Brexit-Masterplan / #PeoplesPrimeMinister – Was Mainstream-Medien verschweigen
Für die Tagesschau, die endlich das Niveau der BILD-Zeitung erreicht hat, ist Dominic Cummings „Johnsons böser Geist“. Für die BILD-Zeitung ist er der „dunkle Lord“, obwohl Cummings nicht im House of Lords sitzt. Die Alpenprawda sieht in ihm einen „skrupellosen Berater“, und wir haben keinen Zweifel, dass die gleichgeschaltete Journaille in Spiegel, ZEIT, FAZ und Welt über kurz oder lange ihre Version des Märchens von Rotkäppchen und dem bösen Wolf verbreiten wird – unter Verwendung dieser oder ähnlicher Beschimpfungen.
Wenn der Versuch, Journalismus zu betreiben, allzusehr von den eigenen Animositäten beeinträchtigt wird und darunter leidet, dass die eigene Inkompetenz mit Beschimpfung und Diskreditierung überdeckt werden soll, dann kommt regelmäßig, was vorhersehbar ist: Die emotionalen Krieger verpassen, was wirklich vorgeht.
Es gibt eine Reihe von Entwicklungen, die bemerkenswert sind und dennoch in deutschen Medien verschwiegen werden.
Die altehrwürdige London Times berichtet, dass die Tory Rebellen, die 21 ehemaligen Abgeordneten der Tories, die gemeinsam mit Jeremy Corbyns Labour und den Liberal Democrats die Hilary-Benn-Bill (No Hard Brexit Bill) durch das Unterhaus geprügelt haben, sich vorab in Brüssel, in Berlin und in Paris ihren Segen geholt haben. Dieses zu-Kreuze-Kriechen kommt im Vereinigten Königreich nicht sonderlich gut an.

Gestern haben wir von engerer Netzwerkbildung unter Brexiters berichtet, heute gibt es eine weitere Entwicklung, die zeigt, in welche Richtung der Zug im Vereinigten Königreich unterwegs ist. Seit einiger Zeit schwelt ein Konflikt, der ein von Remainern dominiertes Parlament als Gegenspieler zu den 17,4 Millionen Briten sieht, die für einen Brexit gestimmt haben. Nun hat dieser Konflikt, der bislang als Parliament against the People bekannt war, einen öffentlichen Ausdruck gefunden, und zwar als #PeoplesPrimeMinister.
Boris Johnson wird als derjenige angesehen, der sich gegen die Versuche des House of Commons stellt, das Ergebnis des Referendums zu untergraben und den Brexit zu verhindern. Die Fronten werden klarer, und es wird immer offenkundiger, dass ein Kampf mit dem Establishment stattfindet, mit denen, die seit Jahrzehnten von der EU profitieren, direkt oder indirekt, finanziell oder in anderer materieller Weise, zwischen denen, die für sich in Anspruch nehmen wollen, für andere und über deren Köpfe hinweg zu bestimmen, zwischen Pretentious Bastards in der Sprache von Quentin Letts und denen, die es sich verbeten, dass Abgeordnete über sie sprechen wollen, die von Abgeordneten erwarten, dass sie den Willen der Mehrheit der Wähler umsetzen, dass sie den Brexit verwirklichen.
Das könnte leicht zu einem neuen, das Parteiensystem umkrempelnden Konflikt werden, einem Cleavage im Sinne von Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan, der das britische Parteiensystem heftig durchschüttelt und Parteien, wie Labour, die die Kurve nicht bekommen, in den Friedhof der politischen Organisationen befördert.
Wir leben in einer sehr spannenden Zeit und erleben derzeit, wie sich außerparlamentarischer Widerstand gegen den Coup des House of Commons organisiert, das außerhalb bisher geltender parlamentarischer Grundsätze ganz offen gegen britische und für europäische Interessen Position bezogen hat, wie nicht zuletzt Jacob Rees-Mogg hier ausführt.
Parliament must respect the voice of the people as expressed in that historic vote. https://t.co/8sXyiyqT19
— Jacob Rees-Mogg (@Jacob_Rees_Mogg) September 4, 2019
Jacob Rees-Mogg ist der derzeitige Leader of the House of Commons, und er ist der Lord President of the Privy Council. Das Privy Council wiederum ist der Berater der Queen, die auf Vorschlag des Privy Council z.B. die Prorogation des Parlaments, über die in Deutschland so Vieles und so Falsches berichtet wurde, erlassen hat.
