Institutionelle Brunnenvergifter

Sozialpsychologen um Paul Slovic haben in Studien eine Reihe von bemerkenswerten Ergebnissen produziert. Warum, so haben sich die Wissenschaftler u.a. gefragt, treffen Menschen Entscheidungen, die man nicht anders als irrational oder schlecht informiert bezeichnen kann? Warum z.B. wird das Risiko, während des Urlaubs in Neapel einem Ausbruch des Vesuv zum Opfer zu fallen, geringer eingeschätzt (wie die vielen Touristen, die sich jährlich z.B. in Pompeij einfinden, zeigen) als z.B. das Risiko, durch einen Urlaub in Südostasien an SARS (Severe Acute Respiratory Sympton) zu erkranken (wie sich am massiven Rückgang der Zahl der Touristen in den Jahren 2002 bis 2004 zeigt)? Die Antwort auf diese Fragen, die Slovic und seine Kollegen gegeben haben, lautet: SALIENCE. Je prominenter und bekannter ein Risiko ist, desto eher wird es von Menschen zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht und überschätzt. Auf diese Weise schaffen es auch Themen, die vergleichweise wenige in Europa betreffen, wie z.B. die Schweinegrippe, panikähnliche und hysterische Reaktionen hervorzurufen und darüber vergessen zu machen, dass jährlich mehr Menschen in Deutschland an einer “normalen” Grippe sterben als jemals Deutsche an Schweinegrippe erkrankt sind. Dass etwas, was z.B. in den Medien prominent gemacht wird, relevant sein muss, ist ein Fehlschluss, auf den bereits Amos Tversky und Daniel Kahneman hingewiesen haben: Aus magerern, aber prominent dargebotenen Informationen werden weitreichende und falsche Schlüsse gezogen.

U.a. Ministerien und Gewerkschaften scheinen daraus den Schluss gezogen zu haben, dass das Lancieren falscher oder ideologischer Inhalte und deren Verbreitung durch die Presse aufgrund der dadurch geschaffenen Aufmerksamkeit für den und Prominenz des entsprechenden Inhalts dazu geeignet ist, die Öffentlichkeit in Deutschland zu manipulieren. Wenn man nur lange, aufgeregt und nachdrücklich genug etwas behauptet, so die offensichtliche Überzeugung, dann glauben es “die Menschen”. So versucht z.B. die IG-Metall ihren Mitgliedern glaubhaft zu machen, es gäbe ein Gender Pay Gap, die GEW versucht die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass es an 40% der deutschen Schulen sexuellen Missbrauch gibt und das BMFSFJ versucht in einer beispiellosen Kampagne die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass Frauen geborene Opfer sind, die nur über die Erde wandeln, um von Männern geschlagen und zum Gegenstand von Gewalt gemacht zu werden.

Allen drei Beispielen ist eines gemeinsam: Sie behaupten einen Zusammenhang, den es nicht gibt. Weder gibt es ein Gender Pay Gap, noch gibt es an 40% der deutschen Schulen sexuellen Missbrauch und auch Frauen sind nicht die im Neuen Testament beschriebenen Rezeptoren, die abwechselnd die rechte oder die linke Wange hinhalten, um Schläge aufzufangen.

Dennoch hat sich das BMFSFJ einmal mehr bemüßigt gefühlt, seine Kampagne “Frauen als Opfer von Gewalt” darzustellen, eine Stufe weiter zu treiben. Ein bundesweites Frauenhilfetelefon soll eingerichtet werden. Frauen sollen sich ab 2012 anonym melden können, um vertrauliche Erstberatung zu erhalten und sich über die Möglichkeiten unterichten zu lassen, mit denen die vermeintlichen Gewaltopfer gegen die von ihnen benannten (oder am Telefon denunzierten) Gewalttäter vorgehen können. Warum dieses Telefon eingerichtet wird, außer dass es der Bundesministerin “ein persönliches Anliegen ist”, das allerdings die Steuerzahler finanzieren müssen, kann man nur mutmaßen, vor allem, wenn man die Fakten zum Thema Gewalt zusammenträgt:

