Wahnsinn mit Methode – Von den Ursachen des Gutmenschentums

Was sind Gutmenschen, was ist Gutmenschentum?

Ein Beitrag von Toni Meier und Olaf Christen im “International Journal of Life Cycle Assessment” hat mich dazu veranlasst, etwas in die Ursachen von Gutmenschentum einzusteigen. Dazu ist es notwendig, “Gutmenschentum” zunächst zu definieren: Ich rede von Gutmenschen und Gutmenschentum immer dann, wenn Indivdiuen ein Überzeugungssystem haben, auf dem sie den Glauben an bestimmte Dinge gründen, z.B. an einen Gott, an den Teufel “Kapitalismus”, an die Benachteiligung von Frauen, die Überlegenheit der arischen Rasse oder die Bedeutung ungeborenen Lebens und von dem aus, und das ist das Entscheidende für Gutmenschen, sie losmarschieren, um andere zum Heil zu bekehren. Das Kriterium, das den “Gutmenschen” ausmacht, ist somit sein missionarischer Eifer, der sich wiederum aus der eingebildeten Überlegenheit des eigenen Überzeugungssystems speist.

Gutmenschentum wie es hier definiert wurde, geht einher mit einer Unfähigkeit an sich und seinem Überzeugungssystem zu zweifeln, was das Überzeugungssystem als tief verwurzeltes System von affektiven Vorurteilen, wie sie Assmann (2009, S.9) beschrieben hat, kenntlich macht. Gutmenschen unterscheiden sich dadurch von den anderen Inhabern von Überzeugungssystemen (denn Überzeugungen haben wir alle), dass sie – aus welchen Motiven auch immer – getrieben sind, ihren Glauben anderen aufzuzwingen, dass sie es nicht dabei belassen, anderen Informationen bereit zu stellen, auf deren Grundlage diese anderen dann Entscheidungen im Sinne oder auch nicht im Sinne der Informationsbereitsteller treffen können.

Gutmenschen und die Rolle des Staates

Die Probleme mit Gutmenschen fangen somit da an, wo sie andere zu dem bekehren wollen, was sie als deren Heil, als zu der anderen Bestem ansehen, und sie werden da verstärkt, wo sich Gutmenschen zu Gutmenschen-Interessengruppen zusammenschließen und es ihnen gelingt, den Staat und seine Macht- und Herrschaftsinstrumente für ihre Gutmenschenfeldzüge zu kapern. Dann finden regelmäßig Interventionen in das Leben derer statt, die nicht dem “rechten Glauben” anhängen, die nicht einsehen, warum sie Kinder in die Welt setzen sollen (deshalb werden sie z.B. mit höheren Abgaben für die Pflegeversicherung bestraft), die nicht einsehen, warum sie aufhören sollen, zu rauchen (deshalb werden sie z.B. mit höheren Steuern auf Tabak bestraft), die der Ansicht sind, sie könnten darüber bestimmen, ob sie ein Kind austragen wollen oder nicht (deshalb werden sie mit “Zwangsberatung” vor der Abtreibung traktiert/bestraft) oder die der Meinung sind, sie könnten ihre Meinung zur Diskussion stellen, selbst wenn die Meinung dem zuzuordnen ist, was andere als rechtes Gedankengut brandmarken und aus dem öffentlichen Diskurs fernhalten wollen, so wie Träger rechten Gedankenguts gewöhnlich aus dem Diskurs fernhalten wollen, was Linke gestütz auf ihr Recht der freien Meinungsäußerung von sich geben. Gutmenschentum, das in der beschriebenen Weise über die Macht- und Herrschaftsinstrumente des Staates in individuelle Lebensentscheidungen intervenieren kann, hat entsprechend seine Ende in der gesellschaftlichen Gleichschaltung, im Totalitarismus, denn Eingriffe in den Markt der freien Meinung, in den Markt der freien Wahl von Lebensstilen oder in den Markt der Selbstbestimmung, wie sie heute regelmäßig von organisierten Gutmenschen über das Vehikel “Staat” vorgenommen werden, sind nichts anderes als Eingriffe in die Freiheit anderer, von den Eingreifern für weniger wertvoll gehaltener und entsprechend nicht tolerierter Lebensweisen als der eigenen.

Wenn Florian Leclerc die Benutzung des Wortes “Gutmensch” verbieten will, und Benutzer als “Rechte” gegeiselt sehen will, dann will er Freiheit beseitigen. Wenn David Brooks z.B. Ehescheidung verbieten und “orderly communities” herstellen will, dann greift er in die Freiheit anderer ein, deren Lebensform ihm ein Dorn im Auge ist, und wenn die Bundesregierung ihre Bevölkerung zum “gesunden Leben” und zum “Gender Mainstreaming” erziehen will, dann greift sie in die Freiheit derer ein, die weder einen Sinn darin sehen, bei jedem Bissen in nicht positiv sanktioniere Speisen, ein schlechtes Gewissen zu haben, noch immer dann, wenn eine Ungleichverteilung zwischen den Geschlechtern zu beobachten ist, an das Wirken finsterer maskulistischer Kräfte denken wollen.

