Brexit am 31. Oktober ist sicher: Johnson ist eine andere Klasse als May
Bei der Europäischen Kommission sollte man sich langsam mit dem Gedanken anfreunden, dass der britische Prime Minister Boris Johnson in einer anderen Liga spielt als dies Theresa May getan hat. May, die in die Remainer-Fraktion gehört, hat wohl zu keinem Zeitpunkt, wie zwischenzeitlich herausgekommen ist, mit einem Hard Brexit gedroht. Die neue Regierung unter Boris Johnson bereitet sich systematisch auf einen Hard Brexit vor, und Johnson hat es abgelehnt, wie May dies getan hat, als Bittsteller nach Brüssel zu fahren und darauf zu hoffen, dass die EU-Kommission und der Ministerrat kollektiv ihre Daumen nach oben halten. Wenn die EU nicht bereit ist, über den Backstop zu verhandeln, so hat Boris Johnson mehrfach betont, dann gibt es nichts, worüber man mit der EU reden müsste.
Nun mag es manche in der EU geben, die nach wie vor ihre Hoffnung in die Möglichkeit setzen, dass es der Opposition, den Corbynista um den Mann aus Islington gelingt, die Regierung von Boris Johnson mit einem „vote of no confidence“ zu erledigen. Die Hoffnung richtet sich dabei auf Personen wie Dominik Grieve, dem von seinen lokalen Tories bereits das Misstrauen ausgesprochen wurde oder Nick Boles, um den es in letzter Zeit jedoch sehr ruhig geworden ist.
Die Hoffnung ist eine jener europäischen Hoffnungen, die auf der Unkenntnis des britischen Parlamentarischen Systems basieren.
Um die Regierung zu stürzen, bedarf es einer „motion of no confidence“. Offenkundig werden die Tories keine solche motion einbringen. Labour müsste das tun. Der letzte Termin, um dies vor der Sommerpause des Parlaments zu tun, ist zwischenzeitlich verstrichen, ohne dass Labour eine motion of no confidence auf den Tisch des Parlaments gelegt hätte.
Der erste Sitzungstag des House of Commons nach der Sommerpause ist der 3. September.
Wenn Labour, was unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist, am 3. September eine motion of no confidence einbringt und diese motion vom Speaker of the House, John Bercow, zugelassen wird, was nicht unbedingt sicher ist – bei Bercow weiß man nie, was er findet, dann wird am 4. September über diese motion diskutiert und frühestens am Abend des 4. September darüber abgestimmt.
Verliert die Regierung von Johnson die Abstimmung, wie viele Gegner demokratischer Abstimmungsergebnisse in Deutschland und der EU-Kommission hoffen, dann setzt diese Niederlage einen 14tägigen Prozess in Gange, in dem die Regierung versuchen kann, wieder eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich zu sammeln oder während dessen Jeremy Corbyn versuchen kann, eine Mehrheit der Abgeordneten für sich zu gewinnen, um als Prime Minister fungieren zu können. Dass Corbyn diese Mehrheit findet, hat ungefähr die Wahrscheinlichkeit, die es hat, dass Christian Lindner der nächste Bundeskanzler wird. Sofern es der Regierung Johnson nicht gelingt, eine Mehrheit mit Renegaten von Labour zu zimmern, was durchaus möglich ist, werden die 14 Tage ohne Ergebnis verstreichen, und das bedeutet Neuwahlen.
Und nun wird es interessant, denn im Fixed Term Parliamentary Act von 2011 steht unter Section 2 subsection 7:
“If a parliamentary general election is to take place as provided for by subsection (1) or (3), the polling day for the election is to be the day appointed by Her Majesty by proclamation on the recommendation of the Prime Minister (and, accordingly, the appointed day replaces the day which would otherwise have been the polling day for the next election determined under section 1).”
Der Prime Minister hat somit das Recht, den Wahltag vorzuschlagen. Zu diesem Wahltag heißt es in Section 1 Subsection 5 des Fixed Parliamentary Act:
“The Prime Minister may by order made by statutory instrument provide that the polling day for a parliamentary general election in a specified calendar year is to be later than the day determined under subsection (2) or (3), but not more than two months later.”
