Die “Gesalbten”: Thomas Sowell über die Hubris und die gesellschaftszerstörende Wirkung selbsternannter intellektueller und politischer “Eliten“

von Dr. habil. Heike Diefenbach

Wer jemals von Thomas Sowell gehört hat, dem 1930 in Gastonia, North Carolina, geborenen „großen alten Mann“ der Ökonomie und Sozialtheorie, der auch heute noch als Ökonomieprofessor an der Universität Standford tätig ist, der weiß vermutlich, dass Sowell ein klassischer Liberaler bzw. Libertärer und ein Wissenschaftler im Sinne des Wortes ist und als solcher daran interessiert ist, Fakten in der beobachtbaren Welt als solche zu identifizieren. Vermutungen über die Beschaffenheit der Welt aufzustellen oder die Welt auf der Basis der Vermutungen, die man über sie hat, zu interpretieren, sind nicht Wissenschaft. Wissenschaft ist vielmehr das Unternehmen, Vermutungen über die Beschaffenheit der Welt anhand von Beobachtungsdaten auf systematische Weise zu überprüfen – und bereit zu sein, die entsprechenden Vermutungen zu verwerfen, wenn sie den systematisch gesammelten Beobachtungsdaten widersprechen bzw. nicht mit ihnen zu vereinbaren sind.

Als Libertärer und Wissenschaftler hat Sowell seit den 1970er-Jahren konsequent faktenfreie oder faktenentstellende „social vision[s]“ (Sowell 1995: 1) als solche identifiziert und kritisiert und mit ihnen diejenigen, die sie der breiten Öffentlichkeit als Heilslehre bzw. Heilsversprechen präsentieren. Sowell nennt diese Menschen – ihrem Selbstverständnis nach – die „Gesalbten“ („the anointed“; Sowell 1995).

Sie sind gekennzeichnet durch eine Praxis, die man heutzutage vielleicht am treffendsten als Infrahumanisierung (Leyens et al. 2000) oder als konsequentes „othering“ (Spivak 1985: 252) bezeichnen würde. D.h. die „Gesalbten“ sprechen der breiten Masse von Menschen grundlegende menschliche – und positiv bewertete – Eigenschaften ab, die sie für sich selbst in Anspruch nehmen, insbesondere Intelligenz, Bildung, Weitsicht, Urteilsvermögen, Offenheit für Neues, Phantasie, Fortschrittlichkeit, u.ä.m. Sie sprechen ihnen diese Eigenschaften gänzlich ab oder sind überzeugt, dass diese Eigenschaften in der breiten Masse von Menschen weit weniger stark vertreten sind als bei ihnen selbst.

Und sie leiten aus diesem Anders-Sein ab, was man vielleicht größere Weisheit nennen könnte, sowie moralische Überlegenheit über die breite Masse von Menschen. Hierauf wiederum begründen die „Gesalbten“ ihr Recht oder sogar ihre Verpflichtung, die Lebensweise und das Schicksal der breiten Masse von Menschen zu bestimmen, sie zum Richtigen, zum Guten, zu ihrem Glück zu führen oder ggf. zu zwingen, denn die nicht „gesalbte“ Masse der Menschen verfügt eben als solche nicht über die Einsicht in das Richtige, Gute, das, was zum Glück führt. Sie bedürften deshalb sozusagen der strengen Hand ihrer intellektuellen und moralischen „Herren“. Die „Gesalbten“ betrachten sich als eine Art Herrenmenschen, die vielleicht meinen, „[T]e White Man’s Burden“ tragen zu müssen, wie Rudyard Kipling sie im Jahr 1899 in seinem gleichnamigen Gedicht beschrieben hat, vielleicht aber auch nur mit Verachtung auf die Un-“Gesalbten“ hinabschauen.

Jensen (2011) extrahiert aus Spivaks Essay über „othering“ in Archiv-Material der britischen Kolonialverwaltung in Indien drei Dimensionen des „othering“. Die erste ist die Machtdimension, „… making the subordinate aware of who holds the power, and hence about the powerful producing the other as subordinate” (Jensen 2011: 64). Die zweite Dimension ist die der moralischen Unterordnung: “… this dimension is about constructing the other as pathological and morally inferior” (Jensen 2011: 65), und die dritte Dimension “…of othering implies that knowledge and technology is the property of the powerful empirical self, not the colonial other” (Jensen 2011: 65).