Alle beschriebenen Varianten von Gutmenschentum haben – es sei noch einmal gesagt – eines gemeinsam, sie basieren auf einem Überzeugungssystem, aus dem sich ein Glaube an die Überlegenheit der eigenen Überzeugung speist und aus dem ein Recht, andere zum rechten Glauben zu bekehren, abgeleitet wird. Welche Blüten missonarisch eifernde Gutmenschimpulse treiben, zeigt der Beitrag von Toni Meier und Olaf Christen, der mich zu dieser etwas längeren Einleitung veranlasst hat.

Gendergemainstreamte Ernährung

Toni Meier und Olaf Christen arbeiten am Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dort züchten sie nicht etwa Apfelbäume, nein, dort erforschen Sie die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen. Nun gibt es einige Motive, aus denen heraus man die Ernährungsgewohnheiten von Deutschen erforschen wollen könnte. Als Wissenschaftler sollte der Erkenntnisgewinn das erste der Motive sein, und als Wissenschaftler sollte man zumindest einen kurzen Blick auf den Verwendungszusammenhang haben, darauf, ob mit der eigenen Forschung, wenn nicht jetzt, so doch in der Zukunft ein Mehrwert erreicht werden kann. Schließlich wird man als Wissenschaftler aus Steuergeldern finanziert, und man könnte enstprechend auf die Idee kommen (man beachte den Konkunktiv), dass man den Steuerzahlern nützliche Ergebnisse schuldet.

Toni Meier und Olaf Christen haben ein Überzeugungssystem, das ihre Forschung anleitet. Dieses Überzeugungssystem beginnt damit, dass wir derzeit einen Klimawandel durchleben und dass es deshalb wichtig ist, das “global warming potential” hinter diversen Aktivitäten zu untersuchen. Was liegt näher, als zu untersuchen, wie bestimmte Formen der Ernährung durch ihr unterschiedliches Potentail, das global warming beeeinflussen? Folglich haben die beiden Hallenser Ernährungsforscher berechnet, wie viel Potential zur Erwärmung der Erde mit der Produktion verschiedener Lebensmittel einhergeht. Wenig überraschend, weil bereits in vielen Studien zuvor deutlich gemacht, hat die Produktion von Fleisch, Butter und Käse, also im Wesentlichen die Produktion von Lebensmitteln mit tierischem Ursprung ein höheres Potential, um die Erde zu erwärmen: Bei der Produktion von z.B. Fleisch fällt ein Vielfaches des Kohlendioxids, des Ammoniaks an, der anfällt, wenn z.B. Äpfel oder Weißkohl produziert werden. Das alles ist nicht neu.

Neu ist, dass die jeweilige “Ökobilanz” benutzt wird, um Gender Mainstreaming zu betreiben, denn, so finden die Autoren: “men show a higher impact in terms of GWP [global warming potential]” (Meier & Christen, 2012). Weil Männer, wie die Nationale Verzehrstudie herausgefunden hat, mehr Fleisch essen als Frauen, sind sie also schädlicher für ihre Umwelt als Frauen. Nun, wer sich gewundert hat, dass man auf die Idee kommt, die Essgewohnheiten nach Geschlechts zu differenzieren und den Einfluss der entsprechenden Essgewohnheiten auf die globale Erwärmung zu berechnen, der ist mit dem Wundern noch nicht am Ende, denn “if men were to change their diet and adapt to the diet profile of women … then 18.8 Mt CO2 eq. and 60.1 kt ammonia emissions could be saved annually” (Meier & Christen, 2012). Dieses Ergebnis gibt den nächsten Aufschluss über das Überzeugungssystem von Meier und Christen: Ganz oben auf der Prioritätenliste steht der Klimaschutz, diesem Oberziel müssen sich Menschen in ihrem täglichen Handeln unterordnen, nein, nicht alle Menschen – nur Männer und sie müssen sich auch nicht unterordnen, sie müssen untergeordnet werden: “these differences [die Ernährungsunterschiede zwischen Männern und Frauen] could be seen as offerinig potential opportunities to strengthen more sustainable nutrition patterns” (Meier & Christen, 2012).

Denkt man das Argument von Meier und Christen logisch zu Ende, dann müsste ihr oberstes Ziel eigentlich darin bestehen, eine weitere Belastung der nachhaltigen Entwicklung der Erde durch ein Verbot der Fortpflanzung positiv zu beeinflussen, da mit einem Fortpflanzungsverbot unweigerlich eine Reduzierung der Umweltbelastung, wie sie Nahrungsmittelproduktion und Nahrungsaufnahme nun einmal darstellen, einhergeht. Aber, eine solche Forderung ist “natürlich” undenkbar, vor allem im Überzeugungssystem der beiden Hallenser. Dieses Überzeugungssystem enthält jedoch kulturelle Faktoren, am prominentesten darunter die Vorstellung, dass Frauen die besseren Menschen sind. Meier und Christen sind Kinder ihrer Gender-Zeit. Sie können nur in Gender denken und entsprechend ist alles, was sie interessiert Gender. Wer außer verbohrten Feministinnen käme auf die Idee, deutschen Männern vorzuhalten, ihre Ernährungsgewohnheiten würden das Klima belasten? (Vergliche man den Fleischkonsum deutscher Frauen mit dem Fleischkonsum vietnamesischer Männer, das Ergebnis wäre ein ganz anderes, nicht in die gendergemainstreamte Welt von Meier und Christen passendes!)

