Influencer influencen Influenste – Eine Influenza in Junk Science von der Hochschule Landshut

Empirische Sozialforschung ist ein Feld, das seit mehreren Jahrzehnten bearbeitet wird. Vielleicht kann man die Geschichte der empirischen Sozialforschung mit Emil Durkheim beginnen, in jedem Fall ist sie mehr als 100 Jahre alt.

In dieser Zeit haben empirische Sozialforscher Bücher, viele Bücher, sehr viele Bücher dazu geschrieben, wie man empirische Sozialforschung betreibt, wie man eine Fragestellung in ein Forschungsdesign überführt, so dass am Ende der Forschung auch sinnvolle Ergebnisse stehen.

All diese Dekaden an Anstrengung, harter Arbeit am methodischen Korpus und Legionen von Veröffentlichungen dessen, was man heute „Best Practice“ nennt, sind an der Hochschule Landshut, wie es scheint, vollständig vorüber gegangen.

Dort hat Dr. Eva Wunderer eine Studie „wissenschaftlich begleitet“, deren Ziel darin bestand, den Zusammenhang zwischen Instagram-Nutzung und Essstörung zu erkunden. Offensichtlich war die Idee die folgende: Mädchen (wer sonst) sehen auf Instagram Vorbilder „Influencerinnen“, so die Bezeichnung aus Landshut, denen sie nacheifern, und weil sie ihnen nacheifern, deshalb werden sie dünn, noch dünner und schließlich essgestört.

Um diesen Zusammenhang zu prüfen, wurden „138 Mädchen und Frauen befragt, die sich aktuell in Behandlung wegen Essstörung“ befinden. Die dabei gewonnenen Ergebnisse zeigen, so meint man in Landshut, dass z.B. „Fitness-Influencerinnen …. zu vermehrtem Training und zur Nachahmung des Essverhaltens der Influencerinnen an[regen] und … Mädchen und Frauen auf ihrem Weg in die Essstörung“ begleiten. „Influencerinnen“, ergänzt Eva Wunderer, haben eine starke Wirkung auf junge Menschen. Sie müssen sich dieser Verantwortung bewusst sein“. Wunderer macht „Influencerinnen“ zwar nicht „allein“ für „Essstörungen“ verantwortlich, aber zum Teil.





Nun, wenn man nur Probanden untersucht, die bereits eine Essstörung haben, von denen 74% sagen, sie würden aktiv auf Instagram Bilder von sich posten, und von denen 72% sagen, dass sie die Bilder schönen, dann muss man sich nicht wundern, wenn man ein Ergebnis erhält wie das, das Wunderer ohne sich zu wundern zum Besten gibt.

Es ist, als würde man im Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses die Mörder danach fragen, ob sie schon einmal Tagesschau gesehen haben, und sich dann aufmachen und die Tagesschau als zum Teil für die Morde verantwortlich zu erklären.

So funktioniert Forschung nicht und Wissenschaft schon gar nicht.

Wunderer, die die Forschung wohl weniger begleitet hat als dass die Forschung mit ihr davongelaufen ist, kann natürlich auf Basis ihrer Ergebnisse keinerlei Aussagen darüber machen, ob und wenn ja wie, das was sie „Influencerinnen“ nennt auf „Mädchen und Frauen mit Essstörungen“ wirkt.

Um derartige Aussagen machen zu können, hätte man zunächst untersuchen müssen, ob die vermeintlichen Influencerinnen auch einen nachweisbaren Effekt haben. Dazu hätte man Konsumenten von Instagram untersuchen müssen. Um den Einfluss auf Essstörungen zu untersuchen, hätten man die Menge der Konsumenten von Instagram in solche teilen müssen, die den vermeintlichen Influencerinnen folgen und Essstörungen haben, solche, die den vermeintlichen Influencerinnen folgen und normal essen, solche, die den vermeintlichen Influencerinnen nicht folgen und dennoch Essstörungen haben und solche, die den vermeintlichen Influencerinnen nicht folgen und auch keine Essstörungen haben.

Nur auf Grundlage eines solchen, klassischen Vergleichsgruppendesigns sind die Aussagen, die Wunderer zu machen können glaubt, überhaupt möglich. Dass sie nicht einmal entfernt ein solches Forschungsdesign zu Stande gebracht hat, aber dennoch glaubt, man könne die Schlüsse ziehen, die sie zieht, sagt eigentlich schon alles und zeigt einmal mehr, dass Dunning-Kruger gerade an Hochschulen weit verbreitet ist: Die Überzeugung, man könne empirische Sozialforschung betreiben, ist umso fester, je weniger Ahnung die Betreffenden von empirischer Sozialforschung haben.

So lange sie Deppen finden, die den Junk bezahlen, weil man damit die eigene Agenda legitimieren kann, wie dies im vorliegenden Fall wohl der Bundesverband Essstörungen tun will, wird sich daran auch nichts ändern.


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