Daraus ergibt sich die folgende zeitliche Abfolge
- 4. September: Motion of no confidence -> Regierung Johnson verliert Abstimmung
- 18. September: 14 Tage Frist zur Bildung einer neuen Regierung endet erfolglos
- 19. September: Frühester Tag, an dem die Queen Neuwahlen verkünden kann
- 20. September: Frühester Tag, an dem das House of Commons aufgelöst werden kann
- 31. Oktober: BREXIT
- 18. November: Ende der zwei Monatsfrist, innerhalb der Parlamentswahlen abgehalten werden müssen.
Im Vereinigten Königreich finden Parlamentswahlen traditionell an einem Donnerstag statt, d.h. Boris Johnson könnte Neuwahlen für den 5. oder den 12. November ansetzen.
Der Termin für den Brexit ist auf den 31. Oktober bestimmt worden. Das ist der letzte Termin der Mitgliedschaft des Vereinigten Königreiches in der Europäischen Union oder wie es im Beschluss des Europäischen Ministerrats heißt:
„In response, the European Council agrees to an extension to allow for the ratification of the Withdrawal Agreement. Such an extension should last only as long as necessary and, in any event, no longer than 31 October 2019.”
We are playing a different ballgame now!
P.S.
Im Vereinigten Königreich sind derartige prozedurale Fragen weitgehend Neuland, denn bislang gibt es kein eingefahrenes Prozedere, was im Falle von was geschieht. Es ist nicht einmal klar, was es für eine Regierung bedeutet, wenn ihr das Misstrauen ausgesprochen wird. Klar ist nur, dass es nach einer entsprechenden Niederlage eine Schlacht darüber geben wird, wie das Ergebnis zu interpretieren ist. Unser Zeitablauf ist das, was wir für die wahrscheinlichste Lösung halten und es ist die kürzeste Lösung. Alle anderen Lösungen benötigen noch mehr Zeit und machen den Brexit somit noch wahrscheinlicher.
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Die Brexit-Gegner auf der Insel werden eines Tag noch froh sein, dass sich das Land aus dem Knoten der EU gelöst hat. Sicher, es wird vorübergehend auch für die Briten Einschnitte geben, aber die Vorteile wiegen das auf. So können die Briten z.B. in Eigenverantwortung über die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den einzelnen europäischen Ländern und entsprechende Zölle verhandeln. Auch sparen sie sich die Milliarden pro Jahr in den Topf der EU. Und letztlich denke ich auch, haben die Briten dann den Vorteil, dass, sollte die Eurozone samt Währung platzen, sie bereits ein halbes oder ganzes Jahr Vorspung haben, um ihre wirtschaftliche und finanzielle Lage zu stabilisieren. Zumindest bleiben die Briten vom ganz großen EU-Chaos dann verschont.
Was bitte haben die Briten mit der Eurozone zu tun? Die waren doch so clever, ihre eigene Währung zu behalten. Wenn der Euro platzt, wird das tatsächlich auch in nicht unmittelbar beteiligten Staaten leichte Verwerfungen geben – insoweit stimme ich Ihnen zu. Ein zeitlicher Vorsprung hilft da aber nicht.
Warum im Winter von der Titanic gehen?
Oder gar erst angesichts des Eisberges?
Warum nicht schon in wärmeren Gewässern?
Die Frage, warum GB überhaupt auf die Titanic ging, die stellt sich nicht.
Denn GB ist ja nicht in die heutige EU(dSSR) eingetreten sondern in die EG der Vaterländer,
die recht gut funktionierte bevor sie sich zu einem inter-national-sozialistischen Möchtegern-Imperium häutete.
Und wenn sich ein Verein dermaßen schräg mit Kurs auf einen Eisberg entwickelt, dann sollte man da auf jeden Fall raus um den wirtschaftlichen, finanziellen, kulturellen und Flutungsschaden zu minimieren.
Blöd für Deutschland. Aber nu sind se halt weg.
Ich hoffe, der BREXIT wird erfolgreich und den Briten geht es nach dem Ausstieg wirtschaftlich mindestens so gut wie heute.
Das wäre das schlimmste Szenario, was sich unsere EU-Politiker vorstellen können.
Eine schallende Ohrfeige für den selbstherrlichen Sumpf in Brüssel.