Fake Wissenschaft zur AfD treibt uns zu Wein und Whisky

Im Wein liegt Wahrheit. Im Whisky liegt Vergessen. Wir brauchen heute beides.

Grund ist eine Pressemeldung der (seufz) Universität Mannheim (das nehmen wir besonders übel) mit der folgenden Überschrift:Fake News treiben die Menschen hin zur AfD”. Verantwortlich für diesen Blödsinn in Titelform ist Linda Schädler, ursächlich für diesen Blödsinn in Titelform ist Fake Wissenschaft, die Fabian Zimmermann und Matthias Kohring der Zeitschrift “Political Communication” unterschieben konnten. Einmal mehr zeigt sich, was Dr. habil. Heike Diefenbach gerade systematisch gezeigt hat: Die Peer Review ist tot. Es lebe der Trash.

Leider gibt es keine Forschung zu Modethemen in der institutionalisierten Wissenschaft. Das wäre ein lohnendes Projekt für Graduierte, die eine Dissertation schreiben wollen, die entweder einschlägt wie eine Bombe oder keinen Doktorvater findet, wahrscheinlich Letzteres. Denn: Gerade institutionalisierte Wissenschaftler sind anfällig für Modethemen, schon weil Modethemen Fördermittel versprechen und weil die meisten der institutionalisierten Wissenschaftler keine eigenen Ideen haben, ergo auf alles springen müssen, was gerade en vogue ist. Rechtsextremismus oder Rechtspopulismus ist ein häufiges Modethema. Die Anzahl der angeblich wissenschaftlichen Beiträge, die angeblich wissenschaftliche Zeitschriften fluten, oszilliert mit dem Wahlerfolg von Parteien, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden. Das wiederum zeigt ein Gutachten, das ein ScienceFiler vor einigen Jahrzehnten für das Deutsche Jugendinstitut erstellt hat und in dem wissenschaftliche Literatur zum Thema Rechtsextremismus seit 1950 zusammengestellt wurde (wir alle haben unsere Jugendsünden). Ergebnis: Mit dem Aufkommen der NPD Ende der 1960er Jahre schießen vermeintlich wissenschaftliche Artikel, die das Aufkommen der NPD beklagen, wie die Pilze aus dem Boden. Mit Willy Brandt ebbt das wieder ab, um dann, Mitte, Ende der 1980er Jahre wieder wie ein Tsunami über nichtsahnende Leser wissenschaftlicher Periodika hereinzubrechen. Warum?



Franz Handlos.
Franz Schönhuber.

Na, dämmert es bei den Älteren?
Die Republikaner. Sie waren im Europaparlament, im Landtag von Baden-Württemberg, hatten ihre Hochzeit Ende der 1980er und Anfang bis Mitte der 1990er Jahre und haben das Futter für Legionen wissenschaftlicher Texte, die bei genauerem Hinsehen ideologischer Trash waren, abgegeben. Ende der 1990er Jahre wurde es dann wieder ruhiger an der Front der sich leicht über Rechts Erregenden bis die AfD aufgekommen ist. Und seither sind alle Dämme gebrochen. Der Gravy Train fährt seit Jahren, die Texte zu Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus, irgendwas davon, wir sind nicht wählerisch, verbreiten sich nicht mehr wie Pilze sondern wie SARS-CoV-2. Jeder Phantasielose, jeder Opportunist, jeder, dem eine Karriere in der Politik vorschwebt, der sich bei Peer als “kritisch” auszeichnen und ansonsten den richtigen ideologischen Stallgeruch vorweisen will, nimmt sich die AfD vor. Vertreter von Fächern, die zwar ein Wissenschaft als Namensbestandteil haben, aber bislang keinerlei Grund zur Annahme gegeben haben, sie hätten irgend etwas zu politikwissenschaftlichen Themen beizutragen, maßen sich genau das an, Theaterwissenschaftler, Kulturwissenschaftler, Medienwissenschaftler, sie alle haben plötzlich etwas zu Themen zu sagen von denen sie in der Regel keine Ahnung haben.

Damit sind wir bei Fabian Zimmermann und Matthias Kohring angekommen, die einen Beitrag mit dem Titel “Mistrust, Disinforming News, and Vote Choices: A Panel Survey on the Origins and Consequences of Believing Disinformation in the 2017 German Parliamentary Election” in Political Communication untergebracht haben. Bei Taylor und Francis wurde die alte Sitte Heftnummern zu vergeben, zwischenzeitlich abgeschafft. Wer den Text lesen will findet ihn in unter 37: 215-237. Degeneration hat viele Gesichter.

