Arbeitszeit der Eltern und Übergewicht von Kindern: Wie das WZB Junk Science verbreitet
Die folgende Meldung von AFP ist bislang nur der ZEIT-Redaktion und der Redaktion der Krone Zeitung in Österreich einen „Bericht“ wert gewesen.
„Berlin (AFP) Lange Arbeitszeiten von Müttern und Vätern erhöhen einer Studie zufolge das Risiko für ihre Kinder, im Vorschulalter an Übergewicht oder Fettleibigkeit zu leiden. Nach den am Donnerstag vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschungen vorgestellten Ergebnissen ist bei Müttern mit 35 Stunden oder mehr an wöchentlicher Arbeitszeit das Übergewichtsrisiko größer als bei nicht arbeitenden Müttern.“
Die von AFP verbreitete Meldung basiert auf dem Beitrag „Long work hours of mothers and fathers are linked to increased risk for overweight and obesity among preschool children: longitudinal evidence from Germany”.
Was im Titel schon mehr als unbeholfen klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als mehr oder weniger große Katastrophe in empirischer Sozialforschung. Das hindert die Freunde vom WZB, denen die öffentliche Finanzierung u.a. durch das Land Berlin ebenso wie die Zuschüsse von der Open Society Foundations des George Soros offenkundig nicht gut tun, aber nicht daran, eine lange Pressemeldung über die „Studie“, die Li Jianghong, Till Kaiser, Matthias Pollmann-Schult und Lyndall Strazdins durchgeführt haben, zu veröffentlichen.
Die Vier sind mit den Daten des SOEP unterwegs. Wer das SOEP kennt, der wundert sich nicht, dass vier Autoren notwendig waren, um das Datenmonstrum, das als kumulierter File oder als Bausatz zu haben ist, zumindest so zu beherrschen, dass man sich erzählen kann, man hätte sinnvolle Ergebnisse erhalten.
Ob dem so ist, wir wissen es nicht, wir wissen jedoch, dass die Autoren der Studie, allen voran Li Jianghong erhebliche ideologische Probleme mit ihren eigenen Ergebnissen haben. Wir wollen uns heute gar nicht lang damit aufhalten, dass es sich hier wieder um eine dieser Datenfuzzi-Studien handelt, bei denen der Rausch der Zahl die Notwendigkeit einer theoretischen Grundierung im Tsunami der Fallzahlen ertränkt, die die SOEP-Wellen der Jahre 2003 bis 2014 produzieren.
Das SOEP – Sozioökonomische Panel – ist ein außergewöhnlicher Datensatz, denn über Zeit werden dieselben, naja, zumeist dieselben Befragten interviewt, so dass es möglich ist, eine Entwicklung über Zeit abzubilden. Indes, die Vier von deren Bemühungen mit dem SOEP wir hier berichten, sie haben, wie so viele, vor dem longitudinalen Charakter des SOEP kapituliert und behandeln die Besonderheit unter den Datensätzen, wie einen ordinären Querschnittdatensatz.
Pfui.
Kommen wir zu den Ergebnissen, die, wie so oft, „logistic regression models“ sind, dieses Mal mit dem Zusatz „panel“, weil das SOEP ein Panel, ein Längsschnittsdatensatz ist. Nun sind logistic panel regression models explizit entwickelt worden, um einen Verlauf über Zeit darzustellen. Abermals finden wir keinerlei Hinweis darauf, dass ein Verlauf berechnet worden wäre, abermals ist das SOEP zum Querschnittsdatensatz, also zur Messung für einen einzigen Zeitpunkt verkümmert.
Aber es klingt gut – oder? Logistic regression panel model. Wow.
Das Ergebnis der Berechnungen haben wir aus dem Text entnommen – es findet sich hier:
Um die Tabelle zu verstehen, ist es ausreichend, die mit p-value überschriebene Spalte und darin Werte die kleiner als 0.05 (maximal kleiner als 0.10) sind, zu betrachten. Nur für die Variablen, die einen p-Wert aufweisen, der kleiner als 0.05 bzw 0.10 ist, ist es interessant auf den in der ersten Kolonne berichteten Effekt „Odds Ratio“ zu blicken. Der Effekt ist leicht erklärt: Bei Werten über 1 sind Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren fetter, bei Werten unter 1 nicht.
Anhand dieser Tabelle kann man sehen, dass die Behauptung, „Lange Arbeitszeiten von Müttern und Vätern erhöhen einer Studie zufolge das Risiko für ihre Kinder, im Vorschulalter an Übergewicht oder Fettleibigkeit zu leiden“ falsch ist.
Warum angebliche Wissenschaftler Modelle wie sie logistische Regressionen nun einmal darstellen, rechnen, also Modelle, die eine Beziehung zwischen allen unabhängigen Variablen und der abhängigen Variable zur Grundannahme haben und testen, um dann Einzeleffekte herauszugreifen und zu verbreiten, ist uns ein Rätsel. Als Erklärung kommen Unkenntnis oder ideologische Probleme mit den eigenen Ergebnissen in Frage.
