Straftäter als Vorbild? Bundestag als Resozialisierungsprojekt?
Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, ist wegen Hausfriedensbruch rechtskräftig verurteilt worden.
Michael Leutert, Mitglied des Bundestages, ist wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu einer Geldbuße verurteilt worden.
Sebastian Edathy, Mitglied des Bundestags, sammelt Kinderpornographie auf seinem Bundestagsrechner. Vor Gericht wird das Verfahren gegen ihn eingestellt. Edathy zahlt ein Bußgeld und kauft sich entsprechend von Strafverfolgung frei.
Jan van Aken, Mitglied des Bundestages, wird wegen Anstiftung zu Straftaten zu einer Geldstrafe verurteilt.
Wird der Bundestag zu einer Resozialisierungsanstalt für Straftäter?
Generell ist dies möglich, denn weder im Artikel 38 des Grundgesetzes noch im Abgeordnetengesetz gibt es eine Passage, die die Wahrnehmung des Mandates eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages durch einen Straftäter ausschließt.
Vielleicht konnten sich weder die Väter des Grundgesetzes noch die für das Abgeordnetengesetz Verantwortlichen vorstellen, dass Straftäter unter denen, die im Bundestag versammelt sind, zu finden sein könnten.
Sind sie aber, und deshalb ist es misslich, dass der entsprechende Ausschluss fehlt. Jeder Polizeibeamte wird dann, wenn eine Verurteilung ein bestimmtes Strafmaß überschreitet, aus dem Polizeidienst entlassen. Aber Bundestagsabgeordneter kann man theoretisch auch dann werden, wenn man wegen Betrug, Untreue, Bandenmitgliedschaft, Totschlag, Körperverletzung oder Brandstiftung, um nur einige Beispiele zu nennen, verurteilt ist.
Der Würde des Hauses, die von Abgeordneten häufig beschworen wird, scheint dies keinen Abbruch zu tun – oder doch?
Erinnern Sie sich noch an die Argumentation, die Bundestagsabgeordnete breitgetreten haben, um die Frauenquote in Vorständen erst zu legitimieren und dann zu beschließen? Frauen, so hieß es, würden nicht nur von Männern benachteiligt, wenn es um Führungsposten ginge, sondern auch demotiviert, da ihnen die Rollenmodelle fehlten, jene weiblichen Vorstandsvorsitzenden, an denen sich weibliche Möchtegern-Vorstandsvorsitzende ein Beispiel nehmen könnten, denn natürlich nehmen sich weibliche Möchtegernvorstandsvorsitzende ausschließlich weibliche und nicht etwa männliche Vorstandsvorsitzende zum Vorbild, zum Rollenmodell.
Nehmen wir die Argumentation der Bundesfrauenlobbyisten einmal ernst und wenden sie auf die Bundestagsabgeordneten ihrerseits an. Fügen wir, bevor wir die Argumentation anwenden, noch eine Hypothese an, die da lautet: Was als kriminelles Verhalten gilt, ist das Ergebnis von Konventionen, die z.B. in einem Strafgesetzbuch niedergeschrieben sind. Die Einhaltung dieser Konventionen, die nunmehr zu Normen geworden sind, hängt von ihrer Legitimität ab. Die Legitimität der Normen hängt davon ab, dass es in der Wahrnehmung der Meisten in der Bevölkerung nicht nur vorteilhaft ist, sich an die Normen zu halten, sondern sie auch den Eindruck haben, dass den Strafgesetznormen entsprechendes Verhalten, moralisch positiv ausgezeichnet ist und von der Mehrheit einer Gesellschaft gezeigt wird.
Und hier kommen die Rollenmodelle wieder ins Spiel. Da Abgeordnete des Deutschen Bundestages gewählte Vertreter eines demokratischen Regierungssystems sind, das wiederum auf Rechtsstaatlichkeit basiert, und somit auf der Einhaltung z.B. der Normen, die im Strafgesetzbuch festgehalten sind, kommt ihnen vor allen anderen Bürgern die Funktion eines Rollenmodells zu. Sie haben 100% normenkonform zu sein, dürfen nicht einmal in den Ruch kommen, sich nicht normenkonform zu verhalten. Denn kommen sie in den Ruch, sich nicht normenkonform zu verhalten, dann steht die Legitimität der Rechtsstaatlichkeit, der Akzeptanz von Rechtsnormen und mit ihr die Legitimität des politischen Systems auf dem Spiel.
Weil dem so ist, ist es nicht zu tolerieren, dass verurteilte Straftäter im Bundestags sitzen, und es ist nicht zu tolerieren, dass Abgeordnete, gegen die ein Strafverfahren eröffnet wurde, weiterhin ihr Mandat ausüben. Zumindest müssten sie es bis zum Abschluss des Strafverfahrens ruhen lassen.
Angesichts der Menge an Humankapital, die im Deutschen Bundestag versammelt ist und angesichts der Äußerungen, die aus dem Bundestag zu hören sind, ist es schon schwer genug, den Glauben an das demokratische System Deutschlands zu behalten. Wird dieser Glaubensversuch noch durch Straftäter im Bundestag belastet, dann kann man nicht anders als vom Glauben abfallen.
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http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__45.html