

Fake News müssen also, um Fake News zu sein, mit der Absicht, Dritten zu schaden, verbreitet werden. Die Neu Verantwortlichen sehen diese Absicht bei allen gegeben, die ihre Fake News nicht als solche widerrufen. Dieses Kriterium ist wichtig, um Journalisten von jedem Verdacht, sie würden Fake News verbreiten, zu säubern. Verbreiten Journalisten Fake News, werden dabei erwischt und veröffentlichen, gezwungenermaßen – eine Gegendarstellung, dann mutiert die Fake News zur Ente, zum journalistischen Fehler, der natürlich in nahezu kindlicher Unschuld und ohne jede Schädigungsabsicht begangen wurde.
Deutsche Journalisten lassen sich wohl lieber als infantil ansehen als dass sie eigene Interessen und Absichten zugeben würden.

Die Neuen Verantwortlichen mit ihrer Stiftung werden durch Spenden am Leben erhalten, Großspenden, keine unter 1000 Euro, 43.641 Euro kamen 2016 alleine von der Bertelsmann Stiftung.

Der Konzern zur Stiftung, der Bertelsmann Konzern, er spielt auf Baustelle II eine Hauptrolle.

Baustelle II befindet sich vor dem Oberlandesgericht Hamburg. Vor dem dortigen 7. Senat findet eine Verhandlung statt, in der es abermals um Fake News geht. Gegenstand ist die siebenjährige Bana Al-Abed, die aus Aleppo Tweets und Videos gepostet haben soll, die von den westlichen Medien begierig aufgenommen wurden. Herz-Schmerzgeschichten eignen sich perfekt, um (politische) Gegner, in diesem Fall das Regime von Bashar al-Asad und Russland in Misskredit zu bringen. Der Stern und sein Autor Marc Drewelo haben die Geschichte der Siebenjährigen für sich ausgeschlachtet. In Zeiten sinkender Auflagen sind Herz-Schmerzgeschichten ein Geschenk Gottes. Dafür kann man auch einmal beten.

Nun gibt es viele, die die Geschichte der Siebenjährigen mit dem Twitteraccount und den Herz-Schmerz-Botschaften in Videos für Propaganda halten. Die Geschichte ist voller derartiger erfundener Lügen. Wer einen Teil davon nachlesen will, dem sei das Buch „The Persuaders“ empfohlen:

Some experts on media ethics said that, despite the appeal of such a heartbreaking narrative – and with a young girl at its centre, no less – news outlets had to approach the account with scepticism, and that some had fallen short.
“It’s always a question of whether a seven-year-old is being used as a propaganda tool, and if so, by whom,” said Jane E Kirtley, a professor of media ethics and law at the University of Minnesota. “Sometimes we fall in love with a concept and basically ignore things that would undermine that concept, and ignore things that should be red flags.”

She added, “For me, my antenna always goes up when the story is this compelling.”

Der Blaue Bote, ein Blogger, der Wissenschaft, an die Stelle von Propaganda stellen will und damit eines der Ziele verfolgt, die auch wir verfolgen, er hat die Geschichte der siebenjährigen sozialen Netzwerkerin nicht nur als Fake News bezeichnet, er hat auch den Stern und Marc Drewelo als dessen ausführenden Stift, als „Nachrichtenfälscher“ bezeichnet, die „Falschmeldungen zu Propagandazwecken“ produzieren würden, somit Fake News Produzenten seien und offenkundige Lügengeschichten verbreiteten.

Auszug aus dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Hamburg

Dagegen ist die Anwaltsriege, die Zivilgesetzbuch unterm Arm, bereit steht, um dem Bertelsmann Konzern zu dienen für den Stern und Marc Drewolo vor das Landgericht Hamburg gezogen, um vor der dortigen 24. Zivilkammer eine Unterlassungsverfügung zu erwirken. In erster Instanz haben die Richterinnen, die der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts (siehe links) benennt, die Unterlassungsklage abgewiesen.

Nächste Runde Oberlandesgericht. Der dortige 7. Senat so schreibt Markus Kompa, der den Blauen Boten vor Gericht vertritt, befinde sich seit Jahren auf Konfrontationskurs mit dem BGH. Manche Oberlandesrichter nehmen offensichtlich ihren Selbstwert daraus, vom BGH aufgehoben zu werden. Wie dem auch sei, die Oberlandesrichter haben die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und entschieden, dass die Aussagen des Blauen Boten Tatsachenaussagen darstellen würden, so dass die Behauptung, Stern und Drewelo verbreiteten Fake News nur dann nicht zu beanstanden sei, wenn Stern und Drewelo gewusst hätten, dass sie Fake News verbreiten, dies also bewusst tun.