Wer muss angesichts dieser drei Dimensionen nicht spontan an die Machtdemonstration in Form massiver und völlig offen betriebener Zensur in bzw. durch soziale Medien wie Facebook, YouTube und Reddit (u.a.) denken, die die “Gesalbten” derzeit mit Hilfe technologischer Monopole bzw. Monopolbildung angeblich zum Schutz der Schutzlosen betreiben?! Oder an die moralische Abwertung, Kriminalisierung und Verfolgung sogenannter – vielleicht auch noch rechtsextremer – Covidioten im Interesse eines von „Gesalbten“ bestimmten Gemeinwohles!? Man sieht: „othering“ ist eine allgemeine soziologische Tatsache und keineswegs ein auf bestimmte historische Epochen oder bestimmte Orte oder Konfliktkonstellationen beschränktes Phänomen.

Obwohl Sowell selbst m.W. keinen Bezug auf das Konzept des „othering“ herste llt, um seine Kritik an den „Gesalbten“ und ihren faktenfreien oder –entstellenden Visionen zu formulieren, ließe sie sich fast durchgängig auf verschiedene Dimensionen des „othering“ beziehen, und während sich diese Kritik mit Bezug auf verschiedene konkrete Themen oder Sozialpolitiken nahezu durch Sowells gesamtes Lebenswert zieht, ist sie (m.E.) in zwei der zahlreichen Bücher von Sowell besonders umfassend und eindringlich formuliert: In „The Vision of the Anointed“ aus dem Jahr 1995 steht diese Kritik als solche im Zentrum des Interesses, und in „Intellectuals and Society“, einem Buch, das in der ersten Auflage im Jahr 2010 erschienen ist und (soweit ich es beurteilen kann) eines seiner bekanntesten Bücher ist, stellt Sowell eine Variante dieser Kritik vor, die sich speziell auf Intellektuelle bezieht.

Wie Sowell selbst im Interview mit Ben Wattenberg von „Think Tank“ sagt, handelt „The vision of the Anointed“ von

“… .a vision that the problems that we see in the world are due to the fact that other people are just not as bright or as compassionate as they are, and that there are all these solutions out there waiting to be discovered and they have them, and that these solutions are to be imposed upon the rest of us by the power of government through taxation or in other ways”
(https://www.pbs.org/thinktank/transcript229.html).

Zu den “Gesalbten” sind nach Sowell (seit den 1960er-Jahren) die sogenannten Eliten in den Medien, in akademischen Einrichtungen und in der Politik zu zählen. Das Hauptproblem mit ihnen ist nicht das moralische Problem an sich, das darin besteht, dass sie die breite Masse der Menschen, auch derer, die sie in Ämter gewählt haben oder ihr Gehalt aus Steuergeldern finanzieren, „unter sich“ wähnen. Das Hauptproblem ist ein praktisches, nämlich das, dass sie im Zuge ihrer Hubris oder ihrer Machtgeilheit meinen, ihre Meinungen müssten per se richtig sein, sie bedürften keiner kritischen Überprüfung in der realen Welt, und Tatsachen könnten ignorieren oder bestritten werden, wenn sie nicht zur vorgefassten Meinung der „Gesalbten“ passen. In den Worten von Sowell:

„The great problem – and the great social danger – with purely internal criteria is that they can easily become sealed off from feedback from the external world of reality and remain circular in their methods of validation … When the only external validation for the individual is what other individuals believe, everything depends on who those other individuals are. If they are simply people who are like-minded in general, then the consensus of the group about a particular idea depends on what that group already believes in general – and says nothing about the empirical validity of that idea in the external world” (Sowell 2011: 9).



Die Hubris der „Gesalbten“ führt also u.a. durch die systematische Ausblendung anderer Meinungen und Argumente und von Erfahrungswerten, auf denen diese Meinungen und Argumente basieren, bzw. durch die Einrichtung einer Echokammer dazu, dass sich ihre Vorstellungen, Wünsche, Vorurteile gegenüber der Erfahrung anderer Menschen und damit gegenüber der Realität verselbständigen, so dass erhebliche „Dunkelfelder“ mit Bezug auf die Kenntnis um die Beschaffenheit der realen Welt und der Zusammenhänge bestehen. Somit sind alle Politiken, die das „Gute“ befördern sollen, immer und prinzipiell vom Scheitern bedroht, denn man kann nicht gegen die Realität an-behaupten, geschweige denn: an-agieren. In der Folge hiervon richten sie praktischen Schaden in der realen Welt an, verschlechtern die Lebensqualität einer großen Anzahl von Menschen, ohne dass dies notwendig oder gar unausweichlich gewesen wäre.