Als President of the Privy Council ist Jacob Rees-Mogg auch die zentrale Figur, wenn es darum geht, aus einer „Bill“, ein Gesetz zu machen. Die Bill, über die in Deutschland derzeit so viel geschrieben wird, die Hilary-Benn-Bill, die einen Hard Brexit zum 31. Oktober verhindern soll, ist derzeit „Bill“ nicht Law. Damit sie Gesetz (Law) werden kann, benötigt die Bill Royal Assent, also die Unterschrift der Queen. Royal Assent erteilt die Queen auf Vorschlag des Privy Council, oder sie legt, ebenfalls auf Vorschlag des Privy Council ein Veto gegen eine Bill ein, die entsprechend nicht Gesetz werden kann und auf Eis gelegt ist. Wir haben darüber schon mehrfach geschrieben.
Das bringt uns zur neuesten Entwicklung im Vereinigten Königreich, die insofern amüsant ist, als es zum ersten Mal in der Geschichte einer Demokratie eine Opposition gibt, die sich Neuwahlen widersetzt. Labour und Liberal Democrats haben bereits und wollen am Montag ein zweites Mal Neuwahlen ablehnen. Das kann nur bedeuten, dass sie vollstes Vertrauen in Boris Johnson als Prime Minister und seine Regierung haben. Und genau mit diesem Vertrauen wird in der folgenden eMail argumentiert, die geleakt wurde. Wer sie geschrieben hat, das wissen wir nicht, aber wir wissen, dass das, was in dieser eMail vorgeschlagen wird, ein gangbarer Weg ist, einer, den wir in Teilen bereits selbst beschrieben haben.
In freier Übersetzung:
Abgeordnete des House of Commons haben Neuwahlen [GE – General Election] abgelehnt.
Damit haben sie gezeigt, dass sie Boris Johnson und seiner Regierung zustimmen.
Boris Johnson wird die Queen anweisen, den Royal Assent zur Hilary-Benn-Bill zu verweigern.
Tony Blair hat das in der Vergangenheit dreimal praktiziert (auch darüber haben wir berichtet).
Wenn die Abgeordneten das Veto überstimmen wollen, müssen sie Johnson das Misstrauen aussprechen [VoNC – Vote of no confidence].
Das hätte Neuwahlen zur Folge und Johnson hätte, was er die ganze Zeit will.
Der vorgeschlagene Weg ist sicher gangbar. Ob ihn Boris Johnson auch begeht, zeigt sich am Montag.
Über einen anderen Weg berichtet der Telegraph. Demnach ist Johnson bereit, die Hilary-Benn-Bill, selbst wenn sie Gesetz wird, zu ignorieren. Diese Idee setzt das fort, was Rees-Mogg im oben verlinkten Beitrag sagt, nämlich dass ein Durchgriff der Legislative auf die Exekutive, wie sie mit der Benn-Bill beabsichtigt ist, in der bis zur Dauer der Verlängerung alles vorgegeben ist, was Johnson nach dem 19. Oktober zu tun hätte, wenn er bis dahin keine Unterstützung für einen neuen Deal oder einen Hard Brexit im Unterhaus gewinnen kann, illegal ist. Für diesen Fall wären rechtliche Auseinandersetzungen, auf die sich nach Berichten der BBC die Remainers bereits vorbereiten, wahrscheinlich.
Schließlich hat Richard James, ein Kandidat für die Brexit Partei die folgende Variante ins Spiel gebracht. Man sieht, der Möglichkeiten, die Benn-Bill zu verhindern, sind gar viele und über einen Mangel an Vorschlägen und Hinweisen können sich Johnson, Cummings und Rees-Moog sicher nicht beklagen.
The Government cannot refuse Royal Assent, but it can hold out until after prorogation next week, at which point all bills without royal consent are scrapped. Go for it @BorisJohnson far better than dying in a ditch. The people are with you..https://t.co/C6dOYzygW1
— Richard James (@skisidjames) September 7, 2019
Welche der drei Optionen Boris Johnson wählen wird?
Wir wissen es nicht. Wir tendieren zur ersten Variante, weil sie einfach mehr „fun“ beinhaltet und mehr die Handschrift von Dominic Cummings, Boris Johnson und Jacob Rees-Mogg, den die deutschen Medien immer unterschlagen, trägt.
Die Bank of England hat übrigens verlauten lassen, dass ein Hard Brexit nicht annähernd so schlimm wäre, wie ursprünglich in den „Project Fear“-Szenarien behauptet.
