Geschwätz ist keine Wissenschaft: Methodologie der SozialWISSENSCHAFTEN

Sozialwissenschaften sind bzw. waren Wissenschaften. Es ist Zeit, einmal wieder daran zu erinnern. Wissenschaft unterscheidet sich von Nicht-Wissenschaft nicht dadurch, dass erstere an Universitäten betrieben wird und letztere nicht, wie viele zu meinen scheinen, sondern durch die Methode und das Ziel, dem diese Methode dient.

Albert TraktatDas Ziel jeder Wissenschaft ist Erkenntnisgewinn, die Akkumulation von Wissen, von bewährtem Wissen. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt Wissenschaft eine Methode. Die Methode der Wissenschaft, die systematisches Sammeln von Wissen ermöglich, sie besteht darin, Theorien zu entwickeln und an der Realität zu testen. Entsprechend müssen wissenschaftliche Theorien etwas über die Realität aussagen. Fabuliertes, wie man es z.B. bei Hegel oder Habermas lesen kann, hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Es mag für den einen oder anderen gelehrt klingen oder gar interessant sein, aber so lange man aus dem, was Hegel oder Habermas von sich geben, nicht logisch korrekt Hypothesen ableiten kann, die man wiederum an der Realität testen kann, ist ihr Fabuliertes heiße Luft ohne weiteren Wert.

Entsprechend kann Wissenschaft im Ziel nur empirisch sein, d.h. die formulierten Aussagen müssen dem Ziel dienen, unser Wissen über die Wirklichkeit zu vermehren. Entsprechend ist Genderismus keine Wissenschaft. Denn entweder erzählen Genderisten im Inbrunst der Überzeugung Trivialitäten, die schon seit Aristoteles und vermutlich schon lange vor ihm bekannt waren oder sie machen Aussagen, die nichts über die Wirklichkeit aussagen oder gar der täglichen Erfahrung von Menschen widersprechen.

Dass Frauen diskriminiert werden, wo sie gehen und stehen, ist eine solche Behauptung, die, so lange sie nicht mit Antezedens-Bedingungen verbunden wird, keinerlei empirischen Gehalt hat und somit belanglos ist. Erst wenn angegeben werden kann, unter welchen empirisch messbaren Bedingungen Frauen wo und von wem diskriminiert werden und welche empirisch messbare Folge sich daraus ergibt, haben Genderisten einen Schritt in Richtung Wissenschaft getan. Bislang sind sie nicht einmal in der Lage, die einfachsten Fragen zu Erkenntnisinteresse und Erkenntnismethode zu beantworten, geschweige denn, zur Erkenntnistheorie, so dass man Genderismus mit der Kaffeedomantie auf einer Stufe sehen kann. Der einzige Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass Kaffeesatzlesen derzeit von keinem Ministerium gefördert wird, derzeit …

Sozialwissenschaften verfügen über einen Grundstock an Methoden, der sie zur Wissenschaft qualifiziert. Die 1960er bis Mitte der 1990er Jahre haben entsprechend viele Arbeiten zu Wissenschaftstheorie bzw. Methode oder Methodologie der Sozialwissenschaften gesehen. Sozialwissenschaftler haben sich damals die Frage gestellt, welche Kriterien ihre Sozialwissenschaft erfüllen muss, um als Wissenschaft zu gelten. Und Sozialwissenschaften wie die Soziologie und die Politikwissenschaft waren kurz davor, einen einheitlichen und verpflichtenden Methoden-Korpus zu entwickeln.

Die genderistische und sozialistische Unterwanderung der Sozialwissenschaften hat dies anscheinend zum Stocken gebracht, und die Sozialwissenschaften in ein Methodenbrache verwandelt, in der viele denken, qualitative Befragungen seien die Möglichkeit, sich der Mühe strukturierten Arbeitens zu entledigen und eine billige Möglichkeit, um mit dem Interview-Gesülze Seiten zu füllen. Experteninterviews sind an die Stelle von theoretischen Annahmen getreten, denn viele der derzeitigen Sozialwissenschaftler machen keine Annahmen mehr, dazu müsste man Texte lesen, Bücher am Ende und sich Gedanken machen. Das qualitative Schmarotzen in Form von vermeintlichen Experteninterviews, in deren Verlauf die möchtegern-Forscher hoffen, das zu erfahren, was sie nicht wissen, also so ziemlich alles, ist an die Stelle des eigenen Denkens getreten.

