Die “Gesalbten”: Thomas Sowell über die Hubris und die gesellschaftszerstörende Wirkung selbsternannter intellektueller und politischer “Eliten“
von Dr. habil. Heike Diefenbach
Wer jemals von Thomas Sowell gehört hat, dem 1930 in Gastonia, North Carolina, geborenen „großen alten Mann“ der Ökonomie und Sozialtheorie, der auch heute noch als Ökonomieprofessor an der Universität Standford tätig ist, der weiß vermutlich, dass Sowell ein klassischer Liberaler bzw. Libertärer und ein Wissenschaftler im Sinne des Wortes ist und als solcher daran interessiert ist, Fakten in der beobachtbaren Welt als solche zu identifizieren. Vermutungen über die Beschaffenheit der Welt aufzustellen oder die Welt auf der Basis der Vermutungen, die man über sie hat, zu interpretieren, sind nicht Wissenschaft. Wissenschaft ist vielmehr das Unternehmen, Vermutungen über die Beschaffenheit der Welt anhand von Beobachtungsdaten auf systematische Weise zu überprüfen – und bereit zu sein, die entsprechenden Vermutungen zu verwerfen, wenn sie den systematisch gesammelten Beobachtungsdaten widersprechen bzw. nicht mit ihnen zu vereinbaren sind.
Als Libertärer und Wissenschaftler hat Sowell seit den 1970er-Jahren konsequent faktenfreie oder faktenentstellende „social vision[s]“ (Sowell 1995: 1) als solche identifiziert und kritisiert und mit ihnen diejenigen, die sie der breiten Öffentlichkeit als Heilslehre bzw. Heilsversprechen präsentieren. Sowell nennt diese Menschen – ihrem Selbstverständnis nach – die „Gesalbten“ („the anointed“; Sowell 1995).
Sie sind gekennzeichnet durch eine Praxis, die man heutzutage vielleicht am treffendsten als Infrahumanisierung (Leyens et al. 2000) oder als konsequentes „othering“ (Spivak 1985: 252) bezeichnen würde. D.h. die „Gesalbten“ sprechen der breiten Masse von Menschen grundlegende menschliche – und positiv bewertete – Eigenschaften ab, die sie für sich selbst in Anspruch nehmen, insbesondere Intelligenz, Bildung, Weitsicht, Urteilsvermögen, Offenheit für Neues, Phantasie, Fortschrittlichkeit, u.ä.m. Sie sprechen ihnen diese Eigenschaften gänzlich ab oder sind überzeugt, dass diese Eigenschaften in der breiten Masse von Menschen weit weniger stark vertreten sind als bei ihnen selbst.
Und sie leiten aus diesem Anders-Sein ab, was man vielleicht größere Weisheit nennen könnte, sowie moralische Überlegenheit über die breite Masse von Menschen. Hierauf wiederum begründen die „Gesalbten“ ihr Recht oder sogar ihre Verpflichtung, die Lebensweise und das Schicksal der breiten Masse von Menschen zu bestimmen, sie zum Richtigen, zum Guten, zu ihrem Glück zu führen oder ggf. zu zwingen, denn die nicht „gesalbte“ Masse der Menschen verfügt eben als solche nicht über die Einsicht in das Richtige, Gute, das, was zum Glück führt. Sie bedürften deshalb sozusagen der strengen Hand ihrer intellektuellen und moralischen „Herren“. Die „Gesalbten“ betrachten sich als eine Art Herrenmenschen, die vielleicht meinen, „[T]e White Man’s Burden“ tragen zu müssen, wie Rudyard Kipling sie im Jahr 1899 in seinem gleichnamigen Gedicht beschrieben hat, vielleicht aber auch nur mit Verachtung auf die Un-“Gesalbten“ hinabschauen.
Jensen (2011) extrahiert aus Spivaks Essay über „othering“ in Archiv-Material der britischen Kolonialverwaltung in Indien drei Dimensionen des „othering“. Die erste ist die Machtdimension, „… making the subordinate aware of who holds the power, and hence about the powerful producing the other as subordinate” (Jensen 2011: 64). Die zweite Dimension ist die der moralischen Unterordnung: “… this dimension is about constructing the other as pathological and morally inferior” (Jensen 2011: 65), und die dritte Dimension “…of othering implies that knowledge and technology is the property of the powerful empirical self, not the colonial other” (Jensen 2011: 65).
Wer muss angesichts dieser drei Dimensionen nicht spontan an die Machtdemonstration in Form massiver und völlig offen betriebener Zensur in bzw. durch soziale Medien wie Facebook, YouTube und Reddit (u.a.) denken, die die “Gesalbten” derzeit mit Hilfe technologischer Monopole bzw. Monopolbildung angeblich zum Schutz der Schutzlosen betreiben?! Oder an die moralische Abwertung, Kriminalisierung und Verfolgung sogenannter – vielleicht auch noch rechtsextremer – Covidioten im Interesse eines von „Gesalbten“ bestimmten Gemeinwohles!? Man sieht: „othering“ ist eine allgemeine soziologische Tatsache und keineswegs ein auf bestimmte historische Epochen oder bestimmte Orte oder Konfliktkonstellationen beschränktes Phänomen.
Obwohl Sowell selbst m.W. keinen Bezug auf das Konzept des „othering“ herste llt, um seine Kritik an den „Gesalbten“ und ihren faktenfreien oder –entstellenden Visionen zu formulieren, ließe sie sich fast durchgängig auf verschiedene Dimensionen des „othering“ beziehen, und während sich diese Kritik mit Bezug auf verschiedene konkrete Themen oder Sozialpolitiken nahezu durch Sowells gesamtes Lebenswert zieht, ist sie (m.E.) in zwei der zahlreichen Bücher von Sowell besonders umfassend und eindringlich formuliert: In „The Vision of the Anointed“ aus dem Jahr 1995 steht diese Kritik als solche im Zentrum des Interesses, und in „Intellectuals and Society“, einem Buch, das in der ersten Auflage im Jahr 2010 erschienen ist und (soweit ich es beurteilen kann) eines seiner bekanntesten Bücher ist, stellt Sowell eine Variante dieser Kritik vor, die sich speziell auf Intellektuelle bezieht.
