Extremismus-Spirale: In Berlin blüht der Totalitarismus
Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, war dies der Startschuss für viele Möchtegern-Große, die sich in der SA organisiert hatten, um über jüdische Mitbürger, jüdische Geschäfte und jüdischen Besitz herzufallen. Ausgestattet mit akribisch zusammengestellten Namenslisten, haben sich die freiwilligen Helfer des totalitären Staates in den nächsten Tagen und Wochen aufgemacht, eine Herrschaft der Willkür zu etablieren, jüdischen Besitz zu zerstören und Juden zu ermorden. Robert Gellately berichtet davon in seinem Buch „Backing Hitler: Consent and Coercion in Nazi Germany“. Ab dem 1. April 1933 wurde aus den dezentralen Aktionen gegen Juden, ein landesweiter Boykott jüdischer Geschäfte und Einrichtungen.
Was sich wie ein roter Faden durch das Buch von Gellately zieht, ist die Irritation des Autors darüber, dass eine Kulturnation wie Deutschland innerhalb weniger Monate in absoluter Willkür versinken konnte und dass vor allem die Institutionen, deren Auftrag die Wahrung und Durchsetzung des Rechts war, dafür instrumentell gewesen sind.
Tote tauchten am Rand von Ortschaften auf. Es gab keine Ermittlungen und keine rechtlichen Konsequenzen. Juristen waren dabei hilfreich Gesetze wie das zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ zu fabrizieren, das am 7. April 1933 in Kraft getreten ist und die Grundlage dafür bot, Juden, Kommunisten und alle anderen, die ideologisch nicht zu den Nationalsozialisten gepasst haben, aus öffentlichen Positionen, aus Polizei, Justiz, Universitäten und Ämtern zu entfernen. Auch der Boykott jüdischer Geschäfte und die Entfernung jüdischer Ärzte, Richter oder Beamter hat keinen Aufschrei in der Bevölkerung hervorgerufen. Tatsächlich hatten die Nazis in allen Bereichen Zulauf. Vor allem Frauen sind in großer Menge in nationalsozialistische Organisationen eingetreten. Am besten ist dies im Anschwellen des Deutschen Frauenwerks, einer freiwilligen Vereinigung dokumentiert: Von wenigen 100.000 Mitgliedern vor der Machtergreifung Hitlers wuchs das Frauenwerk bis 1938 auf vier Millionen Mitglieder und wurde zum größten Freiwilligen-Verband der Nazis.
Fast Forward: Deutschland 2019.
Vera Lengsfeld berichtet auf ihrem Blog davon, dass sie zum Ziel der Antifa geworden ist. In der Nähe ihrer Wohnung ist das folgende Plakat aufgetaucht: „Lengsfeld Halt’s Maul – Kein Podium für rechte Hetze; Antifa“.
Das Plakat steht in direkter Kontinuität zum Dritten Reich, denn auch damals haben sich Freiwillige darin überschlagen, die schmutzige Arbeit für ihr Regime zu erledigen. Die Gemeinsamkeiten gehen noch weiter und haben uns dazu veranlasst, die Extremismus-Spirale zu entwickeln, ein kleines Modell, das zeigt, wie es totalitären Gruppen gelingt, sich in einer Gesellschaft festzusetzen und diese Gesellschaft letztlich zu zerstören.
Vorab wollen wir alle Leser auf den Beitrag von Vera Lengsfeld hinweisen, in dem sie schreibt, wie sie 1988 also kurz vor dem Ende des sozialistischen Paradieses in die kapitalistische Hölle des Westens abgeschoben wurde, weil sie sich nicht untersagen lassen wollte, ihre Meinung zu äußern, sich heute, da sie sich immer noch nicht untersagen lassen will, ihre Meinung zu äußern, mit altbekannten Formen der in der DDR so bekannten Hetze konfrontiert sieht. Dass Vera Lengsfeld nicht nur diese Kontinuität in ihrem Beitrag herstellt, sondern auch darauf hinweist, dass Spitzel der Stasi wie Anetta Kahane, die einst im Auftrag des Staates Mitbürger mit falscher Gesinnung ausspioniert haben, heute und abermals im Auftrag des Staates, Mitbürger mit falscher Gesinnung zum Gegenstand ihrer von Steuerzahlern alimentierten Tätigkeit gemacht haben, ist eine andere Kontinuität, die sie herstellt.
Vera Lengsfeld hat die Plakataktion bei der Berliner Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht und von dort wohl ein lakonisch formuliertes Schreiben erhalten, in dem die Einstellung des Verfahrens verkündet wird, weil „keine Beleidigung“ ersichtlich sei (ob eine Bedrohung vorliegt, hat man anscheinend gar nicht erst untersucht) und eine Sympathie, die Lengsfeld angeblich für die AfD haben soll, als Begründung dafür, dass hier keine Beleidigung gesehen wird, angeführt wird.
Gesinnungsjustiz, wie im Dritten Reich.
Das bringt uns zu unserer Extremismus-Spirale, die mit der Verfolgung von Juden im Dritten Reich sehr viele formale Gemeinsamkeiten aufweist.
