Sie feiern, was sie nicht kennen: Der Mythos des 20. Juli
Das Attentat auf Hitler, das gescheiterte Attentat vom 20. Juli 1944, das Claus Schenck Graf von Stauffenberg als Mitglied einer Gruppe von Verschwörern, die im Wesentlichen aus dem Kreisauer Kreis, dem Freiburger Kreis und der Wehrmacht hervorgegangen war, in Hitlers Wolfsschanze ausgeführt hat (und das von einer Tischplatte vereitelt wurde), es jährt sich heute zum 74. Mal.
Und wie immer, wenn es die Möglichkeit gibt, sich öffentlich zu inszenieren und als auf der richtigen Seite stehend, zu feiern, geben sich Politiker aller Couleur ein Stelldichein, um die Männer des 20. Juli (denn Frauen waren am Widerstand gegen Hitler nicht direkt beteiligt) zu ehren und ihrem Denkmal einen Kranz zu spendieren.
Und wie sie so inszenieren, schwingen sie huldvolle Reden und heute, da die Digitalisierung selbst Politiker eingeholt hat, folgen sie dem Beispiel von Donald Trump und tweeten.
Heiko Maas zum Beispiel, der nach seinem Versuch, das deutsche Justizsystem zu beerdigen nun außenpolitischen Schaden anrichten darf. Er schreibt:
Der 20. Juli 1944 markiert den Aufbruch zu einem neuen, besseren Deutschland. Unsere Aufgabe ist es, dieses menschliche Deutschland in einem vereinten Europa zu bewahren. Zukunft braucht Erinnern. #EuropeUnited #20juli1944 https://t.co/gb9UQgonx2
— Heiko Maas (@HeikoMaas) July 20, 2018
Nun ist es immer einfach, anderen, die tot sind und sich nicht mehr wehren können, zu unterstellen, dass sie gutheißen würden, was sie heute vorfänden, wenn sie nicht von Hitlers Getreuen ermordet worden wären.
Aber ist das wirklich so?
Wir haben einmal zusammengestellt, welches politische System den Verschwörern des 20. Juli für die Zeit nach Hitler vorgeschwebt ist, um die auszuwählen, die in Regierungsämter oder Ämter mit Entscheidungsgewalt gelangen.
Heiko Maas wird sich wundern. Denn wären die Verschwörer erfolgreich gewesen, er wäre mit Sicherheit kein Darsteller im Ministeramt.
Die Frage, wie es nach dem Tod von Hitler politisch weitergehen sollte, hat z.B. Ludwig Beck sehr pragmatisch beantwortet: Er wollte „erhebliche Teile des vom nationalsozialistischen Staat Geschaffenen in den Staatsumbau herübernehmen und auf Dauer“ sichern (Mommsen 2000: 174). Die Verschwörer des 20. Juli, sie waren kein repräsentativer Sample aus der Bevölkerung. Sie waren Angehörige der oberen Mittel- und Oberschicht und als solche überwiegen konservativ und nationalkonservativ eingestellt. Sie haben in Hitler denjenigen gesehen, der die „nationale Revolution“ der 1930er Jahre verspielt hat und den Rückfall in „Parteiherrschaft, Materialismus und Bonzenherrschaft“ (Mommsen 2000: 173) zu verantworten hat.
Die politische Neuordnung des Deutschen Reiches nach der Beseitigung Hitlers war deshalb vom Bemühen geprägt, ein parlamentarisches System zu vermeiden. In ihren und – wie sie meinten – in den Augen der Mehrheit der Deutschen hatte das parlamentarische System versagt, war zum Tummelplatz von Parteisoldaten, Günstlingen und zum Ort des Parteiengezänks geworden.
Konsequenter Weise wollten die Verschwörer des 20. Juli auch keine Parteien mehr in ihrem neuen Staat sehen: „Die Verfassungspläne … waren von der Intention geprägt, auf politische Parteien im bisherigen Sinne ganz oder größtenteils verzichten zu können. Sie stellten darauf ab, das Wahlvolk in überschaubare lokale Einheiten zu zerlegen und die Bildung von Massenparteien und Abhaltung von zentral und damit notwendig emotional geführten Wahlkämpfen zu unterbinden“ (Mommsen 2000: 176).