Wie Sowell selbst im Interview mit Ben Wattenberg von „Think Tank“ sagt, handelt „The vision of the Anointed“ von
“… .a vision that the problems that we see in the world are due to the fact that other people are just not as bright or as compassionate as they are, and that there are all these solutions out there waiting to be discovered and they have them, and that these solutions are to be imposed upon the rest of us by the power of government through taxation or in other ways”
(https://www.pbs.org/thinktank/transcript229.html).
Zu den “Gesalbten” sind nach Sowell (seit den 1960er-Jahren) die sogenannten Eliten in den Medien, in akademischen Einrichtungen und in der Politik zu zählen. Das Hauptproblem mit ihnen ist nicht das moralische Problem an sich, das darin besteht, dass sie die breite Masse der Menschen, auch derer, die sie in Ämter gewählt haben oder ihr Gehalt aus Steuergeldern finanzieren, „unter sich“ wähnen. Das Hauptproblem ist ein praktisches, nämlich das, dass sie im Zuge ihrer Hubris oder ihrer Machtgeilheit meinen, ihre Meinungen müssten per se richtig sein, sie bedürften keiner kritischen Überprüfung in der realen Welt, und Tatsachen könnten ignorieren oder bestritten werden, wenn sie nicht zur vorgefassten Meinung der „Gesalbten“ passen. In den Worten von Sowell:
„The great problem – and the great social danger – with purely internal criteria is that they can easily become sealed off from feedback from the external world of reality and remain circular in their methods of validation … When the only external validation for the individual is what other individuals believe, everything depends on who those other individuals are. If they are simply people who are like-minded in general, then the consensus of the group about a particular idea depends on what that group already believes in general – and says nothing about the empirical validity of that idea in the external world” (Sowell 2011: 9).
Die Hubris der „Gesalbten“ führt also u.a. durch die systematische Ausblendung anderer Meinungen und Argumente und von Erfahrungswerten, auf denen diese Meinungen und Argumente basieren, bzw. durch die Einrichtung einer Echokammer dazu, dass sich ihre Vorstellungen, Wünsche, Vorurteile gegenüber der Erfahrung anderer Menschen und damit gegenüber der Realität verselbständigen, so dass erhebliche „Dunkelfelder“ mit Bezug auf die Kenntnis um die Beschaffenheit der realen Welt und der Zusammenhänge bestehen. Somit sind alle Politiken, die das „Gute“ befördern sollen, immer und prinzipiell vom Scheitern bedroht, denn man kann nicht gegen die Realität an-behaupten, geschweige denn: an-agieren. In der Folge hiervon richten sie praktischen Schaden in der realen Welt an, verschlechtern die Lebensqualität einer großen Anzahl von Menschen, ohne dass dies notwendig oder gar unausweichlich gewesen wäre.
Die Hubris der „Gesalbten“ führt nicht nur notwendigerweise zu praktischem Schaden in der realen Welt, sie steht auch im Zusammenhang mit bestimmten Inhalten. Sowell schreibt:
„If you happen to believe in free markets, judicial restraint, traditional values … then you are just someone who believes in free market, judicial restraint and traditional values. There is no personal exaltation inherent in those beliefs. But to be for ‚social justice‘ and ‚saving the environment‘, or to be ‚anti-war‘ [alles Dinge, für die sich die Un-“Gesalbten” in ihrer eingeschränkten Erkenntnisfähigkeit oder Moral nach Auffassung der “Gesalbten” nicht interessieren, sich nicht genug interessieren, die sie nicht verstehen und für die sie keine Opfer bringen wollen], is more than just a set of hypothesis about empirical facts. This vision puts you on a higher moral plane as someone concerned and compassionate, someone who is for peace in the world, a defender of the downtrodden, and someone who wants to preserve the beauty of nature and save the planet from being polluted by other less caring. In short, one vision makes you somebody special and the other vision does not” (Sowell 2011: 98).
Für Menschen, die meinen, besonders (im positiven Sinn) zu sein, sich für „höhere“ Dinge einzusetzen, die dem „Normalo“ nicht einsichtig sind oder für die sich der „Normalo“ nicht hinreichend interessiert, besteht prinzipiell kein Anlass, deren Meinungen zu akzeptieren oder ihre Argumente zu erwägen; ja, es wäre sogar eine Art Verrat, diese Meinungen zu hören, sie in Rechnung zu stellen, Argumente, die für diese Meinungen sprechen, als relevant zu akzeptieren, denn das würde bedeuten, Kompromisse schließen zu müssen, Abstriche an der Verfolgung der „höheren“ Dinge, der „guten“ Sache vornehmen zu müssen. Wer sich im Besitz des Wissens um das vermeintlich „Gute“, „Richtige“ oder Notwendige wähnt, das es gegenüber Unwissenden oder Uneinsichtigen zu verteidigen gilt, wird durch seine Ignoranz gegenüber anderen Meinungen und Argumenten, die für diese Meinungen sprechen, geradezu geadelt, zeigt er doch, dass er sozusagen stählern ist und nicht in Versuchung geführt werden kann, vom „Guten“ abzufallen.
Und so kommt es, dass sich „Gesalbte“, die meinen, eine Positivauslese der Menschheit darzustellen, – moralisch und praktisch – als Negativauslese erweisen, die um des „Guten“ willen kompromisslos sind und das Glück und Wohlergehen des „Restes“ der Menschheit zu opfern bereit sind, oder anders ausgedrückt: Menschen, die sich für besonders menschlich halten, neigen mehr als andere dazu, sich unmenschlich zu verhalten, und sei es nur, weil sie andere de- oder infrahumanisieren.
