EU-Kulturkonflikt: Es passt nicht zusammen, was nicht zusammengehört
Wenn es nach den Träumen von EU-Enthusiasten geht, dann ist die Europäische Union eine Wertegemeinschaft und fest zu diesen Werten gehört u.a. nicht nur die Akzeptanz von Mitgliedern anderer Religionen, sondern auch die Akzeptanz von Homosexualität.
Aber gerade im Hinblick auf diese Fragen, das zeigen Umfragen des PEW-Research Centers, wird Europa von einem tiefen Graben durchzogen, der die Westeuropäer von den Zentral- und Osteuropäern trennt. Ein Graben, der die Wert-Gleichschaltung, die offizielles Ziel der EU ist, in Frage stellt oder als gescheitert erweist.

In gewisser Hinsicht erinnern die im folgenden dargestellten Ergebnisse an Analysen von Samuel Huntington, der 1992 sein Buch mit dem reißerischen Titel „The Clash of Civilizations“ veröffentlicht hat. Den Titel würde man eher als Bezeichnung eines Computerspiels, denn als Titel eines wissenschaftlichen Buches erwarten. Wenn der Titel jedoch gewählt wurde, um maximale Aufmerksamkeit zu erreichen, dann hat Huntington gut gewählt, denn seine Ausführungen, waren seit der Veröffentlichung des Buches in aller Munde. Ausführungen, wie: Hegemoniale Religionen, die keine Abweichung neben sich dulden, sind auf dem Vormarsch (vor allem der Islam, politische Totalitarismen, wie diejenigen, die die EU als unhintergehbar bezeichnet, hat Huntington nicht berücksichtigt).
Uns sollen an dieser Stelle zwei Aussagen / Hypothesen aus dem Buch von Huntington interessieren, die für die Ergebnisse, die PEW gerade veröffentlicht hat, von Bedeutung sind: Zum einen geht Huntington davon aus, dass kulturelle Unterschiede zwischen Zivilisationen zu grundlegend sind, zu sehr in Unterschieden in Sprache, Tradition und Religion widergespiegelt werden, als dass sie überwunden und in eine Einheitskultur (wie sie der EU vorschwebt) überführt werden könnten. Zum anderen hat Huntington eine Weltkarte der Kulturen erstellt (siehe oben), auf der er die westliche Kultur, die er in Westeuropa und Nordamerika ansiedelt, u.a. von der orthodoxen Kultur Russlands und Osteuropas unterscheidet. Die Ergebnisse, die PEW gerade präsentiert hat, zeichnen diese Unterscheidung nach und geben einigen Grund für die Annahme, dass Huntington mit Blick auf die kulturellen Unüberbrückbarkeiten, die wir oben zitiert haben, Recht hat.
Fragt man Europäer eine alte Frage aus der Migrationsforschung, mit der die Integration von Migranten, deren Akzeptanz in der Aufnahmegesellschaft gemessen werden soll, nämlich, ob sie einen – in diesem Fall – Muslim als Familienmitglied akzeptieren würden, dann ergibt sich die erste erhebliche Differenz zwischen den Europäern im westlichen Teil und denen im zentralen und östlichen Teil Europas. Im westlichen Europa werden Muslime eher als Addition zur Familie akzeptiert als in Zentral- und Osteuropa.
Fragt man darüber hinaus nach der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Ehen, dann wird der Graben, der Westeuropa von Zentral- und Osteuropa trennt, noch tiefer. Während 88% der Schweden und 86% der Dänen und Niederländer der gleichgeschlechtlichen Ehe positiv gegenüberstehen, gilt dies nur für 26% der Griechen, 13% der Bosnier und 12% der Litauer, die von PEW befragt wurden, und das waren in jedem Land mehr als 1.400 Personen. Vor diesem Hintergrund muss man feststellen, dass die Behauptung, die EU sei eine Wertegemeinschaft eine Phantasie, keine Realität ist.