An die Stelle von Parteien sollten „kleine Gemeinschaften“ treten, die spontan gebildet werden sollten und denen die Bestimmung oder Nominierung der Kandidaten oblag. Vor allem Helmuth James Graf von Molke (als der entsprechende Vordenker im Kreisauer Kreis) hat diese Idee ausgearbeitet und mit ihr versucht, die vorstaatliche Kommunikation zur Keimzelle politischer Willensbildung in Nachbarschaften, Vereinen, kulturellen Einrichtungen, Unternehmen, bei der Feuerwehr usw. zu machen. Sie alle galten ihm als „kleine Gemeinschaften“ und sollten ein Nominierungsrecht erhalten. Nominiert werden konnte, wer in einer kleinen Gemeinschaft ein politisches Amt wahrgenommen hat.
Keine Massenparteien, dezentrale politische Institutionen, die sich aus kleinen Gemeinschaften rekrutieren, kein zentrales Parlament, kein Parlamentarismus, keine zentralen Wahlen (von Parteienfinanzierung und Selbstbedienung an Steuergeldern ganz zu schweigen), das ist der Kern von Vorschlägen, die von Moltke, aber auch Fritz Gördeler gemacht und die im Kreisauer Kreis und unter den Verschwörern des 20. Juli nicht nur diskutiert, sondern auch gebilligt wurden.
Aber davon weiß Heiko Maas vermutlich nichts. Muss er auch nichts wissen, geht es doch nur darum, sich an einem Mythos zu laben und auf Kosten von Toten zu inszenieren.
Mommsen, Hans (2000). Alternative zu Hitler. Studien zur Geschichte des deutschen Widerstands. München: C.H. Beck.
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Die SED hat – wie ihre Schallverstärker in den gleichgeschalteten DDR-Medien – seinerzeit immer wieder versucht, sich als Nachfolger der Verschworenen zu inszenieren, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass jene aus dem bürgerlichen Lager stammten. Sie sprachen ihnen also die höheren Weihen klassenkämpferischer Parteinahme für den Sozialismus ab. Folgerichtig erstickten sie jede bürgerliche Opposition gegen die eigenen totalitären Übergriffe. Déjà vu.
Nun Graf von Stauffenberg wollte ja nie den Nationalsozialismus beseitigen, in dem er groß geworden ist. Er wollte lediglich den völlig militärisch inkompeteten Hitler (war ja nur Gefreiter) beseitigen. Das wäre so, als wollte man die “Merkel” beseitigen, aber den sonstigen Mist weiter laufen lassen. Deswegen ist er für mich kein Held.
Mit Verlaub. Der Heiko wäre auch heute Minister, wäre die Geschichte anders gelaufen. Scheixxe schwimmt immer oben. Ich stelle mir den Typen so und so immer in schwarz-weiß vor. Kennt den jemand?
Nee, der wäre in einer normalen Demokratie nie über den Aktenboten eines ländlichen Amtsgerichtes hinaus irgendwas geworden.
Claus Graf Schenk von Stauffenberg soll, so stand zu lesen, vor seiner Hinrichtung durch die ‘National’-Sozialisten ausgerufen haben: “Es lebe das Heilige Deutschland !”
Was würde der ‘International’-Sozialist aus dem Saarland in Kenntnis dessen über Stauffenberg wohl sagen? Vermutlich würde er ihn posthum zum Erz-Nazi erklären, dem nur daran gelegen war, eine mögliche Unterstützung der einzigen und wahrhaften Regimekritiker des linken Widerstandes bei Teilen der ansonsten eher regimebegeisterten Bevölkerung vollends zum Erliegen zu bringen. Der ganze sogenannte Widerstand also nur eine Maßnahme zur Verhinderung der erfolgreichen Installierung des Kommunismus (Stalinscher Prägung) in Nazideutschland durch die progressiven Kräfte, wie die da beispielsweise waren Walter Ulbricht oder Grotewohl und Konsorten. Die allerdings aktiven Widerstand eher aus dem weit entfernten und sichereren Moskau leisteten.