Es sollte vor diesem Hintergrund nicht mehr überraschen, dass „Gesalbte“ ein zumindest gebrochenes Verhältnis zu Argumenten haben: Sie benutzen sie, sofern sie für ihre vorgefassten Meinungen instrumentalisiert werden können; wenn sie nicht in den Dienst ihrer vorgefassten Meinungen gestellt werden können, dann ignorieren sie sie. In „The Vision of the Anointed“ nennt Sowell eine Reihe von rhetorischen Figuren, die für „Gesalbte“ das Argumentieren ersetzen.
Eine davon ist die Berufung auf die Meinung anderer Leute (Sowell 1995: 97), wenn man nach einer Begründung für die eigene Meinung gefragt wird, diese aber nicht argumentativ begründen kann. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist im Zusammenhang mit dem angeblich menschengemachten Klimawandel sowie im Zusammenhang mit Covid-19 die Berufung auf „die Wissenschaft“ oder gar einen „Konsens“ unter Wissenschaftlern. Es handelt sich hier um die Berufung auf eine Autorität, die, falls sie überhaupt als Autorität akzeptiert wird, jedenfalls nur eine Autorität in einem bestimmten Feld sein kann, aber von vielen anderen Feldern, die für die in Frage stehende Sache eine Rolle spielen, wenig oder keine Kenntnis hat. Sich auf eine Autorität zu berufen, ergibt daher kein logisch korrektes Argument. Diese Vorgehensweise ist bekannt als logischer Fehlschluss ad auctoritatem.
Eine Variante der Berufung auf die Meinung anderer Leute besteht darin, bei der Berufung auf die Meinung anderer Leute, die die eigene Meinung rechtfertigen soll, diese Meinung schon als begründet oder richtig vorauszusetzen. Dies tut man, wenn man über denjenigen, auf den man sich berufen will, in einer entsprechenden Weise spricht oder schreibt. Wenn man also z.B. schreibt: „Herr X hat erkannt, dass …“, dann setzt man durch die Wahl des Verbes „erkennen“ als richtig voraus, was noch als richtig zu erweisen wäre. In der korrekten Darstellung als Meinung müsste man z.B. schreiben „Herr oder Frau XY wäre der Ansicht, dass ….“. Aber dann würde offensichtlich, dass Herr oder Frau XY lediglich derselben Ansicht war wie der Sprecher; es würde weiterhin offen bleiben, was die Gründe sind, die diese Ansicht stützen.
Dieselbe Strategie, Verben zu wählen, die eine Wertung mit Bezug auf den Wahrheitsgehalt oder die Verlässlichkeit einer Aussage ausdrücken, kann man auch verwenden, um die Ansichten von Anderen rundum zu diskreditieren, selbst dann, wenn diese Anderen in dem, was sie sagen, Anschlussmöglichkeiten für die eigene Anschauung bieten. Man kann z.B. schreiben: „Frau Y hat zugegeben, dass …“, womit man Frau Y als Verlierer in einem „Meinungskampf“ kennzeichnen kann (Sowell 1995: 97).
Oder dem Anspruch durch andere, dass eine Meinung begründet wird, wird dadurch zu entgehen versucht, dass man sozusagen zum Gegenangriff übergeht, den „burden of proof“ (Sowell 1995: 97) auf die Gegenseite verschiebt. Ein brandaktuelles Beispiel hierfür hat der Landrat Bernhard Kern für das Berchtesgadener Land geliefert, als er meinte, den dort seit Oktober 2020 bestehenden Lockdown angesichts seiner Erfolgslosigkeit in Zahlen von mit Covid-19 Infizierten dadurch verteidigen zu können, dass er die Frage stellte, wie hoch diese Zahlen erst ohne Lockdown gewesen wären. Statt einzugestehen, dass die Infizierten-Zahlen für die Nutzlosigkeit des Lockdown sprechen, verschiebt er sozusagen die Nachweispflicht auf die Seite der Kritiker von Lockdowns, die indirekt dazu aufgefordert werden zu belegen, dass der Lockdown nicht dazu beigetragen habe, Infektionsfälle zu reduzieren.
Oder man versucht, eine allgemeine Meinung, z.B. eine allgemeine Forderung durch die Darstellung von Einzelfällen zu begründen. Sowell illustriert diese Vorgehensweise, der der Fehlschluss der Komposition zugrundeliegt, in seiner ihm eigenen, lebensweltbezogenen Art, wie folgt:
„For example, it is true that one person in a stadium crowd can see the game better if he stands up but it is not true that, if they all stand up, everyone will see better” (Sowell 1995: 97).
Oder man versucht, jede Argumentation dadurch zu verhindern, dass man ein angeblich bestehendes Recht von irgendjemandem auf irgendetwas postuliert, ohne zu begründen, woher diese Recht kommen soll (Sowell 1995: 98). Diese Vorgehensweise basiert auf einer Art psychologischem Erpressungseffekt: Nachdem jemand einer Person oder Personengruppe Rechte zugesprochen hat, besteht beim Gegenüber eine psychologische Hemmung, diese Rechte als existent zu bestreiten, denn dadurch, dass vorher die Existenz dieser Rechte behauptet wurde, wirkt das Bestreiten dieser Rechte so, als würde man Leuten Rechte absprechen wollen, und Leuten Rechte abzusprechen, ist nicht nett und weist einen als moralisch minderwertig aus.

Diese und viele andere rhetorische Übungen sollen den Anschein erwecken, dass derjenigen, der sich in ihnen übt, argumentieren würde, aber sie sind allesamt keine Argumente, sondern logische Fehlschlüsse (im besten Fall) oder psychologische Erpressungsversuche. Rhetorische Spielchen sind für denjenigen überflüssig, der tatsächlich über Argumente verfügt, die seine Meinung stützen.
