Überleben in der Bestattungsbranche: Eine Anleitung
925.239 Sterbefälle hat das Statistische Bundesamt im Jahre 2015 gezählt, so viele, wie seit 1990 nicht mehr: Sterben liegt wieder im Trend. Allein 2015 haben sich 56.883 Personen mehr zur endgültigen Ruhe begeben als 2014, ein Plus von 6,6%. Die Bestatter-Branche boomt, so sollte man meinen.
Das tut sie aber nicht, denn die „goldenen Zeiten“, die Bestatter nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt haben, als Sargpflicht und rigide Bestattungsgesetze dafür gesorgt haben, dass der Eichensarg aus deutschen Landen ein Quasi-Monopol auf den Kadaver des Verblichenen hatte, sie sind seit Beginn der 1990er Jahre vorbei.
Die Liberalisierung von Bestattungsgesetzen, kultureller Wandel beim Bestattungs-Geschmack und Konkurrenz aus dem Ausland haben das Bestattungsidyll der deutschen Bestattungsunternehmen zerstört: Seither kämpfen Sie mit Billiganbietern, versuchen mit neuartigen Bestattungs-Moden Schritt zu halten, dem Bestattungstourismus, der Leichen ob der billigeren Endlagerstätte in angrenzende Länder fliehen sieht, zu begegnen und, last but not least, mit den vielfältigen Formen, die Bestattungen heutzutage angenommen haben, Schritt zu halten: „Wer in der Bestattungsbranche überleben will“, so hat Dominic Akyel, der sich am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung mit dem Sterben befasst, schon 2011 gemahnt, „der reagiert mit neuen Produkten und Geschäftsmodellen“.
Seine Mahnung ist wohl auf taube Ohren gestoßen, denn heute findet sich bei heute.de die folgende Lamentiermeldung des Bundesverbands für Bestattungsbedarf:
“Die Sarghersteller in Deutschland leiden unter einem zunehmenden Konkurrenz- und Preisdruck aus dem Ausland. Särge kommen immer häufiger aus Osteuropa auf den deutschen Markt, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Bestattungsbedarf, Dirk-Uwe Klaas. Dort könnten sie zu wesentlich geringen Produktionskosten hergestellt werden. Mehr als 75 Prozent der in Deutschland verkauften Särge kämen mittlerweile aus dem Ausland. Dieser Trend werde sich in den kommenden Jahren fortsetzen und verstärken. Das setze die Branche hierzulande unter Druck”.
Es ist als habe sich die Unterwelt gegen deutsche Bestatter verschworen: Immer mehr Tote bevorzugen die Urne gegenüber dem Sarg: Allein in der Gemeinde Emmen liegt der Kremationsanteil bei 91,3%. Gut, dass Emmen in der Schweiz liegt, so könnte man denken, aber in Deutschland ist es nur mäßig besser: Zahlen aus Köln belegen: Die Urne läuft dem Sarg den Rang ab. Immer mehr wollen als Asche in die Urne und nicht als Kadaver in den Sarg.
Und unter denen, die noch den Sargaufenthalt der Urne vorziehen, wächst die Zahl derer, die billige Särge aus dem Ausland, teuren Särgen aus dem Inland vorziehen.
Schon in den 1820er Jahren hat der berühmte Ökonom David Ricardo darauf hingewiesen, dass es Länder gibt, die komparative Vorteile gegenüber anderen haben: Sie produzieren billiger, die Ressourcen sind billiger, der Aufwand zur Produktion ist geringer und im Endeffekt ist der Sarg billiger, selbst wenn er nach Deutschland verschickt werden muss. Nur die deutschen Bestatter kennen nicht, was Ricardo schon in den 1820er Jahren belegt hat.
Da die Zeit der Einfuhrzölle auf billige Särge aus dem Ausland vorbei ist, stellt sich die Frage, wie der deutsche Sarg als dem polnischen Billigprodukt überlegen vermarktet werden kann: „Wer nicht wirbt, stirbt“, so hat Akyel schon 2011 mit Blick auf die Bestatterbranche gesagt, und wir wollen sein Motto wiederholen und sind auf die Suche nach „best practices“, bester Werbung für beste deutsche Särge gegangen, hier ein paar der Beispiele, die wir gefunden haben:
Stahl statt Holz, Differenzierung als Mittel gegen die Konkurrenz:
Aus der Kategorie realistische Werbung für ausbruchsichere Verpackung: Stahlsarg.de:
“EINE BEERDIGUNG LÄSST SICH NICHT WIEDERHOLEN.
Sie sollte deshalb für die Angehörigen genau so verlaufen, wie sie es sich vorgestellt haben. Das ist unsere Grundeinstellung bei der Stahl Holzbearbeitung GmbH in Kleinheubach am Bayerischen Untermain.”
Die Prämisse dieser Werbung lautet, dass sich die Angehörigen eine schöne, schön teure Bestattung mit der Stahl Holzbearbeitungs GmbH in Kleinheubach am Bayerischen Untermain vorgestellt haben, eine Prämisse, die man kaum halten kann.
