Sind Sie glücklich, und wenn ja, sind Sie das, obwohl Sie in einem “Wohlfahrtsstaat” leben?

Glücksforschung oder happiness research ist der neue Hype in der internationalen Sozialforschung. Und es sind längst nicht nur Psychologen, die sich mit dem Glück der Anderen befassen und die Bedingungen, Ursachen und Folgen von “Glück” untersuchen. Zu den am häufigsten untersuchten Fragen zählen der Zusammenhang materieller Dinge oder mehr profan, der Zusammenhang von Geld, zumeist in Form von Haushaltseinkommen, und Glück sowie die psychologischen Grundlagen von Glück. Wie immer, wenn viele Forscher in einem Brei rühren, so finden sich auch in der Glücksforschung bereits erste Differenzierungsbemühungen, ausgedrückt z.B. in einem Trend “authentisches Glück” zu bestimmen und von “falschem Glück” zu differenzieren (z.B. Seligman, 2002).

happinessBei so viel Forschung lohnt es sich, für einen Moment zurückzutreten und zu fragen, was da eigentlich erforscht wird. Was ist Glück? Wer über die Frage, was Glück ist, nachdenkt und sich die Unterscheidung in Happiness und Luck, die es in der englischen Sprache gibt, vergegenwärtig, kommt schnell zu der Feststellung, dass Glück in Deutsch, einmal einen Zustand und einmal ein Ereignis und somit zwei ganz unterschiedliche Dinge beschreibt. Zu sagen, man ist glücklich ist etwas völlig anderes als festzustellen, man habe Glück (gehabt).

Glück haben, kann man bei der Ziehung der Lottozahlen. Man kann feststellen, dass man Glück gehabt hat, wenn man aus dem Wrack des Autos klettert, das man gerade in den Graben gefahren hat. Glück kann man in Prüfungen haben, in denen man nur einen Teil des Prüfungsstoffs gelernt hat, glücklicherweise genau den, der abgefragt wurde. Glück haben, meint generell ein Ereignis, dessen Ausgang sich dem Einfluss dessen, den es trifft, entzieht.

Glücklich sein, ist etwas gänzlich anderes. Glücklich sein ist ein Zustand, der eng mit zufrieden sein zusammenhängt und insofern das Ergebnis eigener Leistung beschreibt. Man kann glücklich sein, weil man ein lang gestecktes Ziel erreicht hat. Man kann glücklich sein, weil man die Früchte harter Arbeit einstreicht. Man kann glücklich sein, weil man sich an dem freut, was zuvor getroffene Lebensentscheidungen ermöglichen. Dieses Glück ist das Ergebnis einer eigenen Anstrengung. Dieses Glück wird herbeigeführt, wenn eigene Anstrengungen in einem für sie fairen Ergebnis resultieren. Dieses Glück ist das Ergebnis eigener Entscheidungen.

happiness-2Nun, da die Bedeutungswelt von “Glück” geklärt ist, kann ich feststellen, dass wissenschaftliche Forschung, die sich mit “Glück” befasst, in der Regel mit dem Zustand “Glück” und nicht mit zufälligen Ereignissen von “Glück” befasst ist. Umso erstaunlicher ist es, dass Wissenschaftler, wenn sie die Frage untersuchen, was den Zustand “Glück” herbeiführt, immer und unweigerlich bei materiellen Werten, bei Einkommen, Status und bei (psychologischer) Gesundheit ankommen – so als wäre Glück ein Zustand, den man per Rezept erreichen kann: Man nehme einen Teil Einkommen, würze ihn mit einem Teil Status, versehe das Ganze mit zwei Teilen Eigenheim und kröne es mit einer Einheit Familie und heraus kommt ein glücklicher Papa.

“Happiness is not something ready made. It comes from your own actions”, so sagt der derzeitige Dalai Lama und verweist darauf, dass Glück eine Zustand ist, den man nur durch sein eigenes Handeln herbeiführen kann, also explizit kein Zustand, der von außen in Menschen herbeigeführt werden kann.

Dies ist der große Irrtum aller Wohlfahrtsstaatsapostel, die denken, wenn sie Menschen mit Almosen und Transferleistungen beglücken, dann machen sie die entsprechenden Menschen glücklich. Und damit offenbaren sie nur ihr illusionäres Weltbild. Wer denkt, er sei seines Glückes Schmied, der will und braucht keine Transferleistungen. Wer von sich denkt, er sei das Opfer der gesellschaftlichen Umstände und deshalb auf Transferleistungen angewiesen, der findet offensichtlich Gefallen daran, von anderen ausgehalten zu werden (oder er hat sich einreden lassen, dass er ein Recht darauf hat, sich von anderen aushalten zu lassen, einreden lassen, von Leuten, die ihr Auskommen damit bestreiten, dass sie anderen einreden, sie könnten an ihrem Zustand nichts ändern, sie seien Opfer des Systems, des Neoliberalismus, des Marktes, der Anderen …).