Aber der Status als „Gesalbter“ besteht ja geradezu darin, seine Meinung nicht zur Diskussion mit Un-„Gesalbten“ zu stellen, so, als wären verschiedene Meinungen prinzipiell gleichberechtigt. Die Meinung des „Gesalbten“ ist, eben weil er ein „Gesalbter“ ist, über jeden Zweifel erhaben.
Und damit schließt sich der Kreis. Hubris führt zu Phantasien darüber, größeres Erkenntnis- und Urteilsvermögen als andere Menschen zu haben, so dass einem der „große Auftrag“ zur Rettung der Welt zufällt, und zur De- oder Infrahumanisierung derer, die die Welt nicht für der Rettung bedürftig (oder fähig) halten. Das führt seinerseits zur Gesprächsverweigerung mit den „weniger Menschlichen“, was seinerseits dazu führt, dass belastbares Wissen um die Beschaffenheit der realen Welt nicht erworben wird, und dies führt dazu, dass die Opfer ihrer Hubris, die ihrer eigenen Meinung nach „Gesalbten“, nicht argumentationsfähig sind.
Wenn Sowell Recht hat, dann ist es verfehlt (und vielleicht fahrlässig), im Zuge liberaler Überzeugungen bzw. des Toleranzgebotes anzunehmen und: hinzunehmen, wenn die einzelnen Elemente dieser Zusammenhangskette als eben das, Einzelelemente, die mehr oder weniger skurril oder bedauerlich, aber als einzelne Merkmale auch mehr oder weniger harmlos sind, angesehen werden. Als Elemente einer Zusammenhangskette hat jedes dieser Elemente seine Voraussetzung(en) in anderen und bringt seinerseits weitere Elemente, die zu dieser Kette gehören, hervor.
Wenn Sowell Recht hat, ist die grundlegende Auseinandersetzung, die wir derzeit nahezu überall in der westlichen Welt erleben, im Kern eine Auseinandersetzung zwischen solchen, die meinen, aufgrund moralischer Überlegenheit über andere Menschen diese anderen Menschen leiten, führen und letztlich zum „Guten“ zwingen zu können oder gar zu müssen, und solchen, die meinen, menschliche Lebenspraxis müsse sich zuerst an Wissen über die tatsächliche Beschaffenheit der realen Welt orientieren. Und Wissen über die tatsächliche Beschaffenheit liefert nicht nur Wissenschaft, es basiert auf den Erfahrungen, die Menschen machen – alle Menschen, jeder für sich. Das ist kein Gegensatz, denn tatsächlich ist Wissenschaft nur als Erfahrungswissenschaft denkbar. Es gibt keine Wissenschaft, die nicht auf Erfahrung basiert. Was ohne sie auskommt, ist Phantasie, Planspiel, aber eben keine Wissenschaft.
Und deshalb sagt Sowell im Interview mit Ben Wattenberg:
„We should listen first and foremost to our own experience. You seem to be saying, well, there must be alternative saviors. We should stop looking for saviors. I mean the society has not existed for thousands of years because it had a succession of saviors. It’s existed because it has institutions and processes through which people can realize their own goals”.
Wenn bestehende Institutionen und Verfahrensweisen dies nicht mehr ermöglichen, werden neue entstehen (müssen), die ihre Funktionen übernehmen werden. Das ist ein sozialanthropologisches Gesetz. Und die Ersetzung von untauglich gewordenen Institutionen oder Organisationen durch neue erleben wir derzeit in vielen verschiedenen Bereichen, am deutlich erkennbarsten wohl im Bereich der Medien. Notwendigerweise beinhaltet dieser Prozess, dass „Gesalbte“, selbsternannte „Eliten“, ihre Legitimation verlieren und ihren Lebensunterhalt gefährdet sehen. Wo keine Legitimation mehr besteht, wird Machtpolitik betrieben – so lange es geht …
Literatur:
Jensen, Sune Qvotrup, 2011: Othering, Identity Formation and Agendy. Qualitative Studies 2(2): 63-78.
Leyens, Jacques-Philippe, Paladino, Paola M., Rodriguez-Torres, Ramon et al., 2000: The Emotional Side of Prejudice: The Attribution of Secondary Emotions to Ingroups and Outgroups”. Personality and Social Psychology Review4 (2): 186–197.
Sowell, Thomas, 2011: Intellectuals and Society (Revised and enlarged edition.) New York: Basic Books.
Sowell, Thomas, 1995: The Vision of the Anointed: Self-Congratulation as a Basis for Social Policy. New York: Basic Books.
Spivak, Gayatri Chakravorty, 1985: The Rani pf Sirmur: An Essay in Reading the Archives. History and Theory 24(3): 247-272.
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Das Problem haben alle „guten“ NGOs. Es fing mal ehrenhaft an mit ein paar Aktivisten, die gutes Tun wollten in der Welt und nun sind die NGOs Mulitmillionen Dollar Unternehmen,
Die auskömmliche Posten generieren. Während der ursprüngliche Zweck in den Hintergrund gerät.
Affirmative action und Quoten zerstören den Menschen, der sie erhält, und geben den Institutionen die sie fordern mehr Macht.
Wer aufgrund seiner Hautfarbe oder seines Geschlechts Posten erreicht, wird diese Leistung nie auf sich selbst beziehen können, er muss sich arg verstellen, um diesen Widerspruch nicht zu spüren. Das zerstört innerlich und knabbert am Selbstwert.
Gebt den Leuten faire Chancen und gut ist. Das Quotending macht alle Seiten kaputt.
