Buchrezension: „The War On The West: How To Prevail In The Age Of Unreason“ von Douglas Murray

2022. London: HarperCollins. Fester Einband, 322 Seiten. EURO 27.99 bei amazon.de

Das neue Buch von Douglas Murray ist da. Es trägt den Titel „The War On The West: How To Prevail In The Age of Unreason“, umfasst 322 Seiten und vier Kapitel zu „Race“, „History“, „Religion“ und „Culture“, unterbrochen von drei „interludes“ über „China“, „Reparations“ und „Gratitude“, die jedoch Kapitel in eigenem Recht sein könnten, sowie eine Einführung, ein Schlusskapitel und Anmerkungen und einen Index.

In der vergangenen Woche war das Buch „The War on the West“ von Douglas Murray das meistgekaufte bzw. –bestellte Buch in der Rubrik „Nonfiction“ bei amazon.co.uk, und diese Woche liegt es auf dem zweiten Platz der meistgekauften bzw. –bestellten Bücher bei amazon.co.uk. Und es liegt in dieser Woche auch auf Platz 2 der meistgelesenen Bücher bei amazon.co.uk. Diesem Maß zugrunde liegt die durchschnittliche Anzahl von Personen, die das Buch an irgendeinem Tag in einer Woche auf einem amazon-kindle lesen oder in der Audio-Buch-Version anhören. Bislang wurde das Buch von 323 Personen bewertet und hat dabei durchschnittlich 4,6 von 5 möglichen Sternen erhalten; 91 Prozent der Leser haben es mit 5 oder mit 4 Sternen bewertet. Man kann also festhalten, dass das Buch auf großes Interesse gestoßen ist und die große Mehrheit seiner Leser das Buch mit Gewinn gelesen hat bzw. seinen Inhalt sehr positiv bewertet.

Das mag überraschen angesichts der Tatsache, dass Douglas Murray in den vergangenen Jahren bereits zwei Bücher zum selben Themenfeld, das er in „The War on the West“ behandelt, veröffentlicht hat, nämlich „The Strange Death of Europe [Der Selbstmord Europas]“ (2017) und „The Madness of Crowds [Der Wahnsinn der Massen]“ (2019). Aber es ist eben nicht so, dass die jeweils neueren Bücher sozusagen ein Neu-Aufguss des jeweils vorhergehenden Buches wären. Vielmehr bilden die drei Bücher eine Entwicklung ab, die Douglas Murray – und mit ihm vermutlich Viele von uns – während der, sagen wir, letzten fünf bis zehn Jahre durchgemacht haben. Sie verläuft etwa von Erstaunen und Irritation angesichts der verantwprtungslosen und zutiefst in sich selbst widersprüchlichen Ideologie dessen, was oft als die „progressive“ Linke bezeichnet wird, über die Suche nach Erklärungen für den Selbsthass der „progressiven“ Linken und der Menschen im Westen, die ihrer Ideologie etwas abgewinnen können, hin zur Frage, wie man diesen Phänomenen entgegensteuern kann. Und neuerdings wird immer häufiger die Frage nach den politischen Motiven westlicher Regierungen und Organisationen, insbesondere internationalen Organisationen, die hinter der systematischen Zerstörung westlicher Gesellschaften und Kultur stehen, gestellt; so dürften inzwischen die meisten Menschen in der westlichen Welt wissen, wer Klaus Schwab ist und welche Zukunft er und seine Jünger der westlichen Welt angedeihen lassen wollen.

Im Fall von Douglas Murray läßt sich diese Entwicklung wie gesagt anhand der drei genannten Bücher ablesen: In „The Strange Death of Europe“ hat Murray einige Entwicklungen beschrieben, die die Gesellschaften des Westens – ihre Demographie, aber auch ihre Kultur – verändert haben, insbesondere die Massenzuwanderung (und  hier: inbesondere diejenige von Muslimen) in westliche Länder, beschrieben und sich nicht nur über das Ausmaß und das Tempo gewundert, in dem diese Entwicklungen stattgefunden haben (und immer noch stattfinden), sondern auch über die seltsame Abwesenheit irgendeines Bewusstseins auf Seiten der politisch Verantwortlichen dafür, welche Schwierigkeiten sie kurz- und mittelfristig und welche sozialen Veränderungen sie langfristig mit sich bringen werden.

In “The Madness of Crowds” hat sich Murray mit der sogenannten Identitätspolitik und der Opfer-Kultur, die mit ihr einhergeht, beschäftigt und beides als irrationale Reaktionen auf das Vakuum beschrieben, das sich in der Folge des Sterbens der „großen Erzählungen“, z.B. religiöser Art, eingestellt hat. „Identität“ und „soziale Gerechtigkeit“ werden in diesem Buch (in ihrem Gebrauch durch die sogenannte progressive Linke, versteht sich,) als quasi-religiöse Formeln identifiziert, die mit Eiferertum, also großer Intoleranz und großem Haß, gegenüber Menschen, die der neuen „Religion“ nicht anhängen, durchzusetzen versucht wird.