In der quantitativen Sozialforschung sieht es nicht besser aus. Das alte „data speak to me“ feiert neue Feste und Befragungen werden in der Regel nicht mehr durchgeführt, um Annahmen zu testen, sondern um die eigenen ideologischen Überzeugungen zu bestätigen.

Die empirische Sozialforschung liegt weitgehend am Boden, aber immerhin sehen empirische Sozialforscher noch die Notwendigkeit, zumindest den Versuch zu machen, eine Beziehung zur Realität herzustellen. Andere haben längst damit aufgehört, sich um die Realität zu kümmern und sind zum alten Modell der Offenbarungslehre zurückgekehrt, von dem Hans Albert noch 1991 schreiben konnte, dass es im 15. Jahrhundert überwunden wurde. Er hat die Rechnung ohne die Sozialwissenschaftler gemacht, die sich Sozialwissenschaftler nennen, weil sie einen Lehrstuhl inne haben, der eine entsprechende Bezeichnung nahelegt. Von diesem Lehrstuhl aus offenbaren sie ihrer Umwelt die von ihnen für richtig gehaltene Lehre, deren Richtigkeit man nur erkennen kann, wenn man sich eingehend mit dem Gegenstand der Heilslehre beschäftigt hat, so eingehend, wie der Verkünder der Wahrheit. Auch für diese Form des Missbrauchs wissenschaftlicher Einrichtungen gibt es Begriffe. Sie reichen von der Afterwissenschaft, wie sie Max Weber genannt hat, bis zur Kritikimmunisierung, die Hans Albert in diesen Zusammenhängen beschrieben hat.

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung der deutschen Sozialwissenschaften ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es nicht nur eine Zeit gegeben hat, in der deutsche Sozialwissenschaftler Methode und Erkenntnisinteresse hatten, es ist auch an der Zeit, auf entsprechende Veröffentlichungen hinzuweisen, ehe sie dem Vergessen anheim fallen.

Opp_MethodologieEine solche Veröffentlichung ist die „Methodologie der Sozialwissenschaften“ von Karl-Dieter Opp. Ursprünglich in den 1970er Jahren geschrieben, ist die derzeitige Version eine knappere Darstellung des ursprünglichen Buches, bereinigt um all die logischen Operatoren und Zusammenhänge, die man heutigen Studenten nicht mehr zumuten soll, weil heutige Studenten den Unterschied zwischen einer Implikation und einer Äquivalenz nicht mehr kennen. Die abgespeckte Version bietet einen leichten Zugang zu der Art und Weise, in der man Sozialwissenschaft betreibt, damit am Ende Wissenschaft und nicht Ideologie dabei herauskommt.

Opp beschreibt die Struktur sozialwissenschaftlicher Aussagen und dabei die Logik kausaler Beziehungen im Rahmen von Satzgeflechten, die man Theorie nennt. Er erklärt den Unterschied zwischen einer Erklärung, als dem, wonach Wissenschaftler streben und dem Verstehen, als dem, was Wissenschaftler können sollten, was aber nicht ihr Erkenntnisinteresse darstellt. Er gibt Beispiele für die Bildung theoretischer Modelle und wendet sich dann dem „Informationsgehalt sozialwissenschaftlicher Aussagen“ zu, also der Frage, was eine Aussage zu einer sozialwissenschaftlichen Aussage macht. Es folgt ein Kapitel über die Logik sozialwissenschaftlicher Theorienbildung. Weil Theorien nicht um ihrer selbst willen gebildet werden, sondern dazu, einen Erkenntnisgewinn zu ermöglichen, also in der Regel dazu, Probleme zu lösen, und weil Erkenntnisgewinn eine Beziehung zwischen Theorie und Empirie voraussetzt, kommt Opp im zentralen achten Kapitel seiner Methodologie zur Beantwortung der alles überragenden Frage: Wie prüft man sozialwissenschaftliche Theorien? Allein die Lektüre dieses Kapitels macht deutlich, warum so vieles, was uns derzeit als Sozialwissenschaft untergeschoben wird, nicht einmal dazu taugt, den Status einer Hypothese zugewiesen zu bekommen. Die Lektüre sei entsprechend jedem an Sozialwissenschaft Interessierten empfohlen.