Und es scheint eine Realität zu sein, die ganz so, wie Huntington dies beschrieben hat, nicht überbrückbar ist. Fragt man die jeweiligen Europäer, ob sie die eigene Kultur der anderer Länder überlegen sehen, dann steigt der Anteil derjenigen, die die eigene Kultur für überlegen halten, mit der Strecke, die man von Westen nach Osten zurücklegt, an.
Vor diesem Hintergrund ist jeder Versuch, einer Werte-Gleichschaltung in Europa zum Scheitern verurteilt. Was für die EU und die intoleranten Grünen ein Problem darstellt, nicht jedoch für diejenigen, die demokratische Werte verinnerlicht haben, denn die Fragen, ob A einen Muslim in seiner Familie akzeptiert oder B die gleichgeschlechtliche Ehe gut findet, sind keine Fragen, die einer staatlichen oder suprastaatlichen Regelung zugänglich sind. Es sind private Fragen, die von individuellen Werthaltungen abhängen und keiner Wertgleichschaltung durch diejenigen zugänglich sind, die denken, sie seien im Besitz der einzigen Art, selig zu werden und müssten diese anderen aufzwingen, koste es, was es wolle.
Wenn 87% der Litauer und 77% der Letten, 79% der Bulgaren und 74% der Rumänen gleichgeschlechtliche Ehen ablehnen, dann sollte man erwartet, dass diese Werthaltung respektiert wird. Ebenso wie man es respektieren sollte, dass die Mehrzahl der Tschechen, Polen, Ungarn keine Muslime als Teil der eigenen Familie akzeptieren will. Was will man auch dagegen tun? Eine Quote für Muslime in tschechischen Familien einführen? Oder die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Ehen per Gesetz denen aufzwingen, die man zu Intoleranten erklärt hat?
Da es bei Wertfragen keine Entscheidung darüber gibt, welche nun die richtige Werthaltung ist, tut man gut daran, zwei Prinzipien einzuhalten: Erstens: Toleriert wird alles, solange es keine erheblichen, negativen Externalitäten (Kosten, verletzte oder tote Lebewesen) mit sich bringt. Zweitens: Wer seine Sichtweise anderen (mit Gewalt) aufzwingen will, der wird nicht toleriert.
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Dann unterstützen Sie bitte das private Blog ScienceFiles!
[wpedon id=66988]
ScienceFiles-Spendenkonto
Weitere Möglichkeiten, ScienceFiles zu unterstützen
Anregungen? Hinweise? Kontaktieren Sie ScienceFiles
©ScienceFiles
Wissenschaft und Information verständlich und in Klartext.
Unterstützen Sie ScienceFiles
Anregungen, Hinweise, Kontakt? -> Redaktion @ Sciencefiles.org
Wenn Ihnen gefällt, was Sie bei uns lesen, dann bitten wir Sie, uns zu unterstützen.
ScienceFiles lebt weitgehend von Spenden.
Helfen Sie uns, ScienceFiles auf eine solide finanzielle Basis zu stellen:
Entweder direkt über die ScienceFiles-Spendenfunktion spenden [das ist sicher und Sie haben die volle Kontrolle über ihre Daten]:

Oder über unser Spendenkonto bei Halifax:

HALIFAX (Konto-Inhaber: Michael Klein):
- IBAN: GB15 HLFX 1100 3311 0902 67
- BIC: HLFXG1B21B24
Wenn Sie ScienceFiles weiterhin lesen wollen, dann sind Sie jetzt gefordert.
Wäre dem Westeuropäer bewusst wie dummdreist er mit dem Propagandastück Philladelphia mit Tom Hanks belogen und eingelullt wurde, wäre das hier auch anders.
Eine Quote für muslimische Bäuche, die an christliche, deutsche Männer zu gehen haben, wäre der Integration sehr dienlich.
Aktuell ist’s ja eher wie eine semipermeable Membran.
Geschätzer Herr Klein,
es ehrt und hebt Sie hervor, wenn Sie sich als “Abwandernder” Gedanken um den inneren Zusammenhalt der EU machen.
Famoser Beitrag, über den vermutlich sehr viele Apparatschiks der EU-Nomenklatura und erst recht die grüngestrickten Lindgren-Freunde aus deutschsprech-Allemania nicht lachen können – ich schon!