Ist es ein Zufall, dass die unsinnige Definition von Fake News, die die Neu Verantwortliche Stiftung, zu deren finanziellen Gönnern die Bertelsmann Stiftung gehört, gezimmert hat, dieselbe ist, die auch die Richter des Siebten Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamburg ihrer Entscheidung zugrunde gelegt haben, dass nämlich die Behauptung, es werde Fake News verbreitet, nur dann korrekt sei, wenn die Verbreitung intentional, also absichtlich betrieben wird?
Wie gesagt, früher haben wir hier mit Isomorphie argumentiert. Heute …

Kompa selbst schreibt zu der Entscheidung des Oberlandesgerichts:

„Der Irrwitz der Hamburger Unterlassungsverfügung gegen den Blauen Boten lässt sich wie folgt auf den Punkt bringen:
Professionelle Journalisten dürfen unkritisch den größten Blödsinn und die infamste Kriegspropaganda verbreiten, denn eine Wahrheitspflicht ist dem deutschen Journalismus fremd. (Kommen Sie mir bitte nicht [mit] den Regeln des Presserats …)
Der Blogger hingegen ist wegen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Sternenkrieger Marc Drewello und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht von stern.de verpflichtet, für seine Meinung (subjektive Einschätzung von Tatsachen) Beweis zu erbringen. Vorliegend also müsste der Blogger beweisen, dass stern.de und deren Sternenkrieger Marc Drewello vorsätzlich lügen, es könnte ja auch schlichte Dummheit gewesen [sein].

Die Stiftung Neue Verantwortung, deren Fake Studie wir gestern auseinander genommen, nein, besprochen haben, sie benutzen genau diese Form der Unterscheidung zwischen guten Pressevertretern, die Enten in die Welt setzen, und Bösewichtigen, die Fake News verbreiten. Journalisten, die über jeden Verdacht absichtlicher Desinformation erhaben sind, verbreiten demnach generell Enten, also unabsichtlich falsche Nachrichten, die sie dann, wenn sie auf den Fehler hingewiesen werden, natürlich sofort beheben, um ihr reines Gewissen nicht zu belasten. Entsprechend obliegt es all denen, die diese hanebüchen naive Sichtweise auf die Wirklichkeit nicht unterschreiben wollen, nachzuweisen, dass Journalisten absichtlich Enten, also nunmehr Fake News in die Welt setzen. Dieselbe Großzügigkeit genießen Blogger oder Akteure in sozialen Netzwerken nicht. Veröffentlichen sie eine falsche Nachricht oder teilen sie dieselbe, dann zählt dies unmittelbar als Fake News und die Boshaftigkeit dahinter wird darin gesehen, dass sie den Tweet vom 16. Juli 2017 um 11.30 Uhr nicht gelöscht haben. Ist es ein Zufall, dass derselbe wirre und unsinnige Versuch einer Argumentation, den man nur nachvollziehen kann, wenn man die Einteilung der Welt in Gut und Böse teilt, die in diesem Fall die von Bertelsmann-Stiftung geförderten Neuen Verantwortlichen haben, wenn man also ihre Ideologie teilt, in gleicher Weise Eingang in ein Urteil zu Gunsten des Sterns, der zum Bertelsmann-Konzern gehört, gefunden hat?

Wie gesagt, Isomorphie ist eine Erklärung, Verschwörung eine andere.

Isomorphie, koersive Isomorphie, eine Form des Duckmäusertums, die bei Richtern nachgeordneter Gerichte häufig mit Blick auf die Urteile von Oberlandesgerichten zu finden ist, ist sicher eine Erklärung dafür, dass die Richterinnen des 24. Zivilsenats, nachdem sie von Papa „Oberlandesgericht“ gemaßregelt wurden, ihre eigene Entscheidung und vor allem die Gründe dafür, vergessen haben und nunmehr und unter Ignoranz aller Schriftsätze, die Kompa vorgelegt hat, im Sinne von Papa „Oberlandesgericht“ entschieden haben, oder wie Kompa selbst schreibt:

Auszug aus dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts Hamburg

„Nachdem das Hanseatische Oberlandesgericht also teilweise die Unterlassungsverfügungen erließ, schloss sich auch das Landgericht unkritisch nunmehr der umgekehrten Beurteilung an. Die Äußerungen enthalten für das Landgericht Hamburg die Tatsachenbehauptung, „die Antragsteller hätten Nachrichten verbreitet, von denen sie gewusst hätten oder es jedenfalls für möglich gehalten hätten, dass diese unwahr seien.“ 