Die Hubris der „Gesalbten“ führt nicht nur notwendigerweise zu praktischem Schaden in der realen Welt, sie steht auch im Zusammenhang mit bestimmten Inhalten. Sowell schreibt:

„If you happen to believe in free markets, judicial restraint, traditional values … then you are just someone who believes in free market, judicial restraint and traditional values. There is no personal exaltation inherent in those beliefs. But to be for ‚social justice‘ and ‚saving the environment‘, or to be ‚anti-war‘ [alles Dinge, für die sich die Un-“Gesalbten” in ihrer eingeschränkten Erkenntnisfähigkeit oder Moral nach Auffassung der “Gesalbten” nicht interessieren, sich nicht genug interessieren, die sie nicht verstehen und für die sie keine Opfer bringen wollen], is more than just a set of hypothesis about empirical facts. This vision puts you on a higher moral plane as someone concerned and compassionate, someone who is for peace in the world, a defender of the downtrodden, and someone who wants to preserve the beauty of nature and save the planet from being polluted by other less caring. In short, one vision makes you somebody special and the other vision does not” (Sowell 2011: 98).

Für Menschen, die meinen, besonders (im positiven Sinn) zu sein, sich für „höhere“ Dinge einzusetzen, die dem „Normalo“ nicht einsichtig sind oder für die sich der „Normalo“ nicht hinreichend interessiert, besteht prinzipiell kein Anlass, deren Meinungen zu akzeptieren oder ihre Argumente zu erwägen; ja, es wäre sogar eine Art Verrat, diese Meinungen zu hören, sie in Rechnung zu stellen, Argumente, die für diese Meinungen sprechen, als relevant zu akzeptieren, denn das würde bedeuten, Kompromisse schließen zu müssen, Abstriche an der Verfolgung der „höheren“ Dinge, der „guten“ Sache vornehmen zu müssen. Wer sich im Besitz des Wissens um das vermeintlich „Gute“, „Richtige“ oder Notwendige wähnt, das es gegenüber Unwissenden oder Uneinsichtigen zu verteidigen gilt, wird durch seine Ignoranz gegenüber anderen Meinungen und Argumenten, die für diese Meinungen sprechen, geradezu geadelt, zeigt er doch, dass er sozusagen stählern ist und nicht in Versuchung geführt werden kann, vom „Guten“ abzufallen.

Und so kommt es, dass sich „Gesalbte“, die meinen, eine Positivauslese der Menschheit darzustellen, – moralisch und praktisch – als Negativauslese erweisen, die um des „Guten“ willen kompromisslos sind und das Glück und Wohlergehen des „Restes“ der Menschheit zu opfern bereit sind, oder anders ausgedrückt: Menschen, die sich für besonders menschlich halten, neigen mehr als andere dazu, sich unmenschlich zu verhalten, und sei es nur, weil sie andere de- oder infrahumanisieren.

Es sollte vor diesem Hintergrund nicht mehr überraschen, dass „Gesalbte“ ein zumindest gebrochenes Verhältnis zu Argumenten haben: Sie benutzen sie, sofern sie für ihre vorgefassten Meinungen instrumentalisiert werden können; wenn sie nicht in den Dienst ihrer vorgefassten Meinungen gestellt werden können, dann ignorieren sie sie. In „The Vision of the Anointed“ nennt Sowell eine Reihe von rhetorischen Figuren, die für „Gesalbte“ das Argumentieren ersetzen.

Eine davon ist die Berufung auf die Meinung anderer Leute (Sowell 1995: 97), wenn man nach einer Begründung für die eigene Meinung gefragt wird, diese aber nicht argumentativ begründen kann. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist im Zusammenhang mit dem angeblich menschengemachten Klimawandel sowie im Zusammenhang mit Covid-19 die Berufung auf „die Wissenschaft“ oder gar einen „Konsens“ unter Wissenschaftlern. Es handelt sich hier um die Berufung auf eine Autorität, die, falls sie überhaupt als Autorität akzeptiert wird, jedenfalls nur eine Autorität in einem bestimmten Feld sein kann, aber von vielen anderen Feldern, die für die in Frage stehende Sache eine Rolle spielen, wenig oder keine Kenntnis hat. Sich auf eine Autorität zu berufen, ergibt daher kein logisch korrektes Argument. Diese Vorgehensweise ist bekannt als logischer Fehlschluss ad auctoritatem.

