Trash-Funk: ARD und Geflüchtete – Es will einfach kein korrekter Beitrag dabei herauskommen

“Hälfte der Geflüchteten hat einen Job”.
“Etwa jeder zweite Flüchtling hat spätestens fünf Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland einen Arbeitsplatz”.
“Nach der Studie gehen 68 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten einer Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung nach”.
“8000 Flüchtlinge befragt”.
“Die repräsentative Wiederholungsbefragung bezieht Geflüchtete ein, die in den Jahren 2013 bis 2016 nach Deutschland gekommen waren. Insgesamt wurden den Angaben zufolge bisher etwa 8000 Geflüchtete befragt”.

Wir haben die Aussagen absichtlich in der Reihenfolge gelassen, in der sie die ARD berichtet.
Keine, Wiederholung: Keine der Aussagen ist korrekt.

Nicht die Hälfte der Geflüchteten hat einen Job, sondern ungefähr die Hälfte der im Datensatz IAB-BAMF-SOEP enthaltenen Migranten hat nach fünf Jahre Aufenthalt, also zum letzten Befragungszeitpunkt 2018 einen Job.
Entsprechend gehen auch nicht 68 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten einer Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung nach, wie die ARD behauptet, sondern 68% von 49% der Migranten, für die im IAB-BAMF-SOEP-Datensatz entsprechende Informationen vorliegen.

Die entsprechenden Informationen liegen nicht für 8000 Flüchtlinge vor, wie die ARD ganz zum Ende des Beitrags suggerieren will, in dem bis dato dauerhaft suggeriert wurde, die Ergebnisse bezögen sich auf alle Flüchtlinge, die von 2013 bis 2016 nach Deutschland gekommen sind, sondern für 1113 Flüchtlinge, wie man Tabelle T4 des Berichts, aus dem der verantwortliche Redakteur der ARD, er bleibt ohne Namen, deshalb nennen wir ihn den ARD-noname, seine Falschheiten entnommen haben will.



Der Bericht trägt den Titel “Integration in Arbeitsmarkt und Bildungssystem macht weitere Fortschritte”. Erstellt haben in Herbert Brücker, Yuliya Kosyakova und Eric Schuß. Er ist als Nummer 4 in der Reihe “IAB-Kurzbericht” erschienen.
Die Ergebnisse, die die drei Autoren berichten, stammen ausschließlich aus einem Datensatz (zu dem wir gleich noch kommen), in dem zum Zeitpunkt 2016 Daten für 4.465 Befragte vorliegen. Für die Zeitpunkte 2017 und 2018 liegen insgesamt Daten zu 1.761 Migranten vor. Die Angaben der ARD sind eine komplette Fabrikation. Die korrekten Angaben zur Anzahl der Befragten finden sich im Bericht auf Seite 2 in Kasten 1. Die Zahl 8000 kommt darin nicht vor. Deshalb findet sich die Einschränkung “etwa” bei der ARD. Sie ist dennoch falsch. Der Redakteur ist entweder zu blöd zum Lesen oder er will seine Leser in die Irre führen. Der Aufbau des Beitrags in der ARD spricht für Letzteres.

Wir zitieren aus dem IAB-Bericht:

“Die Gesamtstichprobe umfasst inzwischen 7.950 erwachsene Personen, die mindestens einmal befragt wurden. Davon nahmen 4.465 Personen an der ersten Befragungswelle 2016 teil, von denen 1.761 Personen sowohl 2017 als auch 2018 erneut befragt werden konnten, 2.964 Personen können über zwei Befragungswellen beobachtet werden.

Deutlicher kann man die Fallzahl kaum angeben; dennoch nicht deutlich genug für den ARD-noname.
Man muss aus dem bisher Gesagten den Schluss ziehen, dass wer auch immer der namenlose ist, der den Bericht in der ARD zu verantworten hat, es darauf anlegt, die Ergebnisse, die eigentlich erfreulich sind, noch besser zu machen, sie zu manipulieren, in dem er bei seien Lesern zunächst den Eindruck erweckt, die Ergebnisse seien Ergebnisse für alle Flüchtlinge.

Das sind sie nicht.



Wir präsentieren hier die tatsächlichen Ergebnisse und die beiden entscheidenden Ergebnisse, die der ARD-noname (weil er ungenannt bleibt, natürlich) auslässt oder unterschlägt. Die folgende Abbildung zeigt die Arbeitsmarktintegration der 1.113 Flüchtlinge, für die Daten bis 2018 vorliegen. Wie man sieht, verläuft sie für die Flüchtlinge, die zwischen 2013 und 2017 zugezogen sind, recht erfreulich.

Es ist natürlich ein Unding, dass die drei Autoren die Fallzahl, auf der ihre Abbildung basiert, nicht angeben. Dessen ungeachtet ist es leicht, sie herauszufinden, wenn man weiß, wo man suchen muss. Wie man sieht, gehen nach 5 Jahren Aufenthalt 57% der männlichen Migranten einer wie auch immer gearteten Tätigkeit nach. Wie man auch sieht, liegt die Erwerbstätigenquote bei weiblichen Migranten bei lediglich 29%. Die Daten beziehen sich auf Migranten, die zwischen 2013 und 2016 zugewandert sind.

Soweit so gut.
Die entscheidende Frage ist natürlich: Was ist das für eine Art Erwerbstätigkeit und wie dauerhaft wird sie nach aller Erfahrung, die man als Sozialforscher so hat, sein. Beide Fragen, die erste direkt, die zweite muss man erschließen, werden im IAB-Bericht beantworten. Beide Antworten werden von der ARD unterschlagen oder übersehen oder … was auch immer.



