Aktivist: Die Metamorphose des Kriegsverbrechers zum „Helden der Nachricht“

Die Medien schlagen ihn ihren Lesern jeden Tag mehrfach um die Ohren: Den Aktivisten. Er ist fester Bestandteil der Nachrichten. Der Aktivist wird zumeist in positivem Zusammenhang benannt und meist ist er einer, der ein besonderes Anliegen, ein löbliches Anliegen so sehr zu seinem eigenen Anliegen gemacht hat, dass er sich „aktiv“ für dessen Umsetzung oder Erreichung einsetzt.

Unsere Medienanalyse erbringt ein wahres Pantheon des Aktivismus. Es gibt den Klima-Aktivisten in reiner und erweiterter Form als Umwelt-Aktivist. Es gibt den Greenpeace-Aktivisten, den Anti-Kernkraft Aktivisten, den Anti-Gentechnik-Aktivisten, den Aktivisten des American-Indian-Movement, den Antifa-Aktivisten, den Hunde-Aktivisten, den politischen Aktivisten, den israelischen, türkischen und griechischen Aktivisten, es gibt Künstler und Aktivisten, deutsche und gewaltfreie Aktivisten, grüne Aktivisten uvm.

Aktivisten blockieren Zufahrten, drucken eine gefälschte New York Times, bepflanzen die S-21 Baustelle, setzen sich auf Gleise, ziehen in Baumhäuser, stecken Mülltonnen in Brand, werfen Steine auf Polizeibeamte … der Tätigkeiten sind nur ideologische Grenzen gesetzt.

Nun ist der Aktivist, das, was wir gerade beschrieben haben, nicht immer gewesen. Nein, er ist es erst geworden. Denn: In der BRD-Berichterstattung kommt der Aktivist überhaupt nicht vor. In all den Jahren von 1980 bis 2000 findet er sich nur in wenigen Beiträgen (siehe Abbildung), darunter einer des Neuen Deutschland, in dem Adolf Hennecke, der Gründer der Aktivistenbewegung der DDR lobend besprochen wird. Die Aktivistenbewegung der DDR wiederum war eine Bewegung, deren Ziel die Steigerung der notorisch geringen Produktivität der DDR-Wirtschaft war. Durch eine neue sozialistische Einstellung zur Arbeit sollten Werktätige produktiver werden. In der DDR herrschte der Glaube an Wortmagie, so wie er heute im Genderismus herrscht.

Im Gegensatz zur BRD war in der DDR der Begriff des Aktivisten nicht nur bekannt, sondern auch ein gerne benutzter Begriff. Klaus Siewert schreibt in seiner Darstellung von DDR-Deutsch:

„Ein Aktivist war in der DDR und anderen sozialistischen Staaten nicht nur ein ‚politisch tatkräftiger Mensch‘, sondern bezeichnet einen Arbeiter oder Angestellten, der für überdurchschnittliche Leistungen ausgezeichnet worden ist“ (Siewert 2004: 176).

Zwischenfazit:

Der Begriff „Aktivist“ ist im Westen Deutschlands bis zum Beginn der 2000er Jahre weitgehend unbekannt, während er im Osten Deutschlands auf eine lange und positive DDR-Karriere zurückblicken kann.

Die lange und positive Karriere ist umso erstaunlicher als der Begriff des Aktivisten keine guten Startbedingungen hatte. Wir begegnen ihn mehr oder minder in erster Nennung im Kontrollratsbeschluss Nr. 38 der Alliierten vom 12. Oktober 1946, der die „Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten, Militaristen und die Internierung, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen“ zum Gegenstand hat.

Im Beschluss werden Kriegsverbrecher in Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete und Mitläufer unterteilt.

Die Gruppe der Belasteten setzt sich aus Militaristen und AKTIVISTEN zusammen.