Bevor wir zum Beitrag in der Zeitschrift “Political Communication” kommen, zur Pressemeldung:

“Fake News treiben die Menschen hin zur AfD”.

“In ihrer Studie zeigen die Kommunikationswissenschaftler, dass Menschen, die während des Bundestagswahlkampfes 2017 in Berührung mit politischer Desinformation gekommen waren und diese glaubten, dazu neigten, der CDU bei der Wahl ihre Stimme zu verweigern. Stattdessen entschieden sich diese Wählerinnen und Wähler eher für die AfD. Insbesondere rechtskonservative Menschen, die Falschnachrichten für bare Münze nahmen, machten ihr Kreuzchen verstärkt bei der AfD statt bei der CDU. Dabei waren jene, die weder in etablierte Medien noch in das politische System Vertrauen hatten, besonders empfänglich für Desinformation.

[…]

„Je stärker Menschen, die ursprünglich der CDU zugeneigt waren, an Fake News glaubten, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass diese Menschen ihre ursprüngliche Absicht verwarfen und am Ende die AfD wählten“, fasst Kohring zusammen.”

Das ist, was man Trittbrettfahren oder Zeitgeist-Surfen nennen kann, wenn man nett ist. Also vor dem Wein. Mit dem Wein kommt Wahrheit und der Euphemismus Trittbrettfahren wird durch Fake-Wissenschaft und Unterschlagung ersetzt.

Damit sind wir beim Beitrag, der Grundlage der Pressemeldung geworden ist.

Es ist einer der Beiträge, bei denen man schon auf der zweiten Seite weiß, dass man es mit Trash zu tun hat: “The term “fake news””, so steht dort, “has been repeatedly misused by politicians such as Donald Trump as a label to discredit traditional news media” (216). Wir bezeichnen solche vollkommen unbelegt daherkommenden Bewertungen als reaktales Posieren in der Hoffnung auf einen Hintern, der des Wegs kommt. Wer eine solche Bewertung mit der Beifügung einer Alibi-Zitation, die keinerlei Seitenangabe enthält, obwohl die Bewertung, die die Alibi-Autoren angeblich vorgenommen haben, konkreter nicht sein könnte, in einem Text findet, kann sich das Weiterlesen sparen.

Wir haben weitergelesen und bestätigen nunmehr, was wir gerade als Rat gegeben haben.

Im wissenschaftlichen Versuch von Zimmermann und Kohring spielen Fake News eine wichtige Rolle. Also fragt man sinnvoller Weise zuerst, wie wird Fake News bestimmt. Zimmermann und Kohring bestimmen Fake News, oder Disinformation, wie sie lieber sagen, gar nicht. Sie lassen bestimmen, von Correctiv, vom ARD-Faktenfinder. Dümmer kann man sich als Wissenschaftler kaum anstellen als ausgerechnet eine verzerrte Auswahl zur Grundlage der eigenen Forschung zu machen. Halt. Doch. Man kann:

“…we repeatedly looked through major German-language fact-checking websites (e.g., “correctiv.org”, “faktenfinder, tagesschau.de,” “mimikama.at”) and gathered a variety of recent stories covering political issues that were designated as deliberately and verifiably false. As expected, nearly all disnews stories in Germany contained right-wing implications such as skepticism toward the European Union”.

Wenn sich jemand aus der alten Schule jemals gefragt hat, was Harold Garfinkel mit dem Begriff “cultural dope” gemeint hat, nun sollte sich ein gewisser Aha-Effekt einstellen. Nicht nur, dass die beiden Medienwissenschaftler (klingt wie ein Schimpfwort zwischenzeitlich) eine selegierte Auswahl zu ihrer Grundlage machen, denn wenn man nur bei sogenannten Faktencheckern sucht, die nicht einmal im Traum auf die Idee kommen, Lügen und Fake News von Linken oder gar Mainstreammedien zu bearbeiten, dann findet man auch keine entsprechenden Fake News. Wenn man nur bei Linkseauslegern sucht, findet man zwangsläufig nur angebliche Fake News, die “right-wing implications” hat. Dass Skeptizismus gegenüber der Europäischen Union mittlerweile als rechtsextrem gewertet wird, ist immerhin eine Erkenntnis, die man diesem Versuch, Wissenschaft zu gaukeln, entnehmen kann. Und man bekommt das mulmige Gefühl, dass Zimmermann und Kohring tatsächlich denken könnten, dass Fake News immer nur von rechts kommt, nie von links … Nein, so blöd können die nicht sein. Perish the thought, oder … doch nicht?