Geben wir sie also.
Die folgende Tabelle zeigt die Tätigkeitsstruktur der Migranten. Wie man sieht, üben 44% von ihnen Anlern- und Hilfstätigkeiten aus. Der entsprechende Anteil deutscher Erwerbstätiger beträgt 13%. Man sieht hier übrigens in der Fussleiste die Anzahl der Befragten. Auf irgend eine Weise hat der Noname der ARD hier 8000 Befragte gezählt.

Anlern- und Hilfstätigkeiten haben ihre eigene Problematik und der hohe Anteil von Migranten im entsprechenden Segment legt den Schluss nahe, dass Migranten, die von 2013 bis 2016 zugewandert sind, den deutschen Arbeitsmarkt unterschichten und der entsprechenden deutschen Klientel die Arbeitsplätze streitig machen. Ob das von Dauer sein kann, bleibt abzuwarten. Spätestens wenn Fördergelder auslaufen, wird sich die Antwort schnell zeigen.

Hinzu kommt aber, dass 28% der Migranten angeben, ihre Tätigkeit bleibe unter dem Niveau ihres beruflichen Abschlusses und 47% sagen, sie hätten vor ihrer Zuwanderung nach Deutschland eine Tätigkeit ausgeübt, die über dem Niveau ihrer heutigen Tätigkeit lag. Mit anderen Worten: Die Befragten geben eine Statusinkonsistenz zu Buche. Aus unzähliger Arbeitsmarktforschung und sozialpsychologischer Forschung ist bekannt, dass Personen, die eine Statusinkonsistenz bei sich beobachten, versuchen, dieselbe zu beseitigen. Die einzige Möglichkeit, eine solche Statusinkonsitenz, die von der Beschäftigung ausgeht, zu beseitigen, besteht darin, sich eine statuskonforme Tätigkeit zu suchen. Die Frage, mit der die gesamte schöne Erfolgsmeldung also steht und fällt, lautet: Gelingt es den Migranten, die in statusinkonsistenter Beschäftigung sind, eine statuskonforme Tätigkeit zu finden und was passiert, wenn es ihnen nicht gelingt?

Die Antwort auf die zuletzt gestellte Frage hängt wiederum damit zusammen, wer hier eigentlich befragt wurde.

Die Autoren des Berichts sind der Ansicht, ihre Befragten seien aus dem Ausländerregister gezogen worden:

“Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten ist eine Längsschnittbefragung von Personen, die als Schutzsuchende nach Deutschland zugezogen sind. Zusätzlich nehmen ihre Haushaltsmitglieder an der Befragung teil. Die Stichprobe wurde aus dem Ausländerzentralregister gezogen.”

Diejenigen, die für den Datensatz verantwortlich sind, teilen diese Auffassung nicht:

“Die IAB-SOEP-Migrationsstichprobe M1 wurde aus den Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) gezogen und 2013 erstmalig befragt. Es werden 250 Regionaleinheiten mit einem mehrstufigen Verfahren gezogen, so dass jede Person aus der Grundgesamtheit unserer Zielpopulation die gleiche Wahrscheinlichkeit hat, in die Stichprobe zu gelangen.”

Das ist nun eine völlig andere und eine hochrelevante Information, denn die Integrierten Erwerbsbiografien setzen voraus, dass bei Sozialversicherern und Arbeitsamt ein Eintrag für diejenigen vorhanden ist, die als Befragte in Frage kommen. Anders formuliert: Wer bislang noch nicht bei Arbeitsamt oder Rentenversicherer erfasst ist, der ist nicht existent, im Datensatz:

“Die Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) sind ein Datenangebot des IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) und werden seit 2004 erzeugt. Sie umfassen vier verschiedene Quellen und sind damit die umfangreichste Datenmenge zu erwerbshistorischen Meldungen auf Personenebene, die vom Forschungsdatenzentrum der BA am IAB (FDZ) angeboten werden. Ausgangspunkt der IEB sind Meldungen, die die Rentenversicherungsträger zu Beschäftigtenzeiten erfassen und an die Bundesagentur für Arbeit (BA) weiterleiten sowie Informationen, die im Rahmen der Arbeitsmarktförderung und der Arbeitslosenversicherung durch die Bundesagentur für Arbeit erfasst werden. Alle Meldungen liegen in Kontenform vor und sind tagesgenaue Angaben zu Erwerbszeiten.”

Wie dem auch sei, die Befragten der Studie stammen offenbar nicht aus dem Ausländerregister, wenn man die Angaben zugrundelegt, die über den Datensatz von denen gemacht werden, die ihn verwalten. Ob die IEB die Grundlage des Datensatzes sind oder nicht, ist insofern relevant, als die Anzahl der Erwerbstätigen unter den Migranten, die zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland gekommen sind, auf Grundlage der Daten des IEB überschätzt werden dürfte. Dass dem so ist, darauf geben die Autoren auf Seite 8 ihres Beitrags selbst einen Hinweis wenn sie schreiben:

“Die Befragungsergebnisse sind weitgehend konsistent mit den vorliegenden Daten der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit: Danach waren unter der seit dem Jahresende 2014 zugezogenen Bevölkerung aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern im Oktober 2018 35 Prozent abhängig beschäftigt, im Oktober 2019 waren es 42 Prozent.”

Im Datensatz der drei Autoren sind 2018 49% der Migranten erwerbstätig, in den Daten der Bundesagentur für Arbeit sind es lediglich 35%, also 14% weniger. Das ist erheblich und mit nichten etwas, was man als “weitgehend konsistent” bewerten kann.

Jenseits all dieser Fragen, die die Validität der präsentierten Ergebnisse betreffen, muss einmal mehr festgestellt werden, dass ein ARD-noname absichtlich oder weil er es nicht besser kann, Informations-Müll verbreitet. Die ARD ist Trash-Funk.




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