  • Betrachtet man Hellfelduntersuchungen, die z.B. auf der Polizeilichen Kriminalstatistik basieren, also auf den der Polizei angezeigten Fällen, dann kommen selbst von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studien wie der Gender-Datenreport nicht umhin festzustellen, dass Männer häufiger Opfer von Gewalt sind als Frauen.
  • Versuche von Kriminologen, das Dunkelfeld aufzuhellen, also dem Ausmaß der Gewaltaten nahe zu kommen, die tatsächlich verübt werden, kommen z.B. im Hinblick auf die häusliche Gewalt zu dem Ergebnis, dass Frauen und Männer in ungefähr gleicher Häufigkeit gewalttätig sind, wenn sich überhaupt ein Unterschied feststellen lässt, dann der, dass Männer seltener mit den Gewalttätigkeiten anfangen als Frauen. Dies hat Peter Döge (2011) in seinem aktuellen Buch aufgezeigt, Walter Hollstein hat es in diesem blog besprochen, und bereits im Jahre 2001 hat Michael Bock in einem Gutachten anlässlich einer Anhörung durch den Deutschen Bundestag auf die vielen Studien verwiesen, die dies belegen.
  • Dessen ungeachtet verweisen die Vertreter der weiblichen Opferrolle darauf, dass mehr Frauen als Männer häusliche Gewalt zur Anzeige bringen, d.h. die Möglichkeiten nutzen, die ihnen z.B. das “Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen” bereitwillig an die Hand gibt. Auch zu diesem Punkt hat Michael Bock in seinem Gutachten aus dem Jahr 2001 bereits alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt: “Die Unterschiede in den geschlechtsspezifischen Quoten häuslicher Gewalt, die zwischen diesen Typen von Studien bestehen [Hellfelduntersuchungen auf Basis der Polizei bekannt gewordener Fälle und Dunkelfelduntersuchungen], erklären sich vor allem dadurch, dass a) Frauen und Männer aufgrund von Rollenverständnissen objektiv gleiches Verhalten unterschiedlich wahrnehmen und bewerten, und dass b) das ‘outing’ für Frauen in jeder Hinsicht ein Gewinn ist, für Männer hingegen eine Katastrophe. Man glaubt ihnen nicht, sie werden ausgelacht, bei ‘Experten’ beiderlei Geschlechts und vor Gericht, weil schon jetzt (und durch die Kampagne der Bundesregierung in Zukunft verstärkt) die objektiv unzutreffende Vorstellung verbreitet ist, häusliche Gewalt sei männliche Gewalt” (Bock, 2001, S.6-7),

Angesichts dieser Tatsachen, die man ebenso wenig leugnen kann wie man die Nachteile von Jungen im deutschen Bildungssystem leugnen kann, fragt sich, was die Bundesfamilienministerin mit ihrem persönlichen Anliegen bezweckt. Und die Frage muss erweitert werden: Was bezwecken Institutionen wie das BMFSFJ, die GEW oder die IG-Metall damit, die Öffentlichkeit fehl zu informieren?

Zwei Antworten fallen mir auf diese Frage ein. Antwort eins geht von einem geheimen Plan aus, der darin besteht, möglichst viele junge Männer davon abzuschrecken, eine Partnerschaft einzugehen, zu heiraten oder schlimmer noch, sich zum Vater zu machen. Angesichts der Entrechtung von Männern, wie sie z.B. im “Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen” niedergelegt ist, des finanziellen Ruins, der meistens mit einer Scheidung für die betroffenen Männer einhergeht, und der Tatsache, dass durch die “Kampagne der Bundesregierung” ein Bild von Männern als verkappte Gewalttäter propagiert wird, so dass Männer ständig unter der Bedrohung leben, einer Gewalttat bezichtigt zu werden, muss man eigentlich wahnsinnig sein, wenn man sich freiwillig in eine entsprechende Abhängigkeit von Partnerschaft, Ehe oder gar Familie begibt.

Antwort zwei geht davon aus, dass Akteure nur Handlungen ausführen, von denen sie sich einen persönlichen Vorteil versprechen. Entsprechend kann man die beschriebene konzertierte Aktion der Fehlinformation nur damit erklären, dass deren Initiatoren einen wie auch immer gearteten (finanziellen) Vorteil für sich generieren. Welche Antwort auch immer die richtige ist, das Ergebnis ist das gleiche: Männer bleiben auf der Strecke und das gesellschaftliche Klima ist vergiftet.

Literatur

Döge, Peter (2011). Männer – die ewigen Gewalttäter? Gewalt von und gegen Männer in Deutschland. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften.

Slovic, Paul (2000). The Perception of Risk. London: Earthscan Publications.

Slovic, Paul, Fischhoff, Baruch & Lichtenstein, Sarah (1981). Perceived Risk: Psychological Factors and Social Implications. Proceedings of the Royal Society of London 376: 17-34.

Slovic, Paul, Fischhoff, Baruch & Lichtenstein, Sarah (1980). Facts and Fears: Understanding Perceived Risk. In: Schwing, Richard C. & Albers, Walter A. (eds.). Societal Risk Assessment: How Safe is Safe Enough? New York: Plenum Press, pp.181-211.

Tversky, Amos & Kahneman, Daniel (1986). Rational Choice and the Framing of Decisions. Journal of Business 59(4): S251-S278.

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