Nun ja….
Maas ruft zum Widerstand gegen rechte Wutbürger auf
https://www.tagesspiegel.de/politik/gedenken-an-den-20-juli-1944-maas-ruft-zum-widerstand-gegen-rechte-wutbuerger-auf/22824292.html
“Außenminister Heiko Maas (SPD) kritisiert Versuche der Rechtspopulisten, den historischen Widerstand gegen Hitler für sich zu vereinnahmen. Paul Starzmann ”
Es ist nicht wichtig, was passiert ist, sondern wie man es vermarktet. 🙂
Dies wird dann als “Geschichtswissenschaft” mit “unfehlbar” verknüpft und als Betrichterungshilfe in den Schulen verwendet.
Und nur dort wird “die Zukunft gestaltet” – langsam aber stetig.
Und da ist der Bezug zu vorherigen Beiträgen, dass Erkenntnisse unbedingt „erwünscht, ideologisch passend und als unfehlbar zertifiziert“ werden müssen, um in einer Fiktion dienlich zu sein.
(Als alteingesessener Dresdener liegen mir noch ganz andere Bespiele der ideologischen Hurerei und der “wissenschaftlichen Geschichtsforschung” auf der Zunge.)
“Er wollte „erhebliche Teile des vom nationalsozialistischen Staat Geschaffenen in den Staatsumbau herübernehmen und auf Dauer“ sichern .
Dafür hat dann Adenauer den Rest der Nazis in hohen Positionen untergebracht und das über Jahrzehnte. Aufgearbeitet ist dieser Teil der Geschichte bis heute nicht.
Dafür gelingt den Politikern heute ja so schnell eine Überrumpelung des Volkes.
Ich muss, als immerhin schon 70 Jähriger gestehen, dass ich, obwohl politisch interessiert, bisher NICHT in diesem Ausmaß wußte, was Stauffenberg und Co. wirklich vorhatten, falls das Attentat geklappt hätte.
Stets wurde uns am 20. Juli erzählt, ob in Filmen, Beiträgen, Presse und TV, und sogar in den Schulen, dass es sich bei den “Männern des 20. Juli” um here Widerstandskämpfer handeln würde. Punkt.
Ich war nach dem Lesen Ihres Artikels zunächst irritriert und dann erbost, wie die damalige und auch und erst recht die heutige Presse uns Bürger nach Strich und Faden verarxxxt.
Dafür, dass Sie in so vielen Berechen Licht in das Dunkel bringen, danke ich Ihnen herzlich, zumal ich Sie als 100 Mal glaubwürdiger einschätze als die gesamte Presse und TV. Ich werde hinsichtlich einer Spende an Sie meinen Geldbeutel überprüfen.
Nun, Stauffenberg wollte nie den “Nationalsozialismus” abschaffen, er war ja ein Kind dieser Überzeugung, er wollte nur den militärisch völlig unbedarften “Führer” loswerden.
Vielen Dank. Freut uns, wenn Sie unsere Beiträge mit Gewinn lesen.
Es ist kein Fehltritt von Maas, es ist ein neuer Spin – erdacht von jenen, die die Vereinigten Staaten von Europa um jeden Preis umsetzen wollen (oder müssen). Auch Merkel hat sich auf der Pressekoferenz am 20.7. wie Mass geäußert.
Es gibt diesen Aufruf: A call for a united Europe
https://www.tagesspiegel.de/politik/july-20th-1944-july-20th-2018-a-call-for-a-united-europe/22829728.html
Und diese Artikel des Tagesspiegels.
https://www.tagesspiegel.de/politik/20-juli-1944-20-juli-2018-eine-botschaft-fuer-ein-vereintes-europa/22820982.html
https://www.tagesspiegel.de/politik/casdorffs-agenda-botschaft-fuer-europa-am-schicksalstag-der-deutschen/22821366.html
So etwas ist kein Zufall.