Gegenfrage: Was sind das eigentlich für politische Journalisten, welche die Unwahrheit der ihnen aufgetischten Geschichten nicht für möglich halten?“

Zunächst wurde also der Antrag auf Unterlassung von Stern und Drewelo vor dem Landgericht Hamburg abgelehnt, dann wurde ihm vor dem Oberlandesgericht in (weiten) Teilen stattgegeben und die Geschichte an das Landgericht zurückverwiesen. Dort wurde dem Diktum von Papa Oberlandesgericht Genüge getan und der Blaue Bote zur Unterlassung von vier Behauptungen verpflichtet. und nun geht das Schauspiel in die nächste Runde vor dem Oberlandesgericht und wieder vor dem siebten Senat.

Dort geht es um mehr als den Versuch eines Konzerns, Kritiker mundtot zu machen bzw. die eigene finanzielle Macht dazu zu nutzen, Kritiker mittellos zu klagen und durch die Instanzen zu zerren. Es geht um die Frage, ob Journalisten ein Freischein ausgestellt wird, auf dessen Grundlage sie jeden Blödsinn, jede Lüge und jede Propaganda verbreiten dürfen, so lange sie nur behaupten, sie glaubten, was sie verbreiten, denn in diesem Fall, so wollen es die Richter der 24. Zivilkammer des Hamburger Landgerichts und des 7 Zivilsenats des Oberlandesgerichts, wäre die Aussage, dass es sich um Fake News handelt, ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht dessen, der die Fake News verbreitet. Der Begriff der Fake News, ein Begriff, der sich auf die Übereinstimmung von dem, was behauptet wird, und dem, was ist, bezieht, wird somit von dieser Verbindung getrennt und zu einer Kopfgeburt, einem Freischein zur Lüge, denn nur, wem die bewusste Lüge nachgewiesen werden kann, der hat Fake News verbreitet, sofern er Angestellter einer Gazette des Bertelsmann-Konzerns oder des SPD-Presseimperiums ist, versteht sich.

Wie oben dargestellt, gelten für Blogger und soziale Akteure im Internet andere Regeln. Sie dürfen nicht frei lügen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, denn bei Ihnen wird dann, wen sie Fake News verbreiten, angenommen, dass sie die Fake News bewusst und in boshafter Absicht verbreiten.

Die Zweiklassengesellschaft in Deutschland nimmt Gestalt an. Zu unterscheiden sind diejenigen, mit der Lizenz zum Lügen, ausgestellt vom Landgericht Hamburg und dem dortigen Oberlandesgericht (Das ist eine Meinungsäußerung) und diejenigen, mit der Freiheit, sich zum gehorchen zu entscheiden oder von den Lügenlizenzinhabern vor Gericht gezerrt zu werden.

Ob es wirklich jemanden gibt, der denkt, ein solch abenteuerliches Gebilde wie es nur die Gehirne von Juristen hervorbringen können, in die sich schon seit Jahrzehnten kein neuer Gedanken mehr verirrt hat, sei stabil?

Eine interessante Konsequenz der Entscheidung Aussagen von Journalisten nur dann als Fake News bezeichnen zu sollen, wenn diesen Journalisten eine Absicht nachgewiesen werden kann, ergibt sich, wenn man die Entscheidung weiterdenkt und z.B. auf Entscheidungen Hamburger Richter anwendet. Dann nämlich kann man eine Entscheidung Hamburger Richter nur dann für eine korrekte Entscheidung ansehen, wenn sie unter Auslassung von boshaften Absichten zu Stande gekommen ist. Nachweispflichtig wären in diesem Fall die Richter selbst, die behaupten, ihre Entscheidungen seien korrekt. In beiden Fällen gilt die Bejahung des Antezedens.

Einen Eindruck in diese Gerichtsposse aus Hamburg bieten die Beiträge, die Markus Kompa zu diesem Thema in seinem Blog veröffentlicht hat. Eine Pressemitteilung des Blauen Boten zur Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamburg, die am 29. März ansteht, findet sich hier. Der Betrieber des Blauen Boten hat uns zwischenzeitlich mitgeteilt, dass ihm ein Fehler unterlaufen ist. Die Verhandlung vor dem OLG Hamburg fand bereits gestern statt. Also nicht am Karfreitag eine spontane Protestkundgebung vor dem OLG Hamburg planen…:)) Mehr dazu hier. Nebenbei: Wenn Beklagte den Termin einer Gerichtsverhandlung vergessen, den dieser Richter hier als Vorsitzender Richter verhandelt, dann sagt das einiges über den Stand der Delegitimation des deutschen Rechtssystems zumindest am Standort Hamburg.


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