Die Auseinandersetzung mit der Frage, wie man eine Theorie kritisiert, die Opp unabhängig von der Frage diskutiert, wie man eine Theorie prüft, führt schließlich zu dem, was man als gängige Praxis dessen ansehen kann, was derzeit als Sozialwissenschaften verkauft werden soll: „Wie formuliert man eine Theorie, die unprüfbar ist?“, so fragt Opp und beantwortet die Frage auch selbst:

“In Lehrveranstaltungen zur Wissenschaftstheorie stelle ich zuweilen die Aufgabe, eine sozialwissenschaftliche Theorie – z.B. die Anomietheorie – so umzuformulieren, dass sie unwiderlegbar wird und dass es möglichst schwierig wird, dies zu erkennen. Um dies zu bewerkstelligen, muss man die Begriffe möglichst unklar lassen, die Struktur der Theorie bestenfalls andeuten, und die Wenn- und Dann-Komponente so formulieren, dass die Theorie analytisch wahr (oder falsch) wird – und zwar so, dass der analytische Charakter der Theorie nicht erkennbar ist.“ (220).

Wem also eine angebliche sozialwissenschaftliche Theorie begegnet, die so komplex ist, dass man sie nicht verständlich formulieren kann, der sollte sensibel dafür sein, dass man versucht, ihn zu täuschen. Ähnliches gilt für Aussagen, mit denen behauptet wird, bestimmte Inhalte seien zu komplex, als dass man sie in einfache Aussagen verpacken könnte. Wenn bestimmte Inhalte zu komplex sind, als dass man sie in einfache Aussagen zerlegen kann, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass diejenigen, die behaupten, die Aussagen seien so komplex, in der Lage sind, sie zu verstehen, denn komplexe Aussagen überfordern die meisten Gehirne, wie jeder leicht feststellen kann, wenn er versucht, sich einen vierdimensionalen Raum vorzustellen.

Wohlgemerkt ist die Kritik von Opp eine Kritik auf hohem Niveau, denn der meiste Unsinn, der heute aus den Sozialwissenschaften kommt, schafft es nicht einmal auf die Stufe, auf der man zugestehen könnte, dass hier ein Versuch gemacht wurde, eine Theorie zu formulieren. Vermutlich ist die Komplexität der eigenen Gedanken in den entsprechenden Fällen zu groß, als dass es möglich wäre, sie in geordneter Form und für andere verständlich mitzuteilen.

Das bringt uns zur letzten Frage: Warum wirken Geschwätzburgen, die aus der Komplexität aneinandergereihter Nominalkonstruktionen bestehen, die sich bei näherem Besehen als Leeformel herausstellen, auf manche so anziehend? Die Antwort ist unseres Erachtens eine sozialpsychologische: Wessen Kompetenz nicht ausreichend, um Leerformeln als solche zu erkennen, wer Nominalkonstruktionen nachbetet, weil er sie für wahre Erkenntnis hält, der kommt auch nicht auf die Idee, dass Dritte ihn durchschauen und merken könnten, dass er versucht, sich mit leerem Geschwätz zu schmücken, das er für große Erkenntnis hält. Käme er auf diese Idee, er würde sich nicht mit leerem Geschwätz schmücken, sondern das leere Geschwätz als solches erkennen. Die Frage, was aus diesen Ausführungen für die institutionalisierten Sozialwissenschaften und das viele Geschwätz, das aus ihnen zu hören ist, folgt, ist eine Frage, die sich nun jeder selbst beantworten muss.



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