Bertelsmann-Studie: Weibliche Muslime schlechter integriert als männliche Muslime

Derzeit geht die Bertelsmann-Studie „Muslime in Europa – Integriert, aber nicht akzeptiert?“ durch die Medien. Eine Reihe von Lesern hat uns auf diese Studie und die dazugehörige Berichterstattung hingewiesen, deren Tenor weitgehend lautet: Muslime sind gut in die deutsche Gesellschaft integriert. Angesichts eines nunmehr mehrere Jahrzehnte dauernden Aufenthalts von Muslimen in Deutschland, die oft in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben, wäre alles andere auch mehr als bedenklich.

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Wir haben ein paar Abbildungen zusammengestellt, die die wichtigsten deskriptiven Ergebnisse aus der Befragung von für Deutschland 1.114 Muslimen und 1.453 Deutschen zeigt. Für uns ist jedoch nicht der deskriptive Firlefanz, der in den Medien berichtet wird, von Interesse sondern der in der Bertelsmann-Studie unternommene Versuch, die Integration von Muslimen der zweiten Generation in den Arbeitsmarkt als alleinigen Indikator für deren gesellschaftliche Integration zu erklären.

Diese Erklärung basiert zunächst auf einer mehr oder weniger verballhornten Übernahme von vier Dimensionen der Integration, die Esser zugeschrieben werden, der sie allerdings bei Berry entliehen hat. Die vier Dimensionen im originalen Akkulturationsmodell von Berry lauten Segregation, Marginalisierung, Assimilation und Integration. Bei Bertelsmann hat man die Segregation und die Marginalisierung vermutlich schon deshalb gestrichen, weil beide negativ und politisch nicht erwünscht sind und durch Platzierung und Interaktion ersetzt. Nimmt man noch Akkulturation und Identifikation hinzu, dann kommt man zu dem, was bei Bertelsmann als Modell der sozialen Integration bezeichnet wird.

Aufgelöst in die Bestandteile wird alles wieder etwas trivialer:

  • Platzierung wird durch Erwerbstätigkeit operationalisiert,
  • Akkulturation auf Spracherwerb und Schulbildung verkürzt,
  • Interaktion als Freizeitkontakt mit Einheimischen definiert und
  • Identifikation als Verbundenheit mit der Aufnahmegesellschaft angesehen (was letztlich eher Akkulturation als Identifikation misst, aber lassen wir das);

Aus Gründen, die nicht angegeben sind und von uns auch nicht nachvollzogen werden können, gilt den Bertelsmännern nur die Platzierung als erklärungsbedürftig, als multivariat erklärungsbedürftig. Multivariat scheint heute vornehmlich mit logistischer Regression einher zu gehen und die Berechnung derselben, die zum Ziel hat, auf Grundlage der abhängigen Variablen „Platzierung“ die Determinanten einer erfolgreichen Integration in die deutsche Gesellschaft zu bestimmen, ergibt Folgendes:

Alles, was in der letzten Spalte keine Sterne aufweist, kann vergessen werden, weil es n.s., also nicht signifikant ist.

Bleiben die signifikanten Ergebnisse:

Akkulturation, also bei den Bertelsmännern Sprachkenntnisse und ein formaler Bildungsabschluss erhöhen dann, wenn sie hoch sind, die Wahrscheinlichkeit von Platzierung, also von Erwerbstätigkeit, denn letzten Endes erklären die Bertelsmänner hier Erwerbstätigkeit und nicht Integration oder Platzierung.

Viele Freizeitkontakte zu Deutschen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Erwerbstätigkeit.

Der Unsinn, den logistische Regressionen dann produzieren, wenn sie von Unbedarften bedient werden, kommt darin zum Ausdruck, dass Befragte, die sich Deutschland als eher verbunden erklären, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen als Befragte, die von sich sagen, sie seien Deutschland sehr verbunden. Dass hier Unbedarfte am Werk sind, zeigt sich schon daran, dass Sie den Referenzkategorien Signifikanzen zuweisen, im Ergebnis stellt sich bei statistisch Bedarften Schüttelfrost ein.

Mit zunehmender Religiosität sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Erwerbstätigkeit (also von Platzierung für die Bertelsmänner).

Schließlich wirkt sich auch Geschlecht auf die Wahrscheinlichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, aus. Weibliche Muslime haben eine deutliche, um 60% geringere Wahrscheinlichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen als männliche Muslime.

Die Bertelsmänner berücksichtigen in ihrer Analyse ausschließlich Angehörige ab der zweiten Migrantengeneration also Befragte, die bereits in Deutschland geboren wurden.

Übrigens: Das Modell ist insofern ein sinnloses Modell als die Analysen auf Muslime beschränkt bleiben. Wollte man tatsächlich Aussagen darüber machen, ob Muslime integriert sind und wenn ja, wie gut sie integriert sind, dann muss man sie in Relation zur deutschen Bevölkerung analysieren und Letztere auch als Referenzgruppe wählen.

Folgt man den Bertelsmännern dennoch in ihrer Ansicht, dass die Platzierung auf dem Arbeitsmarkt letztlich die Variable ist, die eine gelungene Integration signalisiert, dann muss man daraus folgern, dass dieselbe bei weiblichen Muslimen in geradezu spektakulärer Weise misslungen ist. Da die weiblichen Muslime, die in der logistischen Regression berücksichtigt sind, alle in Deutschland geboren sind und alle das deutsche Bildungssystem durchlaufen haben, stellt sich die Frage: What went wrong?

Das ist doch einmal eine Frage, die die Gender Studierten beantworten könnten – oder?

Und für den Fall, dass die Gender Studierten auf ihre Lieblingsvariable springen: Es hat nichts mit Diskriminierung zu tun, denn von Diskriminierung geht keinerlei Effekt auf die „Platzierung“ aus.

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