Ob die Fake News allesamt Fake News sind, das können wir dahingestellt lassen, denn was dazu führt, dass wir den Wein gegen Whisky tauschen, ist die Frechheit, mit der die Mannheimer Medienwissenschaftler einfach den Teil ihres Ergebnisses unterschlagen, der nicht in den politischen Zeitgeist, die Arschkriecher-Welle, die sie doch surfen wollen, passt.

Sie erinnern sich: Wähler, die in “Berührung mit politischer Desinformation gekommen waren”, wie man das macht, ist eine eigene Frage, aber vielleicht gibt es ja welche, die so irre sind, dass sie sich von Sprache schon angefasst und berührt fühlen, wie dem auch sei, die Berührten haben der CDU die Stimme verweigert und sie statt dessen der AfD gegeben. Daraus folgern die beiden Mannheimer Medienwissenschaftler (es ist ein Schimpfwort) in messerscharfem Fehlschluss, dass die Fakenews für die Wahl der AfD verantwortlich ist. Korrelation und Kausalität sind aber aus gutem Grund zwei verschiedene Begriffe, die Unterschiedliches bezeichnen und weil dem so ist, ist nicht jede Korrelation, die man in seinen Daten findet auch eine Kausalität.

Aber nicht einmal dieser Abgrund wissenschaftlicher Ahnungslosigkeit soll uns hier beschäftigen. Wir sind mit dem befasst, was man nicht anders als kriminelle Energie bezeichnen kann, denn:

Abbildung wie Tabelle stammen aus dem Text von Zimmermann und Kohring. Was immer die Autoren mit ihrem Glauben in Fakenews gemessen haben, es erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit, die AfD zu wählen, es erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, die SPD zu wählen. Das zweite Ergebnis ist Gift, wenn man sich politisch einschleimen will, also wird es in der Pressemeldung unterschlagen. Damit nicht genug. Die Tabelle rechts zeigt, dass Befragte, die Fake News glauben, eine moderate Wahrscheinlichkeit haben, die CDU in Richtung AfD zu verlassen und eine moderate Wahrscheinlichkeit die CDU in Richtung SPD zu verlassen. Abermals passt das zweite Ergebnis nicht ins Weltbild oder zur Intention, mit der dieser Beitrag überhaupt geschrieben wurde, abermals wird es in der Pressemeldung unterschlagen.



Sie denken vielleicht, wir interpretieren die Ergebnisse falsch. Tun wir nicht. Wir befinden uns im Einklang mit Zimmermann und Kohring, die im Beitrag für Political Communication schreiben: “Surprisingly, disnews believability in fact increased the probability of electing the SPD in most cases …”(229).

Fake News treibt Menschen also nicht nur zur AfD, sondern auch zur SPD, um den idiotischen Titel der Pressemeldung zu benutzen. Aber natürlich treibt Fake News Menschen überhaupt nirgends hin, denn Menschen handeln aus eigenem Antrieb, sie werden nicht von Worten getrieben. Falls Zimmermann und Kohring Hundebesitzer sind, haben sie vielleicht falsche Analogien hergestellt. Abgesehen davon, kann man über Fake News nur etwas aussagen, wenn man auch Fake News untersucht. Zimmermann und Kohring haben nicht Fake News sondern bestenfalls einen skalpelhaft herausgeschnittenen Teil von Fake News untersucht, einen Teil mit Bias, einen Teil, der nach ihrer Ansicht wohl sicherstellen sollte, dass man Schlimmes über die AfD sagen kann. Nun, das einzige, was die Medienwissenschaftler an Überraschendem gefunden haben, ist die Tatsache, dass angeblich rechte Fake News Wähler der CDU zur SPD treiben. Wir fragen ausdrücklich nicht, was die Medienwissenschaftler eigentlich gerechnet und gemessen haben. Nur soviel: Wer sich den Datensatz besorgen und die Analysen nachrechnen will, nur zu. Wir halten jede Wette, dass etwas ganz Anderes dabei herauskommt, als die Mannheimer Medienwissenschaftler veröffentlicht haben.




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