Die Ergebnisse zeigen nicht, dass lange Arbeitszeiten bei Mütter und Vätern das Risiko der Kinder erhöhen, fettleibig zu sein, sie zeigen vielmehr, dass das Risiko von Kindern im Alter von 0 bis 6 Jahren, einen hohen BMI [Body-Mass-Index] zu haben, dann erhöht ist, wenn ihre Mütter 35 oder mehr Stunden arbeiten und wenn ihre Väter einen hohen BMI haben und wenn ihre Mütter einen hohen BMI haben und wenn ihre Mütter einen Migrationshintergrund haben und einen eher höheren formalen Bildungstitel, und wenn die Kinder weiblich sind und keine Kindertagesstätte besuchen.
Kurz: Das Risiko einen hohen BMI zu haben, sofern es denn ein Risiko ist, ist für Mädchen aus Familien, in denen beide Eltern einen hohen BMI haben, die Mutter mehr als 35 Stunden pro Woche arbeitet, einen Migrationshintergrund und einen eher hohen formalen Bildungsabschluss hat besonders hoch.
Das ist ein Ergebnis, das die Vier von WZB massiv irritiert zu haben scheint, so sehr, dass sie glatt vergessen haben, darauf hinzuweisen, was sie natürlich nicht daran hindert, die politisch korrekten „policy implications“ abzuleiten, die da lauten, „Employment protection and work time regulation for both working parents during the first 6 years of the child’s life should be considered in future policy“.
Welche Basis diese Aussage in den Ergebnissen der Vier hat?
Na keine, überhaupt keine.
Wer hat je behauptet, die ideologisch gewünschten Schlussfolgerungen müssten mit den Ergebnissen der Junk Studie im Einklang stehen?
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Bitte nehmen Sie mal Rücksicht auf Normalsterbliche und Nicht-Statistiker und erklären Sie Ihre und die Interpretationen der Verfasser etwas genauer. In ihrem Beitrag verstehe ich weder – noch.
Was verstehen Sie denn nicht?
Man wollte in dieser Studie empirisch untersuchen, was Kinder fettleibig macht. Dazu hat man verschiedene Faktoren auf die Fettleibigkeit von Kindern regressiert. Als Erklärungsvariablen für eine erhöhte Fettleibigkeit hat man sich solche Faktoren herausgepickt, für die es im sozioökonomischen Panel Daten gibt, denn schließlich sollte es ja eine empirische Studie werden, was bedeutet, dass man Daten braucht. In der ersten Spalte steht der jeweilige Faktor, der die Fettleibigkeit erhöhen soll, in der zweiten die Stärke des Effekts und in der dritten Spalte die Signifikanz des Effekts. Signifikanz gibt man i.d.R. in drei Niveaus an: Signifikant auf dem 10%-Niveu oder p<0,1 (ökonomische Signifikanz), auf dem 5% und 1%-Niveau (statistische Signifikanz) oder p<0,05 und p<0,01. Je signifikanter der Wert, also je kleiner der Wert, desto geringer ist die Wahrschienlichkeit, dass der Effekt durch den Zufall generiert wurde. Interessant sind also diejenigen Werte, die mit einem +, * oder ** markiert sind. Wie man sieht betrifft dies eben NICHT NUR die Arbeitszeit der Mutter des Kindes sondern mehrere Faktoren gleichzeitig. Entsprechend muss die Schlussfolgerung aus der Studie, so wie das Herr Klein gemacht hat, mehrere logische und Verknüpfungen beinhalten, nämlich genau jene Faktoren an den die Sternchen sind. Das Ergebnis der Studie (wenn man mal alles für bare Münze nimmt, was da gemacht wurde) muss lauten: Die Fettleibigkeit von Mädchen ist erhöht, wenn a UND b UND c UND d….
So ganz Unecht hat Kommentator Peter Merbitz nicht.
Ist oft zu beobachten: die Erklärer gehen davon aus, dass die vor ihm sitzenden (hier: lesenden) Laien genau so viel Ahnung haben (alle Fachwörter kennen etc.) wie sie selbst.
Doch dem ist meist nicht so.
.
Kann man oft (oder: leider immer noch) in Behörden bemerken.
Dann tut doch mal Butter bei die Fische. Wenn man immer nur Vages zu hören bekommt, kann man nichts ändern.
Wenn man sich die Tabelle genau anschaut und genauso frei heruminterpretiert wie die Autoren, kann man auch zur genau ENTGEGENGESETZTEN policy implication kommen: Da die Arbeitszeit der Mütter signifikant ist, die des Vaters aber nicht und die Fettleibigkeit der Kinder mit der Arbeitszeit der Mutter positiv korreliert, investieren also Mütter den zusätzlichen Verdienst aus zusätzlichen Stunden in einen üppiger bestückten Einkaufskorb. Diese Fressalien stopfen die Mütter dann vor lauter Liebe zum Kind in die Kinder hinein und diese werden fetter und fetter. Erhöht man also die Arbeitszeit von Müttern soweit, dass sie keine Zeit mehr haben einkaufen zu gehen, müsste dies unterm Strich den Kindern in Form von geringerer Fettleibigkeit zu Gute kommen. Wie man sieht schadet also eine ausgegliechen Worklife-Balance von Müttern den Kindern. Eine Interpretation des hoch-signifikanten Migrationshintergrunds der Mutter lasse ich mal offen…