Die NGOs – bzw. deren Betreiber und Postenabsitzer – sind “nur” die Profiteure (und bisher noch viel mehr in Steuer-Euro als Dollar nbnb….). Nicht wenige davon (z.B. die “Soros Childs”) sind augenscheinlich auch nur dazu gegründet worden. Neue NGO a la BLM nutzen sogar Strategien der ökonomischen bzw. violenten Nötigung / Erpressung – sehr viele Spenden privater Firmen in den Staaten liefen an BLM aus Angst vor der “Zersetzung” der Firma durch BLM-Aktivisten bzw. ihre Verbündeten in Politik, Medien, BigTech etc., wie es ja schon vielen Firmen zuvor erging. Die Stufe der Übergriffigkeit ist eine neue. In DE sind Großparteien ja selbst große korrumpierte / staatlich privilegierte Konzerne, riesige Kraken zur Beschaffung von Pfründen und Posten auf Kosten zu ihrem “Glück” gezwungener “Kunden” und von (teil-)staatlichen (weil “so gerechteren”) Unternehmen, die von vielen als “privatisiert” bezeichnet werden, gar nicht erst anzufangen…
Man nennt das dann „disengagement“
Man lebt einen hohlen Körper und macht nur noch dem Anschein mit.
So wie in der Endphase der DDR.
Der Motor Überzeugung wird dann durch Furcht, konfliktvermeidung etc. getauscht. Man macht dann aber nur noch das allernötigste.
So wie bei der AFD auch. Anstatt daß die anderen Parteien deren Existenz als Zeichen ihres eigenen Versagens nehmen, wird nur noch mehr gebasht.
Nach fest kommt irgendwann ab.
NGO – steht schlechterdings nur noch für die staatliche Flucht in Privatrecht.
Aber mal eine naive Frage Herr Klein: Steht Hubris für Hybris?
hubris ist der international gebräuchliche Begriff:
https://www.britannica.com/topic/hubris
Hallo Herr Klein, hat Euch das schon erreicht?
https://zeitung.faz.net/faz/geisteswissenschaften/2021-01-13/82286fc0222e2d3659566c0cb6dcfc44/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
Artikel heißt “China gewinnt im Systemvergleich”, FAZ.net
Die Deutschen könnten noch anders wählen, aber die noch Wählenden wollen es nicht und den Nichhtwählenden ist es völlig egal.
Sowell: ein grosser Mann.
(Obwohl Namens-Spiele ja oft geschmacklos sind, hier stimmt einer: So gut!)
Sieht so Begeisterung aus?
https://t.me/Qparadise/42986
National-Gardisten drehen Bidens Autokolonne den Rücken zu.
“Nachdem jemand einer Person oder Personengruppe Rechte zugesprochen hat, besteht beim Gegenüber eine psychologische Hemmung, diese Rechte als existent zu bestreiten” Genau so hat die SPD die Merkelgroko dominiert. Selbst die FDP will schon nicht mehr als “unsozial” gelten, gut sein ist halt viel einfacher als Gegenargumente und Standhaftigkeit
Fantastischer Artikel, Danke!
Wie die Phänomene “Elfenbeinturm” und “Beratungsresistenz” zustande kommen, wird hier wunderbar beschrieben. Ein Haufen Theoretiker bestätigt sich in der eigenen Blase permanent in den eigenen Hypothesen, die mangels vorangegangenem “Labortest” niemals verifiziert, aber dennoch direkt für alle umgesetzt werden. Man hält seine Hypothesen allerdings nur deshalb für richtig, weil sie die anderen in der selben Blase wegen andauernder gegenseitiger Bestätigung ebenso für richtig halten. Dass diese Hypothesen in der Praxis jedoch total versagen und damit längst falsifiziert worden sind, wird mangels Kontakt zur realen Welt gar nicht gesehen. Und wenn diese reale Welt nun vor die Hunde geht und die in der vor die Hunde gehenden realen Welt lebenden Menschen nun mehr und mehr rebellieren, wird dieses Rebellieren (wie z.B. der Sturm auf das Kapitol) nicht etwa als Falsifikation der eigenen, sich nun als falsch herausstellenden Hypothese angesehen, sondern die Betroffenen in einer Art “ihr wisst nicht, was gut für euch ist” Mentalität als Idioten abgestempelt, die die ganz tollen und ausgefuchsten Ideen der Elite einfach nicht verstehen.
Und dieses Phänomen ist mitnichten ein Phänomen eines einzelnen politischen Lagers. Es betrifft die menschliche Spezies insgesamt. Es sollte also niemand auf die Idee kommen, dass er oder sie von diesem Problem ausgenommen wäre, weil er ja bereits der “richtigen” politischen Überzeugung angehören würde. Genau das, beobachte ich nämlich derzeit in der aktuellen globalen Entwicklung. Man lässt sich gar nicht mehr darauf ein, dass die Gegenseite auch mal recht haben könnte, was überaus deutlich erkennbar wird, wenn man sich das jahrelange Dauerbashing gegen Trump anhört. Ein Großteil davon ist sachlich(!) einfach vollkommen falsch, unabhängig davon, ob man Trump als Person mag oder nicht. Trump ist ja nicht einmal ein Rechter, wird aber fortwährend als das dargestellt. Trump ist als Businessman in Wahrheit nichts anderes, als ein Pragmatiker. Ein Pragmatiker, der die Hypothesen der Theoretiker im Akkord falsifiziert hat. Und genau das, ist der Grund für das nicht enden wollende Trump Bashing. Mit einem politischen Lagerkampf hat das eigentlich gar nichts zu tun. Was hier läuft, ist der Kampf Theorie gegen Praxis. Und da kommt nun das politische System ins Spiel, denn wenn die Theorie eines Politikers in der Praxis falsifiziert wird, dann wird er üblicherweise nicht wiedergewählt, weshalb Politiker eher selten von ihren falschen Ideen Abstand nehmen und sich lieber mit krummen Touren und Wahlbetrug an die Macht hieven, oder ihre Macht auf diesem Wege dort zementieren. Politik und Wissenschaft sind zwei verschiedene Dinge, die nach unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten funktionieren. Was derzeit in der Handhabung der Coronapandemie wunderbar zu erkennen ist. Man darf nicht den Fehler machen, die Schuld für das Chaos auf die Wissenschaft zu schieben. Das Problem liegt in der Politik und ist auf der einen Seite systemisch (Elfenbeinturm) und auf der anderen Seite biologisch (Beratungsresistenz) bedingt. Die ganze Globalisierung ist wegen dieses Problems ins falsche Fahrwasser abgedriftet. Wenn Politiker mit der Menschheit experimentieren, dann sollten sie sich auch an die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens halten und das ganze fortwährend unter dem Mikroskop beobachten. Das tun sie aber nicht. Man hält die eigenen Ideen bereits im Vorfeld für unantastbar richtig und hat deshalb auch niemals verifiziert, ob die eigenen Ideen in der Praxis überhaupt funktionieren. Bis es dann schief gegangen ist. Wie zu erwarten war. Und selbst jetzt, wo die Welt in Trümmern liegt, wird an der falschen Methodik und an der Überzeugung der eigenen falschen Ideen weiter festgehalten.