Und zwischen der Brexit Party und der European Research Group, der Gruppe konservativer Abgeordneter im Unterhaus, die seit 2016 den Brexit herbeiführen wollen, und deren Vorsitzender bis vor Kurzem Rees-Mogg war, gibt es bereits Verhandlungen über Wahlpakte, mit denen verhindert werden soll, dass, wie vor Kurzem in der Nebenwahl in Brecon und Radnorshire, sich Brexit Party und Conservatives gegenseitig die Stimmen wegnehmen.
All das, lesen sie in deutschen Medien nicht, weil deutsche Medien, allen voran die ARD und das ZDF, nicht einmal mehr den Anspruch auf unabhängige, ausgewogene und faire Berichterstattung erheben. Sie sind zu ideologischen Sprachrohren der Mainstream-Parteien geworden, zu deren Wurmfortsatz, der sich nur in vorgegebene Richtungen bewegt und Lobhudelei für Regierung und Systemparteien an die Stelle kritischer Berichterstattung gesetzt hat.
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Was interessiert es die Briten und was interessiert es Johnson, was die deutschen Einheitsmedien täglich an Gülle versprühen? Die nehmen die german stupids (m/w/d) von ARD und ZDF nicht mal wahr. Die öffentlich-rechtliche Propaganda dient doch nur dazu, Feindbilder in der Bevölkerung zu schaffen und vom eigenen Politik-Versagen abzulenken. Denn die wissen aber auch um das Worst-Case-Szenario, sollte es den Briten nach dem Ausscheiden aus der EU mittelfristig wirtschaftlich, finanziell und gesamtgesellschaftlich besser gehen als im Zwangskorsett der Eurokraten. Dann könnten sich nämlich auch in Deutschland die Stimmen gegen diese EU mehren.
Die Queen anweisen? Eher vorschlagen.
Damit würde sich die Queen jedoch massiv in die Politik einmischen, ob sie das tut?
Ich tendiere eher zu Misstrauensantrag gegen Johnson bzw. zur Illegalität dieses Benn-Gesetzes
Der Brexit ist teuer für den deutschen Steuerzahler. Erst Mal.
Aber alles was uns von der EU und dem €-Desaster möglichst rasch erlöst ist per Saldo besser.
Es wird zwar bald mehr abgedrückt werden müssen aber ich bin zuversichtlich, daß auch die hereinströmenden Fachkräfte und Spezialisten ihren Beitrag dazu leisten, daß das bürgerliche Werk gelingt.
Aber Spaß muß natürlich auch sein:
Was passiert, wenn Boris die Vote of no confidence verliert? Kommt es dann sofort zu einer GE? Wird sofort eine GE bestimmt? Oder erhalten die Oppositionsparteien zuvor das Recht, eine Regierung zu bilden? Falls letzteres der Fall ist – wer kann sicher sagen, daß sie es nicht schaffen?
Das ist eine wichtige Frage. Letzteres würde möglicherweise zur Salvinisierung von Johnson führen. Der Druck aus Brüssel, Neuwahlen um jeden Preis zu verhindern, wäre enorm.
https://sciencefiles.org/2019/08/05/brexit-am-31-oktober-ist-sicher-johnson-ist-eine-andere-klasse-als-may/?highlight=vote%20of%20no%20confidence
Ich habe mir den verlinkten Artikel durchgelesen. Wenn Labour am 14. oder 15. Oktober eine Vote of no confidence beantragt und diese durchgeführt hat, ist bis zum 28. oder 29. Oktober Zeit, eine neue Regierung zu bilden. Johnson wird kaum Labour- oder andere Stimmen finden, die sich ihm anschließen. Die Oppositionsparteien aber haben eine Mehrheit und können somit eine Regierung bilden. Was steht dem im Weg? Das Vertrauen, daß die Tory-Rebellen sich enthalten oder gegen Corbyn stimmen? Da wäre ich mir angesichts der Entschlossenheit, den Brexit zu verhindern, nicht sicher. Wenn eine solche Regierung gebildet würde, wäre das das wahrscheinliche Ende des Brexits, denn dann gibt es ein 2. Referendum.
Eine Frage noch: Könnten sich die Oppositions-Parteien nicht auch auf einen Kandidaten der Liberal-Demokraten als Premier-Minister einigen? Das würde den Streitpunkt Corbyn aus der Schusslinie nehmen. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob das geht, da ja Labour mit Abstand die größte Oppositionspartei ist.
So lese ich das auch. Man hat es in Italien geschafft, daß erklärte politische Gegner miteinander koalieren, um einen migrations- und EU-kritischen Ministerpräsidenten zu verhindern. Warum sollte eine solche Einigung nicht auch in England möglich sein?