In „The War on the West“ demonstriert Murray wie umfassend das Projekt der Zerstörung des Westens ist:

„It is only in recent years, when the fruits of this movement have come into plain sight, that its scale has become clear. There is an assault going on against everything to do with the Western world – its past, present, and future. Part of that process is that we have become locked in a cycle of unending punishment. With no serious effort at (or even consideration for) its alleviation. In the last decade, I grappled my own way toward understanding this” (Murray 2022: 1-2).

Murray illustriert das Ausmaß des Kampfes gegen westlichen Gesellschaften und westliche Kultur, indem er verschiedene Aspekte anti-westlicher Propaganda zusammenführt und neue thematisiert wie z.B. die Tatsache, dass auch im privaten Sektor Geld dafür ausgegeben wird, den Angestellten einzutrichtern, dass sich in jeder einzelnen ihrer Handlungen weiße Suprematie ausdrücke (s. Murray 2022: 56).

Die oben angesprochene Frage nach den politischen Motiven der politischen Akteure, die an der systematischen Zerstörung des Westens arbeiten, bleibt von Murray allerdings unbearbeitet – jedenfalls bislang; vielleicht wird sie ja Gegenstand eines zukünftig von ihm verfassten Buches.

Wenn Murray in „The War on the West“ auf Dinge zurückkommt, die bereits in einem seiner beiden vorhergehenden Bücher angesprochen wurden, wie z.B. die Inszenierung von Rassismus als überall präsent – und dies just zu einer Zeit, in der Rassismus in westlichen Ländern stärker delegitimiert ist als je zuvor – (s. Murray 2022: 44), dann tut Murray dies unter Einbeziehung neuerer Entwicklungen, die nicht nur deskriptiv, also sozusagen als solche, von Interesse sind, sondern von Murray in den Kontext von erklärenden Faktoren gestellt werden, so dass nicht nur erkennbar wird, was die „progressive“ Linke getan hat oder neuerdings tut, sondern auch die Mechanismen, durch die das getan oder ermöglichst wird, erkennbar werden.

So thematisiert Murray in seinem neuen Buch insbesondere die Rolle, die ein Mangel an Allgemein-, aber besonders historischer, Bildung dabei spielt, den „reflex anti-Westernism“ (Murray 2022: 66) hervorzubringen oder zu befördern. Er tut das u.a. im Rahmen mehrerer Seiten (einem „interlude“), auf denen er sich mit China auseinandersetzt, und im Rahmen von Kapitel 2, das den Titel „History“ trägt. In diesem zweiten Kapitel setzt Murray dem Versuch der „progressiven“ Linken, die Geschichte der Sklaverei als eine Geschichte von Kolonialismus und Suprematie „weißer“ Gesellschaften darzustellen, Fakten entgegen, Fakten die z.B. die lange Geschichte des Sklavenhandels der arabischen Länder betreffen (Murray 2022: 113-121). Im selben Kapitel („History“) beschreibt Murray den Versuch der persönlichen Demontage von Winston Churchill durch „progressive“ Linke – und warum er verfehlt ist. Er leistet hier dreierlei: Er dokumentiert die diesbezügliche Propaganda der „progressiven“ Linken, er identifiziert mangelnde Bildung bzw. mangelndes Faktenwissen als einen wichtigen diese Propaganda ermöglichenden Faktor, und er liefert seinerseits Fakten, die die „progressiven“ Linken im Interesse ihres Versuchs, Geschichte umzuschreiben und die westlichen Gesellschaften und die westliche Kultur als diabolische Kräfte darzustellen, die das angeblich friedvolle Zusammenleben aller Menschen außerhalb der westlichen Welt in moralischer Reinheit bzw. Unschuld, stören, unterschlagen (müssen).

Auch die Kapitel über „Religion“ und über „Culture“ beschreiben verschiedene mutwillig entstellende Erzählungen der „progressiven“ Linken, darunter entstellende Darstellungen von Immanuel Kant und Aristoteles durch die „progressiven“ Linken (s. Murray 2022: 165) (die ich besonders übel nehme). Und vor allem hierin – in Aufklärung über die Fakten – liegt die Antwort auf die Frage, wo im neuen Buch von Murray Ratschläge darüber gegeben würden, „How To Prevail In The Age Of Unreason“,wie der Untertitel des Buches lautet. Ein entsprechendes Kapitel, in dem solche Ratschläge für den Leser zusammengestellt würden, sucht man nämlich vergebens. Im Schlusskapitel mit dem Titel „Conclusion“ spekuliert Murray über verschiedene „Optionen“, aber sie sind sehr allgemein gehalten und gehen schwerlich über das hinaus, was man ohne die Lektüre des Buches hätte erwägen können. So schreibt Murray auf Seite 270:

„We have, it seems to me, only a couple of options. They are options that remain the same today as they have always been. One is to fight and defend our own history along clear but exclusionary lines. The steam building for this backlash is already starting to become visible … They [people] might reply with the following calibration. If you do not respect my past, then why should I respect yours? If you do not respect my forebears, then why should I respect yours? And if you do not like what my society has produced, why should I agree to your having a place in it? This way lies an awful amount of pain. It also concludes inevitably in conflict, solvable only be force. It is an option much to be avoided”.