Die folgenden Beispiele für Sarg-Werbung versuchen über Kostenführerschaft einen Marktvorteil zu erringen.
Aus der Kategorie „Sterben muss nicht teuer sein“: Höchste Qualität, einfühlsame Betreuung bei Tiefpreisgarantie, das bietet Sargdiscount, der Aldi (Süd und Nord) unter den Bestattern, in Feuer-, Erd- und Webbestattung! Webbestattung? … nur telephonisch buchbar?
Billige Särge aus dem Standardsortiment gibt es bei Billige Särge Deutschland, Versandkostenfrei! Lieferung in nur 2-3 Werktagen!
Und ohne Inhalt. Was Sie dann mit dem Sarg machen, ist ihre Angelegenheit. Insofern scheint das Angebot noch etwas ergänzungsfähig zu sein.
Ideologische Verpackung auch nach dem Tod? Hier gibt es das richtige für das alternative Verwesen:
Auch Grüne sterben und stellen dann eine Belastung für die Umwelt dar. Damit nicht auch noch ihr Sarg als Sondermüll die Toten-Deponie belastet, gibt es extra für Grüne den Pappsarg:
“Peace Box” heißt er, aus der Schweiz kommt er. Und mit Sicherheit wird er – auch wenn es die Mehrzahl der deutschen Bestatter noch nicht wahrhaben will – zunehmend auch hierzulande zur Vielfalt des Bestattungswesens beitragen: Der ökologische Faltsarg, aus einem Stück gefertigt; und mit wissenschaftlich nachgewiesenen Umweltqualitäten.“
Durch Innovation zum Kunden:
Als Bestatter muss man mit der Zeit gehen, was die Absatzkanäle betrifft: Ebay bietet die Möglichkeit, Särge an den Kunden zu bringen und sich einen neuen Markt zu eröffnen, denn echte Särge sind der Renner jetzt zu Halloween. Einzig der Verkauf der Särge in der Kategorie, „gebrauchte Möbel“ mutet noch etwas seltsam an, aber: de gustibus non est disputandum, und warum sollen nicht auch gebrauchte Särge Käufer finden. In Zeiten zurückgehender Nachfrage, muss man neue Wege gehen und neue Kundengruppen erschließen. Ob die Nachfrage für leere Gebrauchtsärge höher ist als für gefüllte, ist indes eine Frage, die die Marktforschung bislang noch nicht beantworten kann.
Die beste Möglichkeit, den Absatz von deutschen Särgen zu erhöhen, lautet jedoch: Kundenbindung. Die Anzahl der Marketingstudien, die zeigen, dass loyale Kunden, Kunden die wiederkommen, die Kunden sind, die den größten Effekt auf den Umsatz eines Unternehmens haben, sie ist Legion. Im Amerikanischen spricht man von Repeat Business und hier ist, wie es geht:

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In Berlin warb in der Frankfurter Allee schon vor Jahren ein “Bestattungsdiscounter” (so stand das wirklich im Schaufenster) mit dem Slogan “Nie wieder zu viel bezahlen!”
Wozu überhaupt noch teuere oder weniger teure Hölzer verwenden, ein Leinensack täte es auch. Kommen die Würmer eher an ihre Beute.
@ Heiner
Vor Lachen hab ich mich mit meinem Rotwein bekleckert. Bitte nächstes Mal eine Vorwarnung. Grüße aus Berlin-Mitte (ca. 0,5km von der Frankfurter entfernt).
Und da sage noch einer, die Kapitalisten (Kleinunternehmer) seien nicht einfallsreich genug. Die springen jedem Geldbeutel hinterher, der durchs Fenster geworfen wird.
Tja, die Gier! Keiner kriegt genug! Nehmt Euch ein Beispiel an den Völkern des Himalaya. Dort wird der/die Verblichene in für die Geier schaffbare Stücke zerhackt(!) und schafft damit die Geierpopulation in Schwung zu halten…. Aber denke ich an Robinson Crusoe, fielen mir auch noch andere Möglichkeiten ein….Aber glaubt mir: Sollte ich einmal den Löffel abgeben, könnt ihr mit mir machen, was ihr wollt……
Da sollte sich mal die EU drum kümmern. Wir brauchen dringend verbindliche Normen zur Wurmresistenz von Särgen.
Die Shari’ah gibt uns hier Rechtleitung: Beerdigung ohne Sarg, nur in ein weißes Tuch eingehüllt. Ist für Moslems in Deutschland schon in einigen Gegenden gestattet, wenngleich für die Kufar weiterhin Sargpflicht besteht. Schließlich sind immer einige gleicher.
Na, dann lag ich doch gar nicht so falsch mit meinem Leinentuch.
Dieses Trallalala mit der Beerdigung ist doch inzwischen die reinste Abzocke.
Es soll sogar Leute geben, die eine Beerdigungsversicherung abschließen , um ihren Angehörigen die Kosten zu ersparen.
Ich kann nur sagen: “Nach mir die Sintflut.”