Wie kommt man da wieder raus? Nur auf einem Wege: Indem sich alle ob ihres eigenen beschränkten Horizonts bewusst werden, die eigenen Hypothesen in der Praxis permanent überprüfen und gegebenenfalls auch als dysfunktional falsifizieren. Aber das wird mit dem bestehenden politischen System, wo das eigene politische Lager immer Recht und das andere immer unrecht hat, unmöglich. Wir brauchen mehr direkte Demokratie. Denn diese ermöglicht das direkte und flächendeckende Feedback von der Basis, also die praktische Verifikation oder Falsifikation von politischen Weltanschauungen.
Direkte Demokratie bei weiterhin bestehender politischer und medialer Falschdarstellerei würde aber erst mal kaum etwas ändern
@ MasedPringle
Die mediale Propaganda gehört natürlich vorher abgestellt. Aber ich kann aus praktischer Erfahrung bestätigen, dass man als Entscheidungsträger im Vorfeld der Entscheidung natürlich weitaus umfangreicher über die zu entscheidenden Sachverhalte aufgeklärt wird, als der entkoppelte Wähler, der seine Verantwortung ja an der Wahlurne abgegeben hat.
Bei einem Volksentscheid wäre der selbst entscheidende Bürger natürlich in selbem Maße über das zu entscheidende Problem aufzuklären, wie derzeit nur die Mandatsträger.
Man muss dem Bürger also das volle Programm an Informationen zukommen lassen, damit er selbst zielführend entscheiden kann. Das ist natürlich mehr Arbeit, als am Wahltag nur einen Wahlzettel auszufüllen. es verhindert aber Politikverdrossenheit und Verschwörungstheorien
Sehr gut beschrieben von Ihnen. In der heutigen BPK mit Merkel war exakt das zu beobachten: Merkel hat zugegeben, dass der harte Corona-Kurs am Ende eine politische Entscheidung war, die SIE SELBST – also nach ihren eigenen Maßstäben – getroffen hat, nachdem Sie zuvor Meinungen von Wissenschaftlern eingeholt hat, die ihrer Linie entsprechen. (Bei Reitschuster nachzulesen). Beobachtungen von Sozialpsychologen oder Warnungen von Wirtschaftsverbänden, also Informationen aus der Realität, haben keine Rolle gespielt. Und in der gestrigen MP-Runde war die Dame angefressen, als sie sich sinngemäß dem Vorwurf ausgesetzt sah, sie würde Kinder quälen und Arbeitnehmerrechte mißachten.
Merkel hat zwar einen sehr guten Überblick über die gesamte verwaltungstechnische Organisation des Systems Deutschland, aber sie hat wirklich Null Ahnung davon, wie sich dieses System auf die Lebensrealität der einzelnen Menschen auswirkt. Sie ist eine abgehobene Ideologin, die nie begreifen wird, welche Chance, Gutes für die Menschen im Land zu bewirken, sie in den 16 Jahren Amtszeit gehabt hätte. Merkel hat das Thema komplett verfehlt (Setzen, 6!), weil sie sich für eine Gesalbte hält, die ihre Überzeugungen mit der WEF-Sekte von Klaus Schwab und den international vernetzten Sozialisten teilt.
Meine Hoffnung ist, dass die “Gesalbten” mit ihrem Corona-Great-Reset-Experiment, dem Klimawahn, den Migrationsexperimenten und den technokratischen Totalüberwachungsphantasien einen harten Aufprall in der Realität der Menschen erleben, weil sie den Bogen schlichtweg überspannt haben.
Sie sind sich aber schon darüber im Klaren, dass der von Ihnen prophezeite “harte Aufprall in der Realität in erster Linie vom Volk aufgefangen werden wird, während die Verursacher wie z.B. Politiker es wahrscheinlich kaum spüren werden, zumal die ehemalige Presse immer auf Seiten der (vermeintlich) Stärkeren ist. Leider.
Ich hab Reitschusters Austausch mit Merkel auf seinem Youtube Kanal gesehen. Dass Merkel am Schluss die Entscheidung selbst gefällt hat, liegt in der Natur ihres Amtes. Der Bundeskanzler hat in Deutschland üblicherweise das letzte Wort. Und da sie selbst ja Physikerin ist, war das wohl eine Entscheidung in die “technische” Richtung. Ihr naturwissenschaftlicher Background erklärt auch, dass Merkel weiß, wie der Apparat organisiert und strukturiert ist. Allerdings fehlt Merkel offenkundig der direkte Draht ins Volk, was wohl ihrem Amt und der daraus resultierenden Abschottung geschuldet ist und weniger in ihrer Person liegt. Beim Schwab sieht man das gleiche Phänomen: Als Organisator des WEF ist er ja nicht der Ideengeber, sondern der Vernetzer. Die Impulse kommen von denen, die er einlädt.
Und da wird es dann spannend: Je nachdem, wen man einlädt und was diese Personen von sich geben, ergibt sich ein jeweils in die eine oder andere Richtung einseitig vorgefiltertes Bild. Das sehen wir derzeit bei Merkels Auswahl von Virologen und bei Schwabs Auswahl von Gästen für seine WEF Treffen.