Wer die Nationale Verzehrstudie kennt, der weiß, neben dem Geschlecht wurde die Nahrungsmittelaufnahme auch nach Alter und Bundesland differenziert. Beide Variablen sind Meier und Christen keiner Erwährung wert, obwohl man durchaus argumentieren kann, und sich diese Argumentation in der Literatur auch findet, dass sich Ernährungsmuster über Generationen hinweg ändern. Aber Generationen unterscheiden nicht zwischen Männern und Frauen. Auch hätte man lokale Ernährungsmuster theoretisch argumentieren können. Dass Sachsen und Bayern die Spitzenreiter im innerdeutschen Fleischkonsum Ranking sind, ist bekannt und entsprechend hätte man auch Bundesländer untersuchen können, aber auch Bundesländer erlauben nicht die Unterscheidung, die doch das Wichtigste im Leben der beiden Hallenser Ernährungsforscher zu sein scheint: die Unterscheidung nach Geschlecht. Ich frage mich langsam, wie lange man harmlose Leser wissenschaftlicher Zeitschriften noch damit langweilen und penetrieren will, z.B. die Gülleproduktion oder die Produktion von Weichmachern oder von Kaffeeersatz nach Geschlecht zu differenzieren. Was mich angeht, für mich ist der Gipfel des Unsinns eigentlich schon seit einiger Zeit erreicht. Aber wie Meier und Christen zeigen, es geht immer noch weiter.

Gut, dann fordere ich die beiden Forschungsspezialisten zu einer neuen Forschung auf: Da die Nationale Verzehrstudie zeigt, dass Fleischkonsum (als Hauptumweltschädling) nach Bundesland erheblich variiert und auch zwischen Generationen variiert und man annehmen kann, dass kulturelle Vorlieben (vom Saumagen bis zum Schweinshaxen) eine gewisse Rolle dabei spielen, möchte ich gerne untersucht haben, wie sich das Münchner Oktoberfest auf das global warming auswirkt und die Effekte nach Geschlecht aufgeschlüsselt haben, damit man beim nächsten Oktoberfest zum einen, die Verbreitung von Schweinshaxen rationieren kann (, was mir als Vegetarier gut gefallen würde) und zum anderen die Zelte, in denen Schweinshaxen noch ausgegeben werden dürfen, mit dem Geschlechterproporz besetzen kann, der für die Umwelt am verträglichsten ist.

Praktische Implikationen der Forschung von Meier und Christen

Die Autoren berechnen, u.a. wie stark die Einsparungen an Kohlendioxid und Ammoniak wären, würden sich Männer in Deutschland so ernähren wie Frauen. Da die Ergebnisse der Autoren auf Aggregatebene für Deutschland vorliegen, ist diese Berechnung schlichter Unsinn, wie man sich leicht verdeutlichen kann, wenn man in die Daten blickt, denn Männer und Frauen essen Fleisch, nur Männer essen mehr Fleisch als Frauen. Wie also sieht die Anpassung der Ernährung von Männern an die Ernährung von Frauen aus? Angenommen 75% der Männer essen Fleich, aber nur 65% der Frauen. Sollen nun, im ersten Schritt, 10% der Männer zum Fleischabsentismus verurteilt werden? Doch damit endet das Problem nicht: manche Männer essen mehr Fleisch als manche Frauen, manche Männer weniger als manche Frauen und manche genauso viel wie manche Frauen. Was tun? Eine umweltoptimale Fleischmenge bestimmen und als Höchstration Männern wie Frauen vorgeben? (Um den lokalen Unterschieden gerecht zu werden, könnte man eine Form des Ablasshandel einführen, bei der sich intensive Fleischesser von weniger intensiven Fleischessern quasi deren Rechtsanspruch auf eine bestimmte Fleischmenge kaufen können.) Damit wären wir wieder dort angekommen, wo Gutmenschen-Interventionen immer ankommen: bei der Gleichschaltung, die die einzige Möglichkeit darstellt, um absurde Forderungen in die Tat umzusetzen.

Literatur
Assmann, Aleida (2009). Introduction. In: Pelinka, Anton, Bischof, Karin & Stögner, Karin (eds.). Handbook of Prejudice. Amherst: Cambria Press, pp.1-34.

Meier, Toni & Christen, Olaf (2012). Gender as a Factor in an Environmental Assessment of the Consumption of Animal and Plant-based Foods in Germany. International Journal of Life Cycle Assessment (online first).
DOI 10.1007/s11367-012-0387-x

Bildnachweis:
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