Die Extremismus-Spirale in Schritten:
1.
Bürger werden aufgrund eines Merkmals zu einer Gruppe zusammengefasst (Rechte oder Juden)
2.
Das Merkmal wird negativ bewertet (Rechte: Faschisten, Rassisten, Zerstörer des Pluralismus oder Juden: Volksschädlinge, Schmarotzer, Verschwörer, Zerstörer des deutschen Volkes)
3.
Niemand opponiert gegen derartige platte Stereotypisierungen. Im Gegenteil: Die Stereotypisierungen werden von immer mehr Mitläufern für den Versuch benutzt, Personen, die sie nicht mögen, zu diskreditieren.
4.
Es bilden sich Gruppen von Personen, die es nicht geschafft haben, durch eine eigene Leistung einen Selbstwert zu bilden, weshalb sie versuchen, Selbstwert durch Anbiederung zu erreichen. Die Möglichkeit, Personen auszusondern, als Rechte zu diskreditieren, zum Gruppengegenstand zu machen, sich damit einen Lebenssinn zu geben und durch Aktionen der Gruppe zu beweisen, was für ein toller Mitläufer man doch ist, Prozesse, die aus der Forschung zu Jugendbanden, wie sie Short & Strodtbeck (1965), Cohen (1961, 1957, 1955), Trasher (1936) oder Whyte (1943) durchgeführt haben oder aus der Hexenverfolgung (Briggs 1996), bestens bekannt sind, führen zu Aktionen wie der, die sich gegen Vera Lengsfeld richtet.
5.
Die Vertreter offizieller Institutionen, deren Aufgabe darin besteht, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten, frönen der Gesinnungsjustiz, die Straftaten gegen den ideologischen Feind als legitim erscheinen lässt und damit rechtfertigt, dass das Opfer durch die falsche Gesinnung, am eigenen Opferstatus selbst die Schuld trägt.
6.
Was kommt als nächstes, wenn die Meldung an Gesocks (sorry, aber ab und zu muss man die Dinge einfach beim Namen nennen) wie die verantwortlichen Antifazis darin besteht, dass die Aktion ohne Folgen für sie bleibt. Abermals muss man nicht lange suchen, um in der oben bereits zitierten Literatur zu Jugendbanden und bei George C. Homans fündig zu werden: Handlungen, mit denen man sich heute noch profilieren konnte, haben morgen bereits nicht mehr denselben Befriedigungswert. Sie müssen deshalb eskaliert werden, eine Stufe weitergetrieben werden. Das Dritte Reich gibt genügend Anschauung für diejenigen, die die weiteren Stufen der Eskalation voraussehen können oder wollen. Die Erforschung der Radikalisierungsprozesse von Islamisten, wie sie z.B. von Douglas Pratt (2010) durchgeführt wurde, gibt moderneres Anschauungsmaterial.
Weil man vorhersehen kann, was dann, wenn Antifazis wie es sie in Berlin wohl in Menge gibt, nicht rechtzeitig abgeschreckt werden, ist die Einstellung des Verfahrens durch die Berliner Staatsanwaltschaft eine der kleinen Katastrophen, die große Katastrophen erst möglich machen. Hannah Arendt spricht hier von der Banalität des Bösen.
Staatsanwaltschaften haben nicht nur Spezialprävention zu betreiben, sie müssen auch Generalprävention betreiben, weshalb es gerade wichtig gewesen wäre, Aktionen wie diejenige, die sich gegen Vera Lengsfeld richtet, im Keim zu ersticken. Dass dies nicht geschehen ist, lässt Schlimmes vermuten, die Art der Begründung, soweit sie von Vera Lengsfeld veröffentlicht wurde, verweist zudem auf Gesinnungsjustiz, nichtzuletzt ist die Staatsanwaltschaft weisungsgebunden, von Weisungen der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung abhängig. Senator für Justiz ist Dirk Behrendt (Bündnis90/Die Grünen)…
Es ist hoffentlich noch zu früh von einem extremistischen Shithole zu sprechen, aber Berlin ist mit Sicherheit auf dem Weg dahin.
Briggs, Robin (1996). Witches & Neigbors. The Social and Cultural Context of European Witchcraft. London: Penguin.
Cohen, Albert (1961). Kriminelle Jugend. Zur Soziologie jugendlichen Bandenwesens. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt.
Cohen, Albert K. (1957). Kriminelle Subkulturen. In: Heinz, Peter & König, René (Hrsg.): Soziologie der Jugendkriminalität. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 103-117.
Cohen, Albert (1955). Delinquent Boys. Glencoe: Free Press.
Pratt, Douglas (2010). Religion and Terrorism: Christian Fundamentalism and Extremism. Terrorism and Political Violence 22(3): 438-456.
Short, James F. & Strodtbeck, Fred L. (1965). Group Process and Gang Delinquency. Chicago: University of Chicago Press.
Trasher, Frederic M. (1936). The Gang. Chicago: University of Chicago Press.
Whyte, William F. (1943). Street Corner Society. Chicago: University of Chicago Press.
