Macht Grippe-Impfung anfälliger für Atemwegserkrankungen? [Studie aus Kanada]

Es gibt ein Lied von den Dubliners, das den Titel trägt “The Sick Note”.

Beschrieben wird darin das Schicksal eines Bauarbeiters, der aufgrund eben dieses Schicksals nicht zur Arbeit erscheinen kann und seinem Boss erklärt, warum er nicht erscheinen kann. Die Erklärung ist eine Abfolge von Missgeschicken, die alle daraus resultieren, dass die grundlegende, die erste Entscheidung, die der Arbeiter getroffen hat, falsch war.

In gewisser Weise ist Iatrogenese, die Erkrankung, die sich einstellt, weil ein Patient behandelt wird, im Zusammenhang mit Impfstoffen spricht man von Nebenwirkungen, das Ergebnis einer solchen anfänglichen Entscheidung, die sich im weiteren Verlauf als falsch herausgestellt hat. Dass sie sich als falsch herausgestellt hat, liegt daran, dass sich unvorhergesehene Dinge ereignet haben, dass die ursprüngliche Entscheidung, unbeabsichtigte Folgen produziert hat, wie der Arzt, der seinen Patienten eigentlich heilen will, ihn mit dem verabreichten Medikament aber an Leber und Niere schädigt.

Das Problem mit “unbeabsichtigten Folgen” ist, dass man sie in der Regel erst kennenlernt, wenn sie sich einstellen, und damit zu spät. Man kann, bevor man eine Entscheidung trifft, soweit das möglich ist und auf Basis des aktuell verfügbaren Wissens einschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit unbeabsichtigter Folgen ist, bei Impfstoffen sind das die Packungsbeilagen, die ein Risiko angeben, sich eine von mehreren Nebenwirkungen einzuhandeln, indes ist die Frage, ob Hans W., dem die Spritze verpasst wird, eine der Nebenwirkungen oder vielleicht eine ganz andere, eine unbekannte Nebenwirkung erleiden wird, eine ganz andere Frage. Und was deren Antwort angeht, so hoffen Impfstoffhersteller auf die Wahrscheinlichkeit, die letztlich bei häufiger Anwendung der Präparate, die unbeabsichtigten Folgen soweit streut, dass sie nicht weiter auffallen und als normale Erkrankung unbekannter Ursache durchgehen können.

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Das einzige Mittel, unbeabsichtigte Folgen aufzuspüren, die ansonsten in der Masse untergehen würden, ist systematische Forschung. Und wir berichten in diesem Beitrag von einer sehr gut gemachten Forschung aus Kanada, die ein für die Forscher unerwartetes Ergebnis erbracht hat, eines, das sie – weil es eine unbeabsichtigte Folge einer Intervention war – überrascht hat, wie sie schreiben.

Diese Forscher:

Skowronski, Danuta M., Gaston De Serres, Natasha S. Crowcroft, Naveed Z. Janjua, Nicole Boulianne, Travis S. Hottes, Laura C. Rosella et al. (2010). Association between the 2008–09 seasonal influenza vaccine and pandemic H1N1 illness during spring–summer 2009: four observational studies from Canada. PLoS medicine 7(4): e1000258.

Wir befinden uns im Jahre 2009, dem Jahr von pH1n1, Schweinegrippe, einer Variante von H1N1, also ordinärer Influenza. Gegen Influenza wird seit Jahrzehnten geimpft und unsere Forscher wollten wissen, ob diese Impfung gegen Influenza, die vor schwerer Grippe schützen soll, auch einen Effekt auf Schweinegrippe hat. Sie hat einen, so viel vorweg, aber einen, den die Forscher nicht erwartet haben.

Die Studie ist eigentlich ein set von Studien, drei davon sollen uns hier beschäftigen, nämlich die Kanadische Sentinel Studie, die dazu dient, die Inzidenz von Grippe und in diesem Fall auch von Schweingegrippe festzustellen. Daten dazu werden in den Provinzen British Columbia, Alberta, Ontario und Quebec gesammelt. Die Forscher haben Daten für die komplette Grippesaison der Jahre 2008/2009 [vom 1. November 2008 bis zum 31. März 2009] berücksichtigt und mit Daten der Schweinegrippe-Epidemie in Kanada vom 17. April 2009 bis zum 22. Juli 2009 kombiniert, und zwar für Personen, die gegen Influenza geimpft wurden und für eine Kontrollgruppe von Personen, die ungeimpft geblieben sind.