Eine Variante der Berufung auf die Meinung anderer Leute besteht darin, bei der Berufung auf die Meinung anderer Leute, die die eigene Meinung rechtfertigen soll, diese Meinung schon als begründet oder richtig vorauszusetzen. Dies tut man, wenn man über denjenigen, auf den man sich berufen will, in einer entsprechenden Weise spricht oder schreibt. Wenn man also z.B. schreibt: „Herr X hat erkannt, dass …“, dann setzt man durch die Wahl des Verbes „erkennen“ als richtig voraus, was noch als richtig zu erweisen wäre. In der korrekten Darstellung als Meinung müsste man z.B. schreiben „Herr oder Frau XY wäre der Ansicht, dass ….“. Aber dann würde offensichtlich, dass Herr oder Frau XY lediglich derselben Ansicht war wie der Sprecher; es würde weiterhin offen bleiben, was die Gründe sind, die diese Ansicht stützen.

Dieselbe Strategie, Verben zu wählen, die eine Wertung mit Bezug auf den Wahrheitsgehalt oder die Verlässlichkeit einer Aussage ausdrücken, kann man auch verwenden, um die Ansichten von Anderen rundum zu diskreditieren, selbst dann, wenn diese Anderen in dem, was sie sagen, Anschlussmöglichkeiten für die eigene Anschauung bieten. Man kann z.B. schreiben: „Frau Y hat zugegeben, dass …“, womit man Frau Y als Verlierer in einem „Meinungskampf“ kennzeichnen kann (Sowell 1995: 97).

Oder dem Anspruch durch andere, dass eine Meinung begründet wird, wird dadurch zu entgehen versucht, dass man sozusagen zum Gegenangriff übergeht, den „burden of proof“ (Sowell 1995: 97) auf die Gegenseite verschiebt. Ein brandaktuelles Beispiel hierfür hat der Landrat Bernhard Kern für das Berchtesgadener Land geliefert, als er meinte, den dort seit Oktober 2020 bestehenden Lockdown angesichts seiner Erfolgslosigkeit in Zahlen von mit Covid-19 Infizierten dadurch verteidigen zu können, dass er die Frage stellte, wie hoch diese Zahlen erst ohne Lockdown gewesen wären. Statt einzugestehen, dass die Infizierten-Zahlen für die Nutzlosigkeit des Lockdown sprechen, verschiebt er sozusagen die Nachweispflicht auf die Seite der Kritiker von Lockdowns, die indirekt dazu aufgefordert werden zu belegen, dass der Lockdown nicht dazu beigetragen habe, Infektionsfälle zu reduzieren.

Oder man versucht, eine allgemeine Meinung, z.B. eine allgemeine Forderung durch die Darstellung von Einzelfällen zu begründen. Sowell illustriert diese Vorgehensweise, der der Fehlschluss der Komposition zugrundeliegt, in seiner ihm eigenen, lebensweltbezogenen Art, wie folgt:

„For example, it is true that one person in a stadium crowd can see the game better if he stands up but it is not true that, if they all stand up, everyone will see better” (Sowell 1995: 97).

Oder man versucht, jede Argumentation dadurch zu verhindern, dass man ein angeblich bestehendes Recht von irgendjemandem auf irgendetwas postuliert, ohne zu begründen, woher diese Recht kommen soll (Sowell 1995: 98). Diese Vorgehensweise basiert auf einer Art psychologischem Erpressungseffekt: Nachdem jemand einer Person oder Personengruppe Rechte zugesprochen hat, besteht beim Gegenüber eine psychologische Hemmung, diese Rechte als existent zu bestreiten, denn dadurch, dass vorher die Existenz dieser Rechte behauptet wurde, wirkt das Bestreiten dieser Rechte so, als würde man Leuten Rechte absprechen wollen, und Leuten Rechte abzusprechen, ist nicht nett und weist einen als moralisch minderwertig aus.

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Diese und viele andere rhetorische Übungen sollen den Anschein erwecken, dass derjenigen, der sich in ihnen übt, argumentieren würde, aber sie sind allesamt keine Argumente, sondern logische Fehlschlüsse (im besten Fall) oder psychologische Erpressungsversuche. Rhetorische Spielchen sind für denjenigen überflüssig, der tatsächlich über Argumente verfügt, die seine Meinung stützen.

Aber der Status als „Gesalbter“ besteht ja geradezu darin, seine Meinung nicht zur Diskussion mit Un-„Gesalbten“ zu stellen, so, als wären verschiedene Meinungen prinzipiell gleichberechtigt. Die Meinung des „Gesalbten“ ist, eben weil er ein „Gesalbter“ ist, über jeden Zweifel erhaben.