Dieser Möglichkeit stellt Murray unter Zitierung von Thomas Chatterton Williams eine eher vage bleibende Möglichkeit einer “’civic culture that respects both differences and commonalities’ (Murray 2022: 272) gegenüber, die erzielt werden kann durch „‘… education that seeks to comprehend the diversity of human culture‘“ (Murray 2022: 272) unter Zugrundelegung der Annahme, dass “‘… any human being sufficiently curious and motivated can fully process another culture, no matter how ‚alien‘ it might appear to be‘“ (Murray 2022: 272).

Bedauerlicherweise hat es im Verlauf der letzten zwanzig Jahre systematische Versuche gegeben, Neugier und Motivation bezüglich der Fakten über die Welt, in der wir leben, – samt des Kennenlernens anderer Kulturen – möglichst im Keim zu ersticken und an die Stelle von Neugier und Motivation die – Akzeptanz der „richtigen“ Lehre und das Sich-Einfügen in das, was einem vorgegeben wird, zu setzen. Die Frage verschiebt sich angesichts dessen also insofern als man nunmehr danach fragen muss, wie kann man Neugier auf die Welt, so, wie sie ist, und Motivation zum Lernen (statt zum Nachbeten) wieder wecken, insbesondere in Kindern und jungen Menschen? Welche konkreten Veränderungen müssten z.B. im Schulsystem oder bei der Auswahl von Lehrern erfolgen? Aber diese Fragen bewegen sich außerhalb dessen, was Murray in seinem Buch behandelt bzw. behandeln wollte. Und so bleibt es in Murrays neuem Buch beim Appell an die Vernunft und die edleren Gefühle, zu denen Menschen im Prinzip fähig sind, also an just das, woran es derzeit massiv mangelt.

Das bedeutet nicht, dass Murrays neues Buch nicht lesenswert wäre; es bedeutet lediglich, dass sich diejenigen, die Interesse an dem Buch wegen seines Untertitels haben, wahrscheinlich enttäuscht sein werden. Was das neue Buch von Murray lesenwert macht, ist, wie oben bereits gesagt, sozusagen die Fortschreibung der Entwicklung in Sachen Zerstörung der westlichen Gesellschaften und Kultur, gepaart mit der Identifizierung von Mechanismen, die dies ermöglichen oder ihm Vorschub leisten, und die Richtigstellung bestimmter, insbesondere, historischer Sachverhalte.

Und – last, but not least – zeigt das neue Buch von Murray durch die faktische Beschreibung neuerer Entwicklungen, wie groß die Absurditäten, die sie im Kampf gegen westliche Gesellschaften und Kultur bemühen, inzwischen geworden sind, z.B. dann, wenn man vom Oxford Handbook of Social Justice in Music Education liest. Man hat den Eindruck, dass der Kampf tatsächlich seinem Ende zugeht, einfach deshalb, weil Institutionen in westlichen Ländern bis zur Lächerlichkeit degeneriert sind und keine ernsthafte Funktion für die Gesellschaft mehr erfüllen, so dass diese zerstörten Institutionen teilweise einfach verschwinden werden, teilweise durch neue – vermutlich nicht-staatliche und dementsprechend bis auf Weiteres schwierig zu kontrollierende – ersetzt werden.

Und die Zitate von Aktivisten bzw. Kämpfern für die „gute“ Sache der Zerstörung westlicher Gesellschaften und Kultur, die Murray wiedergibt, sind teilweise “hilarious”, wie wir hier sagen (ein Wort, das einigermaßen unübersetzbar ist, wenn man nicht wichtige Konnotationen durch die Übersetzung verlieren möchte), illustrieren sie doch das Ausmaß des Extremismus dieser Aktivisten, die sich inzwischen offen als in Zungen redende Eiferer zur Schau stellen, die jede Ernsthaftigkeit missen lassen und jede Verbindung zur realen Welt, in der die meisten Menschen leben, gekappt haben. Und eben deshalb wird das neue Buch von Murray seinem Untertitel doch irgendwie gerecht: Es hilft psychologisch, „to prevail in the age of unreason“, wenn man über das Ausmaß des Wahnsinns, in den sich manche Kämpfer verstiegen haben, zumindest ab und zu lachen kann.

Wer der englischen Sprache mächtig ist, dem sei das neue Buch von Douglas Murray zur Lektüre empfohlen, sei es, weil die gesammelte Absurdität der Kämpfer für die Zerstörung westlicher Gesellschaften und Kultur bzw. ihrer Behauptungen oder Vorstellungen einigen Unterhaltungswert hat, sei es, weil es historische „misinformation“ durch die „progressiven“ Linken richtigstellt, sei es, weil es interessant ist zu wissen, welche Formen der Kampf gegen westliche Gesellschaften und Kultur im Vereinigten Königreich und in den USA annimmt. Wer sich für mindestens einen dieser Aspekte interessiert, der wird das Buch mit Gewinn lesen.



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