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Nein! Es ist nicht zu früh, von einem extremistischen Shithole zu sprechen! Es ist schon ziemlich spät! Die Antifa-Faschisten zündeln doch inzwischen an allen Ecken!
Heute unter Klarnamen in den Netzwerken Stellung zu beziehen, kann gefährlich werden. Mein Nachbar Jahrgang 1965, politisch eigentlich eher wenig bis gar nicht interessiert, hatte unlängst eine kurze Konversation mit so einem “Jüngling” auf Facebook. Tagsdrauf waren alle vier Reifen an seinem Auto platt. In einer Straße wo sich sonst nur höchstens mal ein Igel verirrt. Sicherlich nur Zufall.
Wenn die Sozialwissenschaften nicht auf den Hund gekommen wären, hätten sie heutzutage übberreichlich Gelegenheit, die Mechanismen, die in der 30er Jahren zur Katastrophe geführt haben, quasi live zu untersuchen.. Wie es scheint bleibt die Forschungen nun wieder zukünftigen Generationen von Historikern überlassen
P.S. hätte ich das Plakat gesehen, hätt ich mir eine Spraydose mit roter Farbe besorgt und hinter ‘Antifa’ ein alias SA gemalt.
“…..und hinter ‘Antifa’ ein alias SA gemalt.”
Ich hätte ein alias RFKB gemalt, denn die Antifa steht in der Tradition des “Rot-Front-Kämpferbundes” nicht der SA. Im Gegenteil, die beiden (SA und RFKB) haben sich ja wie die “Kesselflicker” seinerzeit gekloppt.
… und sicherlich wäre dann diese Tat, also Ihre Spraydosen-Aktion, sofort strafrechtlich verfolgt worden in der Republik der vielen verschiedenen Maßstäbe!
Na dann wäre die Staatsanwaltschaft ganz sicher mit im Boot gewesen.
Der linke Terror ist längst zurück, und “die da oben” lassen das einfach zu, während die Institutionen und allen voran die Presse einfach weggucken.
Siehe z.B. hier: https://osthollandia.com/2018/03/15/hello-again/ oder auch da: https://osthollandia.com/2017/08/12/geheime-rueckkehr-des-linken-terrorismus-oder-die-explosion-in-dresden-neustadt/
Man kann die Deutschen aus dem Totalitarismus herausholen, aber nicht den Totalitarismus aus den Deutschen.
“……die es nicht geschafft haben, durch eine eigene Leistung einen Selbstwert zu bilden.”
Die perfekte Politiker/Innen(!)-Beschreibung.
…. und als sie mich holten / bedrohten, war keiner mehr da, der mir helfen konnte.
Wann bewegt dieses unterwürfige Bücklingsvolk endlich seinen Arsch, um solchem Treiben von Justiz und Tätern ein mehr oder weniger friedliches Ende zu bereiten.
Bei der “Entjudung” staatlicher Entitäten waren auch – gern unterschlagen – beide Staatskirchen sehr eifrig und vorauseilend gehorsam in ihren eigenen Reihen engagiert. Davon zeugen bis heute innerkirchliche Briefe / Dokumente von Bistümern (zB. Erfurt). Um die 90% der Deutschen damals waren überzeugte Kirchenmitglieder. Es waren nicht nur “kleine Gruppen”, ja den Begriff Gruppe ist schon fast verniedlichend.
Im letzten Satz könnte statt “Berlin” passender “BRD” stehen!
Bevor die wirklichen Schlächter tätig werden, muß der Gegner noch entmenschlicht werden. Schritt für Schritt. Erst geschmäht als Rassist, Nazi, o. ä. , dann durch Slogans wie “Haß ist keine Meinung” ausgegrenzt aus der Gemeinschaft der “Meinungsberechtigten”. Schließlich als Klimakiller und Umweltzerstörer zur Weltbedrohung stilisiert, die man vernichten muß, um dem Untergang zu entgehen.
Voilà, dann kann es losgehen.
“Ab dem 1. April 1933 wurde aus den dezentralen Aktionen gegen Juden, ein landesweiter Boykott jüdischer Geschäfte und Einrichtungen.”
Die Aktion “Deutsche wehrt euch kauft nicht bei Juden” war ein singulärer Vorgang zu dieser Zeit.
Der 1. April 1933 war ein Samstag. Es war die Antwort auf die in der britischen Presse veröffentlichten “Kriegserklärung” des jüdischen Weltkongresses gegen Deutschland aufgrund der drei Wochen zuvor erfolgten Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. So wie Sie das schreiben, Herr Klein, ist das sehr suggestiv und bewegt sich hart an der Grenze zu Fake News…
Nein, es war keine singuläre Aktion, vielmehr dauerte der “Boykott” über Wochen an. Machen Sie sich bitte kundig, bevor Sie behaupten, wir wären “hart an der Grenze zur Fake News”, und beim nächsten Mal geben Sie bitte einen Beleg für ihre Behauptungen an, sonst sehen wir uns gezwungen, das Angebot des Kommentierens in ihrem Fall auszusetzen.