Das ist kein realistisches Abbild der Gesamtgesellschaft, sondern ein kleines, selektives Extrakt aus einem großen Ganzen. Allerdings ist die Welt, insbesondere die moderne und stark vernetze Welt von heute, viel zu kompliziert, als dass man sie mit einer subjektiven Vorselektion von Gästen allumfassend beschreiben könnte. So ein persönliches Meeting mit entscheidenden Personen der jeweiligen Hemisphären, lässt sich aber wohl gar nicht anders organisieren. Da wird es wohl aus Gründen des Zeitbudgets und der vorhandenen Räumlichkeiten ein Personenlimit geben. Und da greift dann die subjektive Selektion durch diejenigen, die dieses Treffen anberaumen. Was der Schwab da macht, ist eigentlich eine gute Idee. Allerdings ist der Rahmen, in dem die Treffen stattfinden, nach heutigen Maßstäben zu klein und vermutlich auch zu kurz bemessen. Man muss eins überlegen: Heutzutage vernetzen sich die Menschen über das Internet selbst. Das heißt, es gibt weltweit weit mehr Interessengruppen und Bewegungen, als noch vor 50 Jahren, wo die Welt viel einfacher daherkam und es zuvorderst nur die gewählten Staatsmänner waren, die das Ruder in der Hand hatten. Heutzutage kann ich privat mittels Internet Interessengruppen aus dem Boden stampfen, die zum politischen und wirtschaftlichen Zirkel parallel eigene Macht entwickeln und dann erheblichen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen können. Also das, was man im Allgemeinen als “Zivilgesellschaft” definiert. Nur ist diese Zivilgesellschaft derart umfangreich, dass man deren Vertreter gar nicht alle einladen kann. Womit wir dann wieder bei der zwangsläufig subjektiven Selektion der Gäste landen. Man muss es klar auf den Punkt bringen: Seit das weltweit vernetzte Internet Jedermann zum Informationsaustausch und somit auch zum politischen Diskurs einlädt, wird die Sache extrem kompliziert. Allerdings ergibt sich hieraus auch eine Chance. Nämlich die, die “Temperatur” bzw. das Fieber des Volkes zeitnah und direkt zu messen. Gab es früher nur den Kanal in eine Richtung, also so wie bei Radio und Fernsehen, kann man im Internet auf die ausgestrahlte Information direkt antworten. Und bei einer Weltbevölkerung von 7,5 Milliarden Menschen, von denen etwa die Hälfte irgendwie am Netz hängt, entwickelt sich ein sehr chaotisches und lautstarkes Rauschen, was bisweilen zu Fehlinterpretationen bei den Entscheidern oder zu unkontrollierten Selbstläufern in der Bevölkerung führt.
Daraus ergeben sich auf den ersten Blick zwei mögliche Ansätze:
Man schaltet das Internet wieder ab, was ich für undemokratisch und auch aus wirtschaftlichen Gründen für unrealistisch halte, oder man versucht die chaotischen Spontanvernetzungen der Welt über das Internet in geregelte Bahnen zu lenken, indem man die Menschen im Internet gezielt in einen geregelten Diskurs mit den politischen Eliten hineinlenkt.
Ignorieren kann die Machtelite das sich selbst organisierende und mobilisierende Volk nicht mehr. Also braucht es einen Austausch. Und das wird in Teilen bereits versucht. Allerdings leben wir in einer Welt, in der Menschen eher über andere als mit ihnen reden, was gerade beim Thema WEF zu erkennen ist. Vor 50 Jahren war das für den kleinen Normalbürger noch unmöglich, sich am Diskurs zu beteiligen. Heute geht es. Allerdings muss man auch etwas Gehaltvolles zum Thema beitragen. Und das geht nur, wenn sich der Durchschnittsbürger mit den Themen, zu denen er sich mit der Elite auseinandersetzen will, auch umfassend und realitätsnah beschäftigt. Mit absurden Verschwörungstheorien wird man in den Zirkeln der Macht natürlich nicht gehört. Wir brauchen deshalb dringend die Rückkehr zum Modell des aufgeklärten Bildungsbürgers, der mit der Machtelite auch auf Augenhöhe reden kann.
Ich stimme Ihnen weitgehend zu, allerdings ist Herr Schwab keineswegs nur Vernetzer der WEF-Teilnehmer, sondern ein von Größenwahn beflügelter Ideengeber. In seinem aktuellen Buch “COVID-19 Der große Umbruch” (mit Thierry Malleret) und in den beiden Vorgängern “The Fourth Industrial Revolution” und “Shaping the Future of the Forth Industrial Revolutiuon” entwickelt er sehr deutliche Visionen eines transhumanistischen Überwachungsstaates bzw. einer weltweit vernetzten Technokratie. Es ist in allen drei Werken nicht zu übersehen, dass er die Entwicklungen dorthin und die Möglichkeiten nicht einfach nur beschreibt, sondern explizit begrüßt und als “Segen” für die Menschheit darstellt. Ich empfehle die drei Werke, um die Hybris der “Gesalbten” nachvollziehen zu können.
Dass die Corona-Pandemie in Teilen überdramatisiert wurde und von staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren momentan schamlos ausgenutzt wird, um Überwachung und Eingriffe ins Private und in die körperliche Unversehrheit voranzutreiben und dauerhaft zu etablieren, ist nicht zu übersehen. Insofern ist man auch kein Verschwörungstheoretiker, wenn man diese Entwicklungen nur beobachtet und beschreibt.