Kaesler
Und weil er sich als Opfer definiert, unterliegt er einer psychologischen Zwangsläufigkeit, die George C. Homans die Deprivations-Sättigungs-Hypothese genannt hat: “Je häufiger eine Person in der jüngsten Vergangenheit eine bestimmte Belohnung erhalten hat, desto weniger wertvoll wird für sie jede weitere Einheit dieser Belohnung” (Opp & Wippler, 2002, S.134). Diese Zwangsläufigkeit ist der Grund für das Scheitern aller Wohlfahrtsstaaten, denn durch ihre Transferleistungen wecken sie ständig wachsende Begehrlichkeiten, die sie selbst nicht zu decken in der Lage sind. Entsprechend können Transferempfänger, die sich mit ihrem Zustand der Alimentierung abgefunden haben, die ihren Opferstatus akzeptiert haben, nicht glücklich sein, bestenfalls können sie denken, dass sie Glück haben im 21. Jahrhundert zu leben, aber das werden sie nicht denken, statt dessen, werden sie voll Neid auf andere blicken und andere für den eigenen Zustand verantwortlich machen.

Doch zurück zum Glück: Happiness is when what you think, what you say, and what you do are in harmony.” Mahatma Ghandi hat dies gesagt und damit Glück auf eine transzendentale Stufe gestellt. Glück ist Harmonie, stellt sich dann ein, wenn man im Einklang mit sich selbst und mit seinen Zielen lebt. Dies bringt mich zurück zu der Definition von Glück als Zufriedenheit mit einem erreichten Zustand, und es führt zu der Aussage, dass man nur dann glücklich sein kann, wenn die eigenen Entscheidungen und Handlungen auch eine Chance haben, zu den mit ihnen beabsichtigten Zielen zu führen. Je mehr also Staaten in das Leben ihrer Bürger eingreifen, je mehr sie das tägliche Leben, die tägliche Handlungsfreiheit ihrer Bürger durch Vorgaben, Ratschläge, Anreize und sonstige Formen des Übergriffs gängeln, um so mehr produzieren sie entweder unglückliche Bürger oder sie produzieren sich aus dem öffentlichen Raum zurückziehende Bürger.

BartholomewDer Grund dafür ist etwas, das Dr. habil. Heike Diefenbach gewöhnlich “Selbstwirksamkeit” nennt. Selbstwirksamkeit beschreibt in seiner grundlegendsten Variante ein eigenverantwortliches Handeln, das eine beabsichtigte Folge zum Ergebnis hat. Diese Selbstwirksamkeit, an der in modernen Wohlfahrtsstaaten ein Großteil der Bevölkerung durch die tägliche amtliche Entmündigung gehindert wird, ist der Kern von Glück. Wer Selbstwirksamkeit behindert oder gar unterbindet, ist ein Feind des individuellen Glücks, und deshalb sind Wohlfahrtsstaaten dazu verurteilt,  den Neid der Transferempfänger zu schüren und diejenige, die Gegenstand des Neids und der steuernden und steuerlichen Eingriffe ihres Staates sind zu entfremden. Mit anderen Worten, ein Wohlfahrtsstaat ist der beste Weg zum Unglücklichsein.

Wie immer hat dieser Text von der Frühstücksdiskussion mit Dr. habil. Heike Diefenbach profitiert, und ich bitte Heureka47 uns ausnahmsweise einmal mit allem Feinstofflichen zu verschonen.

Epilog

Den Anlass dazu, über Glück nachzudenken, hat ein Buch gegeben, das den Titel trägt (kein Witz:), “Machen Kläranlagen glücklich?” Ein Panorama grenzüberschreitender Infrastrukturforschung. Eigentlich wollte ich dieses Buch rezensieren, aber die Rezension wäre unweigerlich nach kurzer Zeit in eine Satire und Betrachtungen darüber, wie manche Autoren mit Sprache ringen und sich in ihrer gezwungenen Lustigkeit verhäddern ausgeartet. Was anderes kann dabei herauskommen, wenn man Sätze liest wie “Dieses Buch richtet sich an Praktiker, Leute, die im richtigen Leben richtige Probleme lösen. Oder schaffen”. oder: “Es werden keine Methoden diskutiert und keine Wahrheiten verkündet. Das folgt in den Bänden II bis X”. Und obwohl man hier deutlich das Gefühlt hat, die Autoren wissen nicht, was sie schreiben, was im Hinblick auf die Wahrheiten, die sie in den Bänden II bis X verkünden wollen, misslich ist und vielleicht der Tatsache geschuldet ist, dass sie zu den Praktikern gehören, die laufend Probleme schaffen, und obwohl man geneigt ist, diese Probleme ob der Inhalte zumindest zeitweise zu übersehen, hat der ganze gute Vorsatz ein Ende (Marke implodierender Luftballon) wenn ein Text damit beginnt, dass sein Autor und in vollem Ernst erzählt, dass die Bekannten, mit denen er im Restaurant sitzt, immer dann, wenn er von den Vorteilen, die es hat, mit Urin den Dachgarten zu bewässern, redet, das Thema wechseln. Und ganz so als wäre das noch nicht genug, schließt derselbe Autor daraus, dass man nicht bei Lasagne mit ihm über Urin im Dachgarten reden will, dass man eben über so wichtige Themen nicht reden wolle. Und spätestens dann ist es vorbei mit all den guten Vorsätzen und mit der Absicht, dieses “Buch” zu rezensieren.

Literatur

Opp, Karl-Dieter & Wippler, Reinhard (2002). George Caspar Homans (1910-1989). In: Käsler, Dirk (Hrsg.). Klassiker der Soziologie. Von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu. München: Beck, S.130-151.

Seligman, Martin E. P. (2002). Authentic Happiness: Using the New Positive Psychology to Realize Your Potential for Lasting Fulfillment. New York: Schuster & Schuster.

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