Ergänzt wird diese Studie durch zwei weitere aus Quebec und Ontario, die dazu dienen, post-hoc durch Telefonumfrage, also nach dem Ereignis und für den Zeitraum von Juli bis September 2009 zu untersuchen, wie viele Kanadier von Schweinegrippe niedergestreckt wurden, so sehr, dass sie medizinische Betreuung aufgesucht haben oder in ein Krankenhaus eingewiesen wurden.

Die folgende Abbildung stellt dieses umfangreiche Studiendesign zusammen.

Wir berücksichtigen die ersten drei Studien, die von den Autoren genutzt wurden, um die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, nach Impfung gegen Influenza bzw. ohne eine solche Impfung, an Schweinegrippe zu erkranken, und zwar so sehr, dass medizinische Betreuung bzw. ein Aufenthalt im Krankenhaus notwendig wird. Die folgende Abbildung zeigt das Ergebnis:

Was Sie hier sehen, ist die graphisch dargestellte Wahrscheinlichkeit, nach Impfung gegen Influenza an Influenza oder an Schweinegrippe zu erkranken. Wenn der Kasten und der zugehörige Strich, der den Vertrauensbereich abbildet, im linken Teil der Abbildung zu finden ist, dann reduziert eine Influenza-Impfung die Wahrscheinlichkeit, an der jeweiligen Grippe zu erkranken, wenn sich Balken und Strich im rechten Teil der Abbildung finden, dann erhöht eine Impfung gegen Influenza das entsprechende Risiko. Die Berechnung des Risikos erfolgt im Vergleich zu Ungeimpften, und das Ergebnis ist, wie es der Hersteller von Influenza-Impstoffen verspricht: Gegen Influenza Geimpfte haben eine um 56% geringere Wahrscheinlichkeit, an Influenza zu erkranken oder wegen Influenza hospitalisiert zu werden als Ungeimpfte.

Soweit die ersten beiden Ergebnise. Soweit,  so gut.

Weniger gut ist der Rest der Ergebnisse, die allesesamt, mit Ausnahme des vorletzten Ergebnisses, das die Parität verletzt, zeigen, dass die gegen Influenza Geimpfte ein zum Teil recht deutlich ausfallendes HÖHERES Risiko haben, heftig an Schweinegrippe zu erkranken, so heftig, dass sie hospitalisiert werden müssen, ein um das 1,4 bis 2,5fache erhöhtes Risiko. Das ist eine der unbeabsichtigten Folgen und in diesem Fall eine, die die Autoren überrascht hat:

“To assess the association between TIV [Trivalent Influenza Vaccinated] and pH1N1 [Schweingrippe] risk that was first identified in Canada during the late spring of 2009, several observational designs were pursued through the summer, a period when pH1N1 continued to circulate in Canada. As reported here, this included incident (sentinel network) and retrospective case-control methods with both test-negative and conventional community controls as well as a prospective cohort study. In this paper we report the expected finding that 2008–09 TIV was associated with a significant (56%) reduction in the risk of medically attended illness due to seasonal influenza. However, we also report the unexpected finding that TIV receipt was subsequently associated with a statistically significant (1.4- to 2.5-fold) increased risk of medically attended illness due to the novel pH1N1 virus.”

Eine Schutzimpfung gegen Influenza hilft somit gegen Influenza, immerhin, macht aber anfälliger für leicht veränderte Influenza-Varianten wie die Schweinegrippe. Man kan spekulieren, dass die Ausrichtung auf ein bestimmtes Antigen durch einen Impfstoff dazu führt, dass Varianten von Influenza, die dieses Antigen nicht mitbringen, leichteres Spiel mit dem Immunsystem des Geimpften haben. Man kann noch weiter spekulieren und feststellen, dass wir mit vielen medizinischen Interventionen, vor allem solchen, die sich gegen RNA-Viren richten, das Prinzip Hoffnung verfolgen: Gespritzt wird in der Hoffnung, dass nichts auftaucht, was anders als erwartet ist. Indes taucht bei RNA-Viren stetig etwas auf, das anders als erwartet ist, so dass man sich fragen muss, ob manche Impfstoffe nicht mehr Schaden anrichten als sie Nutzen bringen oder, wer es gerne umfassender hat: ob Impfstoffe der richtige Weg im Kampf gegen bestimmte [nicht alle] Erkrankungen sind.


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