Zu Aktivisten gibt es folgendes zu lesen:

  • Aktivisten
  • Aktivist ist:
  1. Wer durch seine Stellung oder Tätigkeit die nationalsozialistische Gewaltherrschaft wesentlich gefördert hat;
  2. Wer seine Stellung, seinen Einfluß und seine Beziehungen zur Ausübung von Zwang, Drohung, Gewalttätigkeiten, Unterdrückung oder sonst ungerechten Maßnahmen ausgenutzt hat
  3. Wer sich als überzeugter Anhänger der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, insbesondere ihrer Rassenlehre, offen bekannt hat.
  • Aktivist ist insbesondere, soweit er nicht Hauptschuldiger ist:
  1. Wer durch Wort oder Tat, insbesondere öffentlich durch Reden oder Schriften oder freiwillige Zuwendungen aus eigenem oder fremden Vermögen oder durch Einsetzen seines persönlichen Ansehens oder seiner Machtstellung im politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Leben wesentlich zur Begründung, Stärkung und Erhaltung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft beigetragen hat;
  2. Wer durch nationalsozialistische Lehre oder Erziehung die Jugend an Geist und Seele vergiftet hat;
  3. Wer zur Stärkung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft unter Mißachtung anerkannter sittlicher Grundsätze das Familien- und Eheleben untergraben hat;
  4. Wer im Dienste des Nationalsozialismus ungesetzlicherweise in die Rechtspflege eingegriffen oder sein Amt als Richter oder Staatsanwalt politisch mißbraucht hat;
  5. Wer im Dienste des Nationalsozialismus hetzerisch oder gewalttätig gegen Kirchen, Religionsgemeinschaflen oder weltanschauliche Vereinigungen aufgetreten ist;
  6. Wer im Dienste des Nationalsozialismus Werke der Kunst oder Wissenschaft verhöhnt, beschädigt oder zerstört hat;
  7. Wer sich führend oder aktiv an der Zerschlagung der Gewerkschaften, der Unterdrückung der Arbeiterschaft und der mißbräuchlichen Verwendung der Gewerkschaftsvermögen beteiligt hat;
  8. Wer als Provokateur, Spitzel oder Denunziant die Einleitung eines Verfahrens zum Schaden eines anderen wegen seiner Rasse, Religion oder seiner politischen Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder wegen Zuwiderhandlungen gegen national— sozialistische Anordnungen herbeigeführt oder herbeizuführen versucht hat;
  9. Wer seine Stellung oder seine Macht unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu: Begehung von Straftaten, insbesondere Erpressungen, Unterschlagungen oder Betrügereien ausgenutzt hat;
  10. Wer durch Wort oder Tat eine gehässige Haltung gegenüber Gegnern der NSDAP in Deutschland oder im Ausland, gegen Kriegsgefangene, die Bevölkerung der ehemals besetzten Gebiete, gegen ausländische Zivilarbeiter, Häftlinge oder ähnliche Personen eingenommen hat;
  11. Wer die Versetzung zum Frontdienst von Personen wegen ihrer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus begünstigt hat.

II. Aktivist ist auch,

  • wer nach dem 8. Mai 1945 durch Propaganda für den Nationalsozialismus oder Militarismus oder durch Erfindung und Verbreitung tendenziöser Gerüchte den Frieden des deutschen Volkes oder den Frieden der Welt gefährdet hat Oder möglicherweise noch gefährdet.“

Aktivist ist in seiner Definition durch die Alliierten ein Kriegsverbrecher, aber kein Hauptkriegsverbrecher. Oder einer, den man in heutiger Diktion einen Neo-Nazi nennen würde. Aktivist ist als Begriff in Westdeutschland dem Vergessen anheim gestellt. In Ostdeutschland nimmt der Begriff eine steile Karriere und wird zum Titel, der jedem, der sich mit außergewöhnlicher Leistung um den sozialistischen Staat, vor allem um dessen Produktivität verdient gemacht hat, verliehen wird. Nach der Vereinigung wird Aktivist zu einem Begriff, der in den Medien vor allem jenen angeheftet wird, die sich durch ein linkes Weltbild auszeichnen, die eine so heftige Überzeugung mit sich herumtragen, dass sie andere zum selben Glauben bekehren wollen und die zu diesem Zwecke „aktiv“ sind, Aktionen durchführen, sich aktivistisch verhalten.

Ob diese Renaissance eines alten DDR-Begriffs in weitgehend identischem normativem Kontext ein Zufall ist?

Was ist eigentlich aus den vielen Mitarbeitern der Stasi, den Jungoffizieren der NVA und den in der DDR zu Journalisten Ausgebildeten geworden?

Siewert, Klaus (2004). Vor dem Karren der Ideologie. DDR-Deutsch und Deutsch in der DDR. Münster: Waxmann.

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