Ihren Wunsch nach einer Rückkehr zum Modell des aufgeklärten Bildungsbürgers halte ich zumindest in Deutschland für utopisch. Gerade Linke und Grüne, die ja einerseits jährlich gegen die Treffen in Davos demonstrieren, torpedieren andererseits eine Rückkehr zu wissensbasierter Bildung in Deutschland, indem die Bildungspläne zunehmend aufgeweicht und durchideologisiert werden (Klimawandel, Genderidiotie, Kampf gegen Rechts, “Kompetenzen” statt faktenbasiertem Wissen). Insofern halte ich einen Diskurs auf Augenhöhe mit der Machtelite auf absehbare Zeit nicht für möglich. Die vielschichtigen Spaltungen innerhalb der Gesellschaften sind einfach zu groß und werden sich eher noch verschärfen (siehe USA). Gebildete Humanisten sind dünn gesät (ich zähle mich selbst nicht einmal dazu, weil es mir an Wissen und Denkschärfe fehlt) und werden ohne ausreichende Vernetzung ihren Einfluss auf Dauer auch nicht ausbauen können.
@Norbert
Schwab hat sich vor kurzer Zeit in einem Zeitungsinterview genau darüber beklagt, dass sein Great Reset von vielen eben nicht als Neustart des Systems, sondern gleich als komplett neues System falsch verstanden worden wäre. Ich sehe das genauso. Seine Bücher sind Vorstellungen davon, wie Dinge sich entwickeln könnten, nicht unbedingt wie sie sein müssen. Der WEF kommuniziert das auch die ganze Zeit so. Was Schwab da in seinen Büchern zusammenfasst, wird zudem nicht alles auf seinem eigenen Mist gewachsen, sondern eine Zusammenfassung dessen sein, was er mit seinen Gesprächspartnern auf seinen Treffen erörtert hat. Und da greift das, was ich oben ausgeführt habe: Je nachdem, wer da vor Ort seine Ideen verkauft, der beeinflusst in maßgeblichem Umfang den Output des WEF. Wenn man die dort üblicherweise versammelte Gemeinschaft mal gegen vollkommen anderes Personal aus anderen Bereichen der Gesellschaft austauschen würde, wäre das Bild des WEF von der Welt ein anderes. Die links-grünen Lobbygruppen der Zivilgesellschaft haben dort mittlerweile erheblichen Einfluss, was den ökologischen Linksdrift des WEF in den letzten Jahren gut erklärt. Letztlich läuft es aber auf eins hinaus: Was der Bildungsapparat eines Landes an Personal auswirft, wird das die Ausrichtung einer Gesellschaft weit mehr beeinflussen, als ein WEF, denn der WEF greift ja nur die Leute ab, die der Bildungsapparat mal ausgeworfen hat. Schwab und sein WEF sind das Ende der Verwertungskette und nicht der Anfang.
Das Problem der “Gesalbten” (für die Gegenwart wäre vielleicht “Visionäre” ein besserer Ausdruck) besteht immer und überall, aber eben nicht überall gleich heftig. In einer politischen Partei oder einer partei-ähnlichen Gruppe (z.B. einer “N”GO) scheinen Akzeptanz und Ausmaß der Sonderstellung “gesalbter” Personen sehr davon abzuhängen, wie das Spitzenpersonal der Gruppe sie sieht und ob diese führenden Personen sich selbst als Gesalbte betrachten. Helmut Schmidt (“Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!”) und, in einem anderen politischen Milieu, Edmund Stoiber (“Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht!”) wirkten der sektenhaften Tendenz entgegen, die in keiner Partei oder gar “N”GO ganz fehlt, die aber ein Randphänomen der Gruppe oder eben ihr wesentlichstes Merkmal sein kann. Spitzenpolitiker in der Union und FDP von 2021, die man in Sachen Realitätsbezug mit Schmidt und Stoiber vergleichen kann, gibt es durchaus, aber sie setzen sich zu wenig durch. Für vernünftige Politiker in “unseren” visionären Linksparteien gibt es gar keine Möglichkeit, sich der Mehrheit der Mitglieder und vor allem der Kader verständlich zu machen. Boris Palmers Bücher “Wir können nicht allen helfen” und “Erst die Fakten, dann die Moral” wurden in seiner Partei schlicht und ergreifend nicht verstanden. Grüne Lokalpolitiker mailten ihm empört, er wende sich “gegen die Werte des GG”. Viele Grüne bewerten das GG zwar als Kultgegenstand, halten es formal und inhaltlich jedoch für belanglos. “Das Recht” oder gleich “das Menschenrecht” besteht für sie in den beliebig auslegbaren “Werten” des GG. Heribert Prantl von der Alpenprawda, die ebenfalls gut im linkstotalitären Denken ist, salbaderte während des medialen Jubels zum Eindringen einer Völkerwanderung 2015: “Wenn Europa die Werte nichts mehr wert sind, ist Europa nichts mehr wert!”. Dass die muslimischen Migranten sehr andere Werte haben, und dass die absehbare Demographie den Muslimen und ihren Werten immer mehr die Macht in die Hand gibt, interessierte ihn einfach nicht. Nach ihm die Scharia, das kann ihm doch egal sein! Und wenn es anderen nicht egal ist, sind sie entweder “völkisch” eingestellt oder einfach unmoralisch. Das ist das Niveau der Visionäre, egal, ob sie ein kleinkindhaftes Deutsch (“Wir sind Rechtsstaat!”, “Wir schaffen das!”) oder einen vermeintlich intellektuellen Jargon bevorzugen (“Ob das der Staat zahlt oder ob das der Steuerzahler oder die Verbraucherin zahlt, ist eine Gestaltungsfrage” (Luisa Neubauer) – “Deutschland hat Pro-Kopf-Emission von neun Gigatonnen” (eine CO2-Erkenntnis von Annalena Baerbock, die nicht weiter auffiel und deshalb monatelang auf der grünen Website blieb)). Leider wirkt die Propaganda bei vielen Menschen und noch wichtiger als die gute Presse der visionären Parteien und Politiker ist die schlechte der AfD, sicherheitshalber auch schon der Werte-Union und sogar der FDP. In Deutschland ist eine klare Mehrheit der Bevölkerung gegen die grünen Wahnideen und vor allem gegen deren Umsetzung, aber aus Angst vor den “Faschisten” werden im Herbst mindestens 80% der Wähler für die UnionSPDFDPGrünenLinken stimmen.