Ich hätte eine Frage vonseiten eines Nicht-Sozialwissenschaftlers: Es ist ja schon auffällig, dass z.B. die Skandinavier zu 80% behaupten, sie seien bereit, Muslime in ihre Familie aufzunehmen. Wenn diese Einstellungen ehrlich sein sollten, wäre es doch zu erwarten, dass es ein hohes Maß an Integration von Muslimen in skandinavischen Gesellschaft geben müsste. Das scheint mir aber doch nicht der Fall zu sein. Könnte die Studie dann vor allem nicht besagen, dass in Westeuropa das Ausmaß an sozial erwünschten Antworten weit höher ist als in in Mittel- und Osteuropa? Wie bekommt man solche Probleme in den Griff?
Zwischen dem, was Leute in Umfragen sagen, und dem, was sie tun, besteht ein erheblicher Unterschied.
@peisistratos: Wie Herr Klein es schon nahelegte: Bei allen 1. (thematisch) „kritischen Fragen“ sowie 2. hypothetischen/abstrakten Fragen (klassische Amnesty-International-Frage: „Wären Sie bereit, Flüchtlinge in Ihrem Land/Ort/Ihrer Nachbarschaft/Ihrem Haus aufzunehmen?“) sind die Ergebnisse mutmaßlich deutlich verzerrt.
Das hat stark mit dem Punkt soziale Erwünschtheit zu tun (der möglicherweise wirklich von Land zu Land eine unterschiedliche Rolle spielt, ich glaube nicht, dass das schon mal erhoben wurde, hier dürfte das „kulturelle Meinungsklima“ mit hineinspielen)
… und auch schnöde damit, dass es eben einen Unterschied macht, ob man sich theoretisch etwas vorstellen kann oder es auch im Ernstfall in die Tat umsetzen würde. Die Offenheit für Homosexualität zum Beispiel ist in Umfragen i.d.R. größer, wenn es um allgemeine Grundsätze (Ehe für Alle) oder Arbeitskollegen oder Lehrer geht, als wenn danach gefragt wird, ob man eine lesbische Schwiegertochter/einen homosexuellen Schwiegersohn in der Familie „unproblematisch fände“. Ich bin geneigt, das wäre aber etwas böse, zu vermuten, dass abgefragte Toleranz bei vielen Menschen deutlich höher ist, wenn sie sie nicht im eigenen Alltag praktizieren müssen.
Nachzuweisen, dass sich Befragte vieles „vorstellen“ können, das sie im wahren Leben nicht umsetzen (würden), ist aber eine echte akademische Herausforderung. Umfrageinstitute problematisieren diesen Punkt bestimmt nicht so gern, … weil er ihre Zahlen relativieren würde.
Sie haben Recht.
Zunächst einmal gibt es seit vielen Jahrzehnten Forschung über soziale Erwünschtheit, aber sie wird meist als rein methodische Forschung von inhaltlichen Studien getrennt betrachtet, so dass man zwar weiß, dass es soziale Erwünschtheitseffekte gibt, aber nicht, in welcher Studie sie wie stark ist oder war. D.h. es gibt bis heute kein Standardverfahren, das in Studien zu bestimmten Themen zum Einsatz käme, um soziale Erwünschtheitseffekte in den Griff zu bekommen.
Tatsächlich beobachten wir seit einigen Jahren eine systematische Verschlechterung der Qualität von Studien, die sich normalerweise kaum mehr um irgendwelche Verzerrungseffekte (sei es soziale Erwünschtheit oder ein Interviewer-Efekt oder ein Zustimmungs-bias …) auch nur Sorgen machen.
So weit, so schlecht.