Und damit schließt sich der Kreis. Hubris führt zu Phantasien darüber, größeres Erkenntnis- und Urteilsvermögen als andere Menschen zu haben, so dass einem der „große Auftrag“ zur Rettung der Welt zufällt, und zur De- oder Infrahumanisierung derer, die die Welt nicht für der Rettung bedürftig (oder fähig) halten. Das führt seinerseits zur Gesprächsverweigerung mit den „weniger Menschlichen“, was seinerseits dazu führt, dass belastbares Wissen um die Beschaffenheit der realen Welt nicht erworben wird, und dies führt dazu, dass die Opfer ihrer Hubris, die ihrer eigenen Meinung nach „Gesalbten“, nicht argumentationsfähig sind.

Wenn Sowell Recht hat, dann ist es verfehlt (und vielleicht fahrlässig), im Zuge liberaler Überzeugungen bzw. des Toleranzgebotes anzunehmen und: hinzunehmen, wenn die einzelnen Elemente dieser Zusammenhangskette als eben das, Einzelelemente, die mehr oder weniger skurril oder bedauerlich, aber als einzelne Merkmale auch mehr oder weniger harmlos sind, angesehen werden. Als Elemente einer Zusammenhangskette hat jedes dieser Elemente seine Voraussetzung(en) in anderen und bringt seinerseits weitere Elemente, die zu dieser Kette gehören, hervor.

Wenn Sowell Recht hat, ist die grundlegende Auseinandersetzung, die wir derzeit nahezu überall in der westlichen Welt erleben, im Kern eine Auseinandersetzung zwischen solchen, die meinen, aufgrund moralischer Überlegenheit über andere Menschen diese anderen Menschen leiten, führen und letztlich zum „Guten“ zwingen zu können oder gar zu müssen, und solchen, die meinen, menschliche Lebenspraxis müsse sich zuerst an Wissen über die tatsächliche Beschaffenheit der realen Welt orientieren. Und Wissen über die tatsächliche Beschaffenheit liefert nicht nur Wissenschaft, es basiert auf den Erfahrungen, die Menschen machen – alle Menschen, jeder für sich. Das ist kein Gegensatz, denn tatsächlich ist Wissenschaft nur als Erfahrungswissenschaft denkbar. Es gibt keine Wissenschaft, die nicht auf Erfahrung basiert. Was ohne sie auskommt, ist Phantasie, Planspiel, aber eben keine Wissenschaft.

Und deshalb sagt Sowell im Interview mit Ben Wattenberg:

„We should listen first and foremost to our own experience. You seem to be saying, well, there must be alternative saviors. We should stop looking for saviors. I mean the society has not existed for thousands of years because it had a succession of saviors. It’s existed because it has institutions and processes through which people can realize their own goals”.

Wenn bestehende Institutionen und Verfahrensweisen dies nicht mehr ermöglichen, werden neue entstehen (müssen), die ihre Funktionen übernehmen werden. Das ist ein sozialanthropologisches Gesetz. Und die Ersetzung von untauglich gewordenen Institutionen oder Organisationen durch neue erleben wir derzeit in vielen verschiedenen Bereichen, am deutlich erkennbarsten wohl im Bereich der Medien. Notwendigerweise beinhaltet dieser Prozess, dass „Gesalbte“, selbsternannte „Eliten“, ihre Legitimation verlieren und ihren Lebensunterhalt gefährdet sehen. Wo keine Legitimation mehr besteht, wird Machtpolitik betrieben – so lange es geht …


Literatur:

Jensen, Sune Qvotrup, 2011: Othering, Identity Formation and Agendy. Qualitative Studies 2(2): 63-78.

Leyens, Jacques-Philippe, Paladino, Paola M., Rodriguez-Torres, Ramon et al., 2000: The Emotional Side of Prejudice: The Attribution of Secondary Emotions to Ingroups and Outgroups”. Personality and Social Psychology Review4 (2): 186–197.

Sowell, Thomas, 2011: Intellectuals and Society (Revised and enlarged edition.) New York: Basic Books.

Sowell, Thomas, 1995: The Vision of the Anointed: Self-Congratulation as a Basis for Social Policy. New York: Basic Books.

Spivak, Gayatri Chakravorty, 1985: The Rani pf Sirmur: An Essay in Reading the Archives. History and Theory 24(3): 247-272.



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