Die Regierung Merkel hat massiv in Italien interveniert, um eine Euro-freundliche Regierung auf die Beine zu stellen, gegen die Mehrheit der italienischen Bevölkerung.
Dazu gibt es für Conte und Co Vorzugskonditionen und günstige Kredite.
Das wäre auch mal ein Artikel wert, liebes Sciencefiles-Team. Es steht in vielen italienischen Tageszeitungen. Deutschland ist dank der Medien ein einziges Schlafschaf.
Ohne persönlich werden zu wollen: ich kann das “Deutschland ist …” (genau genommen einer Variante von Sch…) nicht mehr hören.
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Mag ja alles ein, was da in UK passiert. Aus der Differenz zu D ergibt sich, in welchem Umfang wir unzutreffend informiert werden. Sich da nun hinzustellen und mit dem Finger zu zeigen ist ein wenig ach zu kurz gesprungen.
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Es stellt sich für einen denkenden Menschen ja nun doch die Frage, worin das seine Ursachen hat.
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Sage mir, wen du nicht kritisieren darfst …. Der Satz läßt sich durchaus variieren, etwa, wer dich so stellt, daß du erst gar nicht in die Lage kommst ihn zu kritisieren …
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Wir reden (mit dem Brexit) von Politik, nicht dem seichten Gewässer in UK sondern massiven Seegang an dem historisch gesehen die Briten ihren Anteil haben. Aber das ist eine andere Geschichte (auch die, brennender Archive).
Johnson wird sogar trumpisiert. Laut der Propagandatrompete t-online droht dem Boris nun schon das Gefängnis.
Klimax: schrill, schwachsinnig, vollidiotisch!
Das steht auch in englischen konservativen Nachrichten. Wenn Boris sich weigert, das Gesetz auszuführen, könnte ihm ein Gerichtsverfahren und eine Haftstrafe drohen. Das ist ausnahmsweise nicht Propaganda. Er könnte auch freigesprochen werden, weil nicht fest steht, ob er an das Gesetz überhaupt gebunden ist, da das Parlament hier seine Befugnisse arg strapaziert. Drücken wir Boris und seinem Team die Daumen, dass sie es schaffen, der Demokratie zu ihrem Recht zu verhelfen.
Am lustigsten übrigens sind die gekauften Kommentare in der Zeit-online unter dem Artikel “No Deal Brexit könnte Boris das Amt kosten, …Falls sich der Premier widersetzt, riskiert er eine Haftstrafe”.
Die Lohnschreiber und Schwarzmagier im Kommentarbereich haben von der Verfluchung, den großen Trump ins Gefängnis zu beten, nun auf den kleinen Boris umgeschwenkt. -O Gott, der arme Kerl, hahaha. Und beide auch noch blond, hahaha.
Das ist so einzigartig primitiv, das es schon wieder köstlich ist
Vielen Dank für diese interessanten Einsichten. Selbst in den üblichen englischen Medien liest man von den Optionen, die Johnson durchaus noch hat, nichts.
Interessant, was es für Möglichkeiten gibt.
Johnson wird aber mit Sicherheit nicht “die Königin anweisen” – was für eine Formulierung!! Ob sie sich darauf einläßt, ihre Zustimmung zu verweigern, wird sich zeigen, aber Zustimmungsverweigerung und danach Parlamentsferien wäre jedenfalls mal was anderes als nochmal mit der EU verhandeln wollen.
Es ist schon spannend, ob es den Remainern/EU nochmal gelingt, eine weitere Verzögerungsschleife einzubauen (nach dem Motto, es wird so lange abgestimmt, bis uns das Ergebnis paßt). Wenn dann noch Neuwahlen stattfinden müssen (die können ja auch nicht innerhalb einer Woche durchgezogen werden), könnte es womöglich sein, daß es am 31. Oktober gar keine Regierung gibt und wer verkündet dann den Brexit, die Königin selbst?
Apropos Dominic Cummings. Der hatte ja auf seinem Blog – der Link dazu ging vor ca. 2, 3 Jahren mal rum – einiges zur Brexit-Kampagne aufgeschrieben, das war sehr interessant und lehrreich zu lesen. Ich gewann daraus den Eindruck, daß es offenbar wirklich Cummings und sein winziges, übernächtigtes Team waren, die die Stimmung herumreißen konnten, weil sie die richtigen Ansatzpunkte für Onlinewerbung fanden. Er ist wohl einer der wenigen Nicht-Linken, die es geschafft haben, eine Kampagne loszutreten.