Aber: es gibt einige Studien aus neuerer Zeit, die untersucht haben, inwieweit die Antworten, die Befragte auf Fragen nach Einstellungen zu “in”-Themen bzw. Fragen nach politisch korrekten Einstellungen geben, von sozialer Erwünschtheit geprägt sind. Diese Studien kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass es mehr oder weniger deutliche Erwünschtheitseffekte gibt, übrigens BESONDERS unter Höhergebildeten, so dass sich der Zusammenhang zwischen (höherer) formaler Bildung und angeblicher (größerer) Offenheit oder Toleranz stark reduziert oder ganz auflöst. Siehe:
Man kann daher festhalten, dass die Antworten auf solche Fragen allgemein positiver sind als die tatsächlichen Einstellungen.
Festgestellt haben die jeweiligen Forscher das mit Hilfe verschiedener Verfahren, und die Forschung darüber, welche Verfahren besonders geeignet sind, Verzerrungen aufgrund sozialer Erwünschtheit, ist (vor allem derzeit) sozusagen kein besonders gut bestellter Acker. Da ist noch sehr, sehr viel zu tun. Immerhin kann man aber wieder festhalten: es gibt solche Verfahren.
Die ganze Sache wird dadurch erschwert, dass Effekte sozialer Erwünschtheit (ebenso wie andere Verzerrungseffekte) sowohl nach Nationalität bzw. kultureller Prägung als auch nach Persönlichkeit und nach jeweiligem Kontext varriieren, so dass es sehr schwierig ist, über eine bestimmte Studie hinaus angeben zu können, wie stark Verzerrungseffekte bei der Befragung zu einem Thema (in verschiedenen Ländern der Erde) genau sind.
Einige wenige Arbeiten gibt es aber auch dazu. Einen Überblick geben z.B.
Wie gesagt sind derzeit methodische Fragen der empirischen Sozialforschung nicht besonders en vogue – und sofern man sich damit derzeit beschäftigt, dann vorzugsweise mit irgendwelchen Spezialitäten irgendwelcher Algorithmen als mit Verzerrungseffekten durch Frageformulierungen, die Befragungssituation oder die Interviewer.
Das hat, glaube ich, damit zu tun, dass derzeit alle Welt emprische Sozialforschung als eine Art Marketing-Mittel betrachtet, um irgendwelche Inhalte an die Leute zu verkaufen, sie zu beeinflussen, Stimmung zu machen etc. Dabei stehen methodische Erwägungen nur im Weg.
Und eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass in der bundesdeutschen Journaille über Studie berichtet wird, die zeigen, dass politisch korrekte Einstellungen realiter weit weniger verbreitet sind als die Angaben in Umfragen suggerieren (eben wegen sozialer Erwünschtheitseffekte).
Da fällt mir ein: eigentlich könnten wir auf Sciencefiles ja ‘mal einen Text über dieses Thema schreiben ….
@Michael Klein, @eht, @Heike Diefenbach, vielen herzlichen Dank für die ausführlichen und fundierten Antworten nebst Literaturhinweisen!
Ehen, in denen der Mann Türke oder Levantiner und die Frau deutschstämmig ist, sind bekannt. Das Gelingen dieser Verbindungen hängt wesentlich von der Fügsamkeit der Frauen ab. Fälle, in denen muslimische Frauen aus freien Stücken sich einen deutschen Mann erwählt und geheiratet hätten, gab es, selten, sind aber am Widerstand von Familien, Vätern und Brüdern gescheitert.
Der fundamentale Unterschied zur Partnerwahl in den Kulturen ist, dass in der westlichen Kultur letztendlich die Frau den Partner wählt, während in der muslimischen Kultur der Frau der Partner bestimmt wird.
Ganz generell ist in der islamischen Sexualmoral das kostbarste Objekt das Hymen der Frauen. Es nur gedanklich mit einem Nichtmuslim in Verbindung zu bringen ist eine Vorstellung der Unmöglichkeit,
Es gibt keine vereinigende Wertesammlung wie uns das Wort Wertegemeinschaft suggerieren will. Unterschiedliche Kulturen sind nicht die Wertegemeinschaft. Die Schlussfolgerung, daß sie Ähnlichkeiten miteinander haben und deswegen eine Wertegemeinschaft sind, ist absurd. Der Plural stimmt nicht. Insofern trifft der Artikel genau das Absurde.
i’m moving to armenia!